79. Kapitel

Eleanor

Mein Blick senkte sich auf das kleine Säckchen in meinen Händen. Leicht strich ich über den weichen Stoff und erspürte etwas Hartes darin. Es konnte nur ein Schlüssel sein.

„Die Hälfte deiner Sachen hast du eh schon bei mir", fügte er noch leise hinzu und ich hörte ein kleines Schmunzeln aus seiner Stimme heraus. Wenn ich nur an den überdimensionalen Schrank in seinem Schlafzimmer dachte, erweckte es auch bei mir ein lächeln.

„Stimmt", pflichtete ich ihn bei und sah ihn endlich wieder an. Auch wenn das strahlen seiner Augen überwog, so sah ich dennoch die Unsicherheit darin. Ich wusste nicht, woher sie kam, doch müsste er meine Antwort doch eigentlich erahnen.

Natürlich hatten wir beide einen Wunsch. Wir hatten beide Vorstellungen, wie unser Leben aussehen sollte. Doch wussten wir nicht zur Gewissheit, ob es der Partner genauso sah. Es war selbstverständlich, dass wir beide so fühlten. Wir waren jung und mussten unseren Weg noch finden. Wir probierten uns aus und genau deswegen fiel auch meine Antwort so aus: „Ja, ich ziehe gerne bei dir ein", und holte, während ich diese bedeutende Worte sage, den zweiten Schlüssel aus dem kleinen Säckchen. Es war eine süße Geste in der mir Louis zeigt, wie sehr er sich ein vereintes Leben, in einem gemeinsamen Haus wünschte. Denn auf dem Schlüssel war noch etwas eingraviert: 'unser Zuhause'

Die Woche raste nur dahin und schon hatten wir den dreiundzwanzigsten Dezember. In den vergangenen Tagen war viel passiert. Da ich nun bei Louis offiziell eingezogen war, musste ich einige rechtliche Sache klären. Zum Glück konnte ich meine kleine Wohnung schon bald kündigen. Ein Teil meiner Sachen von dort, hatten wir schon in mein neues Zuhause geschafft.

Leider konnte ich nicht alle Gegenstände mitnehmen. Auch wenn Louis Haus groß genug war, so passte es nicht zur dortigen Einrichtung und so musste ich mich schmerzlich davon trennen. Doch wegschmeißen wollte ich die schönen Stücke auch nicht. Viele Dinge verschenkte ich an Verwandte und Freunde. Manche stellte ich online zum Verkauf und ein paar durfte ich in der Wohnung lassen, die dann die neuen Mieter nutzen konnten. Mit dieser Lösung war ich mehr als zufrieden und so war es nicht so ein stress, wie ich eigentlich gedacht hatte. Trotzdem würde sich diese Prozedur noch eine Weile hinziehen. Umziehen brauchte seine Zeit und konnte nicht an einem Tag verrichtet werden. Doch wir waren schon sehr weit gekommen.

Letzten Freitag, zwei Tage nachdem ich offiziell bei Louis eingezogen war, – die Medien hatten davon zum Glück noch keinen Wind bekommen – riefen wir unsere beiden Eltern an und klärten alles wegen den bevorstehenden Festtagen. Wir wollten am vierundzwanzigsten Dezember noch nach Doncaster fahren. Da die meisten Freunde von Louis zurzeit in London waren, wollte mein Freund auch seinen Geburtstag da rein feiern. Für dieses Ereignis hatte er einen Club gemietet, der nun zum Feiern bereit stand. Also würden wir erst am Donnerstagnachmittag zu seiner Familie fahren und dort die Weihnachtstage verbringen. Silvester wollten wir dann wieder in London verbringen. Doch darüber machten wir uns nach den Festtagen Gedanken.

„Louis?", rief ich durch das ganze Haus, als ich schon fertig angezogen an der Tür stand. Dafür, dass Louis der Gastgeber war, war er ein bisschen spät dran. Außerdem, war es doch immer die Frau die länger im Bad brauchte, als der Mann, doch heute hatten wir die Rollen getauscht.

„Beeile dich, du möchtest doch zu deiner eigenen Party nicht zu spät kommen", ich musste mir das Grinsen verkneifen, als Louis in einem schicken T-Shirt die Treppen herunter gesprintet kam und dabei sich noch eine Jacke überwarf.

„Deswegen habe ich allen gesagt, dass sie ruhig, zehn Minuten später kommen können. Denn wehe, sie fangen früher an zu trinken, als ich", ich verdrehte nur meine Augen und öffnete die Wohnungstür.

