40. Kapitel

Eleanor

Lottie reagierte blitzschnell und hielt mir einen Eimer hin. Wo der jetzt herkam und wieso der da rein zufällig stand, konnte ich mir in diesen Moment nicht erklären, aber ich hatte im Augenblick ganz andere Sorgen. Ich ergriff ihn und versuchte halbwegs meine Fassung wieder zu finden. Louis Schwester strich mir dabei beruhigend über meinen Rücken und hielt meine Haare zurück. Wie ich diese Übelkeit hasste...

Mein Handy hatte zwischenzeitlich aufgehört zu klingeln, was meine Nerven gut tat. Mein Klingelton, und das ständige vibrieren hätten mir sonst Kopfschmerzen bereitet und das wäre die zu süße Kirsche auf dem Trümmerhaufen.

„Es tut mir leid", brachte ich mit brüchiger Stimme, nachdem sich mein Magen wieder beruhigt hatte raus und stützte mich am Waschbecken ab. Mein Kopf drehte ich leicht nach Links, um sie durch den großen Spiegel in einem der Bäder des Stadions anzusehen.

„Ich –", mein Blick löste sich von ihren Augen und wanderte zu meinen Händen, die unruhig auf das Keramik trommelten. Mir war es so peinlich vor ihr oder generell anderen Leuten, die Fassung zu verlieren. Ich kam mir dabei so hilflos vor, obwohl ich ganz sicher nicht der Mensch war, der bei jedem bisschen rumheulte.

„Schhh, du musst dich für gar nichts entschuldigen. Dein jetziger Zustand entschuldigt dich", kurz hielt sie inne, um dann gleichdarauf wild mit ihren Armen in der Luft herum zu fuchteln und hektisch mit den Kopf zu schütteln.

„Komm aber ja nicht auf die Idee, dass du mit allem durchkommst", versuchte Lottie sich gleich zu berichtigen und wandelte die noch leichte angespannte Stimmung, wieder in eine lockere um. Mit leichten nachdruck legte sie ihre rechte Hand auf meine linke. Ich schaute wieder zu ihr auf und schmunzelte: „Mhmm, jetzt wo du es sagst..."

Lottie stieß mich spielerisch in die Seite und lachte. Schnell spülte ich meinen Mund aus und spritzte mir Wasser in Gesicht. So schaffte ich es, mich Stück für Stück, wieder ohne ekligen Geschmack im Mund und einer normalen Gesichtsfarbe, herzurichten.


„Was soll ich ihr nur sagen?", wir waren wieder im Aufenthaltsraum und ich hatte mein Handy in der Hand. Unruhig ließ ich es von der einen Hand in die andere gleiten und drehte es hin und her. Louis und die anderen Jungs waren noch nicht wieder gekommen und so waren wir weiterhin allein.

Lottie war mir leider keine große Hilfe, denn sie hob nur ihre Schultern und sah mich ratlos an. Was wenn sie –

Wir zuckten beide erschrocken zusammen, als wir sowohl vom Gang, als auch von meinem Handy aus Geräusche hörten. Ein Blick auf das kleine Gerät in meiner Hand, verriet mir, dass es wieder meine Mutter war. Sie war sonst nicht so hartnäckig. Hatte sie etwa, die Gerüchte gelesen, auch wenn sie wusste, dass sie ihnen nicht Glauben schenken durfte?

Was sollte ich ihr nur sagen?

Aber vielleicht wollte sie sich auch einfach nur erkundigen, ob ich noch lebte. Mit schrecken stellte ich fest, dass ich gar nicht mehr wusste, wann wir uns das letzte Mal gesprochen oder gesehen hatten. Somit konnte ich mich nicht mehr vor dem Telefonat drücken. Zumindest redete ich mir das ein, ehe ich noch einmal tief durchatmete.

„Hallo Eleanor", begrüßte mich meine Mutter am anderen Ende der Leitung fröhlich, als ich den Anruf angenommen hatte. Meine Hände waren schweiß Nass und kalt.

„Hey Mom", meine Stimme klang leider nicht so fest, wie ich es erhofft hatte. Sie erhallte eher kläglich und bebte ein wenig. Kein Wunder, denn auch wenn ich saß, zitterte leicht mein Körper. Ich konnte es nicht stoppen. Es war wie als wolle mein Körper mir nicht gehorchen.

Dazu hatte ich im inneren gehofft, dass ich das Gespräch mit ihr noch ein bisschen nach hinten schieben konnte. Zumal wir sie eigentlich nächste Woche eventuell besuchen wollten, aber davon wusste sie noch nichts.

„Wie geht es dir?", fragte sie eigentlich eine ganz selbstverständliche Frage, aber heute warf sie mich aus der Bahn. Was sollte ich ihr nur sagen? Und worauf bezog sich die Frage? Auf das physisch oder psychisch? Bei beiden wüsste ich nicht, wie ich antworten sollte...

„Ist alles in Ordnung bei dir? Du wirkst angespannt"

Nervös schaute ich zu Lottie, die immer noch neben mir saß und mich aufmerksam musterte. Aber bevor ich überhaupt eine Chance hatte die Fragen meiner Mutter zu beantworten, wurde die Tür aufgerissen und vier Chaoten kamen laut fluchend in den Raum gestürzt. Mein Blick schoss von Lottie zu der Gruppe vor uns.

