Kostas Leben
Kostas
Ich hatte lange nicht mehr so offen und locker mit meiner Mutter gesprochen. Trotzdem freute ich mich, als wir endlich wieder zuhause waren. Ich schloss die Tür auf und stellte meinen Koffer in den Flur.
"Hast du Hunger?"
"Ne. Ich geh in mein Zimmer."
Meine Mutter nickte. Ich schnappte mir meinen Koffer und stolperte fast über den Staubsauger. Dann lief ich die Treppen hoch und stieß dabei fast den Eimer mit Wasser samt den Reinigungsmitteln um.
Meinen Koffer stellte ich erstmal in einer Ecke ab und sah mich in meinem Zimmer um. So hatte ich es definitiv nicht verlassen. Meine Mutter hatte aufgeräumt. Ich schaute zum ersten Mal nach Wochen wieder auf mein Handy und hatte Hunderte von Nachrichten. Die meisten waren aber belanglos, da es nur Gruppen waren. Schließlich wussten meine Freunde, dass ich mein Handy während des Aufenthalts im Camp nicht dabei hatte.
Ich war gerade dabei mir alles durchzulesen, als es an meiner Tür klopfte. Meine Mutter steckte die Kopf durch die Tür.
"Kostas?"
"Ja?"
"Du müsstest heute noch wohin."
"Wo denn hin? Zu Oma? Och Mom, ich bin grad erst wieder da und hab echt-"
"Nein. Nein. Nicht zu Oma. Zu deinem... Dad."
Ich schaute sie mit großen Augen an. Dad? Aber er saß doch im Knast.
"Er würde gerne mit dir sprechen. Die Polizisten meinen, dass das in Ordnung geht."
"Nein."
"Kostas-"
"Nein! Ich werde nicht mit ihm reden. Ich will nichts von ihm wissen."
"Schatz, hör mir zu. Ich weiß nicht was er von dir will. Er hat darauf bestanden, mit dir zu reden."
"Hast du ihn besucht?"
"Nein. Ich habe mit ihm telefoniert."
"Wieso hast du das getan?"
"Weil er immer noch mein Mann ist. Und er ist immer noch dein Dad."
"Er ist nicht mein Dad! Er ist ein Arschloch!"
"Hör auf so zu reden. Bitte, tue mir den Gefallen und geh zu ihm."
Ich seufzte und sah wie wichtig es meiner Mom war.
"Okay. Aber ich tue es nur dir zu Liebe."
"Danke mein Schatz. Ich räum mal deinen Koffer aus und wasche deine Sachen. Zieh dir noch etwas anderes an. Du hattest die Klamotten die ganze Autofahrt über an."
"Na und? Ich hab doch nicht-" Ich unterbrach mich selbst. "Mach ich Mom."
Ich wollte nicht mit ihr Diskutieren. Ich konnte mir wahrscheinlich nicht mal ansatzweise vorstellen wie schlimm alles für sie sein muss. Und wenn ich jetzt auch noch anfange mich mit ihr zu streiten, würde alles nur wieder von vorne beginnen. Und das wollte ich nicht. Nicht, solange es gerade so gut läuft. Also holte ich mir aus meinem Kleiderschrank ein paar neue Klamotten, zog diese an und lief los zur Bahn.
Während der Bahnfahrt, antwortete ich auf weitere Nachrichten.
Joey: Bro, bist du schon wieder da? Sind beim Skaterpark, wenn du Bock hast vorbeizukommen.
Kostas: Alles klar. Komme später vielleicht noch.
Joey war mein bester Freund. Mit ihm wird es nie langweilig. Wir haben schon so viel Scheiße miteinander gebaut. Meine ganzen Freunde wussten, dass mein Vater im Knast saß. Doch sie wussten nicht warum und das sollte auch so bleiben. Ich wollte es ihnen nicht erzählen. Jedoch ging es vielen von meinen Freunden so ähnlich. Irgendjemand aus der Familie saß bei jedem im Knast. Das war wahrscheinlich auch der Grund, warum wir alle zusammen abhingen und uns so gut verstanden. Auf einer gewissen Art und Weise teilte wir alle etwas.