„Du siehst übrigens wunderschön aus", fügte er noch hinzu und küsste mich im Vorbeigehen auf die Wange. Ich lachte nur leise und schulterte meine Handtasche. Mein Hund schlich mir dieses Mal nicht um die Beine herum. Ich hatte ihn mal wieder bei Max abgeben müssen. Mein bester Freund hatte mir, wie so oft schon, großzügiger Weise angeboten, Bruce für einen Abend zu nehmen. Ich fühlte mich dabei richtig schlecht. Doch ihn einfach mitzunehmen und dann seine Sicherheit zu riskieren wollte ich auch nicht. Irgendwann musste ich mich bei Max revanchieren. So oft hatte er meinen geliebten Hund schon genommen, während ich mit Louis unterwegs war. Bruce mit nach Doncaster zu nehmen, war deswegen ein fester Bestandteil meines Planes. Somit würde ich ihn morgen wieder bei Max abholen. Mein Hund würde diesen kurzen Wechsel hoffentlich nicht allzu übel nehmen...

Die Party war berauschend gewesen. Während die anderen sich immer mehr betranken, saß ich mit meinem Fruchtsaft-Cocktail ohne Alkohol in einer gemütlichen Ecke und quatschte mit Sophia, wenn sich nicht gerade von Liam zum Tanzen aufgefordert wurde.

Während die Zeit immer mehr gegen Mitternacht raste, hatte ich schon mehrere Tänze mit Louis absolviert und hatte mich mit fast allen seinen Freunden unterhalten. Dabei hatte mein Freund penibel darauf geachtet, dass es mir gut ging und keiner mir ausversehen Alkohol ins Getränk mischte.

Doch irgendwann war es Mitternacht und die Torte, die ich extra für ihn bestellt hatte, wurde von seinen Freunden herein gebracht. Seine Augen leuchteten, als er wie ein siebenjähriges Kind die Kerzen ausblassen durfte und er seine ersten Geschenke bekam. Auch wenn er nun vierundzwanzig Jahre alt geworden war, so war er im tiefsten inneren stets wie ein kleines Kind. Doch das durfte man sein. Viel zu oft musste man schon eine erwachsene Rolle spielen, obwohl man doch eigentlich noch etwas Kindheit haben möchte.

„Alles Gute zum Geburtstag", wünschte ich Louis, als ich meine Arme um seinen Hals legte und in die Augen sah. Er grinste mich überglücklich an und legte seine Lippen auf meine. Ich erwiderte den Kuss sofort und ließ mich kurz von meinen Gefühlen leiten, ehe ich wieder auftauchte und um uns herum, alle klatschten und johlten. Wir lachten uns beide an, als wir uns wieder zu den anderen umdrehen und die Gläser zum Anstoßen hoben.

Louis feierte noch lange mit seinen Freunden. Doch so gerne ich dabei sein möchte, mein jetziger Zustand machte es einfach nicht mit. Ich war schon froh, dass ich nicht, wie am Anfang mich andauernd übergeben musste. Überstrapazieren, sollte ich meine neu gewonnene Freiheit also nicht.

Somit verabschiedete ich mich schon kurz nach zwei von den Feierten. Louis wollte mich erst nach Hause fahren, doch ich wank dankend ab. Die Party war für ihn, wenn er also wegen mir fehlen würde, hätte ich ein schlechtes Gewissen und das wollte ich nicht. Da ich eh nichts getrunken hatte, konnte ich mit dem Auto zurück fahren, mit dem wir gekommen waren und Louis würde sich später ein Taxi nehmen.  

Am nächsten Morgen, wachte ich erstaunlich früh auf und war noch mehr überrascht, als ich merkte, dass ich voller Energie strotzte. Während ich also Louis seinen kleinen Rausch ausschlafen ließ, packte ich so weit wie möglich unsere Sachen für die Familientage zusammen. Darauf bedacht meinen Freund nicht zu wecken, wenn ich einmal in unser Schlafzimmer musste, huschte ich durchs Haus und räumte gleich ein wenig auf.

So Leid es mir für ihn dann auch tat, spätestens kurz nach zwölf Uhr musste ich ihn wecken. Wir waren um drei Uhr Nachmittag mit seiner Familie in Doncaster verabredet und hatten einen weiten Fahrweg vor uns. Zudem mussten wir jeder Zeit mit einem Stau rechnen, was uns ausbremsen könnte. Außerdem musste ich fahren, denn mein Freund konnte es durch den Alkohol vor ein paar Stunden noch nicht und durch meine Schwangerschaft, würde ich noch aufmerksamer sein als sonst.

Also weckte ich Louis mit einem lecken Frühstück im Bett und legte ihm gleich noch seine Anziehsachen daneben, damit wir keine unnötige Zeit verpulverten.

„Guten Morgen, Geburtstagskind", hauchte ich ihm leise ins Ohr und küsste ihn. Langsam räkelte sich mein Freund unter der dicken Decke und drehte seinen nackten Oberkörper zu mir.

„Guten Morgen", flüsterte er mit seiner rauen Stimme und suchte mit geschlossenen Augen mein Gesicht, damit er es kurze Zeit später mit seinen Fingern berühren konnte.

„Hast du gut geschlafen?", fragte ich ihn und kuschelte mich an seinen warmen Körper. Kurz genoss ich einfach nur die angenehme Stille und die Anwesenheit meines Liebsten.

