78. Kapitel

Eleanor

Langsam ließ ich den Schlüssel in meiner Hand sinken und schloss die Haustür leise hinter mir. Somit schnitt ich der Kälte den Weg ins Innere ab und ließ die Wärme an meinen durchgefrorenen Körper heran. Das Erdgeschoss war merkwürdig still. Vielleicht war Louis noch mit Oli unterwegs? Ich würde mich nicht wundern, wenn sie sich mal wieder verzettelt hätten. Doch das nahm ich den beiden nicht übel. Männer brauchten manchmal ihren Freiraum, nur sollten sie dabei Loyal bleiben, was ich meinem Freund mehr als nur zutraute.

„Louis?", rief ich dennoch probehalber in das große Haus und lauschte. Dabei schob ich mich aus meiner Jacke und den hohen Stiefeln, die ich immer noch trug. Dabei fielen mir meine langen Haare ins Gesicht, die ich akribisch zur Seite strich. Als ich mich wieder aufrichtete, atmete ich tief durch und strich sanft über meinen kleinen Bauch. Dabei huschte mir ein Lächeln über mein Gesicht.

„Ich bin hier", kam es leise irgendwo her und ich atmete erleichtert aus. Das Lächeln wurde noch ein wenig breiter und ich sah erwartungsvoll in die Richtung aus der seine Stimme gekommen war. Ich mochte es nicht, wenn ich nicht wusste, ob jemand da war oder nicht. Die Gefahr, dass man sich im Nebenzimmer erschreckte, nur weil da plötzlich jemand stand, mit dem man nicht gerechnet hatte, war zu groß.

„Wie war dein Tag?", seine Stimme wurde allmählich lauter und gleich darauf sah ich ihn, wie er von oben die Treppen runter kam. Seine Füße traten hart auf den Stufen auf, sodass man die Schritte hörte. Doch das kannte ich von ihm. Anschleichen war nicht seine Stärke, was mir bei früheren Streichen mehr als nur geholfen hatte. Denn im Gegensatz zu ihm, wusste ich, wie man leise und ohne weitere Geräusche auftrat.

„Alana und ich hatten eine Menge Spaß. Ich muss nur mit neuen Schlagzeilen morgen rechnen. Obwohl warte, eigentlich könnte ich jetzt schon welche finden", ich kam ihn entgegen und kramte dabei mein Handy aus meiner Tasche, die ich, sobald ich mein Telefon gefunden hatte, auf den Boden schmiss.

„Wir, El", korrigierte Louis mich liebevoll. Dabei nahm er mir mit diesen Worten sanft die Informationsquelle ab und steckte es in seine hintere Hosentasche. Ich protestierte nicht. Ich war nicht wirklich scharf darauf, die ganzen Gerüchte zu lesen und mich dann mit einem minderwertigen Gefühl herum zuschlagen.

„Okay, dann müssen wir damit rechnen, obwohl ich schuld bin", berichtigte ich mich und blickte auf unsere Hände, die nun miteinander verwoben waren. Sanft strichen Louis Finger über meine Haut und fingen damit an zu spielen. Es war eine beruhigende Berührung, die mich in andere Welten brachte. Weg von der Realität. Nur wir beide. Louis und ich.

„Du bist nicht schuld. Das sind die, die dir das antuen. Bitte glaube das nicht, was sie schreiben. Sie wissen gar nichts. Die Wahrheit kennen nur wir beide. Und wer genau das wissen möchte, muss sich persönlich an uns wenden. Vergiss das nicht", sein Zeigefinger lag nun unter meinen Kinn und drückte es liebevoll nach oben, sodass ich gezwungen war meinen Kopf zu heben.

„Bitte siehe mich an", Louis hatte seine Stimme gesenkt und doch klang sie eindringlich genug, dass ich widerwillig meinen Blick in seine Augen legte. Ich wusste, was er sagen wollte, doch wollte ich es nicht hören. Diese Unterhaltung hatten wir schon zu oft gehabt...

„Wenn es wichtig ist, werden wir es mitbekommen. Doch wir werden ihnen nicht hinterher rennen", er schloss mich in seine Arme und hielt mich einfach nur fest. Darauf bedacht, dass er meinen Bauch nicht zu sehr an seinen Körper drückte, blieben wir in dieser Haltung. Ich schloss meine Augen und genoss die Wärme dich mich umfing. Der Duft, der von meinem Freund ausging, benebelte mich, wie jedes Mal. Daran hatte sich auch nichts in den vergangenen Jahren geändert.

„Wir haben uns noch nicht einmal richtig begrüßt", murmelte er in mein Haar und löste sich mit diesen Worten wieder ein wenig. Doch fiel Platz ließ Louis zwischen uns nicht. Er lächelte mich warm an und strich mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr.

„Du siehst so wunderschön aus", leise und doch voller Hingabe, verließen diese bedeutenden Worte seine Lippen und ließen die Schmetterlinge in meinen Bauch erwachen. Louis beugte sich wieder zu mir und neigte seinen Kopf, sodass er mich küssen konnte.

