81. Kapitel

Eleanor

Weihnachten und die Feiertage danach waren wunderschön. Wir haben alle das Beisammensein unserer Familienmitglieder genossen und uns eine gemütliche Zeit gemacht. Als Silvester vor der Tür stand, waren wir wieder in London gewesen und hatten bei Niall, das Haus partytauglich hergerichtet. Nur durch ein Losverfahren, hatte sich Niall zwangsweise bereit erklärt, seine Unterkunft zur Verfügung zu stellen. Ich war heilfroh, dass ich Louis und mein Haus nicht herrichten musste. Denn ich wusste, was mich nach einer Party erwartet und darauf hatte ich keine Lust.

Nun war der Januar schon angebrochen. Die Koffer für das Weihnachtsgeschenk für Louis waren gepackt und für den Kofferraum einladungsbereit. Meinem Freund hatte ich einen Urlaub in Amsterdam geschenkt. Da wir diese Reise zu zweit antraten, musste ich ein Reiseziel in der Nähe aussuchen. Das Fliegen mit einem Flugzeug wollte ich ab nun an vermeiden. Und da ich auch nicht lange Autofahren wollte fiel auch Mitteleuropa ins Wasser. Da ich aber wusste, das Louis die Stadt Amsterdam insgeheim mochte und noch nie länger als einen Tag dort war um sich die Sehenswürdigkeiten und anderen Annehmlichkeiten anzuschauen, dachte ich mir, dass wir das nun nachholen würden.

Somit hatte ich einen Platz auf der Fähre gebucht, die uns von Dover nach Calais in Frankreich rüber schippern würde. Ich hatte absichtlich eine frühe Uhrzeit genommen, um das Risiko von einem Treffen mit den Fans auf der Fähre so gering wie möglich zu halten. Die Überfahrt würde nur neunzig Minuten dauern. Doch bis wir auf der Fähre waren und wieder unten, würde sicher einige Zeit vergehen. Sobald wir in Frankreich waren, würden wir noch einmal vier Stunden Autofahren müssen, ehe wir unser Endziel erreichen würden. Dort hatte ich ein schönes Hotel gebucht. Ich hatte kurz mit dem Gedanken gespielt eine Ferienwohnung für diese Zeit zu mieten – etwas anderes, als ständig in einem Hotel zu sein – doch die Sicherheit konnte mir nicht gewährleistet werden. Falls ihn irgendwann jemand erkennen würde und das vermutete ich mit Sicherheit, dann wollte ich mich auch sicher wissen. Ich wollte nicht irgendwann die Tür öffnen und Fans gegenüberstehen, die dann vielleicht auch so dreist waren in die Wohnung zu kommen. Es war mir einfach zu riskant.

Nun hatten wir aber erstmal eine achtstündige Reise vor uns. Louis und ich würden uns mit Fahren abwechseln. Heute war Samstag und die Fähre fuhr in ungefähr dreieinhalb Stunden los. Wir hatten erst einmal eine zweistündige Autofahrt vor uns. Der Himmel war stockdunkel, als wir aus der Haustür traten und zum Auto gingen. Auch wenn wir es gerade ein Uhr nachts hatten, war London belebt und hellerleuchtet.

„Hast du alles was du brauchst?", fragte mich Louis nun zum vierten Mal in der letzten Stunde. Wir hatten beide nur wenig geschlafen, jetzt wurden wir nur vom Adrenalin wachgehalten, was durch unsere Adern strömte. Die Aufregung kribbelte uns in den Fingerspitzen. So etwas hatten wir noch nie gemacht. Es war eine ganz normale Reise. Diesmal gab es kein Privatjet, kein Auto, was uns am Flughafen abholte, um uns in das nächste Hotel oder Stadion zu fahren und es gab auch kein Bodyguard, der uns wie ein Schatten folgte, wohin wir auch gingen. Heute gab es nur uns. Wir selber fuhren das Auto. Wir benutzten eine Fähre, um dann wieder selber das Steuer in die Hand zu nehmen. Es war nach diesen paar Jahren, das erste Mal, dass wir selber bestimmten, wohin die Reise ging, wie lange wir blieben und was wir dort machten. Diesmal gab es keinen Terminplan den wir einhalten mussten und das war unglaublich befreiend.

„Ja, Louis und jetzt komm. Wir wollen doch nicht die Fähre verpassen", ich kramte nun extra für ihn noch einmal in meiner Tasche und holte meine Krankenkarte und meinen Mutterschaftspass heraus.

