45. Kapitel
Eleanor
„Was machen wir jetzt nur?", mein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Meine Stimme klang aufgebracht und so, als würde sie im nächsten Moment versagen.
Wie reagierte man, wenn sowohl die Mutter von deinem Freund, als auch seine eigene Mutter gleichzeitig anrufen und man ganz genau weiß, was sie wollten. Sie wollten antworten und diese konnten wir ihnen noch nicht geben. So etwas Wichtiges für einen, für die Zukunft, – für die gemeinsame Zukunft – sagte man nicht einfach am Telefon. Und das werden sie hoffentlich später verstehen.
„Haben sich unsere Mütter etwa abgesprochen?", fragte Louis unsicher und mit einem Lachen, was fast ins hysterische abrutschte. Er war anscheinend genauso überfordert wie ich. Wir wollten es einfach nur persönlich sagen. Wieso haben Mütter immer so ein 'Mütterinstinkt'?
„So wie ich sie kenne, schon", nervös fuhr ich mir durch die Haare und wippte mit meinen Füßen. Unsere Eltern haben generell einen guten Draht zueinander. Sie verstanden sich, als kannten sie sich schon, als sie noch in die Windeln gemacht hatten. Derweile waren es nur ihre Kinder, die eine feste Beziehung führten und sie somit einander vorgestellt hatten.
Unruhig rutschte ich auf meinem Sitz hin und her. Meine Augen starrten auf das klingelnde und vibrierende Gerät in meiner Hand. Das herumkauen auf meiner Lippe hatte ich nicht mehr unter Kontrolle.
„El, beruhig dich und lass bitte deine wunderschönen Lippen in Ruhe. Es sind nur unsere Eltern", sanft legte sich eine Hand auf mein Oberschenkel und bremste somit meine schnelles auf und ab wippen. Langsam hörten meine Zähne auf meine zerschundene Haut zu bearbeiten.
Wahrscheinlich wollte er sich mit den Worten selber beruhigen. Schließlich waren es wirklich nur unsere Eltern, die einfach zu Neugierig waren.
„Ja deswegen drum. Es sind unsere Eltern, die gerade anrufen und sehr wahrscheinlich wissen wollen, ob ich schwanger bin. Was wird denn aus unserer Überraschung?", mein Kopf drehte sich zu ihm und ich sah meinem Freund in die Augen.
„Drücken wir sie einfach weg", und ehe ich etwas erwidern konnte, hatte Louis sich mein Handy geschnappt. Doch bevor er den roten Hörer gedrückt hatte, war Louis es, der nun auf mein Telefon starrte. Sein Mund war leicht geöffnet, als er das Gerät untersuchte.
„Was hast du mit deinem Handy gemacht?", er sah zu mir auf und hielt meinen Blick fest.
„Das war ich nicht", verteidigte ich mich und vergaß dabei fast meine Nervosität.
„Das war Mr Randall oder primer sein Fahrradlenker. Es ist nicht weiter schlimm. Sobald ich Zeit habe, lass ich das Display austauschen", er nickte nur und drückte endlich auf den roten Hörer und schaltete mein Handy aus. Keine Sekunde später, war auch bei seinem Telefon der Bildschirm schwarz. Jetzt wo beide nicht mehr klingelten, fühlte sich die Stille erdrückend an. Doch bevor ich ein schlechtes Gewissen bekommen konnte, verhinderte es Louis.
„Unsere Mütter sollen uns das ja nicht versauen", er grinste mich an und seine Lachfältchen die ich so liebte, traten deutlicher hervor. Ich hob meine Hand zu seinem Gesicht und strich mit einem Finger über die Stelle, die ich gerade nur angeschaut hatte.
„Du spinnst"
„Ich weiß", sein Grinsen wurde noch stärker und ich nahm meine Hand wieder weg. Louis drückte mir mein Handy wieder in die Hand und hauchte mir ein Kuss auf die Stirn.
„Ich bin so müde", maulte ich und ließ mein Kopf in die weichen Kissen sinken. Wir waren endlich im Hotel angekommen. Die Jungs hatten hier mehrere Konzerte, sodass wir nun vier Tage in Newcastle bleiben würden.
„Nicht nur du", meinte Louis und ließ sich neben mich fallen. Ich brummte mitfühlend und schloss meine Augen. Der Tag war für mich zu anstrengend gewesen. Erst der Hinflug, dann der kleine Unfall und dann der Rückflug.
„In meiner Tasche ist das Ultraschallbild", ich hoffte Louis verstand mich, den meine Stimme wurde immer undeutlicher.
„Ich schau es mir gleich an. Aber auch wenn du fast einschläfst, solltest du dir was Bequemeres anziehen", meinte er. Ich sah zwar nichts, dennoch spürte ich seinen Blick von der Seite. Woher ich das immer wusste, war mir selber ein Rätsel. Aber es war ein wunderschönes Gefühl.