„Man Liam, musste das sein!", beschwerte sich Harry gerade bei seinem besten Freund. Meine Augen schweiften zu Louis, der zu mir sah. Eben war sein Blick noch voller Belustigung, wegen etwas was vorher passiert war, aber jetzt überschattete ihn etwas. Bevor ich meinem Freund irgendwelche Zeichen geben konnte, hörte ich meine Mutter wieder.

„Eleanor, bist du noch dran?", fragte sie mich aus meinem Handy heraus und ich wurde gezwungen meine Aufmerksamkeit wieder ihr zu widmen. Viel lieber würde ich einfach auflegen, aber ich wusste, dass das nichts brachte. Sie würde mich in nicht mal dreißig Sekunden wieder anrufen und nach einer Erklärung fordern. Gleichwohl sie wusste, dass ich – wenn ich mit Louis auf Tour war – wenig Zeit hatte, machte sie dennoch keine Ausnahmen. Auch wenn sie in solchen Sachen konsequent war, war sie in anderen Sachen viel lockerer, als vielleicht andere Mütter.

„Ja – ja ich bin noch dran", stammelte ich, befreite mich von der Decke, die ich mir vorhin wieder umgelegt hatte und erhob mich. Ich hielt das Handy an mein rechtes Ohr, somit hatte ich meine linke Hand frei und bedeckte damit mein Ohr, damit ich meine Mutter weiter verstehen konnte, denn die Jungs diskutierten immer noch – zumindest ein Teil. Ich wich Louis fragenden Blick aus und huschte schnell an den Chaoten vorbei in den Gang.

„Was macht ihr gerade?", fragte sie mich und vergaß dabei, dass ich ihr eigentlich noch nicht geantwortet hatte. Aber ich kannte meine Mutter leider gut genug, um zu wissen, dass ich noch nicht ganz aus dem Schneider war.

„Ich habe bis geradeeben im Backstagebereich auf Louis und den Rest gewartet. Sie mussten noch was wegen dem neuem Album klären. Sie sind gerade wieder gekommen. Jetzt müssten eigentlich die Meet and Greets losgehen...", ich betete, dass sie den Link zum Auflegen verstanden hatte. Sie mochte Louis von Anfang an – das hatte ihn schon einigen Ärger erspart – und auch wenn sie in manchen Sachen konsequent war, wusste sie, wie kostbar meine Zeit mit ihm war.

Ich ging den Gang weiter und setzte mich schlussendlich auf eine Kiste, wo immer die Bühnenteile für die Reisen verstaut wurden. Ich lehnte mich nach hinten an die Wand und schloss kurz meine Augen. Ich liebte meine Mutter. Seit ich ausgezogen war, sahen, wir uns eher selten. Denn ich lebte in London, sie in Manchester. Das waren fast vier Stunden reine Autofahrt und nur für ein Wochenende fast zweihundert Meilen zu fahren, wenn man schon eine stressige Arbeitswoche hatte, einfach zu weit. Aber heute wünschte ich nur noch, dass sie auflegte. Die Angst, sie könnte mich fragen ob ich wirklich Schwanger sei, weil sie nicht auf den Rat von Louis und mir gehört hatte und trotzdem der Presse glaubte, verstärkte sich mit jeder Minute, mit der sie nicht aufgelegt hatte und mir weiter Fragen stellte.

Als ich meine Augen wieder öffnete, stand Louis vor mir. Kurz zuckte ich zusammen, weil ich ihn nicht kommen gehört hatte. Deutlich formte er seine Lippen und fragte mich: 'Wer ist das?'

'Meine Mum', sagte ich lautlos und seine Augen schauten fragend in meine. Leicht nickte ich und er kam die paar Schritte, die uns noch trennten zu mir und stellte sich zwischen meine Beine. Seine Hände strichen dabei über meine Oberschenkel immer weiter nach oben. Sie hinterließen eine brennende Spur und ich hatte Schwierigkeiten meiner Mutter weiter zu zuhören.

„Du hast auf meine Fragen von vorhin noch nicht beantwortet", erinnerte sie mich und augenblicklich verkrampfte ich mich. Alarmiert bohrte sich Louis Blick in meinen und seine Hände packten sanft aber bestimmt meine Oberarme.

„Was ist los?", flüsterte er und sah besorgt aus. Auf seiner Stirn hatten sich Falten gebildet. Natürlich konnte ich Louis nicht antworten, also tat ich dies bei meiner Mutter.

„Ganz gut", obwohl ich es eigentlich als Aussage beabsichtigt hatte, kam es fast schon als Frage rüber. Als Louis das hörte, verschwand sein besorgter Gesichtsausdruck, aber die Spannung blieb in seinem Körper.

„Eleanor", auch wenn ich meine Mutter jetzt nicht sehen konnte, wusste ich, dass sie den Kopf schüttelte und wahrscheinlich gerade aus einem Fenster schaute.

„Ja?"

„Ich will nicht um den heißen Brei herum reden: Ich habe zufällig eine dieser Klatschzeitungen in die Finger bekommen...", eigentlich sollte sie sagen: 'Ich habe, als ich einkaufen war, beim Zeitungsstand angehalten und nach einer Zeitung geschaut, wo dein Freund oder du zusehen wart.'

Sie seufzte und holte dann tief Luft: „Eleanor, bist du Schwanger?"


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