Eine "Glückliche Familie"
Kostas
"Ich wusste ja, dass Casper ein Arsch ist. Aber warum zum Fick macht er dir Vorwürfe? Ist doch klar, dass du kein Bock mehr auf ihn hast.", meinte Mary.
Ich zuckte mit den Schultern. "Ich denke er sucht nur eine Ausrede dafür, warum er so abgerutscht ist. Aber das ist seine eigene Schuld. Wenn er unbedingt aus seinen kriminellen Machenschaften rauskommen wollen würde, hätte er es schon längst versuchen können. Aber woher kennt ihr ihn?"
Plötzlich entstand ein betretendes Schweigen in welchem heimliche Blicke ausgetauscht wurden.
"Casper...", fing Mik langsam an. "Er und ich hatten mal was miteinander. Aber das ist bereits über 3 Jahre her und es war eigentlich auch nichts Ernstes."
Mit der Antwort hatte ich jetzt tatsächlich nicht gerechnet. Mik und Casper? Nicht, dass ich es schlimm finden würde. Es ist mir echt egal, schließlich wusste Mik ja auch nicht, dass er mein Cousin ist.
"Aber das erklärt doch nicht warum er so sauer auf euch ist. Er meinte doch, dass du ihm 500€ schuldest."
"Das ist ne lange Geschichte.", mischte sich Mary ein. "Wir haben uns vor ca 2 Jahren auf einer Party kennengelernt und eigentlich war er echt korrekt. Er gehörte irgendwann einfach zur Clique dazu und das war cool."
"Er hat uns dann irgendwann erzählt, dass er eigentlich kein richtiges Zuhause hat.", fügte Lias hinzu. "Seine Mutter hat ihn wohl im Stich gelassen nachdem er aus dem Knast wieder rauskam und seitdem schläft er immer irgendwo anders. Wir haben uns dann überlegt, dass er ja einfach hier, in diesem abgeranzten Haus wohnen kann, bis er einen Job gefunden hat und genug Geld für eine eigene Wohnung hat."
"Da er wirklich gar kein Geld hatte, haben wir ihm am Anfang alles bezahlt. Essen, Strom, Wasser. Die ganze Clique hat das Geld zusammengelegt um ihm zu helfen.", sagte Mik.
"Im Gegenzug hat er dann ab und an mal son paar Leute verprügelt oder bedroht mit welchen wir damals Stress hatten.", erklärte Mary.
"Irgendwann meinte er dann, dass er einen Job gefunden hat, welcher zwar nicht gut bezahlt wurde, aber er könnte sich so anscheinend wenigstens ein wenig zu Essen kaufen und uns entlasten. Trotzdem haben wir für ihn weiterhin den Strom und so weiter bezahlt. Bis er dann eines Tages unaufmerksam war.", sagte Mik und machte eine Pause.
Ich spürte die Anspannung in der Luft. Leise und unauffällig wippte ich mit einem Fuß auf und ab, weil ich unbedingt wissen wollte wie es weiter geht. Jedoch merkte ich auch, dass die Anderen nicht gerne darüber redeten. Und ich wollte sie auf keinen Fall in irgendeiner Weise unter Druck setzen. Wer weiß, was dieses Arschloch namens Casper alles getan hat.
"Lias und Mary sind nach der Schule hier hergekommen. Casper war nicht da, was kein Wunder war, schließlich dachten wir ja alle, dass er arbeiten geht. Lias und Mary hatten mich dann irgendwann angerufen, weil sie unter dem Sofa einen alten Lederkoffer mit Geld gefunden hatten. Und in einem der Küchenschränke waren mehrere Päckchen Drogen. Definitiv zu viel für den Eigengebrauch. Und da wussten wir, dass Casper uns die ganze Zeit nur verarscht hatte. Er hatte genug Geld mit dem Verkauf von Drogen gemacht um alleine Leben zu können und gut über die Runden zu kommen."
"Wir waren so sauer, dass wir uns entschieden haben das Geld zu behalten. Die Drogen haben wir weggeworfen. Und Casper haben wir rausgeworfen. Deswegen denkt er auch, dass wir ihm noch 500€ schulden. Weil wir seine Drogen weggeschmissen haben und sein Geld behalten haben. Natürlich totaler Bullshit.", beendete Lias die Geschichte.
