Er und ich. Du und ich.


Als ich das nächste Mal aufwache, scheint erneut das Sonnenlicht in den Krankenflügel. Ich blinzle und strecke mich. Zum ersten Mal seit langem, brennen meine Augen nicht, als ich sie öffne. Mit einem Gähnen setze ich mich auf, um mich umzusehen. „Hey", sagt jemand mit einem Lächeln. Ich drehe mich zur Seite. „Benj", begrüße ich ihn freudig. Er steht neben meinem Bett und sieht mich besorgt an: „Wie geht's dir? Marlene hat mir erzählt, dass du zusammengeklappt bist." „Jetzt geht's mir gut", erwidre ich, „Hab ja lange geschlafen." Er setzt sich auf das Bett neben mir und mustert mich. Ich sehe, dass er fragen will wieso, aber er tut es nicht. Ich seufze: „Ich hab ziemliche Probleme mit einschlafen, Alpträume et cetera." „Oh...warum hast du nichts gesagt?", will er leise wissen. „Weil sich nicht jeder andauernd Sorgen, um mich machen kann, Benj. Wir haben alle unsre Probleme... ich kann nicht dauernd irgendwen mit meinen belasten. Ich pack das schon. Es bringt mich nicht um. Das heißt, ich werde stärker rauskommen, am Ende." Benj schnaubt: „Das ist aber nicht Sinn und Zweck der Sache." „Was ist es dann?", frage ich etwas schärfer und mit mehr Verzweiflung, als gedacht, „Ich kann mich nicht einfach vergraben und nichts tun, nur weils grad nicht läuft. Die gesamte Welt bricht um uns zusammen Benj. Ich habe meine Verpflichtungen. Ich habe Menschen, die ich schützen muss, für die ich stark sein muss. Ich kann mich nicht verstecken und darauf warten, bis alles vorbei ist!" Ihm entfährt ein frustriertes Knurren: „Das verlangt auch niemand! Aber vielleicht solltest du mal überlegen, ob du dir nicht mal eine Pause gönnst. Es bringt auch nichts, wenn du ausbrennst." Seine Augen funkeln feurig. Ich sehe auf meine Hände und lasse seine Worte auf mich wirken. Er hat recht. Er hat verdammt nochmal recht. Aber ich darf nicht schwach sein. Ich muss stark sein. Tränen steigen in meine Augen.

„Emmi?", höre ich ihn leise fragen. Ich blicke auf. Benj steht auf und setzt sich neben mich. „Hey", seine Stimme ist sanft, als er mich in den Arm nimmt. Ich lege meinen Kopf auf seine Schulter und kuschle mich an seinen Hals. Tief atme ich seinen Geruch ein. „Shh", murmelt er und streicht mir über den Rücken, „ich bin da." „Danke", nuschle ich und löse mich von ihm. Meine Augen treffen auf seine und für einen Moment scheint die Zeit stillzustehen. Ich versinke in seinen grau blauen Augen. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Seine Mundwinkel ziehen sich nach oben. „Hey", wispert er. „Hey", flüstere ich zurück und versuche mein Schmunzeln zu unterdrücken. Er grinst leicht. Er bewegt sich ein Stückchen auf mich zu. Ich lehne mich nach vorne. Mein Herz pocht schneller in meiner Brust. Röte beginnt sich auf meinen Wangen auszubreiten, als sich unsre Gesichter einander nähern. Er lächelt noch breiter. Vorsichtig legt er seine Hand auf meine Wange. Meine Augen leuchten, als sie immer noch seine fixieren.

