Des Psychopathen Krimskrams-Kiste

Ja, ich weiß auch nicht, was mich geritten hat. Eine Woche Zeit, nur einen Satz in Kopf gehabt und einfach drauf losgeschrieben. Es ist zwar ein bisschen... ähm aus dem Ruder gelaufen und ich habe schon Besseres geschrieben, aber letztendlich bin einigermaßen zufrieden.
Feedback ist auf jeden Fall Willkommen!!

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Der Täter saß auf einem schäbigen Metallstuhl. Grelles, kaltes Licht erhellte sein Gesicht, dass von Tätowierungen und Narben gezeichnet war. Er kämpfte nicht mehr gegen die Fesseln an. Es gab keinen Ausweg und offenbar hatte er sein Schicksal akzeptiert.

Auf der anderen Seite der Glasscheibe stand Marco, hochgewachsen und muskulös, die Arme verschränkt.
Betty, die hinter ihm in den Raum gekommen war und sich jetzt in einer geschmeidigen Bewegung an die Wand lehnte, zog an ihrer Zigarette. „Das ist also der Bastard", sagte sie, ihre Stimme rau vom Nikotin. Im Halbdunkeln des Zimmers glomm der Stummel in ihrer Hand.
Statt seinem Ärger Luft zu machen und Betty ganz genau zu beschreiben, wie gerne Marco dem Kerl den Hals umdrehen wollte, starrte er mit offenem Mund auf das Schauspiel jenseits der Scheibe.
Er war nicht per se dumm, aber seine grauen Zellen waren nicht von der schnellen Sorte.

Die Balkontür schwang auf. Unglaublich zufrieden mit sich stolzierte Frank Feigenbaum in sein penibel aufgeräumtes Wohnzimmer.
„Ich wusste doch, dass mein Plastik-Daumen doch noch für etwas gut sein konnte", sagte er milde belustigt und schob seine runde Brille die Nase hoch. Er wirkte seltsam zufrieden mit sich.
Dann rümpfte er die Nase, wandte ruckartig den Kopf und entdeckte Betty, die ihm lasziv den Rauch ins Gesicht blies.
„Das ist eine Nichtraucherwohnung", brachte Frank hustend hervor und wedelte demonstrativ mit der Hand. „Aber vielleicht hast du dir ja mittlerweile zu oft die Birne durchgeräuchert, um das noch im Oberstübchen verarbeiten zu können."
Betty lachte erstickt und drückte ihre Zigarette in einem Blumentopf aus. „Charmant wie eh und jeh, unser Feigenbaum."
Frank schnalzte mit der Zunge. „Wieso bist du überhaupt hier?"
Betty fing jetzt an, ihre Lockenwickler neu aufzudrehen. „Marco hat mich aus meinem Schönheitsschlaf geklingelt. Er meinte, ihr zwei bräuchtet Hilfe einen Einbrecher in die Mangel zu nehmen. Dachte mir aber, ich schau's mir erstmal an bevor ich die Bärenfalle aus dem Keller hole. Wie es scheint, kommt ihr aber auch ganz gut ohne mich zurecht."
„Wofür in drei Teufels Namen brauchst du eine- ach, weißt du was, ich will es gar nicht wissen."

