59. Kapitel
Eleanor
Fassungslos starrte ich auf die Buchstaben vor mir. Ich war eigentlich davon ausgegangen, dass er solche bedeutende Pläne mit mir besprach. Aber er hatte nichts gesagt. Kein einziges Wort. Mir war es nicht aufgefallen, dass er über sowas überhaupt nachgedacht hatte und das ließ mich nachdenklich werden. Doch der Gedanke, der mir danach kam, ließ mich innerlich noch mehr in Panik verfallen.
Hatte er überhaupt darüber nachgedacht, eine Zukunft mit unserem Kind und mir zu führen? Ich hatte gedacht, diesen Gedanken, würde nie in meinem Kopf wiederhallen, aber genau das passierte. Doch wenn es so war, verstand ich sein voriges Verhalten nicht. Seine Nähe, seine Liebe zu mir, sein leuchten in den Augen, wann immer er auf meinen Bauch geschaut hatte. Ich verstand es einfach nicht.
Wieso?!
„Du hast davon auch nicht gewusst?", wie durch Watte nahm ich ganz leise Max Stimme war. Sie klang vorsichtig, so als hätte er Angst, ich würde im nächsten Moment an die Decke springen und ausrasten, sobald er zu laut war.
Verzweifelt schüttelte ich meinen Kopf. Nein, davon hatte ich absolut nichts gewusst! Tränen traten mir in die Augen. Ich verstand es einfach nicht. Mir wollte diese Tatsache einfach nicht klar werden. Ich glaubte, ich würde innerlich durchdrehen.
Meine Finger zitterten so sehr, dass ich es nicht schaffte, auf den Link zum Video zu klicken. Vielleicht hatten die Medien es nur wieder überspitzt dargestellt. Doch in diesen Moment schaffte ich es nicht ruhig zu bleiben und das Video erstmal zu analysieren, bevor ich voreilige Schlüsse zog.
Niemand konnte das von mir verlangen. Es hing nicht nur die Liebe meines Lebens an dieser Entscheidung, sondern auch die Zukunft unseres gemeinsamen Kindes, was noch nicht mal geboren war. Ach verdammt! Alles verschwamm vor meinen Augen zu einem einzigen undurchsichtigen Film.
„Vielleicht...", versuchte Max mich aufzumuntern, aber ich blockte ihn ab. Nein, nicht wieder diese billigen Versuche. In den Jahren musste ich mir schon so einiges an Überlegungen anhören, wieso er was getan hatte oder nicht. Nein! Es war genug! Ich war es für allemal leid. Ich dachte, jetzt wo die Tour vorbei war, würde sowas aufhören, aber da hatte ich mal wieder getäuscht.
„Versuch es nicht schön zu reden! Wenn er meint so weiterleben zu wollen...", meine Stimme brach und ich vergrub meine Hände in meinem Gesicht. Die Worte die aus meinen Mund kamen, kamen nicht in meinem Kopf an. Die Bedeutung dahinter – welche Ausmaße das alles haben konnte – war unvorstellbar. Mein Handy fiel dabei herunter, aber das störte mich in diesen Moment nicht das Geringste. Soll es doch kaputt gehen. Ich konnte es ersetzen. Meine Liebe nicht! Mein Leben nicht!
Deswegen sollte ich vorhin nicht Max Telefon bekommen...Dieser! Nein, meine Gefühle waren so durcheinander, dass ich die bittere Enttäuschung, die in mir alles zusammen zog, bei der falschen Person verspürte. Ich schüttelte meinen Kopf und bekam noch die miesen Schuldgefühle dazu.
Nein, nein, nein!
Ich schrie in meinen Gedanken so laut ich konnte. Ich spannte meinen Körper bis er zitterte an, dann ließ ich los und faste einen Entschluss. So konnte es nicht weitergehen. Nicht solange ich mein Kind in mir trug und darüber hinaus.
Hektisch wischte ich mir mit meinen Handrücken unsanft über meine Wangen. Ich wollte Klarheit über diese Geschichte. Ich wollte wissen, was Louis sich unter diesen Plan vorstellte. Ich wollte nicht später zurück denken und überlegen, was wäre wenn gewesen. Ich wollte Louis die Chance geben sich zu erklären, doch dafür musste ich den ersten Schritt machen. Denn so wie ich ihn kannte, wusste er von meinem Gefühlschaos noch nichts. Viel zu sehr war er mit seinem Job beschäftigt.
Ich schaute absichtlich nicht zu Max, der immer noch neben mir saß und hob das Handy vom Boden auf. Ich wollte nicht in sein sorgenvolles Gesicht sehen und wieder in den gleichen Trott verfallen. Mit meinen Gefühlen, war in meinem jetzigen Zustand nicht zu spaßen. Sie schossen immer über das Ziel heraus und setzten viel zu früh ein.
