Für so etwas sind Freunde da

Noch am nächsten Morgen sitzt der Schock tief in meinen Gliedern als ich zum Frühstück gehe. In der Nacht bin ich mit den Mädels aufgeblieben und wir haben über Merlin und die Welt geredet, bis einer nach dem anderen eingeschlafen ist. Nur ich nicht. Ich bin am Fenster sitzen geblieben, mein Zauberstab neben mir und habe gewartet. Darauf gewartet, dass der Morgen anbricht und wieder Hoffnung schenkt. Ich ziehe meinen Pulli fester um mich. Eine hartnäckige Kälte hat sich in meinem Körper eingenistet. Ein Zittern erfasst meinen Körper. Etwas genervt gähne ich und lasse mich an einen Tisch fallen. „Gibt mir wer Kaffee?", frage ich in die Runde ein ziemlich blasser Viertklässler schiebt mir die nächstbeste Kanne zu. „Hier", sagt er und wendet sich wieder seinem Frühstück zu. Ich seufze und nehme einen großen Schluck Kaffee. Die warme Flüssigkeit schickt Energie durch meinen Körper. Es ist so still in der Halle. Die Schüler plaudern und tratschen nicht wie sonst. Man kann nur das Geklapper von Besteck und einzelne Gespräche hören. Ich seufze. Nicht dass einmal im Leben alles okay ist. Mein Blick flackert zu Regulus am Slytherintisch. Sein Blick heftet am Eingang der Halle. Auf wen wartet er? Da taucht Gwens Wuschelkopf in der Tür auf. Es ist als laufe ein Stromstoß durch seinen Körper springt er auf und lässt alles liegen und stehen und hastet auf sie zu. Ihr Gesicht ist blass und tiefe Ringe liegen unter ihren Augen. Er bleibt kurz vor ihr stehen. „Wie geht's dir?", höre ich ihn besorgt fragen. „Ich- gut, ich mein... nein", sie hebt ihren Blick vom Boden, „Angst?" Das eine Wort erklärt alles. Reg breitet die Arme aus und zieht die Ravenclaw in eine Umarmung. Ich sehe zur Seite und erblicke Dumbledor, der sich sein Schmunzeln zu verkneifen scheint. Ja, sie sind schon lieb zusammen. In fünfzehn Minuten beginnt der Unterricht, aber ich merke, dass ich mich vermutlich so gut wie nicht konzentrieren werden können. Aber ich will hier weg. Es macht mich hier alles unruhig. Dumbleodr will sicher noch was sagen. Wegen dem Jungen. Aber ich will es nicht hören. Ich muss hier weg. Ich leere meine Kaffeetasse und schnappe mir einen Toast, den ich mit Butter bestreiche und Schinken belege. Ich packe ihn in eine Serviette, stopfe ihn in meinen Rucksack, den ich mir über die Schulter werfe, und mich auf den Weg zu den Kerkern mache. Ich sollte eigentlich auf die anderen warten, aber ich will jetzt gerade einfach nur alleine sein.

Ein schwerer Kloß steckt in meinem Hals, als ich über die Stiege stolpere. Ist es nicht irgendwann genug? Ich meine, ich habe zwei Jahre auf meine Aufgabe hingearbeitet, damit wir endlich Voldemort besiegen können, mein Leben aufs Spiel gesetzt, meine Freizeit dafür verwendet. Und jetzt? Ist jetzt alles umsonst? Ich spüre wie meine Augen beginnen zu brennen und die Steinstufen vor mir verschwimmen. Ich schniefe und blinzle. Nicht weinen, Emily, nicht weinen. Nicht jetzt. Eine Reinbluterbin muss Fassung bewahren. Dabei bin ich doch nur ich. Und sie haben mir alles auf die Schultern gelegt. Alles. Und jetzt fühle ich mich auch dafür verantwortlich. Für die Sicherheit der Schule. Das Leben des kleinen Erstklässlers. Das Leben meiner Freunde. Es hängt von mir ab. „Irgh", mache ich frustriert und die ersten Tränen beginnen zu fallen. Ich bleibe stehen und schlage verzweifelt gegen die Wand. Wenn doch nur Toby da wäre. Wenn er doch nur da wäre! Ich fühl mich so verloren gerade. Es ist, als hätte ich einen Teil von mir am Bahnhof in Kings Cross zurückgelassen. „Toby", flüstere ich durch ein Schluchzen hindurch, „bitte Toby, wo bist du? Ich brauche dich." Schmerzerfüllt zieht sich meine Brust zusammen und ein Stechen durchfährt mein Herz. Ich zucke zusammen und sinke an der Wand zu Boden. Ich vergrabe meinen Kopf in meinen Händen und versuche meine Tränen unter Kontrolle zu bringen, die an meinen Fingern hinabrollen und die Schluchzer zu dämmen, die meinen gesamten Körper schütteln. Komm zu dir.