Frank hatte schon längst aufgegeben, Betty zu verstehen. Sie war eine alleinstehende Frau, faltig vom Alter, vom Rauchen, und von zu viel Sonne – niemand wusste wie alt sie wirklich war und niemand wagte es zu fragen – und sie machte oft den Eindruck als würde sie einen in ihre Wohnung locken und einem dort entweder zu süßen Tee oder Gift (oder beides, so sicher konnte man sich da nie sein) einflößen wollen. Als Frank vor zehn Jahren in die Wohnung neben ihr gezogen war, hatte sie noch relativ normal gewirkt – nunja, das Einzugsgeschenk war kein Kuchen nach Omas Geheimrezept, sondern ein gigantischer, steinharter Keks in Penisform gewesen, aber nicht jede alte Dame war versiert in der Küche. Doch dann fing sie an sehr ausführlich und genüsslich zu beschreiben, wie sie ihrem vierten Ehemann die Zunge abgeschnitten hatte, während Frank mitten in der Nacht vor dem Sicherungskasten im Keller kauerte und sich wünschte er hätte jemand anderem die Taschenlampe in die Hand gedrückt. Dass er ein paar Wochen später, als er Betty ihr Paket vorbeibracht, ein sehr verdächtiges Einmachglas neben ihrer Schlüsselschale stehen sah, machte das ganze auch nicht besser – und er war sich fast sicher, dass sie es extra dort platziert hatte.

Obwohl es allen Grund gab, der Frau zu mistrauen, war Marco, der idiotische Medizinstudent, sofort zu ihr gerannt. Frank war sich nicht sicher, ob er naiv oder einfach nur dumm war – oder auf ältere Frauen stand. Vielleicht ja auch alles.
Jetzt, nachdem er minutenlang bedröppelt auf den Balkon geglotzt und von der Kabbelei nichts bitbekommen hatte, öffnete Marco den Mund. „Bro, was hast du mit dem Kerl gemacht?!"
Frank wandte sich in Richtung seines Balkons, als würde ihm der an einen Klappstuhl gefesselte, Rotz und Wasser heulende Kriminelle jetzt erst auffallen.
„Ach, das?", meinte er beiläufig, doch man konnte hören, dass er nur auf die Frage gewartet hatte. „Ich hab ihm den Plastik-Daumen dahin gesteckt wo die Sonne nicht scheint!", verkündete er boshaft.
Irritiert runzelte Marco die Stirn, als dachte er ‚Aber die Sonne scheint nachts doch eh nicht' – für einen Einser-Schüler war er nicht gerade die hellste Kerze auf der Torte – und Betty rollte mit den Augen. „In seinen Arsch", übersetzte sie.
Marcos Augenbrauen schossen in die Höhe. „No offense, Bro, aber das klingt kinda gay."
Frank stöhnte und Betty lachte. „Wenn du nicht schon einen Stock im Arsch hättest, hätte dein neuer Freund dir ja als Gegenleistung damit helfen können", sagte sie und ihr faltiges Gesicht sah aus, als würde es jeden Moment reißen, so sehr grinste sie.
„Da haben sich zwei gefunden, was?!", brummte Frank und verschränkte die Arme. „Apropos, warum könntet ihr euch beide nicht etwas angemessener kleiden?" Er deutete auf Bettys Negligé, das wenig Raum zur Imagination bot, und Marcos mit Dreck verkrusteten, nackten Oberkörper.
„Ach, und Flanellschlafanzug und Altherren-Hausschuhe sind die neuste Mode für Folterknechte?" Betty musterte Franks Outfit von oben bis unten, ihre hauchdünne Augenbraue provozierend in die Höhe gezogen.
„Ich bin doch kein-"
„Oh, doch. Dir macht das Spaß, gib es doch zu."