"Was für ein Wichser.", sagte ich wütend.
Ich wusste ja, dass Casper hinterhältig war. Aber so hatte ich ihn dann doch nicht eingeschätzt.
"Warum habt ihr ihn nicht angezeigt?", fragte ich.
"Wir... wollten nicht noch mehr Stress.", sagte Mik. "Wir haben schon seit nem halben Jahr nichts mehr von ihm gehört, bis heute."
"Ist auch egal.", meinte Mary. "Soll er doch leere Drohungen machen. Damit wird er nicht weiterkommen."
"Eben. Lasst uns unsere Zeit nicht mit diesem Idioten verschwenden. Habt ihr Hunger?"
Es wunderte mich, dass sie so schnell das Thema wechselten, doch ich dachte mir dabei erstmal nichts. Wenn ich so abgezogen worden wäre, hätte ich auch keine Lust darüber zu reden.
(...)
Es war gestern noch ein entspannter Tag. Mik hatte mich irgendwann mitten in der Nacht nachhause gebracht. Ich hätte ja gerne vorgeschlagen, dass er mit reinkommen könnte, doch wegen meiner Mom ging das nicht. Außerdem wusste Mom noch gar nicht, dass ich wieder da war. Ich hatte mich Nachts einfach reingeschlichen und bin ins Bett gegangen. Jetzt war es halb 10 morgens und ich wurde auch nur wach, weil meine Mutter unten staubsaugte. Da ich aber Hunger hatte, machte es mir sowieso nichts aus aufzustehen. Langsam lief ich die Treppen hinunter in die Küche und machte mir einen Toast. Ich holte einen sauberen Teller aus dem Schrank und legte mein Toast darauf.
"Da bist du ja!", sagte Mom sichtlich erleichtert. "Wo warst du denn?"
"Bei Mik.", sagte ich wahrheitsgemäß und biss von meinem Toast ab.
"Du könntest mir wenigstens Bescheid sagen, wenn du weggehst. Oder mir schreiben."
"Habs vergessen."
"Alles gut, Liebling. Hat er dich nach Hause gebracht?"
Ich nickte nur.
"Er hätte doch auch die Nacht hierbleiben können."
"Ne, Mom. Das lass mal lieber.", lachte ich.
"Wieso denn? Ich würde ihn gerne mal kennenlernen."
"Du weißt genau warum. Ich werde-" Ich unterbrach mich selbst, als mein Blick auf die Fensterbank traf und ich sah was dort stand.
"Mom? Was ist das?!", fragte ich ein wenig zu laut.
"Ich hab es gerade wiedergefunden. Schön, nicht wahr?"
"Schön?! Willst du mich verarschen? Das ist ein Bild. Von dir und Dad!"
"Ja, das Foto ist in den Flitterwochen entstanden. Es wird ihn bestimmt freuen es zu sehen."
"Du checkst es immer noch nicht, oder?"
"Kostas, jetzt beruhig dich. Du wirst sehen, dass alles gut zwischen uns dreien ist. So wie damals."
Sie holte noch ein Foto aus einer Kiste und stellte es auf die Küchenzeile.
"Pack das weg!", schrie ich sie an, was mir fast leidtat, weil ich so laut war.
Das Bild zeigte meine Mutter und meinen Vater. In der Mitte war ich mit 3 Jahren. Wir sahen aus wie eine glückliche Bilderbuchfamilie. Das waren wir schon lange nicht mehr und wir würden es auch nie wieder werden.
"Warum? Es beschreibt perfekt wie glücklich wir sind."
"Glücklich? Du wirst es niemals verstehen!", schrie ich und schmiss meinen Teller samt dem halben Toast in die Spüle.
"Kostas! Der Teller!"
Doch ich ignorierte meine Mutter. Sollte sie es doch selbst wegräumen. Ich musste jetzt einfach raus aus diesem Haus. Weg von meiner Mutter.
Es gab nur eine bestimmte Person welche ich jetzt unbedingt sehen musste.
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