„Emmi?", irgendjemand ruft besorgt nach mir. Kontrolle. Ich nehme einen tiefen Atemzug. Doch bevor ich mich beruhigen kann, hat jemand sich neben mich gekniet und an seine Brust gezogen. „Hey.Shsh", jetzt erkenne ich Benjs Stimme, „Es ist gut. Alles ist gut. Ich bin da." Wie oft habe ich den Satz „Alles ist gut" schon gehört? Zu oft. Ich fühle eine Hand, die meinen Kopf umfasst und näher zu sich zieht. „Es ist gut. Ich bin da. Ist gut." Ich klammere mich an seinen Arm und klammere mich so an einem Felsen fest, der mich davor bewahrt in all dem Wahnsinn meinen Kopf zu verlieren. Ich versuche mich zu kontrollieren. Ich atme tief ein und aus. Ich schaffe es, mein rasendes Herz und meine aufgewühlte Seele zu beruhigen. Benj kauert neben mir, hält mich fest und flüstert mir immer wieder zu, dass alles gut sei, dass es okay ist, er sei da für mich und der schmerzhafte Nebel meiner Gedanken lichtet sich. Einige Minuten sitzen wir da, während meine Atmung ruhig wird. „Danke", flüstere ich heiser. „Bitte", sagt er, „Für so etwas sind Freunde da."

OOo

Nach dem Unterricht ist das erste was ich tue, dass ich hinauf laufe in den Nordturm. Ich brauche die letzte Prophezeiung. Ich muss endlich verstehen worum es geht. Wie alles zusammen hängt. Wie sich endlich alles klärt. Ich laufe hinauf, die ganzen Stufen hinauf, unablässig denkend. Ich brauche die scheiß Prophezeiung, um endlich ruhig schlafen zu können. Wie aufgeregt ich noch am Anfang war! Wie sehr ich mir ein Abendteuer erhofft habe. Jetzt will ich nur noch schnellst möglich zu Ende bringen, was ich angefangen habe. Außer Atem komme ich an und blicke nach oben. Keine Leiter. Na super. „Professor Jackson? Sind Sie hier?" Um mich bleibt es still. Ich seufze genervt. „Na toll", murmle ich zu mir selbst, „Kann der Tag noch besser werden?" Frustriert blicke ich mich um, um vielleicht etwas zu finden, das mir hier hinaufhelfen kann. Doch bis auf eine Spinnwebe und ein Gemälde ist nichts zu sehen. Na ganz wundervoll. Wo ist das Glück wenn man es mal braucht? Moment mal. Gehört nicht Xela der Wasserspeier-Kniesel-Gnom zu Jackson? „Xela?", rufe ich fragend in die Stille. Einen Versuch ist es ja wert. Ich warte kurz und wirklich, der grüne Wasserspeier flattert von oben herab. „Ja bitt?", fragt er, „Was tust du denn hier?" „Ich muss hinauf", beginne ich ohne Umschweife, „ich muss die letzte Prophezeiung holen. Kannst du bitte die Strickleiter hinunterlassen?" „Ist gut", erwidert er, rauscht nach oben und sogleich fällt die Strickleiter vor mir hinab. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Doch nicht ganz so im Arsch der Tag. Ich klettere rasch die Sprossen hinauf und oben angekommen steure ich ohne Umschweife auf den Schreibtisch zu. Meine Brust hebt und senkt sich unruhig. Die Schatulle steht auf einem Stapel Bücher über die Feuerlehre. Sie hat sie schon vorbereitet. Als ob sie es gewusst hätte. Ich atme tief durch und lege meinen Daumen in die Einkerbung. Der Deckel klappt hoch und auf dem Samt liegt die Pergamentrolle und ich ziehe gleich die Schleife ab und entfalte sie.

Stärke, Mut und endlose Treue,

ihren Familien gegenüber zeigen sie keine Reue.

Schwarz und blau, Wolf und Luchs,

auch verwandt mit dem Fuchs.

Die schwarze Magie, sie werden bezwingen

Der Zauberwelt endlich Frieden bringen.

Hä? Was ist mit Juliets Familie denn? Ich dachte, sie wären „gute" Reinblüter. Und wie den Frieden bringen? Langsam werde ich wahnsinnig. Der Kreis der 12 ist eh schon so zerstreut, der Basiliskenzahn ist weg und die blöden Vorfahren von Jackson können sich mal wieder nicht ordentlich ausdrücken! Da hätten sie gleich in kyrillischen Zeichen schreiben können. Egal. Das war's jetzt. Ich packe die Rolle ein und versuche meine Gedanken zur Ruhe zu bringen und in eine andere Richtung zu lenken, während ich in den Gryffindorturm zurückkehre. Sie driften ab von Prophezeiungen und Anschlägen zu vergangenen Sommertagen, unbeschwerten Stunden am Schwarzen See, Streiche und spielerische Zankereien. Zu Mango- und Schokoeiscreme und zu Freunden. Zu neuen und zu alten. Wie es wohl allen geht? Und kurz bevor ich ankomme muss ich an den Vormittag denken. An die Selbstverständlichkeit, mit der Benj da war, ohne überhaupt zu wissen, worum es geht. Ein Hufflepuff wie er im Buche steht. „Für so etwas sind Freunde da."

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