„Zufrieden?", fragte ich ihn und hielt die zwei Gegenstände ihm direkt unter die Nase.

„Ja", sanft legte er seine Hände auf meine und drückte sie nach unten, wo sie wenige Sekunden später in meiner offenen Tasche verschwanden.

„Ich möchte nur sicher gehen, dass alles abgesichert ist, wenn was passieren sollte und wir reagieren müssen. Ich möchte nur einmal alles richtig machen", liebevoll strich er über meine Wange und hielt mir dann die Autotür auf in die ich einsteigen sollte. Doch ich stoppte mitten in meinen Bewegungen, als ich seinen Selbstvorwurf hörte.

„Wieso denkst du nur, dass du so vieles Falsch machst? Schau dich doch einmal um? Sieht das danach auch? Nein! Also entspann dich und steige endlich in deinen Wagen damit du dein Geburtstagsgeschenk genießen kannst", ich wollte heute keine langen Diskussionen mehr führen. Ich möchte nach vorne sehen und nicht die Vergangenheit wieder und wieder aufrütteln. Ich möchte im hier und jetzt leben und Louis sollte das auch. In den letzten Jahren gab es so viele Höhen und Tiefen, dass einen schon von dem ganzen auf und ab schlecht werden konnte.

Mit diesen Geschenk möchte ich Louis beweisen, dass er auch nur ein Mensch ist und kein Zootier, was ständig angegafft wurde.


-

Die zwei Stunden Fahrt bis nach Dover waren richtig lustig gewesen. Wir hatten die Musik laut aufgedreht und teilweise den Text mitgeträllert. Bei Louis klang es zwar um weiten besser, als bei mir, doch hielt es mich nicht davon ab lauter zu werden, als er.

Bei so einer etwas kindischen Beschäftigung, die aber einen wach hielt, waren wir pünktlich eine Stunde vor dem Ablegen des Schiffes da. Die Kontrollstation passierten wir ohne weitere Probleme. Es war gar nicht so leicht seine richtige Fahrspur zu finden, da es so viele gab, doch wir schafften es letztendlich. Und somit fanden wir uns eine gute Stunde später endlich auf dem riesigen Schiff wieder. Es war wirklich gigantisch und ich fühlte mich eher wie in einem Haus, als auf dem Wasser.

Es war zwar sehr früh am Morgen, doch das hieß nicht, dass es nicht viele Passagiere gab, so wie ich im Stillen gehofft hatte. Doch ich hatte vorgesorgt und uns eine Koje zum Zurückziehen gemietet. Aber jetzt nahmen wir noch nicht davon Gebrauch. Stattdessen schlichen wir uns vom Auto hoch in die für Passagiere geeigneten Bereiche, während der Überfahrt.

„Lass uns nach draußen aufs Deck gehen", meinte Louis ganz euphorisch und zog leicht an meiner Hand, die er in seiner hielt.

„Dort ist es aber kalt und windig und wir sehen nichts und – ", ich wurde von Louis abrupt unterbrochen, als er mich in seine Arme zog und sich an mich kuschelte. Sein Gesicht vergrub er in meinen Haaren, während er mich ganz fest hielt. Keine Sekunde später sah ich auch den Grund für sein merkwürdiges Benehmen.

Zwei Mädchen im Alter von Daisy und Phoebe gingen geradewegs an uns vorbei. Sie quatschten und schienen uns nicht zu erkennen. Während ich sie vorsichtig beobachte, vergrub ich mein Gesicht in Louis Schal. Doch so weit wie es aussah, brauchten wir uns nicht noch kleiner zu machen, als wir es jetzt schon versuchten. Die zwei Mädchen gingen einfach weiter und bogen an der nächsten Ecke ab.

Louis und ich atmeten hörbar aus und lösten uns voneinander.

„Genau aus diesem Grund ist dort keiner oben und wir haben dicke Jacken die uns warm halten. Wenn es nach zehn Minuten gar nicht mehr geht, dann gehen wir wieder rein. Versprochen", er nahm wieder meine Hand in seine und führte mich die Treppen weiter nach oben. Ich wusste nicht wie viele Etagen dieses Schiff hatte, aber bei dieser Höhe brauchte ich mich nicht zu wundern, wenn es mehr als vier Stockwerke waren. Ich saß vorhin schon staunend am Lenkrad und hatte beobachtet, wie auch Lkws und Busse ins Innere des Bauches vom Schiff reingefahren wurden.