Da knallt eine Türe und wir schießen auseinander. Benjs Hand umfasst nun seinen Zauberstab und er ist aufgesprungen. Er zielt auf einen jungen Mann mit dunklen Haaren, der im Türrahmen von Madam Pomfreys Büro steht. „Was machst du hier?", seine Stimme ist argwöhnisch und sein Körper angespannt. „Beruhige dich", die Stimme des andren ist neutral, „Ich bin Madams Pomfreys Lehrling für die letzten Monate." Benj lässt den Zauberstab sinken und tritt ein Stück zur Seite, unsicher, was er tun soll. Mein Körper erstarrt und mein Herz scheint auszusetzen. Ich habe mir gestern nichts eingebildet. Im Türrahmen steht Toby Winterfield. Mein Körper spannt sich an. Wieso? Wieso ist er hier? Wieso genau in Hogwarts? Er macht einige Schritte auf mich zu. Seine grünen Augen fixieren mich. Sie schimmern dunkelgrün und müde. Ich mache eine Bewegung in Richtung Benj. Er scheint zu verstehen und rückt näher an meine Seite. Immer noch kommt Toby näher. „Was?", fauche ich, als er mich nicht aus den Augen lässt. Er wendet kurz den Blick ab, dann gibt er knapp zurück: „Ich muss deinen Zustand checken." Er steht nun neben dem Bett. „Gib mir deine Hand." Ich starre ihn finster an. Er stöhnt genervt: „Ich muss deinen Puls messen." „Das kann Benj auch machen", gebe ich patzig zurück. Toby funkelt mich an und wirft einen Blick auf Benj, der ziemlich überfordert aussieht. Er schaut zurück, so unter dem Motto „Was weiß ich denn was los ist!" Ich mustere Tobys Kiefer, seine dunklen, weichen Haare. Ich weiß noch zu gut, wie sie sich anfühlen. Meine Brust fühlt sich wie zugeschnürt an. Er wendet sich zurück zu mir. „Hat er etwa eine fünfmonatige Heilerausbildung hinter sich?", fragt er trocken, „Dann bitte, nur zu." Ich schiebe trotzig mein Kinn vor. „Ich komme mir grad verarscht vor", knurre ich, „Woher weiß ich, dass du wirklich Toby Winterfield bist und kein Todesser?" „Frag mich etwas", gibt er zurück und verschränkt die Arme vor der Brust, „irgendwas, was nur wir wissen." Ich bin etwas überrumpelt. Ich mustere ihn mit verschlossener Miene. Ich räuspere mich leise und murmle mit einem unbehaglichen Blick zu Benj: „Was hast du kurz vor unserem ersten Kuss gesagt?" Benj dreht sich zur Seite und tut so, als würde er uns nicht zuhören. Toby scheint ein Schmunzeln zu unterdrücken, bevor er leise, fast schon zärtlich sagt: „Wenn du fällst, dann bin ich da und fang dich auf. Versprochen." Ich unterdrücke ein bitteres Schnauben. Widerwillig halte ich ihm meinen Arm hin. Ich fühle seine Finger an meinem Handgelenk. Vorsichtig sucht er nach meinem Puls. Ich spüre, wie ich mich versteife. Seine Berührung fühlt sich gewohnt an, gut an. Wieso fühlt es sich gut an?! Es sollte sich nicht mehr gut anfühlen! Ich spüre die Hitze in meine Wangen steigen. Stur starre ich auf das Laken. Toby schaut auch meine Augen an, meine Atmung, meinen Blutdruck. Schlussendlich macht er einen Schritt zurück. „Fertig." „Gut", spucke ich aus. Toby wirf mir einen letzten, irgendwie enttäuschten Blick zu, bevor er sich umdreht und in Madam Pomfreys Büro verschwindet. Wieso sieht er mich enttäuscht an? Er hat Scheiße gebaut! Er hat mich vor versammelter Mannschaft sitzen gelassen und ist abgerauscht!

