Deep Talk um Mitternacht

Kostas

Nach zwei Stunden von Ralfs Geschichten von denen Mik mir die meisten auch erzählen konnte und von anderen Geschichten, von anderen Leuten, wurden wir endlich befreit und durften in unsere Hütten gehen. Es war jetzt bereits 22 Uhr. Das hieß also Nachtruhe. Ralf meinte, dass sie in der Nacht noch schauen werden, ob wir auch wirklich in unseren Hütten blieben und nicht woanders hingingen. Max und ich chillten noch ein wenig auf dem Sofa und schauten durch die verschiedenen Kabelsender. Eigentlich schaute ich kein Kabelfernsehen und da eine Doku über Gorilla das interessanteste war was wir fanden, wusste ich auch warum Netflix und Disney+ besser waren. 
"Sind das Verwandte von dir?", fragte Max mich, als eine Gorilla Familie gezeigt wurde.
"Ne, aber sie kommen mir sehr bekannt vor. Kann es sein, dass sie Ähnlichkeit mit dir haben?"
Und diese Witze gingen die ganze Doku über so weiter.
"Und was lernen wir daraus? Gorilla sind vom Aussterben bedroht und man soll spenden."
Max schmiss mir die Fernbedienung zu. 
"Sei mir nicht böse, Kumpel. Aber ich bin echt müde und leg mich mal in die Senkrechte. Wann gibt es Frühstück? Um Acht oder?" 
"Ja, glaub wohl."
"Alles klar, dann bis Morgen."
"Bis Morgen."
Ich schaltete noch ein wenig durch die verschiedenen Programme, fand jedoch nichts interessantes mehr, weswegen ich den Fernseher ausschaltete. Doch müde war ich irgendwie immer noch nicht. Ich schaute durch die Gardinen nach draußen. Es war jetzt halb 12, doch es waren keine Leiter mehr draußen. Wow, so lang war das also nicht mit dem aufpassen. Aber irgendwie hab ich mir schon gedacht, dass sie das nur gesagt haben, damit wir wirklich nicht rausgehen. Glauben sie wirklich, dass wir so dumm? Ich meine, ich werde ja wohl nicht der Einzige sein, der rausschaut um zu gucken ob einer der Leiter draußen ist. Im Augenwinkel sah ich plötzlich eine schwarze Gestalt, welche sich eine Jacke überzog. Als er an unserer Hütte vorbeiging sah ich, dass es Mik war. Wo wollte er hin? Ich ging vom Fenster weg, zog mir Schuhe und Jacke an und ging auch raus. Draußen schaute ich nochmal ob hier wirklich keiner war. Aber anscheinend nicht. Ich lief Mik hinterher, welcher zu den Pferdeställen lief oder zum See. Da war ich mir nicht so sicher. Doch als ich bei den Ställen angekommen war, hatte ich Mik aus den Augen verloren. 
"Hey, Kostas.", flüsterte eine Stimme neben mir. Ich drehte mich um und sah Mik im Türrahmen der Hütte stehen in welcher Max und ich das Holz gehackt hatten. Ich kam auf ihn zu. Er ging wieder in die Hütte rein und setzte sich auf einen Holzstumpf.
"Schließ die Tür hinter dir."
Ich tat was er sagte und setzte mich neben ihn. Ohne etwas zu sagen bot er mir eine Zigarette an, welche ich dankend annahm. 
"Was machst du hier?", fragte er und stieß den Rauch aus seinem Mund aus.
"Keine Ahnung. Konnte nicht schlafen."
"Hast du etwa Heimweh?"
Ich lachte nur, wobei der Rauch wieder aus meinem Mund rauskam.
"Ne, garantiert nicht."
"Ist es so scheiße zuhause?"
"Ziemlich."
"Bei mir auch. Es ist auch irgendwie eine Auszeit. Endlich mal keinen Stress, niemand schreit herum."
"Mhm, da hast du Recht."
Es entstand eine kurze Stille in welcher Mik und ich nur unsere Zigaretten genossen.