Eine Sache die mich noch mehr traf, als die Tatsache das er vorhatte sein weiteres Leben in Los Angeles zu führen, war das die Öffentlichkeit – die wir beide manchmal einfach nur hassten – es als erstes erfuhr, als seine Freundin mit seinem Kind in ihr.
Es war die pure Eifersucht, die aus mir sprach, doch ich konnte es nicht stoppen...
Schnell hatte ich Louis Nummer gewählt und presste mein Telefon an mein Ohr. Die Geräusche die daraus kamen, trieben mich halb in den Wahnsinn. Er hob nicht ab und bald sprang der Anrufbeantworter an. Natürlich, würde ich ihn nicht erreichen. Momentan sang er noch mit seinen Bandkollegen auf einer kleinen Bühne bei der 'Live Lounge' oder war anderweitig beschäftigt. Ich wusste es nicht.
Das Zeichen, das ich nun auf die Mailbox sprechen konnte, kam und ich nutzte jede Sekunde die ich hatte: „Los Angeles? Ich wusste nicht, das du dort leben möchtest. Wahrscheinlich liegt es daran, das du uns nicht bei deinen neuen Leben nach der Band dabei haben möchtest", ich schloss kurz meine Augen, um den letzten Gedanken loszuwerden: „Nur eine Sache ist mir unklar: Wieso konntest du mir das nicht ins Gesicht sagen? Wieso musste ich es aus einem Interview erfahren? Ich dachte, von dieser Sache wären wir schon längst weg, doch anscheinend habe ich mich in mehreren Dingen getäuscht", ich holte tief Luft. Vielleicht gab es auch eine simple Lösung für diese Schlagzeile, doch in diesen Moment war ich einfach nur geschockt. Ich wusste nicht, wie ich mit meinen Gefühlen umzugehen hatte. Sie übermannten mich und nahmen mich vollkommen ein. Die Enttäuschung, die ich gerade empfand, steuerte meine Worte.
Ich legte auf, ohne noch was gesagt zu haben. Ich war fertig. Frustriert fuhr ich mir durch meine Haare und rieb mir einmal über mein Gesicht. Der Tag war schon anstrengend gewesen, doch dieses Ereignis schlauchte mich am meisten. Es zerrte an meinen Nerven und irgendwann war es zu viel...
Langsam drehte ich meinen Kopf. Stumm sah ich Max an. Dieser tat es mir gleich, nur das sein Blick forschend und dennoch vorsichtig auf mir lag. Ich mochte diesen Ausdruck immer noch nicht und mein bester Freund wusste das, doch wenn ich mich in seine Lage versetzte, würde ich sehr wahrscheinlich genauso aussehen. Man konnte nichts dagegen machen. So wie bei vielen – oder wollte man nur einfach nicht und erfand deswegen diese Ausrede?
„Ich fahr", meinte ich und stand abrupt auf. Die Entscheidung war schon lange gefallen. Ich konnte nicht hier bleiben. Es ging nicht. Ich brauchte meinen Raum und in diesen Moment war es nicht bei Max.
„Was?!", Max tat es mir gleich und sah mich nun erschrocken an. Wild fuchtelte er mit seinen Armen in der Luft herum, um mich so zum Bleiben zu bringen. Weg war die Vorsicht, die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben.
„Wohin?", fragte er weiter, als ich nach meiner Tasche griff und sie aufhob. Ich hatte bis jetzt kein weiteres Wort gesagt. Mein Gesicht war immer noch von der Enttäuschung und den Tränen, die dies zum Ausdruck taten, gezeichnet. Mein unordentlicher Dutt und meine Schlappersachen passten gut zu meiner Stimmung, wobei der Geruch, der stets an den Klamotten haftete, es in diesen Moment noch schlimmer machte.
Ich liebte Louis immer noch. Sein Duft hatte stets die gleiche Wirkung auf mich. Doch der offensichtliche Grund, ließen diese Gefühle in den Hintergrund rücken. So sehr sie sich auch werten, ich musste meinen Körper schützen.
„Wieso bleibst du nicht hier?", fragte Max weiter, als ich ihm keine Antwort gab und meine Schuhe anzog. Er fuhr sich durch seine kinnlangen Haare und wirkte fast verzweifelt, so als wäre er Schuld an dieser Situation. Doch das war er ganz sicher nicht. Allein Louis konnte was dafür. Vielleicht auch die Presse und schließlich ich – doch das tat nichts zur Sache. Ich würde fahren. Was Max darüber dachte, konnte ich mir später Vorwürfe machen.
Ich musste dringend meine Gedanken ordnen. Sie waren durcheinandergeraten und brachten alles durcheinander. Schlaf wäre eine gute Lösung...
„Louis weiß, dass ich bei dir bin. Er kommt nachher her und momentan brauche ich meine Ruhe. Ich weiß, es ist unfair gegenüber dir, das ich jetzt einfach so verschwinde, aber ich kann nicht mehr. Es tut mir leid"
„El, um mich brauchst du dir nun keinen Sorgen zu machen. Doch bitte lass mich fahren", er kam auf mich zu und nahm meine Hände in seine. Tief sah er mir in die Augen.