Ich atme geräuschvoll aus. Benj bläst die Luft aus seinen Backen: „Puuh. Das war... weird." Ich sehe ihn verwundert an. „Wieso das?" „Naja, ich kenn viele getrennte Leute, die sich einfach schüchtern und awkward umeinander benehmen und dann gibt es Leute wie euch. Die sich volle Wäsche anbeißen." „Er ist ein Arsch", grummle ich und verdränge den Schmerz, der auf ein Neues in mir aufblüht. Es ist vorbei. Ich sollte ihm nicht nachtrauern. Benj scheint zu merken, wie es mir geht, denn er setzt sich an die Bettkante und drückt mich an sich. Ich atme seinen Geruch ein und spüre, wie ich mich entspanne. Eine wohlige Ruhe erfüllt mich und vertreibt den Schock von gerade eben.

Ich werde morgen Früh entlassen , doch bis dahin muss ich noch im Krankenbett bleiben. Rem leistet mir Gesellschaft und wir philosophieren die halbe Nacht über Merlin und die Welt. Madam Pomfrey schickt Toby nicht mehr zu mir. Früh am Morgen, wache ich auf, nur um in Marls grinsendes Gesicht zu sehen. „hey!", flüstert sie, „Komm, wir holen dich hier raus." Ihre Augen funkeln belustigt. „Du rettest mir mein Leben", erwidre ich theatralisch. Ich schlage die Decke beiseite und schlüpfe in meine Schuhe. Leise mache ich mich fertig. Remus grummelt etwas, doch er dreht sich auf die andre Seite und schläft weiter. ich schnappe mir die Karte des Rumtreibers und mena an der Hand und wir huschen aus dem Krankenflügel. Ich lasse die Türe sanft ins Schloss fallen und atme erleichtert aus. „Endlich weg von da." „So schlimm?", will sie wissen, als wir die Treppe hinuntergehen. „Du hast ja keine Ahnung", murmle ich düster, „Ich meine, was zur Hölle tut er hier? Ich meine, hier in Hogwarts. Warum kann er sich nicht einfach am Ende der Welt verkriechen?" Sie zuckt mit den Schultern. Schweigend gehen wir weiter. „Du Emmi", beginnt sie ernst, „glaubst du, dass Toby...?" erschüttert bleibe ich stehen. „Nein", antworte ich wie aus der Pistole geschossen, „Nein. Er mag vielleicht ein Arschloch sein. Aber ich traue ihm sowas nicht zu. Außerdem ist er erst seit der letzten Woche da." „Ok", sagt sie. Wir steigen nun wieder die Treppen nach oben, um zum Gryffindorturm zu gelangen. Wir brauchen noch sooo viele Stufen. Wir sind für eine Weile ruhig. „Glaubst du, sie werden Hogwarts wirklich zusperren?", frage ich bedrückt, während ich mich darauf konzentriere, nicht zu stolpern. Sie seufzt leise: „ich hoffe nicht. Aber ich glaube, es ist so wie bei der kammer des Schreckens. Sie werden erst Ruhe geben, bis der Schuldige gefangen ist. Hogwarts hat ja, seit wir aufgetaucht sind, sowie so keinen guten Ruf mehr." „Stimmt", gebe ich zu und frage wütend ins Blaue: „Aber wer ist es denn jetzt!? Warum tut er das? Oder sie, weiß man ja nicht." Ich bin zornig und verwirrt. „ich weiß es auch nicht, Emmi", eriwdert Marl niedergeschlagen und sieht mich entmutigt an, „Aber wie sagst dus immer? Es herrscht Krieg. Es herrscht Angst. Und", ich sehe wie ihr Tränen in die Augen steigen, als sie nach Luft schnappt und die Lippen aufeinanderpresst. Ein Versuch nicht los zu weinen. Mein Herz schmerzt, da es mir genau so geht. „Und ich habe keine Ahnung, wie wir da rauskommen. Ob wir da rauskommen." Ihre Stimme bricht. Ihre braunen Augen sind verzweifelt und angsterfüllt auf mich gerichtet. „Ich will nicht mehr", wispert sie mit gequälter, bebender Stimme, „Ich will, dass das alles aufhört." „Ich auch, Marl. Ich auch", erwidere ich und schließe sie in den Arm. Ihre Nähe zu spüren gibt mir Halt, sowie ich ihn ihr gebe. Wir sind hier gemeinsam hineingestolpert. Zusammen. Wenn wir hier rauskommen. Dann zusammen. Oder gar nicht. Das verspreche ich mir.

