96. Kapitel
Eleanor
Ein breites Lächeln schlich sich auf mein Gesicht, als ich die Stimmen, die vom Flur herüber wehten, erkannte. Ich küsste Bruce noch einmal aufs Fell, ehe ich mich versuchte aus dem viel zu bequemen Sofa zu erheben. Doch bevor ich auch nur einen Versuch starten konnte, hörte ich, wie sie näher kamen und schlussendlich mit im Wohnzimmer standen.
„Eleanor", riefen sie erfreut und ich grinste sie überglücklich an. Ich hatte sie ebenfalls so sehr vermisst. Ich hatte sie zu lange nicht mehr in die Arme schließen können. Es war so schön sie wieder zusehen.
„Hallo", rief ich begeistert, breitete meine Arme aus und startete einen neuen Versuch mich vom Sofa zu erheben, doch ich wurde unterbrochen.
„Bleib sitzen, wir kommen zu dir", sagte meine Mutter mit dem Blick auf meinen gewölbten Bauch und schloss mich überglücklich in die Arme. Ich konnte es nicht fassen, dass Jay und Mom gerade in unserem Wohnzimmer standen und spontan zu uns gefahren waren. Zuletzt hatte ich sie gemeinsam zu Weihnachten gesehen. Wir hatten jetzt März. Es war einfach allerhöchste Zeit, dass wir uns alle wieder sahen.
„Ich habe dich so vermisst mein Schatz", meine Mutter wollte mich gar nicht mehr loslassen. Seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte sind mehrere Monate vergangen. Auch wenn ich schon vor Jahren bei ihr ausgezogen war, so hatte ich manchmal das Gefühl, als würde sie immer noch mit dem Loslassen kämpfen. Doch ich konnte sie verstehen. In mir wuchs ihre Enkelin heran. Ich veränderte mich täglich. Dass nun ungefähr drei Monate dazwischen lagen, wo sie mich zuletzt gesehen hatte, musste es für sie so gut wie ein Schock sein, denn mein Bauch war in der Zeit nun wirklich gewachsen.
„Ich dich auch, Mom", flüsterte ich ihn ihr Haar und hielt sie weiterhin fest in meinen Armen. Ich wollte sie genauso wenig wie sie loslassen. Doch irgendwann lösten wir uns voneinander und ich schloss Louis Mutter herzlich in meine Arme. Sie hatte ich ebenfalls sehr vermisst und wenn ich daran dachte, dass es einen Zeitpunkt geben wird, an der wir uns endgültig nicht mehr sehen würden, zog sich mein Herz schmerzhaft zusammen und ich musste mir die Tränen unterdrücken. Krampfhaft versuchte ich diesen schmerzvollen Gedanken in den hintersten Winkel meines Gehirnes verbannen. Sie waren hier und Jay sah nicht allzu geschwächt aus. Außerdem hatten wir ihr versprochen die Zeit mit ihr zu genießen und uns nicht von der Trauer übermannen zu lassen. Ich versuchte mein Bestes und zum Glück schaffte ich es. Ich schloss kurz meine Augen, atmete tief durch und lächelte. Es war ein lächeln vom Herzen und dies blieb die ganze Zeit über bestehen.
„Das ist ja eine Überraschung", nun trat Louis mit Max in den Raum und schloss seine Mutter noch einmal in die Arme. Ich vermutete, dass sie sich schon draußen begrüßt hatten, da Louis ja am ausräumen des Autos war. Der Gedanke, dass unsere Mütter irgendetwas von unseren Einkäufen gesehen hatten, versetzte mich in Aufregung. Ich hoffte so sehr, dass unsere Tochter immer noch eine Überraschung war. Ich begrüßte meinen besten Freund vom Sofa aus, auf dem ich immer noch saß und die ganze Situation beobachtete.