Frank schnalzte mit der Zunge. „Genau. Mitten in der Nacht geweckt zu werden und einen Delinquenten durch das Treppenhaus und den Hinterhof zu jagen ist meine Traumvorstellung von einer erholsamen Nachtruhe."
„Eigentlich habe ich ihn gejagt und ins Blumenbeet getackelt", warf Marco ein, als würde er dafür eine Streicheleinheit verlangen.
„Ja, das hast du ganz toll gemacht." Frank rollte mit den Augen. „Können wir uns jetzt vielleicht mal konzentrieren und überlegen, was wir mit der Heulsuse machen? Jede Sekunde, die er weiter auf meinen Boden rotzt, bereitet mir persönliche Qualen."
Betont beiläufig betrachtete Betty ihre knallrot lackierten Fingernägel. „Ich habe ein Jagdgewehr im Keller."
„Was hast du nicht im Keller?", murmelte Frank.
„Ich halte es gut in Schuss, nur für den Fall, dass ich es mal dringend brauche", erklärte sie, aber unter dem Stolz schimmerte noch etwas anderes.
Frank blinzelte. „Wir leben in einer Großstadt, Betty. Wo willst du hier jagen gehen?", fragte er, obwohl er die Antwort eigentlich nicht hören wollte – er hatte schon genug Alptraummaterial, vielen Dank auch.
„Gibt genug Ratten, auf die man schießen kann." Sie zuckte beiläufig mit den Schultern. „Oder Nachbarn."
Frank tat so, als hätte er das nicht gehört. „Wir werden nicht um drei Uhr nachts mit einem Gewehr schießen", entschied er.
„Dann schlag was Besseres vor, Boss", verlangte Betty, die genervt mit den Augen rollte als wäre den Einbrecher zu erschießen ihr voller Ernst gewesen.
Frank stöhnte und rieb sich durchs Gesicht. „Warum müssen wir ihn ausgerechnet in meiner Wohnung festhalten?", fragte er zu niemand bestimmten. Marco, wie immer laienhaft im Umgang mit Rhetorik, antwortete trotzdem. „Ich hab ein 5000-Pieces extreme Puzzle ausgebreitet, sorry. Arbeite schon die ganze Nacht daran."
Frank war ganz froh, dass Betty nicht auch noch einen (mit ziemlicher Sicherheit verstörenden) Grund lieferte.