Ich streiche mir die Tränen von der Wange, als wir uns lösen. Mein Herz zittert. „Ich hab keine Ahnung, wie wir weitermachen, Marlene, echt nicht. Aber wir müssen einfach weitermachen. Irgendwie. Wir müssen kämpfen. Wir haben keine andre Wahl." „Man hat immer eine Wahl", sagt sie leise, verloren. „Aber manchmal ist die andre Wahl keine Option", sage ich mit einem bitteren Lächeln. Sie atmet tief durch. Ihr Blick scheint vor Schmerz, Hoffnungslosigkeit und Bitterkeit zu glühen, als sie beginnt: „Hold on." „Pain ends", beende ich ihren Satz.

Als wir weitergehen, trifft es mich wie ein Schlag. „Scheiße. Wir sind doof." Mena wendet sich verwirrt zu mir. „Wir haben keine Begleitperson dabei." „Oh na scheiße", entfährt es ihr. Ich krame die Karte des Rumtreibers hervor. „ich schau, ob da irgendwer ist", sage ich knapp. „Ich schwöre feierlich, dass ich ein Tu-Nicht-Gut bin", hänge in einem Flüstern an. Auf dem gelblichen Pergament breiten sich in dunkler Tinte feine Linien aus, die sich überkreuzen, verästeln, in einander verschlingen. Ich falte die Laschen schnell auseinander, um unseren Korridor ansehen zu können. Weit und breit niemand zu... Moment. Doch. Da im Eck! Ein Stromstoß schient durch meinen Körper zu jagen. Ich konzentriere mich auf den Namen und atme erleichtert durch. Es ist Professor Nushkins. „Mena, Nushkins ist da den Korridor entlang. Wir können ihn fragen ob er uns begleitet." Es ist mir lieber, wir bekommen Anschiss, als dass wir von irgendwem überfallen werden. „Gute Idee", stimmt sie mir zu. Ich lösche die Karte mit einem gehauchten „Unheil angerichtet" und wir eilen los. Ich kann schon die Gestalt ausmachen, als wir schneller werden. Er bewegt sich von uns weg! Kann der Typ nicht stehen bleiben?! „Professor Nushkins!", ruft Mena außer Atem, „Bitte!" Er bleibt stehen und wendet sich überrascht zu uns um. „Meine Damen!", erwidert er besorgt und eilt auf uns zu. Keuchend komme ich zu stehen. „Wieso sind Sie ohne Begleitung?", will er mit gerunzelter Stirn wissen. „Das ist das Problem", erkläre ich mehr oder weniger, „Wir haben vollkommen vergessen, dass wir jemanden brauchen, der uns begleitet. Aber dann haben wir sie bemerkt, aber Sie uns nicht und deswegen jetzt..." „Oh", sagt er, „Dann ist es gut, dass Sie mich aufgehalten haben. Wo müssen Sie denn hin?" „In den Gryffindorturm", antwortet Marlene sichtlich beruhigt. Nushkins ist ein unglaublich starker Zauberer. Der Attentäter würde ihn nicht so leicht umlegen können. Er nestelt an den Knöpfen seines Umhanges herum. „Nun, dann wollen wir uns mal auf den Weg machen", sagt er und wir setzen uns in Bewegung. Ich spüre, wie ich ruhiger werde, als er neben uns hergeht. Wir sind in Sicherheit. Er kann uns beschützen. Und trotzdem steigt ein ungutes Gefühl in mir auf. So ein Gefühl, als würde gleich etwas gewaltig schiefgehen.

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