Nach den Begrüßungsumarmungen, dich sich noch ein wenig hinzogen, setzten sich alle auf das Sofa oder in einen Sessel. Louis nahm neben mir Platz, als er Max noch zur Tür begleitet hatte, da er noch was erledigen muss. Ich hatte ihn versichert dass er nicht störte, wenn er hier blieb, aber er winkte freundlich ab. Mein bester Freund war einfach viel zu höfflich – dass er wirklich was erledigen musste, kaufte ich ihm nämlich nicht wirklich ab.
„Habt ihr euch abgesprochen?", fragte ich neugierig, als jeder dann auch irgendwas zutrinken in den Händen hielt. Während sich die zwei Frauen kurz ansahen, wer die Geschichte erzählen mag, sah ich zu Louis und sah ihn mit einem fragenden Blick an. Er wusste was ich meinte und schüttelte leicht seinen Kopf. Ich atmete daraufhin erleichtert aus und entspannte mich kaum merklich. Jay und meine Mutter hatten nichts zu Gesicht bekommen, was sie nicht sollten. Da hatten wir noch einmal Glück gehabt. Es wäre einfach nur schade gewesen, wenn es keine Überraschung mehr für sie sein würde...
„Naja...", fing meine Mutter an zu erzählen, lehnte sich leicht nach vorne und sah uns lächelnd an. Doch irgendwie sah ihr Blick auch vorwurfsvoll aus, sodass sie mich veranlasste, darüber nachzudenken, was ich vergessen haben könnte. Und dann fiel es mir im gleichen Moment, als sie die Worte auch aussprach, wieder ein. Erschrocken sog ich die Luft ein und ich sah sie entschuldigend an. In dem ganzen Trubel, hatte ich das Wichtigste vergessen. Dadurch, dass wir Louis Familie besucht hatten und sie es schon gewusst hatten, hatte ich ganz vergessen meine Mutter ebenfalls einzuweihen. Oh Gott, hoffentlich würde sie mir das irgendwann verzeihen. Denn mich überkam ein richtig schlechtes Gewissen.
„Jay hatte mich gestern Abend angerufen und mich gefragt, ob ich irgendwas Neues über euch wüsste, was die Hochzeit betrifft –", bevor meine Mutter weiter sprechen konnte unterbrach ich sie voller Reue in der Stimme: „Es tut mir so leid", ich wusste natürlich, dass das keine Entschuldigung war, dass ich ihr nicht gesagt hatte, dass ich verlobt war. Und da sie es durch Jay erfahren haben musste, ging ich davon aus, dass sie keine Klatschzeitungen mehr mit Louis und mir las. Sie seufzte nur und sah mich dann mit liebevollen Augen an.
„Zum Glück habe ich es noch vor der Hochzeit herausbekommen. Und jetzt zeig mir deinen Ring", zuerst klang ihre Stimme leicht verletzt, doch dann legte sich ein strahlen darüber. Ich hatte immer noch ein furchtbar schlechtes Gewissen. Doch meine Mutter schien das alles zu vergessen, als ich ihr keine Sekunde später meine Hand mit dem Ring am Finger hinhielt, sodass sie ihn genau betrachten konnte. Louis neben mir, strich mir dabei sanft über den Rücken und signalisierte mir, dass er für mich da war und der Blick, den er mir zuwarf, als ich zu ihm sah, sah entschuldigend aus, als wäre es seine Schuld, dass ich es meiner Mutter nicht gesagt hatte. Ich legte meine freie Hand auf sein Bein und schüttelte kaum merklich den Kopf. Es war nicht seine Schuld, sondern ganz allein meine.
„Der ist so wunderschön", meine Mutter blickte erst Louis und dann mich an. Ich sah in ihren Augen Tränen der Freude aufblitzen, kämpfte mich mit Louis hilfe, der seine Hand immer noch an meinem Rücken hatte, nach oben und umarmte meine Mutter, die mir gegenübersaß.
„Es freut mich, dass er dir gefällt", ich wusste nicht was ich sonst sagen sollte. Mein schlechtes Gewissen zerfraß mich von innen nach außen.