Vehement schüttelte ich meinen Kopf. Das kam überhaupt nicht in Frage. Ich hatte immer noch die Hoffnung, das er dachte, ich würde zu einer meiner Freundinnen fahren, damit ich mich da ausweinen konnte, aber zusätzlich zu riskieren, das er Louis sagen könnte, wo ich tatsächlich hinfuhr, war mir zu hoch.
Er seufzte, als er merkte, dass er gegen mich und meinen Sturkopf nicht ankam und murmelte dann etwas gequält: „Fahr vorsichtig", ich nickte. Je nach Gefühlslage fuhr man das Auto anders. Wenn man entspannt war, war die Fahrt es auch. Doch war man auf jemanden wütend, wurde man unaufmerksam und machte Fehler. Was für Auswirkungen sie haben konnten, sah man im Nachhinein. Kein Wunder, das Max mich sanft warnte.
„Ich fahr vorsichtig. Danke für alles. Danke für diesen schönen Tag, auch wenn er leider anderes endet, als ich es mir vorgestellt habe", ich schlang meine Arme um seine Mitte und drückte ihn für eine Umarmung an mich.
„Ich hab dich lieb. Bis bald", dann lösten wir uns und ich ging aus seiner Wohnung. Bruce hatte ich schnell an die Leine genommen. Dieser hatte sich vorhin irgendwo in der Wohnung gemütlich gemacht und war erst wiedergekommen, als er die plötzlich ändernde Stimmung bemerkte hatte. Max Sachen, hatten wir vorhin schon hochgetragen, somit waren nur noch meine Ausbeutungen des Tages im Auto.
Erschöpft schloss ich meine Wohnungstür auf und ließ Bruce frei. Mit schweren Schritten schlürfte ich durch die dunkle Wohnung. In diesen Moment war ich zu faul, um das Licht überall anzuschalten, zumal ich vorhatte sofort ins Bett zu gehen. Die Gedanken kreisten unaufhörlich in meinen Kopf herum. Vielleicht schaffte ich es in einen traumlosen Schlaf zu verfallen...
So wie ich war, warf ich mich aufs Bett und Bruce hinter mir her. Sofort kuschelte er sich an mich ran und ließ sich von mir kraulen. Ich schloss meine Augen und schon wieder tauchten die Worte, wie Neonschilder in meinen Kopf auf.
Ich begriff es noch immer nicht und hoffte insgeheim, das Louis mir noch antworten würde und es mir erklärte.
Auch wenn ich enttäuscht von ihm war, so glaubte ich ihn so gut zu kennen, das er sowas eigentlich nicht machte. Aber Menschen konnten sich ändern und auch Sachen vor einem Geheimhalten die irgendwann aus heiterem Himmel raus kamen. Ich wusste nicht, wie ich mich in dieser Situation verhalten sollte. Somit entschied ich mich spontan.
Mein Handy hatte sich noch nicht mit einer Nachricht von Louis gemeldet. Doch die Hoffnung gab ich nicht auf. Ich wollte eine Erklärung und die würde ich auch bekommen. Da war ich mir sicher.
Ich musste wohl eingeschlafen sein, denn ich wurde durch ein poltern, was nicht aus diesen Zimmer kam, wach. Ängstlich verkrampfte ich mich im Bett und bewegte mich keinen Millimeter. In diese Wohnung war noch nie eingebrochen worden, doch es gab immer ein erstes Mal. Sollte ich die Polizei anrufen oder mir irgendwas als Waffe suchen?
Was sollte ich tun?!
Ich war verzweifelt und den Tränen nah. Das war zu viel Aufregung für einen Tag. Dazu kam noch der Schlafmangel, der mich momentan plagte und alles noch verkomplizierte. Ich war fertig mit den Nerven.
Bruce neben mir schlief noch immer tief und fest. Er konnte mir also auch nicht helfen. Da hatte man schon einen Hund als Haustier und dann das. Doch aufwecken wollte ich ihn auch nicht. Vielleicht war nur was vom Windstoß im Flur umgefallen. Doch dann hörte ich etwas leises klimpern und war mir zu neunzig Prozent sicher, das ein weiter Mensch in der Wohnung war.
Wer auch immer in meinem Heim war, bewegte sich ziemlich leise. Somit konnte ich nicht ausmachen, wo sich diese Person gerade befand.
Durch die paar Fenster die ich hatte, fiel von den Laternen draußen Licht in die Wohnung und durch meine leicht geöffnete Tür. Doch dann fiel ein Schatten in mein Zimmer und ich zuckte zusammen. Panisch hielt ich die Luft an und starrte auf die Kontur, nur ein paar Meter von mir entfernt.
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