„Ich bin zu faul", nuschelte ich in mein Kissen, als ich mich kurz zuvor auf die Seite gedreht hatte und meinen Kopf in den weichen Bezug vergraben hatte, um eine gemütlichere Schlafposition zu finden.
Ich hörte nur sein Lachen, als ich plötzlich seine warmen Hände an meinen Füßen spürte, die mir die Socken auszogen.
„Dann übernehme ich das wohl heute. Ich will nicht, das du morgen irgendwelche Schmerzen hast, nur weil du zu müde warst"
„Danke", und dann musste ich wirklich eingeschlafen sein, denn ich bekam nicht mehr mit, wie mein Freund mir einen Pullover von sich selber überzog.
Mein Schlaf wurde mitten in der Nacht unterbrochen, als ich schweißgebadet erwachte und mit der Hand vor dem Mund in das Bad rannte. Den Albtraum den ich hatte, hatte die aufkommende Übelkeit nur verstärkt und war so nicht gerade schlaffördernd gewesen.
Immer wieder tauchten Bilder vor meinem inneren Auge auf. Bilder wie ich auf dem Boden aufschlug nachdem mich der Lenker getroffen hatte. Ich wusste selbst im Traum, dass ich träumte, aber ich kam nicht davon los. Es war wie eine klebrige Masse, die nicht von der Haut abzuwaschen war. In meinem Unterbewusstsein musste ich Angst haben oder zumindest beunruhigt sein. Anders konnte ich es mir nicht erklären. Träume waren dafür da, das Geschehene zu verarbeiten...
Ich schaffte es nicht mal das Licht im Bad an zumachen und erbrach mich über der Toilettenschüssel. Dabei stützte ich mich mit einer Hand ab, die andere war stets an meinem Bauch und fuhr mit kreisenden Bewegungen darüber. Ich versuchte mich auf die Regelmäßigkeit zu konzentrieren, aber gleichzeitig sich zu übergeben, half nicht viel dabei.
Ich spürte Louis Anwesenheit bevor ich ihn hörte: „El", hauchte er und hielt mir die Haare zurück. Den einen Arm, den er nicht dazu brauchte, legte er auf meine Hand am Bauch und versuchte mich mit liebevollen Worten zu beruhigen.
„Was hatten wir abgemacht?", es war eine theoretische Frage, die er mir nachdem ich mich beruhigt hatte stellte. Wir wussten beide die Antwort.
Heute hatte Bruce Geburtstag und ich war nicht bei ihm. Das war der erste Gedanke als ich an diesem Mittwoch in Louis Armen aufwachte. Traurigkeit überkam mich, als ich an meinen geliebten Hund dachte. Er hasste es, wenn ich nicht bei ihm war. Das merkte ich schon, wenn ich mein Koffer packte. Bruce saß dann meistens neben mir und sah mich dann mit seinem Hundeblick an. Mir zerriss es das Herz, aber ich konnte ihn einfach nicht mitnehmen...
Ich hätte viel lieber noch an Bruce gedacht, aber dann fiel mir ein, dass heute der Tag war, an dem ich es meiner Mutter erzählen würde. Ich würde ihr erzählen, dass sie bald Oma wurde. Die Frage, wie sie wohl reagieren würde, ließ mich einfach nicht mehr los. Die Antwort bekam ich nur, wenn ich es ihr gesagt hatte.
Adrenalin bildete sich in meinen Körper und dann konnte ich nicht mehr ruhig liegen bleiben. Ich musste die neu hinzugekommene Energie loswerden. Energisch schlug ich die Bettdecke zur Seite – nachdem ich Louis Arme vorsichtig von meinen Körper weggeschoben hatte, der immer noch schlief – und war mit meinen Gedanke ausnahmslos bei dem bevorstehenden Gespräch.
Während ich ins Bad lief, schrieb ich Max über Whatsapp an. Er sollte Bruce von mir ganz fest knuddeln. Ein paar Sekunden später erhielt ich ein Beweisfoto und ein Lächeln zierte mein Gesicht. Auf meinen besten Freund war verlass...
Schnell zog ich mich aus und stieg unter die Dusche. Während das warme Wasser auf meinen Körper prasselte, strich ich mit meinen Händen sanft über meinen Bauch. Noch immer konnte ich es mir nicht wirklich vorstellen, in nicht mal sieben Monaten ein Kind in meinen Armen zu halten. Mein eigenes Kind.
Das Lächeln auf meinem Gesicht wurde breiter und meine Tränen vermischten sich mit dem Wasser was aus der Duschbrause kam. Auch wenn die Schwangerschaft ungeplant war, war sie doch eines der schönsten Dinge, die mir bis jetzt passiert waren.