Unsere Lippen trafen voller süße aufeinander. Es war etwas Neues, ein flattern in meinen Körper, was ich so noch nicht kannte. Wir hatten beide unsere Augen geschlossen, doch brauchten wir sie in diesen Moment nicht. Unser Tastsinn dominierte. Jede Faser meines Körpers war wie elektrisiert, als Louis Hände sanft darüber strichen. Automatisch trat ich einen Schritt näher zu ihm und drängte mich an ihn. Auch wenn wir von dem Anderen umschlungen waren, so reichte es mir nicht aus. Ich wollte mehr, doch das ging nicht.

Langsam löste ich mich von ihm. Es brauchte meine komplette Willenskraft, doch ich schaffte es. Sachte schlug ich meine Augen auf und blickte in das glühende Verlangen von Louis.

„Hallo, El", sprach er seine Begrüßung, die er vorhin, als Abwesenheit eingestuft hatte, aus. Sein lächeln, was sein Gesicht überzog, reichte bis zu seinen Augen und spiegelte meine Mine wider. Wie sehr ich in liebte, konnte ich nicht in Worte fassen. Dafür gab es keine Bezeichnung. Zumindest kannte ich keine, die dieses Gefühl nur annähernd beschrieb. So eine Emotion konnte nur jeder selber erleben. Und ich freute mich für jeden Menschen, der dies erfahren durfte.

„Hallo, Louis", begrüßte ich ihn ebenfalls und hauchte ihn einen kleinen Kuss auf seine Wange. Es war nur eine kurze und schnelle Berührung seiner Haut, doch mein Körper reagierte sofort. Meine Lippen kribbelten und meine Hände würden nur liebend gerne seine Haare verwuscheln, doch ich riss mich zusammen. Dafür hatte ich später noch genug Zeit.

Auch wenn mich gerade meine Gefühle übermannten, so bekam ich durchaus mit, dass Louis sich sonderbar verhielt. Es waren kleine Dinge die mir auffielen. Er wirkte leicht angespannt und mit den Gedanken woanders, obwohl er stets versuchte hier zubleiben. Mein Freund versuchte es mit seiner typischen Maske zu verbergen, doch konnte ich schon lange dadurch schauen. Ich kannte ihn und wusste, wie er auf bestimmte Situationen reagierte. Noch kannte ich nicht alle Mimiken, doch das war auch unmöglich.

„Wie war dein Tag mit Oli?", stellte ich ihm die Gegenfrage von seinem vorherigem Thema, während ich meine Tasche vom Boden aufhob. Vielleicht täuschte ich mich und er war nur erschöpft vom Tag. Ich könnte jetzt auch nicht mehr wie ein Flummi in die Luft springen. Dafür hatte Alana mit ihren Kilometerläufen von einem Laden in den anderen gesorgt.

Meine Körper hatte sich noch nicht mal um zehn Grad nach unten geneigt, da hielt mich Louis auch schon auf. Verwundert blickte ich zu ihm und versuchte dabei die warme Berührung zu ignorieren, die mir unsere Verbundenheit verdeutlichte.

Dieser zog mich blitzschnell wieder in seine Arme und vergrub sein Gesicht in meinen Haaren. Seine Lippen lagen auf meiner überempfindlichen Haut. Prompt überfuhr mich eine Gänsehaut. Langsam küsste sich Louis von meinem Schlüsselbein hoch zu meinem Ohr.

So langsam wurde ich misstrauisch. Ich wollte mich auf keinen Fall über seine Anhänglichkeit beschweren, denn ich genoss seine Nähe, die wir über die Jahre, nicht wirklich ausleben konnten. Doch heute war es irgendwie kurios. Mein Freund verhielt sich anders. Als müsste er mir irgendwas sagen, was mir vielleicht nicht gefallen würde. Doch was war es?

„Ich möchte dir gerne etwas zeigen", flüsterte er mit seiner rauen Stimme in mein Ohr und sofort überschlug sich eine neue Welle über mir. Die Neugier packte mich und ließ mich ganz hibbelig werden. Vielleicht interpretierte ich nur zu viel rein. Schließlich wurde es Frauen nachgesagt, dass sie viel zu viel über simple Sachen nachdachten und somit alles verkomplizierten.

„Okay", presste ich über meine Lippen heraus und nickte kaum merklich. Zu mehr war ich nicht im Stande. Louis montierte gerade zu einem Rätzel, was ich momentan nicht lösen konnte.

„Muss ich Angst haben?", fragte ich und versuchte mein komisches Bauchgefühl mit einem belustigten Unterton zu unterdrücken. Seine Körperhaltung beunruhigte mich immer noch. Gerade turtelte er mit mir herum und jetzt lag etwas Seltsames in der Luft. Damit ich seine Reaktion beobachten konnte, löste ich mich aus der Umarmung und blickte ihn direkt an.