„Und es tut mir so leid, dass es du nicht von mir erfahren hast", mit der Ausrede, dass ich zu viel zu tun gehabt hätte und ich es deswegen verpeilt hatte, käme mir wie eine Lüge vor und deswegen ließ ich es bleiben.
„Klar ich bin ein wenig traurig darüber, aber jetzt weiß ich es und kann mich genauso darüber freuen wie Jay. Mach dir um mich keine Sorgen und schau mich bitte nicht mehr so reumütig an. Es ist alles gut", sie strich mir aufmunternd über den Rücken, so wie Louis es vorhin bei mir getan hatte und schob mich dann wieder zu meinem Verlobten auf das Sofa.
„So ich war ja noch nicht fertig mit erzählen", sie sah jetzt wieder zu Jay und dann zu uns. Es schien als hätte man Louis Mutter aus ihren Gedanken gerissen. Denn sie blinzelte kurz und löste den Blick von meinem Ring, der anscheinend die ganze Zeit darauf geruht hatte.
„Als ich also den ersten Schock überwunden hatte, war klar, dass ich euch auf der Stelle sehen musste. Somit habe ich mir für zwei Tage frei genommen und habe Jay den Vorschlag gemacht, dass ich sie in Doncaster mit dem Auto abhole und wir zu euch fahren"
„Ich konnte mir zum Glück auch frei nehmen und somit sind wir heute kurz nach dem Mittag losgefahren", schaltete sich Louis Mutter in das Gespräch mit ein und lächelte in die Runde. Bruce hatte sich zu unseren Füßen gelegt und dämmerte vor sich hin. Ab und zu streichelte Johanna gedankenverloren über sein weiches Fell. Bruce hatte sie genauso um den Finger gewickelt, wie Louis und mich.
„Wir müssen dringend über die Vorbereitungen eurer Hochzeit sprechen. So wie ich euch kenne, habt ihr euch darüber noch keine Gedanken gemacht. Schließlich wollt ihr ja diesen Sommer noch heiraten, oder?", Jay sah uns fragend an und wir nickten beide. Louis sah seine Mutter etwas verlegen an und ließ seine Hand wieder kleine Kreise auf meinen Rücken ziehen.
Ich sah Louis fragend an: „Vielleicht können wir ja einen Termin ungefähr zwei Monate nach der Geburt finden. Wenn unser Kind vor hat am ausgerechneten Geburtstermin zu kommen, könnten wir Ende Juni heiraten", während ich sprach, fingen Louis Augen an zu leuchten und auch meine bekamen einen gläsernen Ausdruck. Es war auf der einen Seite total ungewohnt von seiner eigenen Hochzeit zu sprechen, obwohl es sich so weit weg anfühlte, auf der anderen Seite war es einfach nur atemberaubend und wundervoll. In wenigen Monaten durfte ich den Mann meines Lebens heiraten. Den Mann den ich über alles liebte. Mich erfasste ein wohliges Gefühl und ein angenehmes Kribbeln, als ich an all dies dachte.
Als ich ein paar Sekunden gewartet hatte und mein Verlobter über meine Gedanken immer noch nichts gesagt hatte, berührte ich sachte seine Hand. Er blinzelte kurz, als wäre er in einer anderen Welt gewesen und sah mich dann wieder mit klaren Augen an.
„Tut mir leid, ich war von unserer Zukunft abgelenkt gewesen. Deine Idee finde ich gut. Was denkt ihr, können sich in diesen Zeitraum alle frei nehmen?", Louis Stimme erklang klar im Raum und ich hörte ein verzücktes seufzten. Nun sah ich auch zu unseren Mütter rüber, die unseren kleinen Austausch beobachtet hatten.
„Ich glaube keiner würde eure Hochzeit verpassen wollen. Hier in England sind zwar noch keine Ferien, aber für diesen Tag können wir notdürftig auch eine Schulbefreiung für die schulpflichtigen Kinder beantragen", meldete sich Jay zu Wort, die schon ganz in der Organisation aufging.
