90. Kapitel
Eleanor
Entspannt lehnte ich mich im Sitz zurück. Gott sei Dank musste ich jetzt nicht fahren, denn Lottie übernahm das glücklicherweise für mich. Verträumt sah ich aus dem Fenster, wo die Häuser von Doncaster an uns vorbeizogen. Ich fühlte mich seltsam leer, als wären meine ganzen Gefühle über die paar letzten Tage verschwunden – einfach weg. Die Sonne ging gerade unter und schien mir ins Gesicht, doch das störte mich nicht weiter. Es verleitete mich dazu meine Augen zu schließen und weiter in meine Gedankenwelt ab zu triften...
„El?", hörte ich eine ruhige Stimme rechts neben mir, die nur von Lottie kommen konnte – keine andere Person war noch im Auto. Das Radio spielte leise vor sich hin und hatte einen schönen Kontrast zum Motorengeräusch. Schon leicht verschlafen drehte ich meinen Kopf in die Richtung von Louis Schwester, öffnete meine Augenlider und sah sie an.
„Ja?", fragte ich und kämpfte mich wieder in eine sitzende Position. Ich war vorhin leicht nach unten und zur Seite gerutscht, dass mein Rücken schon zu protestieren begonnen hatte.
„Weiß Louis eigentlich, dass du heute bei Max schläfst und nicht zu Hause?", fragte Lottie mich mit einen kurzen Blick zu mir, ehe sie sich wieder auf die Straße konzentrierte. Verwundert über diese Frage, zog ich argwöhnisch eine Augenbraue nach oben und überlegte kurz, ob ich irgendetwas gegenüber ihn erwähnt hatte.
„Nein", gab ich ihr schlussendlich die Antwort und grübelte weiter nach, wieso sie mich das gefragte hatte. Wollte Lottie oder Louis mich nun kontrollieren? Reagierte Louis jetzt mit seinen Sorgen über? Oder steckte etwas ganz anderes dahinter?
„Oh, vielleicht solltest du ihn dann noch Bescheid sagen. Ich kenne meinen Bruder gut. Er wird dich sicher auf den Festnetzt in spätestens vier Stunden anrufen und fragen wie es dir geht. Wenn er merkt –", sie brach ab, da vor ihr plötzlich ein Auto gebremst hatte und sie unsere Geschwindigkeit nun anpassen musste.
„ – das ich nicht da bin, wird er durchdrehen. Okay, vielleicht hast du nicht mal Unrecht", vollendete ich ihren angefangenen Satz und kramte mein Handy aus der Tasche. Schnell hatte ich seine Nummer gewählt und hielt das Telefon nun an mein Ohr. Wir waren gerade aus Doncaster raus und steuerten nun auf London zu.
Es dauerte eine Weile bis er abhob, aber irgendwann ging er an sein Handy: „Hey Louis", sprach ich in die offene Leitung und wurde prompt übertönt. Bei ihm war es laut. Kindergeschrei schallte durch mein Handy und ich war gezwungen es weiter von meinem Ohr wegzuhalten. Ich würde mich nicht wundern, wenn Lottie neben mir, selbst mit der Musik aus dem Radio, die Geräusche hören konnte.
„Love, ist etwas passiert? Alles in Ordnung?", fragte mein Verlobter gleich darauf und entfernte sich von seinen lauten Geräuschquelle. Es klang ganz nach Ernest und Doris. Vielleicht hörte ich auch Phoebes klare und helle Stimme im Hintergrund.
„Ja, alles gut. Ist bei dir alles in Ordnung? Wieso lachen deine Geschwister?", fragte ich ihn mit einem Schmunzeln im Gesicht. Es klang fast so als würden sie ihren großen Bruder auslachen. Was hatte er nur wieder angestellt? Da war ich nicht einmal zehn Minuten weg und schon musste ich mir sorgen um seine Autorität machen. Innerlich schüttelte ich lächelnd den Kopf. Mein großer Kindskopf...
„Alles bestens. Ernest und Doris kamen auf die glorreiche Idee mich zu erschrecken. Jetzt liegen sie lachend auf den Boden. Ich darf mal wieder den Clown spielen", er lachte dabei aber selber und freute sich, dass er seine Geschwister so fröhlich sehen konnte. Er vergötterte sie und kostete es voll aus, wenn er sie einmal besuchen konnte. Für ihn waren sie sein ganzes Leben.
„Du weißt gar nicht, wie sehr ich mich gerade eben erschreckt hatte. Mein Herz ist beinahe stehen geblieben", schilderte er mir seine Lage belustigt. Ich lachte mit ihm mit und freute mich ihn wieder glücklich zu sehen. Besonders der Dienstag würde mir immer in Erinnerung bleiben. Ihn so erschüttert zu gesehen zu haben, zerriss mir stets das Herz und dann noch meine übereifrigen Hormone die meinten überkochen zu müssen. Ich war Louis keine große Stütze gewesen – die ich eigentlich hätte sein müssen. Verdammt noch mal, wir wollten heiraten und erwarteten unser erstes Kind. Ich musste mich zusammen reißen. Für ihn, für meinen kleinen Punkt.