Seufzend öffnete Frank wieder die Balkontür und es war als hätte man ein Radio aufgedreht. Der Einbrecher hockte wie ein Häufchen Elend auf seinem Stühlchen, Tränen strömten ihm über das Komm-mir-lieber-nicht-zu-nahe-ich-bringe-nur-Ärger-Gesicht und als er den Mann im sexy Schlafanzug sah, erstickte er fast an seinem eigenen Geschluchzte.
Bitte, ich tue alles", flehte er. „Nur, lasst mich gehen. Oder gebt übergebt mich den Bullen, ist mir egal. Ich gestehe."
Stumm ließ Frank die Hand durch die Pappkiste, die ordentlich mit einem Schild ‚Krimskrams' beschriftet ist, wandern. Hauptsächlich befand sich darin Ramsch, den ihm seine Mutter zum Geburtstag schickte und den er nur aufstellte, wenn sie zu Besuch kam und danach schleunigst wieder verschwinden ließ – seine Mutter war erst um Mitternacht gegangen, deshalb hatte Frank es noch nicht geschafft, die Kiste im Keller zu verrümpeln. Darüber hinaus versteckte sich darin eine Tüte Plastik-Gliedmaßen (hoffentlich gedacht als Halloween-Deko), die er statt seiner eigentlich bestellten Bambussocken bekommen hatte und bis heute fragte er sich, wie das eigentlich sein konnte. (Dieses Internet ist einfach Neuland.) Und warum er das nach PVC miefende China-Zeug nicht schon längst entsorgt hatte.
„Ist das die Kiste mit deinem Folterwerkzeug? Ich habe auch so eine im Keller." Betty räkelte sich im Türrahmen. Sie rauchte wieder.
Frank wollte es sich ja erst nicht eingestehen, aber verflucht, die Rolle des Kerkermeisters war großartig. Der Täter schlotterte mit den Zähnen, als Franks Hand über einem kitschigen Porzellanengel schwebte. Er wandte sich voller Verzweiflung an Betty und Marco, die semi-interessiert das Geschehen verfolgten. „Ich weiß ich hätte das nicht tun sollen, aber meine Familie- ich habe eine Tochter- wir wollten doch nur-" Er stotterte und seine Augen quollen hervor. „Sie wünscht sich so gerne dieses Barbie-Traumhaus, aber wir können es uns einfach nicht-" Er brach ab und fuhr mit erstickter Stimme fort. „Er ist verrückt. Er wird mich umbringen."
„So weit wird Feigenbaum nicht gehen", versicherte Betty ihm. „Wenn er kalte Füße bekommt, übernehme ich."
„W-Was?!", keuchte er. Jetzt sprach er Marco an. „Bitte, ich schwöre bei Gott, ich werde mich hier nie wieder blicken lassen. Bitte." Der Täter wurde immer leiser. „Ich will doch nur nach Hause."
Ein Hauch von Mitleid schlich sich auf Marcos Gesicht, doch er grummelte: „Du hast mich beim Puzzeln unterbrochen, also sorry, Bro."
Frank griff nach einem der hässlichen Engel. „Von mir aus könntest du dem Allmächtigen auch dein malträtiertes Hinterteil zeigen. Meine Bibel ist das Grundgesetz." Frank warf sich in die Brust, als wolle er die Nationalhymne anstimmen, aber so patriotisch gestimmt war er dann auch wieder nicht – und er hatte eine grässliche Singstimme.
Stattdessen ging er in die Knie und hielt dem Einbrecher die Dekofigur vor die Nase. Der Täter verstummte. „Ich hätte da noch so einiges in Petto.", sagte er mit etwas wie Vorfreude.
Marco räusperte sich. „Seriously, Bro, ich glaub, ich hab lowkey Angst vor dir." Nervös lachend kratze er getrocknete Erde von seinem Bizeps.
Franks Augenbraue zuckte, als die Bröckchen zu Boden bröselten. „Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob ich dich lieber mit einem Duden oder einem Besen zu Tode prügeln soll", sagte er ruhig.
„... Eh?", machte Marco und alle Farbe wich aus seinem Gesicht.
Betty sprang wieder als Übersetzerin ein. „Das ist der Moment, in dem du realisierst, dass alle deine Nachbarn Psychopathen sind und du dich besser aus dem Staub machst." Sie klopfte ihm kameradschaftlich auf die nackte Schulter. „Vergiss einfach, was du hier gesehen hast und geh dein Puzzle mit- was war da noch gleich drauf, Katzen?-"
„Nichts."
„Wie, nichts?"
„Es ist all-black."
Betty blinzelte einen Augenblick irritiert, dann musterte sie Marco anerkennend. „Weißt du was, ich glaube du passt doch ganz hervorragend hierein."
Marco wurde rot. Betty zog an ihrer Zigarette und murmelte: „Kein Motiv aufm Puzzle, wo bin ich hier nur gelandet?", als wäre das das merkwürdigste an der gesamten Nacht-und-Nebel Aktion.

„Seid ihr zwei endlich fertig?!", grummelte Frank. „Ich habe hier etwas zu erledigen." Entnervt wandte er sich zu seinen Nachbarn um. „Was gibt's da zu grinsen, Betty?"
Sie kicherte. „Ich sagte doch, dir macht das unheimlich Spaß, Feigenbaum."
Frank hätte etwas erwidert. Nur leider hatte sie recht.
„Ja, ja, ich gebe es ja zu." Obwohl er es verhindern wollte, schlich sich ein manisches Grinsen auf seine Lippen. „Bist du jetzt zufrie-"
„Oh, er entkommt", unterbrach Marco ihn fast schon beiläufig.
„WAS?!" Frank wirbelte herum. Der Einbrecher hatte sich samt Stuhl über die Balkonbrüstung geworfen und krachte einen halben Meter weiter unten auf den sorgfältig gestutzten Rasen. In Windeseile hatte er sich aufgerappelt und mit Trippelschritten eierte er so schnell davon wie es ihm die halb runtergelassene Hose und der Stuhl am Rücken erlaubten.
Frank umklammerte den hässlichen Engel.
„Weißt du was, Betty? Jetzt hätte ich doch gerne das Jagdgewehr."



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