„Okay, super. Wie wäre es dann mit dem achtzehnten Juni, zwanzigsten Juni oder dem zweiundzwanzigsten Juni? Das wäre ein Samstag, der natürlich optimal wäre, ein Montag und ein Mittwoch", überlegte Louis laut und sah uns dann fragend an. Konnte es sein, dass Louis sich schon nach einem Datum erkundigt hatte? Wie sonst wusste er, welcher Tag genau dieses Datum hatte? Ihm schien die Hochzeit mehr zu bedeuten, als ich am Anfang gedacht hatte und das rührte mich zu tiefst. Ich liebte Louis so sehr, dass man es nicht in Worte fassen konnte. Es waren die kleinen, meist nicht wirklich auffallenden Dinge, die dann doch ins Gewicht fielen. Er war einfach unglaublich.
„Wir notieren einfach alles und ich frage die Kirchen an. Wo wollt ihr eigentlich heiraten?"
Und so gingen die Fragen weiter. Wir saßen bis spät abends da und versuchten die groben Fäden zu ziehen. Doch ich merkte schon nach wenigen Stunden, dass wir noch viele solcher Sitzungen abhalten mussten, um alles auch unseren Vorstellungen umsetzten zu können. Kein Wunder, dass eigentlich alle verlobten Paare, die Hochzeit mindestens ein Jahr im Voraus planten. Es war eigentlich schon unmöglich so eine riesengroße Feier in knapp vier Monaten zu organisieren und dann zu feiern. Doch wir hatten Jay und Kim, die wohl alles stehen und liegen lassen ließen, nur damit für die Hochzeit alles perfekt war. Und dafür war ich ihnen für immer dankbar. Sie waren unglaublich.
Während wir Louis Mutter und meiner Mom die Gästezimmer überlassen hatten, schlüpften wir wenig später in unser Bett. Ich war fix und fertig, doch eine Sache ging mir einfach nicht mehr aus den Kopf. Als wir irgendwann wirklich alle mal eine Pause gebraucht hatten, hatten wir einen kleinen Spaziergang gemacht. Währenddessen hatte Jay uns eine berechtigte Frage gestellt, doch genau diese ließ mir nun keine Ruhe mehr: „Habt ihr eigentlich schon einen Namen für eurer Kind?"
Louis und ich hatten zwar darüber schön gesprochen, doch geeinigt hatten wir uns nicht. In zwei Monaten war der errechnete Geburtstermin. War hatten zwar noch Zeit, doch wäre es schön, wenn wir uns für einen Namen entscheiden könnten.
„Louis?", langsam drehte ich mich in seinen Armen damit ich ihn ansehen konnte. Wir hatten das große Deckenlicht ausgeschaltet, nur der Mond erhellte das Zimmer. Meine rechte Hand wanderte zu seiner Brust und blieb da liegen. Ich spürte seinen gleichmäßigen Herzschlag unter meinen Fingern und schloss ganz kurz meine Augen. Mein Kopf hatte ich unterhalb seiner Schulter abgelegt und kuschelte mich somit an seine Seite. Louis hielt mich in seinen Armen und spielte nun mit einer meiner Haarsträhne.
„Mhmm...", brummte er leise in die Stille und sein Oberkörper vibrierte bei diesem Laut unter mir.
„Für welchen Namen wollen wir uns entscheiden? April, Skya, Ava oder Skyla?", meine Stimme erklang leise in unserem Zimmer. Wir wohnten zum Glück in einem Haus, wo die Wände so dick waren, dass man nicht jedes Wort vom anderen Zimmer hörte und man wirklich schreien müsste, damit man wirklich was verstehen könnte. Dennoch hatte ich Angst, dass durch ein Missgeschick Jay oder Kim irgendwas von unserer Unterhaltung mitbekamen.
Mein Körper wurde von einem aufgeregten Kribbeln erfasst und mein Herz schlug um einiges schneller in meiner Brust. Es war ein entscheidender Moment für uns alle drei – für unsere zukünftige Familie. Nie und nimmer würde ich diesen Moment vergessen können.
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