„Aber wieso rufst du an?", fragte er mich nun und wurde aufmerksamer. Seine Stimme klang stets heiter, doch wurde er ernst.
„Ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass ich heute bei Max übernachte, damit wir morgen Megan zusammen abholen können", gab ich ihn bekannt und hoffte dabei inständig, dass er nicht den wahren Grund heraus bekam, doch eigentlich müsste ich doch wissen, dass es sinnlos war. Er kannte mich einfach zu gut und durchschaute mich sofort.
„Außerdem bist du dann nicht in dem großen Haus alleine", es war eine Feststellung. Es gab keinen Raum daran zu rütteln. Ich musste es einsehen.
„Stimmt", gab ich zerknirscht von mir und rutschte auf meinen Sitz wieder etwas tiefer. Ich war dreiundzwanzig Jahre alt und hatte Angst alleine in einer Villa zu sein und mein Verlobter wusste über meine Gefühle bescheid. Na super!
Er seufzte und fuhr sich wahrscheinlich durch seine Haare. Ich ahnte was jetzt kam. Er würde Zweifel bekommen und aus einem nichts heraus, das schöne Haus verkaufen und etwas Kleineres suchen und das nur weil ich zu feige war. Aber das kam gar nicht in die Tüte. Er musste schon so viel zurückstecken und einstecken. Jetzt war ich dran. Zudem war ich Erwachsen und konnte mich zusammenreißen. Ich hatte nicht direkt Angst vor dem Haus, wenn ich alleine war, sondern es war eher ein mulmiges Gefühl was mich durchlief. Das schlimmste war, wenn es plötzlich irgendwo knackte und ich nicht wusste, was oder wer das war – schließlich war ich alleine.
„Komm ja nicht auf den bescheuerten Gedanken das wundervolle Haus zu verkaufen!", bevor er die Idee aussprechen konnte, wischte ich sie gleich von ihm weg. Wehe er zerstörte seinen Traum von vier Wänden nur weil ich mich wie ein Kind aufführte.
„Aber, wenn es dir Angst macht...", Louis Stimme war gesenkt und voll von Verständnis, sodass ich wusste, dass er alles auf den Kopf stellen würde, nur um mir mein Unbehagen zu nehmen. Ach, mein Louis...
Er hatte so ein großes Herz und doch meinten Leute zu denken, sie wüssten mehr über ihn, als er über sich. Sie sahen ihn als Star und als ein Produkt was man einfach verkaufen konnte, doch hinter dieser perfekt gestylten Fassade zu schauen, schafften sie nicht. Sie sahen nicht den Louis, wenn er bei seiner Familie war, wie er bei Freunden rüberkam und wie er mit mir umging. Das waren Fassetten, die keiner außer diesen vertrauten Personen kannte.
„Es macht mir doch keine Angst. Ich bin nur nicht gerne dort alleine. Außerdem sind wir doch gerade dabei, das Haus mit Leben zu füllen. Also denk bloß nicht daran es zu verkaufen", versuchte ich ihn meine Sicht der Dinge zu erläutern und ihn ein weiteres Mal davon abzuhalten wirklich mit den Gedanken zu spielen seinen Wunscherfüllung aufzugeben.
Als wir gerade frisch zusammengekommen waren und One Direction noch in den Kinderschuhen steckte, hatte er zu mir einmal gesagt, dass er sich gerne irgendwann ein eigenes Haus kaufen wollte. Ein Haus, wo wir zusammen lebten und wo wir uns beide wohlfühlten. Damals hatte ich gelächelt und mich auf die Zukunft mit ihm gefreut. Jetzt durfte er sich diesen Traum erfüllen und nun sollte ich der Klotz am Bein sein? Nein, das durfte und konnte ich nicht zulassen!
„Wie viele Kinder wollen wir denn haben?", fragte er mich unverblümt und brachte mich damit vollkommen aus dem Konzept. Ich brauchte erstmal eine Sekunde um die Frage zu verarbeiten. Dachte er jetzt schon an ein Geschwisterchen für unsere Tochter?
„Keine Ahnung...vielleicht warten wir erstmal ab, wie es mit – " gerade so konnte ich mich bremsen. Fast hätte ich das Geschlecht unseres Kindes verraten. Lottie war immer noch im selben Auto wie ich. Sie konnte alles mit anhören, obwohl sie sich auf die Straße konzentrierte.
„Keine Panik, Love. Wir lassen uns alle Zeit der Welt. Ich liebe dich", unterbrach er mich mit ruhiger und liebevoller Stimme. Innerlich seufzte ich wohlig auf. Ich liebte diese Person so sehr. Es fühlte sich so an, als wollte dieses Gefühl mein Herz sprengen. Als könnte es mit so viel liebe nicht umgehen. Doch es schlug Gott sei Dank munter vor sich hin.
