Kristallsterne

Es ist der Mittwoch nach der Wahrsagestunde, als mich Jackson nach dem Stundenschluss am Arm zurückhält. Ich sehe auf ihr müdes Gesicht. Sie hat so tiefe Ringe unter den Augen. „Ja?", frage ich. „Die Schatulle", erwidert sie ernst und leise. Ich runzle verwirrt die Stirn. „ich dachte wir haben schon alle Prophezeiungen schon geholt", sage ich und unsicher knete ich meine Finger. „Ja. Das dachte ich auch", gibt sie zurück. Der letzte Schüler ist gerade durch die Falltüre geklettert, da zieht sie mich zu ihrem Schreibpult, holt mit hektischen Bewegungen die Kiste aus ihrer Lade und stellt sie vor mir auf den Tisch. Es klonkt. Ich sehe sie prüfend an. „Ist alles in Ordnung bei Ihnen?", will ich wissen. „hm, was? Ja. Alles gut", sagt sie, „Es bringt mich nur etwas aus dem Konzept, dass das Schloss schimmert." Und tatsächlich. Die Einkerbung für den Daumen scheint schwach zu leuchten, als wolle sie auf sich aufmerksam machen. Ich runzle nachdenklich meine Stirn. Aber warum? Wir haben doch schon alle Prophezeiungen. Zögernd strecke ich meine Hand aus. Ich fühle das weiche Holz der Schatulle und sobald mein Daumen die dafür gedachte Stelle berührt, klappt der Deckel auf und eine Pergamentrolle, die mit einer Kordel zugeschnürt ist, liegt auf dem Samt und scheint sagen zu wollen: Na endlich. Warum habt ihr euch so lange Zeit gelassen? Ich sehe von der Prophezeiung zu Jackson und wieder zurück. Ihre Gesichtszüge zeichnen ein Bild von Erschöpfung und Verwirrung. Doch sie erwidert meinen Blick und nickt. Mit zittrigen Fingern nehme ich die Rolle in die Hand und entfalte sie.

Sterne glichen Kristall, es hieß,

als es der Zukunfts Stimmen verbließ.

Eine Schrift unters Volk hin ging,

dort, wo die Magie empfing,

die freien Wanderer.

Also geh, such-

Wo Gläser zerspringen,

wo Töne verklingen

Und sie trällern,

Arien singen.

Dort von Diamanten umrahmt,

von Gold umgarnt,

ruht sie in der Höh.

Mein Herz sinkt in meine Magengegend. Noch ein Rätsel. Noch eine Hürde. Warum? Warum können sie es nicht einfach leicht machen? Ich schließe müde meine Augen. Ich kann nicht mehr. Ich kann echt nicht mehr. Ich fühle Jacksons Hand auf meiner. Ich hebe meine Lider. Ihre Augen blicken mich mitfühlend an. „Hört es irgendwann auf?", frage ich mit rauer Stimme. Sie nickt. „Glaube mir. Irgendwann wird es leichter werden. Irgendwann ist alles wieder okay." „Was meinen Sie eigentlich damit?", frage ich eine Frage die mich schon so lange beschäftigt: „Du stehst unter dem Schutz der Sterne?" Ein Lächeln stielt sich auf ihre trockenen Lippen. „Es meint, dass die Sterne, das Schicksal, dich mit so viel Hoffnung, Liebe und Kraft beschenkt haben, sodass sie sicher sein können, dass du deinen Weg findest und mit jeder genommenen Hürde wächst. Das tun nicht viele. Viele Menschen wären an deinem Schicksal schon zerbrochen", sagt sie feierlich. Ich kann das Lächeln nur schwer erwidern. „Okay." Ich klinge genau so müde wie ich bin. „Gibt die Hoffnung nicht auf, Emily. Kämpfe weiter. Du wirst es schaffen." Ich nicke und sammle meine Kraft auf ein neues: „Okay."

oOo

Die nächsten zwei Tage bis zum Wochenende ziehen sich unendlich in die Länge. In Verteidigung gegen die dunklen Künste drückt Nushkins immer weiter seinen Stoff durch, zusätzlich zu seinen „Safe-U"-Einheiten, die er seit dem Anschlag auf den kleinen Gryffindor Erstklässler, der jetzt wieder teilweise am Unterricht teilnehmen kann, eingeführt hat. Ich liebe VgddK eigentlich aber irgendwie ist so viel... ich bin einfach wirklich, wirklich erschöpft. Meine Augenlider flattern zu. „Miss Haimerl!", bellt Nushkins quer durch den Raum. Ich fahre zusammen. „Ja?", frage ich und schlucke. Seine Stimme wird ruhiger und weicher: „Geht es Ihnen gut?" Ich nicke. „ich bin nur müde und ziemlich fertig." Er nickt nachdenklich. Seine Augen durchbohren mich für eine Weile. Dann wendet er sich an die Klasse. „Mir ist natürlich bewusst, wie anstrengend und belastend die Lage für sie alle ist. Es scheint, als sei eure Schule, mehr oder weniger euer Zuhause nicht mehr sicher, nicht wahr?" Zustimmendes Gemurmel erhebt sich in den Reihen. „Deswegen habe ich Defensive Magie zu meiner Priorität im Unterricht gemacht. Ich möchte, dass sie Selbstverteidigung so weit beherrschen, so dass sie nicht mehr fürchten müssen angegriffen zu werden. Nicht weil Sie furchtlos werden. Oder unvorsichtig. Nein. Weil Sie wissen, dass sie sich verteidigen können. Das ist mein Ziel. Ich möchte Ihnen ein Stückchen Sicherheit in diesen unsicheren Zeiten garantieren." Ich sehe unseren Verteidigungslehrer mit ruhigem, doch auch zufriedenem Gesicht an. So gehört sich das für einen richtigen VgddK-Lehrer. Ich lasse meinen Blick durch die Klasse schweifen. Peter, Alice und Mary sehen verhältnismäßig entspannt aus, Lily eher so, als wolle sie alles über Verteidigungszauber lernen, was nur möglich ist. Snape huscht durch meine Gedanken, doch ich schüttle den Kopf um ihn zu verscheuchen. Ekel erfüllt schüttle mich leicht. Remus sieht Nushkins abschätzend, doch respekterfüllt und mit ein wenig Bewunderung an. James, Sirius und Mena scheinen beinahe genauso zu denken wie ich. Ich weiß, dass er das einerseits sagt, um uns zu motivieren, damit wir mehr im Unterricht tun, aber ich denke auch, dass er es sagt, so wie er es meint. Er will uns beruhigen und Sicherheit geben. Denn wenn wir in Hogwarts nicht mehr sicher sind, wo dann?