Wir liefen an vielen anderen Leuten vorbei, während wir dem Himmel immer näher kamen. Mit jedem Schritt den ich auf der nächst höheren Stufe trat, vermummte ich mich immer mehr. Auf dem Deck würde es sehr windig und eiskalt sein, also schloss ich meine Jacke, wickelte meinen Schal zweimal um meinen Hals und zog meine Mütze tief ins Gesicht. Zum Schluss verschwanden meine Hände in dicke Handschuhe, die gleichdarauf in meinen Jackentaschen platzfanden.

„Bereit?", frage mich Louis grinsend, als er die eine Hand an der Tür hatte. Ich verdrehte nur meine Augen und kuschelte mich an seine Seite.


-

Als wir an der Brüstung standen und abwechselt auf das tosende Wasser unter uns und dem beleuchteten Hafen schauten, überkam mich eine Gänsehaut. Sie kam nicht durch die Kälte, die langsam aber sicher durch meine Kleidung kroch, sondern das berauschende Gefühl, was mich in diesem Moment durchfuhr.

Wir waren gerade wie jeder andere Mensch. Louis war kein weltbekannter Sänger, sondern eine Junge aus Doncaster, der mit seiner Freundin nach Calais rüber schippert. Ich lehnte lächelnd an Louis Oberkörper, während er seine Arme um mich gelegt hatte und seine Hände auf meinem Bauch lagen. Gemeinsam genossen wir die Aussicht, auch wenn wir Richtung Wasser, nicht viel sahen. Es war eher das Rauschen und der Lärm des gewaltigen Motors, dass wir hörten.

Dennoch war es wunderschön. Neugierig sah ich hoch zum Himmel, wo man ein paar Sterne erkennen konnte. Die anderen wurden von Wolken verdeckt.

„Wie kann ich dir nur für diese Auszeit, was gleichzeitig ein Abendteuer ist, wohl jemals danken?", Louis Lippen waren sehr nah bei meinem Ohr, sodass ich ihn dennoch über das laute Rauschen verstehen konnte, obwohl er fast schon flüsterte.

„Du musst mir nicht danken. Es ist schon ein Geschenk, dass ich dich vor vier Jahren kennenlernen durfte", langsam drehte ich mich in seinen Armen, sodass ich ihn nun ins Gesicht sehen konnte. Er sah so wunderschön aus. Dadurch, dass er ebenfalls Schal und Mütze trug, konnte ich nur seine Augen schimmern sehen. In diesen Moment wirkte er so geheimnisvoll, dass ich unmerklich zu zittern begann.

„Mir geht es nicht anders. Ich liebe dich so sehr und unsere Tochter ist das schönste und beste Geschenk, was du mir jemals machen konntest. Auch das hier...", er ließ seinen Arm über das Schiff und die Aussucht schweifen und verdeutlichte unseren angetretenen Urlaub: „...es ist einfach nur der absoluter Wahnsinn. Ich danke dir für alles", während er die Worte aussprach, die mein Herz berührten, löste sich in meinen Augenwinkeln die ersten Tränen. Meine Hormone waren immer noch sehr nah am Wasser gebaut und so konnte ich meinen Emotionen nicht standhalten.

„Nicht weinen. Es ist alles gut. Ich liebe dich so sehr", sanft wischte er meine Tränen weg und nahm mich danach fest in seine Arme. Gemeinsam standen wir eng umschlungen auf dem Deck der Autofähre und ließen uns den Wind um die Ohren peitschen. Doch in diesen Moment störte es nicht im Geringsten.

Wir hatten uns beide und das zählte.

-

Als es uns schlussendlich doch zu kalt wurde, huschten wir schnell wieder in die beheizten Räume. Da wir nicht doch noch das Risiko eingehen wollten, dass uns irgendjemand erkannte, suchten wir unsere Koje auf. Der Weg war leider länger als gedacht und so kamen uns viele Leute entgegen. Auch Kinder und Teenager waren dabei. Im Grunde taten sie mir leid, dass sie so früh schon auf den Beinen sein mussten, doch die Angst, dass einer von ihnen uns beide erkannte, steckte tief in meinen Knochen.

Und als wir nur noch einen Flur von unserer sicheren Unterkunft für die restliche Überfahrt entfernt waren, sah ich diesen bestimmten Blick mit den uns schon viele Fans angesehen hatten.

Nein, nein, nein, konnte nicht einmal etwas ohne Komplikationen verlaufen?


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