„Nein. Hätte ich sonst gerne gesagt?", fragte er mich mit dem Schalk in den Augen. Seine Mundwinkel zuckten leicht, so als müsste er sich ein Lachen verkneifen, doch gleichzeitig wirkte er angespannt. Irgendwas, war doch faul?

„Was ist los?", fragte ich ihn jetzt direkt und trat vorsichtshalber noch einen Schritt von ihm weg. Sein Blick glitt zu meinen Füßen, die sich gerade noch bewegt hatten, ehe er nach meinen Händen griff und mich sanft dazu aufforderte ihm ins Wohnzimmer zu folgen.

„Wir haben alles geschafft, was wir vorhatten", beantwortete er aus heiterem Himmel meine erste Frage an ihn und ignorierte meinen beunruhigenden Blick von der Seite. Meine Stirn hatte sich in Falten gelegt und leicht angespannt, grübelte ich über sein Vorgehen nach. Was hatte er nur vor?

Louis führte mich zum Sofa, worauf wir uns keine Sekunde später fallen ließen. Unsere Hände waren immer noch miteinander verbunden und es sah auch nicht so aus, als würde Louis irgendwas daran ändern wollen. Stattdessen fing er nun an, nervös mit meinen Fingern zu spielen. Es war eine Angewohnheit von ihm, die er schon seit Jahren hatte und die mir auch gefiel, wenn es nicht gerade in einer angespannten Situation war.

„El...", fing er an und brach dann wieder ab. Er löste eine Hand von meinen Fingern und fuhr sich durch das Haar. Ich wusste auch so, dass er nicht wusste, wie er, was auch immer es war, formulieren sollte. Manchmal gab es Dinge, die man nicht in Worte fassen konnte. Vielleicht war es die Angst, die einen durchfuhr, vor falschen Rückschlüssen, des Gegenüberliegenden. Eine Bedeutung irgendeines Wortes war zu viel und es konnte sich alles ändern.

„Ich habe nachgedacht über uns, über alles. Ich weiß nicht, was die Zukunft einen bringt, doch ich würde gerne diesen Schritt mit dir zusammen gehen. Wenn unser kleines Mädchen auf der Welt ist, möchte ich dich nicht missen müssen...", er brach wieder ab und überlegte seine nächsten Worte sorgfältig. Ich wusste immer noch nicht welchen Weg er einschlagen wollte und wo wir am Ende rauskamen.

„Das möchte ich doch auch nicht. Aber wie kommst du darauf, dass ich nicht bei dir wäre?", fragte ich die Fragen, die mir im Kopf herum schwirrten, seitdem ich seine Aussage gehört hatte. Dachte er über eine getrennte Zukunft nach, doch das würde nicht mit seiner Aussage von gerade eben zusammenpassen. Doch was war es dann?

„Du hast noch deine eigene Wohnung. Jeden Abend muss ich damit rechnen, dass du dort hingehst und nicht zu mir hier her. Ich habe dieses Haus nicht nur für mich alleine gekauft. Ich dachte, wir drei könnten hier leben. Jetzt wo ich nicht mehr auf Tour bin, ist das Haus auch nicht mehr leer. Und sobald unsere Tochter auf der Welt ist, wird es auch nicht mehr still sein", er sah mich unverwandt an, während er sprach. Seine beiden Hände ruhten wieder auf meinen Fingern und umfassten sie locker.

„Still ist es doch sehr selten. Denken wir doch mal an die vielen Abende zurück, wo die Jungs hier zu Besuch waren. Ein Glück hatten wir noch keine Probleme mit den Nachbarn bekommen", wir grinsten uns kurz beide an, ehe Louis wieder ernst wurde. Ihm war dieses Gespräch sehr wichtig, das spürte ich.

Als seine Hände meinen verließen, wurde es auf der Stelle kalt. Mein Blick ruckte zu meinen leeren Fingern und dann wieder zu Louis.

Dieser hatte von irgendwoher ein kleines Säckchen hergeholt und hielt es mir jetzt hin.

„Ist es das, was du mir zeigen wolltest?", fragte ich ihn, obwohl ich es eigentlich bereits wusste. Auch wenn ich mir denken konnte, was darin verborgen war, so spürte ich, wie sich mein Herzschlag verschnellerte.

„Ja", flüsterte Louis mit seiner rauen Stimme und legte mir vorsichtig, als wäre es aus Porzellan, das kleine Säckchen in meine offenen Hände.

„Möchtest du bei mir richtig einziehen?", fragte Louis seine entscheidende Frage, die er heute loswerden wollte und lächelte mich voller Liebe und Hoffnung an. Ich dachte an meine kleine gemütliche Wohnung und vergleichte sie mit diesem Haus, wozu ich schon einen Schlüssel besaß. Doch eigentlich brauchte ich das gar nicht mehr. Mein Kopf, mein Bauch und mein Herz hatten schon längst entschieden.


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