Später am Abend sitze ich mit Marl zusammen gekuschelt auf der großen schwarz-weißen Couch in unserem Aufenthaltsraum über dem Schlafsaal. Wir haben einige Packungen Kekse bei uns stehen und Twinkey hat uns vorhin Tee und Kakao gebracht. „Aaalso", beginnt Marl mit einem Glitzern in den Augen, das nichts Gutes verheißt. „Na was?", grinse ich. „Was ist das mit dir und Benj?" ich verschlucke mich an meinem Knuddelmuffkeks und beginne zu husten. „Bitte?", krächze ich und Tränen kitzeln in meinen Augen. Dumme Kekskrümel! „Jetzt tu doch nicht so!", erwidert Mena und piekt mich in die Seite. „Ihr unternehmt andauernd was und in den Gängen umarmt ihr euch. Und wie ihr euch immer anseht. Das ist doch irgendwas." Wie zum Henker kommt sie bitte auf die Idee? Zwischen Benj und mir läuft doch bitte nichts. Da ist immer noch Toby. Es ist noch nicht lang genug her. „Nein Marli", lache ich leicht, „wir sind nur Freunde, e- echt." Fast hätte ich ernsthaft gesagt. „Wirklich Emmi? Ganz sicher?", sie sieht mich prüfend an. Ich werde etwas ernster: „Ja, ganz sicher. Ich mein, er ist super, ich mag ihn, aber eben nur als Freund." „Okay", sagt sie sanft. Ich zögre etwas, bevor ich ausspreche, was ich mir nur ganz tief drinnen gedacht habe. „Ich meine, ich glaub dass, wenn ich das mit Toby verarbeitet hab, dass vielleicht – vielleicht was aus uns wird." Ein kleines Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen, als Mena zu quietschen beginnt. „OH MERLIN!! Das ist soooo cute! Ihr wärt so süß zusammen!" Ich gluckse und mache mich auf die Knuddelattacke Menas gefasst, die einen Augenblick später auch folgt. Ich vergrabe mein Gesicht in ihrem Haar, das nach ihrem Lilienshampoo duftet, schlinge meine Arme um ihren schlanken Körper und lasse für einen Moment los. Ich fühle ihren Herzschlag und ihren Atem. Sie lebt noch. Sie ist noch bei mir. Solange sie noch da ist, wird alles gut werden. Ich entspanne mich und es ist als würde ein Berg von meinem Herz fallen. „Ich hab dich lieb", sage ich. „ich dich auch", antwortet sie. „Aber", beginne ich mit einem Schmunzeln, als ich mich von ihr löse, „Wie läuft es eigentlich mit Lucas?" „ähm, es geht", meint sie. Besorgt blicke ich sie an: „Wieso? Was ist denn los?" „Nein, keine Sorge, so schlimm ist es nicht. Ich glaub, wenn man so lange zusammen ist geht man sich nach einer Weile halt auf die Nerven. Mach dir da mal keine Sorgen. Er war nur ein bisschen ein Trottel gestern." Ich lächle schief; „Wieso das denn?" „Er hat irgendeinen Blödsinn über Sirius behauptet. Da war ich halt angefressen auf ihn." Mein Blick verfinstert sich etwas. ein Schauer läuft meinen Rücken hinab, als Bilder von einer Gestalt im Regen vor meinem inneren Auge auftauchen. „Ok, das ist verständlich", sage ich. Sie rollt mit den Augen: „Emmi, zieh nicht so ein finsteres Gesicht, das bleibt sonst noch stecken." Neckend ist ihre Stimme und ich strecke ihr meine Zunge heraus. Ich nehme mir noch einen Keks und einen Schluck von meinem Kakao. „Habt ihr eigentlich schon-?", frage ich sie. Ihr Gesicht verfärbt sich puterrot und sie schüttelt heftig den Kopf, sodass ihr blondes Haar vor ihr Gesicht fällt. Ich muss leise kichern. „Noch nicht", sagt sie verlegen. „Oho!!!!", mache ich und grinse. „Ja, aber bald", meint sie etwas leiser und wirft einen Polster nach mir. Ich muss lachen. Ein Lachen schwingt auch in ihrer Stimme mit: „Oh hör doch auf zu lachen!" Wenig später ist schon eine Polsterschlacht im Gange.

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