Als ich gerade am föhnen meiner Haare war, steckte Louis seinen Kopf ins Bad rein und lächelte als er mich am Waschbecken sah, wo darüber der Spiegel hing. Da ich keine Sachen mit ins Bad reingenommen hatte, und ich nicht meine Schlafsachen nochmal anziehen wollte, stand ich nackt da. Kein Wunder das er lächelte. Männer lieben einfach sowas. Das war von der Natur vorbestimmt und dagegen konnte man nichts machen. Aber wollten wir das überhaupt?
„Ich habe nochmal mit den anderen geredet und wir wären schneller, wenn wir mit der kompletten Crew und den Jungs erst nach Sheffield fliegen würden. Von da fahren wir mit einem Auto nach Manchester", er kam auf mich zugelaufen, drückte mir einen Kuss auf die Wange und schnappte sich seine Zahnbrüste. Ich nickte zustimmend und widmete mich wieder meinen Haaren.
Etwa drei Stunden später saßen wir im Auto und hatten Manchester erreicht. Unsere Handys waren wieder angeschaltet. Wir hatten sie vor ein paar Tagen wieder aktiviert, als wir Beiden eine SMS geschrieben hatten, um ihnen unseren Besuch anzukündigen. Seitdem hatten sie glaube ich eingesehen, dass sie vorher nichts mehr aus uns rausbekamen und das war gut so.
Die Nervosität stieg bei uns beiden. Louis schaute immer wieder zu mir, sodass ich Angst bekam, dass er noch ein Unfall baute. Das passte jetzt gar nicht. Während er fuhr hatte Louis – wenn er nicht gerade Schalten musste – seine linke Hand auf meinen Oberschenkel.
„Louis, schau verdammt noch mal auf die Straße, wenn du Autofährst!", fuhr ich ihn an, als seine Augen, wieder zu mir huschten.
„Tut mir leid, ich bin nur...", fing er an, brach dann aber ab. Beruhigend legte ich meine Hand auf seine und strich über seine Finger.
„Ich weiß. Das bin ich auch. Aber wir schaffen das. Es ist doch nur unser Kind", mein Blick glitt von Louis auf meinen Bauch, wo nun meine andere Hand ruhte.
„Ja...nur –", er brach ab und schüttelte seinen Kopf.
„Was?"
„Sind die Männer nicht immer die Bösen? Ich meine...wir sind jung...denkst du nicht, dass deine Mutter das als Argument gegen mich verwendet?"
„So kenne ich dich gar nicht", stellte ich fest.
„Eleanor, bitte", Louis war wirklich nervös, auch wenn er es versucht zu verstecken. Aber an Hand dass er am Zweifeln war, was die freundschaftliche Bindung zwischen ihm und meiner Mutter anging und das er mich nicht mit meinem Spitznamen angesprochen hatte, so wie er es sonst tat, sagte alles.
Ich fand es süß, ihn so zu sehen. Meistens war er entweder der Spaßvogel oder der stärkste Mann auf Erden. Aber so...Es zeigte mir, wie wichtig es ihm war und das machte mich Glücklich.
Es war eine besondere Situation, in der wir uns befanden. Wir kannten sie nicht und somit waren wir beide unsicher. Und das war okay.
„Wie wollen wir es sagen, wenn wir ankommen?", fragte mich Louis, ohne weiter auf meinen Kommentar einzugehen.
„Wie wäre es, wenn wir es spontan entscheiden? Wir zwei können doch eh nichts planen", ich lachte und verschränkte unsere Hände ineinander. Nur wenige Sekunden später hatte er sich gefangen und lachte mit. Es schien, als würde ein Teil der Nervosität von ihm abfallen und das war gut. Sonst würde meine Mutter sofort bemerken, dass was passiert war – Wenn sie das nicht schon dank der Presse dachte.
„Stimmt", und dann erreichten wir die Auffahrt und somit das Haus meiner Mutter. Mein Herz schlug kräftig gegen meine Brust und ich schaute zu Louis. Dieser beugte sich, nachdem er den Sicherheitsgurt gelöst hatte, zu mir rüber und küsste mich.
Seine Lippen bewegten sich sanft und dennoch voller Leidenschaft auf meinen. Meine Augen waren schon längst geschlossen, als ich mich fallen ließ. Genau das brauchten wir jetzt.
Seine Arme hielten – soweit es im Auto ging – mich fest und das Gefühl von Geborgenheit, was ich in seiner Nähe hatte, verstärkte sich nur noch mehr und erfüllte mich vollkommen.
Viel zu schnell lösten wir uns voneinander und sahen zu der Haustür. Diese öffnete sich genau in diesen Moment und meine Mutter stand nur noch wenige Meter von uns entfernt. Ich schluckte.
El reiß dich zusammen! Das ist nur deine Mutter!
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