„Ich liebe dich", kam es wie ein Hauch über meine Lippen und ich wusste, dass ein Lächeln auf seinem Gesicht lag. Unsere weitere Unterhaltung wurde jäh unterbrochen, als ich am anderen Ende der Leitung hörte, wie jemand nach Louis rief und kurze Zeit später legten wir auf.
Ich war mittlerweile in der Mitte des sechsten Monats. Auch wenn mein Bauch laut meiner Mutter und Jays Meinung täglich wuchs, konnte man ihn immer noch nicht eine Kugel nennen. Es war immer noch mehr eine Wölbung und ich wusste nicht, ob ich mich darüber freuen konnte oder Trübsal blasen sollte.
Der Besuch von Megan hatte mir gut getan und wir hatten jede Menge spaß zusammen gehabt. Es war eine gute Ablenkung zu den traurigen Neuigkeiten aus Doncaster. Es schien so, als wäre ich in einer anderen Welt, wenn ich in London war. Als wäre die Stadt weit weg von den dunkeln Seiten des Lebens...
Manchmal hatten wir Max oder später auch Louis mitgezogen, wenn wir wieder ein Stadtbummel gemacht hatten. Alana, Portia und Sophia waren des Öfteren auch von der Partie gewesen und somit wurde es nie langweilig.
Louis würde heute wieder aus Los Angeles zurückkommen, wo er in letzter Zeit noch ein paar Dinge hatte klären und erledigen müssen. Deswegen saß ich nun mit Mason in seinem Range Rover und war auf den Weg zum Flughafen. Auch wenn die Jungs nicht mehr auf Tour waren, hatte sich Mason dazu bereit erklärt stets sich um unsere Sicherheit zu kümmern. Louis war ihn deswegen dankend um den Hals gefallen – nicht seinetwegen, sondern wegen mir. Ich wusste, dass er ein schlechtes Gewissen hatte, das er in letzter Zeit mehr in Los Angeles war, als hier in London. Ich fand es zwar auch nicht gerade berauschend, dass ich ihn in diesen Wochen wenig bis gar nicht zu Gesicht bekommen hatte, doch ich hatte mich mit der Situation abgefunden. Außerdem war ich eine selbständige Frau, die nicht ständig ihren Verlobten um sich haben musste, weil sie sonst nicht mit ihren Leben klar kam. Dennoch war ich beruhigt, wenn Mason oder jemand anders an meiner Seite war, wenn ich durch die Stadt lief. Der Vorfall von vor ein paar Monaten, war mir noch gut im Gedächtnis geblieben. So etwas wollte ich nie wieder erleben und meine Freunde sahen das genauso.
In Heathrow Airport war mal wieder die Hölle los, doch das kannte ich bereits. Wie oft ich diese Situation schon gehabt hatte? Obwohl mit einem dicken Bauch hatte ich es noch nie erlebt. In letzter Zeit machten mir Menschenmassen mehr Angst, als vorher. Ich nahm meine Umwelt viel bewusster war und geriet deshalb schneller in Panik als vor der Schwangerschaft. Man meinte, man müsste sich an sie gewöhnen, wenn man mit einem Weltstar zusammen war, doch das war nicht so. Ich mochte sie noch nie und jetzt fühlte es sich so an, als wäre dieses unwohle Gefühl, um das Vierfache gestiegen.
Louis hatte davon zum Glück noch nichts mitbekommen. Wenn er es rausbekam, würde er sich nur unnötig sorgen machen. Um das zu verhindern, hatte ich Mason und auch meine Freunde darum gebeten, ihn nichts zu sagen. Im tiefsten Inneren wusste ich, dass ich es – falls es schlimmer werden sollte – ihm sagen müsste. Geheimnisse, waren der erste Schritt zum Vertrauensbruch. Ich wollte dies nicht riskieren.
Vorsichtig und langsamer als sonst, hievte ich mich aus den bequemen Sitz und zog mich an der offenen Tür hoch. Mason wartete geduldig, ehe er neben mich trat und unauffällig seine Hand mir anbot.
Louis war im Januar noch eine Woche länger bei seiner Familie in Doncaster geblieben, als ich. Als ich damals die zweiundzwanzigste Schwangerschaftswoche erreicht hatte, war er nach Los Angeles aufgebrochen um wie besprochen ein paar Dinge zu klären. Seitdem waren ungefähr fünf Wochen vergangen. Fünf Wochen indem wir nur mithilfe von Skype oder einem Telefon den Kontakt halten konnten. Ich hatte gespürt wie mit jeden vergangenen Tag der räumlichen Trennung sein schlechtes Gewissen wuchs. Der Versuch ihn zu beruhigen hatte nichts gebracht. Doch vielleicht war seine Sorge gar nicht so unbegründet gewesen. Denn in diesen fünf Wochen hatte sich mein Körper verändert. Mit jeden Tag fühlte ich mich schlechter und schwächer. Ob das nur an der Sehnsucht nach Louis lag oder an etwas anders wusste ich nicht. Wie wird er reagieren, wenn wir uns wieder gegenüber standen und würde ihn mein veränderten Zustand auffallen?
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