Der Bahnhof war nur fünf Minuten Fußweg vom Gefängnis entfernt. Ich hatte meinen Vater noch nie besucht und das war eigentlich auch gut so. Trotzdem war ich ziemlich aufgeregt. Ich hatte ihn seit Jahren nicht mehr gesehen. Wie sah er jetzt wohl aus? Was wollte er von mir? Warum wollte er ausgerechnet jetzt mit mir reden?
Nach den ganzen Sicherheitsvorkehrungen die getroffen werden mussten bevor ich in den Besucherraum eintreten durfte, wurde ich zu einem Tisch gebracht. Dort saß ich nun und sah, dass die Wärter einen Gefangenen nach den Anderen reinbrachten. Dann kam plötzlich ein Mann auf mich zu. Mein Vater. Er sah noch genauso aus wie früher. Nur, dass er jetzt einen Bart hatte.
"Hey, Kostas.", begrüßte er mich.
"Hi.", antwortete ich knapp. "Warum sollte ich herkommen?"
"Ich wollte dich sehen und wissen wie es dir geht."
Ich zog die Augenbrauen hoch. Für wie dumm hält er mich eigentlich?
"Du willst wissen wie es mir geht? Jetzt plötzlich? Du hängst seit Jahren in diesen Loch rum, hast dich nicht einmal bei mir gemeldet. Und jetzt willst du plötzlich wissen wie es mir geht? Verarschst du mich gerade?"
"Kostas, ich komme bald raus. Die Wärter haben es mir versprochen."
Mein Herz blieb kurz stehen. Ich konnte nicht glauben, was er gerade gesagt hatte.
"Ich weiß, dass du sauer auf mich bist. Aber ich will mich bei dir entschuldigen. Wenn ich hier raus bin, möchte ich, dass wir wieder ganz normal zusammenleben können."
"Zusammenleben? Du willst zurück zu uns ziehen?"
"Natürlich. Wir sind doch eine Familie."
Ich lachte ironisch. "Wir sind keine Familie mehr. Du hast es verkackt. Du hast es geschafft, dass wir nie wieder eine Familie sein werden. Ich scheiß auf deine Entschuldigung. Wenn du zurück kommst und Mom irgendwas tust, werde ich wieder die Polizei rufen. Jedes Mal wieder."
"Kostas, sei vernünftig." Seine Stimme senkte sich und klang plötzlich bedrohlich.
"Ich werde wieder nachhause kommen und wir werden eine Familie sein."
"Du kannst dir deine Familie in den Arsch stecken.", sagte ich leise und wütend.
Bevor er noch etwas erwidern konnte, stand ich wortlos auf und ging. Ich schaute nicht nochmal zurück. Was dachte er denn, wer er ist? Meint er wirklich, dass er nach allem einfach wieder zurückkommen kann und ich ihm verzeihe?
Ich versuchte nicht weiter über ihn nachzudenken. Ich musste mich jetzt irgendwie ablenken und das geht am Besten bei meinen Freunden. Schon von weitem hörte ich sie lachen. Dann traf mein Blick den von Joey.
"Er ist zurückgekehrt!", rief Joey, sprang auf und umarmte mich.
Auch die Anderen begrüßten mich und löcherten mich mit Fragen.
"Wen hast du denn so kennengelernt? Waren ein paar richtig harte Leute dabei? Oder alles nur Weicheier?"
"Ich würde es sagen es war sehr gemischt. Aber es gab ein paar coole Leute."
"Bestimmt ein paar heiße Badboys.", meinte Katharina und wackelte mit den Augenbrauen.
"Ich hab Mik kennengelernt.", meinte ich und wusste, dass keiner von ihnen ein Problem damit haben wird, dass ich auf Jungs stehe.
"Wer ist Mik?"
"Mein Freund. Wir sind zusammen.", sagte ich ganz beiläufig.
"Ach ne. Den müssen wir aber mal kennenlernen.", meinte Joey.
Ich lächelte nur nickend und dachte dabei an Mik. Was tat er gerade? Und wie ging es ihm wohl?
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