„Ja, mit dir tue ich das immer", flüsterte Louis leise in den Raum und vergrub sein Gesicht in meinen Haaren. Sachte blies er mir Luft an meinen Hals, sodass ich leise kichern musste.

„Lass das Louis", versuchte ich mich zu wehren, doch er machte unbarmherzig weiter, bis ich mir schon den Bauch hielt und mich wegdrehte. Auch wenn es nur Luft war, so reagierte mein Körper sofort darauf und eine Gänsehaut bildete sich.

„Ich habe dir Frühstück gemacht und dir schon deine Klamotten rausgehen. So leid es mir auch tut, aber wir müssen demnächst los, wenn wir nicht zu spät bei deiner Familie sein wollen", fügte ich noch hinzu, als er keine Anstalten mehr machte, mich weiter zu attackieren.

„Danke", stieß er glücklich heraus, als er sich endlich aufsetzte und das volle Tablet sah.

Schlussendlich schafften wir es doch noch bis zum Auto. Schnell waren wir noch bei Max vorbeigefahren und hatten Bruce abgeholt, ehe wir Kurs auf Doncaster nahmen.

Dort wurden wir schon herzlich von seiner Familie begrüßt und überraschenderweise auch von meiner Mutter und meiner Oma. Eigentlich hatten wir uns ausgemacht gehabt, das sie erst heute Abend kamen, da meine Mutter noch irgendeinen Termin gehabt hätte, aber anscheinend, war es anders gekommen, als geplant.

„Mum, Grandma", rief ich erfreut und sprang, sobald ich den Motor abgeschaltet hatte und die Handbremse angezogen hatte, aus dem Auto. Ich hatte meine Mutter seit zwei Monaten nicht mehr gesehen und meine Oma sogar noch länger. Umso mehr freute ich mich, sie alle wieder zu sehen. Während ich meine Mutter und meine Grandma umarmte, sah ich, wie Louis von seiner Familie bestürmt wurde.

„Wie geht es dir? Dein Bauch ist ja schon richtig gewachsen", brachte Mum mit einem überraschten und strahlenden Blick auf meinem Bauch, heraus. Sofort wanderten auch meine Arme zu meiner Wölbung, die man nun gut unter meinen Klamotten sehen konnte und lächelte meine Mutter an.

„Mir geht es mehr als nur gut", kam es mir sofort über die Lippen und mein Blick huschte kurz zu meinem Freund, der nun von seiner Mutter in Beschlag genommen wurde, die sich gerade die neue Armbanduhr, die er von mir geschenkt bekommen hätte, anschaute und ihn dann wieder knuddelte.

„Das freut mich zu hören", Mum tätschelte mir liebevoll die Wange, ehe sie mich nochmal an sich zog.

„Darf ich meine Enkelin nun auch einmal richtig begrüßen", schaltete sich die Stimme von meiner Grandma ein und lachte leise.

„Natürlich", Tochter und Mutter grinsten sich an und sofort kam mir die Überlegung, ob es später auch einmal bei mir so sein würde. Hatte ich später auch so eine Beziehung zu meiner Tochter?

Es wurde ein schöner Nachmittag. Schlussendlich konnte ich auch noch Louis Familie begrüßen, ehe wir alle ins Haus gingen und uns an den gedeckten Tisch setzten.
Es herrschte ein angenehme und fröhliche Stimmung. Wir tauschten uns über Neuigkeiten aus und lachten viel.

Doch ich hätte eigentlich damit rechnen müssen, dass im Laufe des Tages diese eine Frage fiel und doch war ich erschrocken, als meiner Oma, die Worte über die Lippen kamen: „Wisst ihr eigentlich schon das Geschlecht von eurem Kind?"

Auf der Stelle ließ ich die Gabel wieder sinken, auf der ich gerade ein Stück Kuchen in meinen Mund befördern wollte. Nervös und leicht verunsichert sah ich zu Louis und griff unter dem Tisch nach seiner Hand.

Ich wollte unsere Familien nicht anlügen, dass wir es noch nicht wüssten, doch gleichzeitig wollte ich auch nicht das Geschlecht sagen.

Es sollte eine Überraschung sein. Sie sollten es genauso erfahren, wie alle anderen. Es musste das Versprechen reichen, es als Erste mit den Namen nach der Geburt zu erfahren, bevor es die Öffentlichkeit heraus bekam. Obwohl ich mir jetzt schon sicher war, das ich die Geburt meiner Tochter und auch alles was dazu gehörte, nicht gleich der Presse vor die Füße werfen werden. Ich wusste auch so schon, dass der Versuch, es so lange wie möglich geheim zu halten, scheitern würde, sobald wir aus dem Krankenhaus raus kamen. Doch der Versuch zählte.

Nur löste das jetzt nicht mein Problem, als ich in die wartende Gesichter unserer Familien schaute.
Was sollten wir ihnen nur sagen?

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