"Hast du das Gefühl, dass deine Eltern dich hassen?", unterbrach Mik die Stille. Mich wunderte diese Frage, vor allem, weil Mik plötzlich so ernst und irgendwie auch traurig dabei wurde.
"Keine Ahnung. Manchmal bestimmt."
"Nein. Sie können dich nicht nur manchmal hassen. Entweder sie hassen dich oder sie lieben dich. Schreien sie dich jeden Tag an? Ist ihnen egal wo du bist und was du machst? Erkundigen sie sich nach dir, wenn du weg warst? Machen sie dir Essen? Verträgst du dich nach einem Streit wieder mit ihnen? Kannst du normal mit ihnen reden ohne, dass einer von euch danach genervt ist oder, dass sie dich anschreien?"
"Naja, ich kann schon normal mit meinen Eltern reden. Und klar fragen sie mich wo ich war und meine Mom macht mir auch etwas zu essen oder gibt mir Geld mit, damit ich mir etwas zu essen kaufen kann."
Mik nickte und schaute auf den Boden. "Kostas, sie hassen dich nicht. Auch, wenn du das vielleicht denken magst, weil sie dich hierher gebracht haben. Sie lieben dich und wollen nur das Beste für dich. Wenn sie dich hassen würde, würden sie keines dieser Dinge machen."
Ich schwieg und ließ mir das, was Mik sagte durch den Kopf gehen. Er hatte ja schon Recht. Wenn sie mich wirklich hassen würden, müsste ich jeden Tag schauen wie ich etwas zu Essen bekam und sie würden auch nicht fragen wo ich hingehe. Mir kam ein beunruhigender Verdacht und eigentlich wollte ich Mik danach auch gar nicht fragen, doch es rutschte mir einfach raus.
"Hassen deine Eltern dich?"
Mik nickte langsam und schaute geradeaus. 
"Ich hatte noch nie das beste Verhältnis zu ihnen. Schon als ich ein Kind war, haben sie mich einfach links liegen gelassen und ich sollte mit dem Hund spielen oder rausgehen. Mit drei Jahren, wollten sie, dass ich alleine rausgehe. Als ich älter wurde hörten sie auf mir Essen zu machen. Mit Problemen konnte ich nie zu ihnen kommen. Sie hätten mir nicht zugehört und außerdem gaben sie mir nie das Gefühl, dass sie hinter mir stehen. Sie redeten nur selten mit mir, sahen mich selten an. Als ich vierzehn war, wurde dann alles noch schlimmer. Ich hatte mich sehr mit meinen Eltern gestritten. Ich wollte meiner Mutter helfen die Einkäufe nach oben zu tragen. Dabei fiel mir ein Kasten Bier die Treppen hinunter und zerbrach. Meine Eltern schrien mich an, dass ich unfähig sei und dass ich ihnen das Bier bezahlen soll. Wir hatten nie viel Geld, deswegen gingen wir mit allem sparsam um. Außer mit den ganzen Kästen Bier und den Zigaretten. Davon kauften meine Eltern viel zu viel. Meine Eltern warfen mir noch mehr vor den Kopf. Irgendwann ging es im Streit nicht mehr um das Bier. Sie sagten, dass ich dankbar sein soll nicht in einem Heim aufgewachsen zu sein und so ein Scheiß. Auch ich wurde wütender, schrie sie an und als sie meinten, dass sie mich hassen würden, habe ich gesagt, dass ihnen dann ja auch egal sein kann, dass ich schwul bin." 
Mik machte eine Pause und ich war geschockt von seinen Eltern. Wie konnte man denn so mit seinem eigenen Sohn umgehen?
"Das war auch der Erste Tag, an dem mein Vater die Hand gegen mich erhob."
Ich verschluckte mich an dem Zigarettenrauch und hustete ihn aus.
"Er hat dich geschlagen?"

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