30. Kapitel

Louis

Ruckartig stand ich vom Sofa auf und rannte zu Phoebe. Mein Herz raste, aber diesmal nicht, weil eine gewisse Person dies auslöste, sondern vor angst.

„Was ist passiert?", in meinen Kopf spielten sich tausende Horrorszenarien ab. Oh bitte lass nichts schlimmes passiert sein...

„Komm mit, schnell!", gemeinsam hetzten wir die Stufen nach oben, in den ersten Stock und rasten auf die Kinderzimmertür von Daisy und ihr zu. Immer noch voller Panik, stieß ich die Tür auf und starrte auf das Bild, was sich mir bot.

„Was ist denn hier passiert?", das Zimmer sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Überall lagen Kleidungsstücke rum. Spielsachen lagen verstreut da und das Frisierzeug war auf dem Bett verteilt. Aber anders kannte ich es nicht. Bei mir sah es nicht anders aus, also lag die Unordnung in der Familie. Zum Glück hatte ich El, die mir ab und zu einen tritt in den Hintern gab und mich zum Aufräumen bewegt. Von alleine würde ich es wahrscheinlich nicht machen....

Den Grund, wieso Phoebe so voller Panik war, hatte ich noch nicht gefunden, also schweifte mein Blick weiter. Meine Freundin saß mitten drin und war gerade dabei sich ein Prinzessinnenkleid, was ihr viel zu klein war, über ihren zierlichen Körper zu ziehen. In ihren Haaren hatten schon etliche Haarspangen einen Platz gefunden. Pink, Gelb, Blau, Grün, Glitzer, egal welche Farbe und Form, sie war vertreten.

Meine Anspannung und Angst fiel von mir ab, als ich merkte das keiner gerade im Sterben lag – bei dieser Mischung, konnte das sehr schnell der Fall sein. Ich lachte schallend los, lehnte mich mit verschränkten Armen an den Türrahmen und versuchte somit nicht umzufallen. Auch wenn meine Schwestern elf Jahre alt waren, lieben sie alles, was mit Prinz und Prinzessin zu tun hatte, somit wunderte es mich nicht, dass sie El gefragt hatten ob sie mit spielen wollte. Obwohl ich glaubte, dass sie nicht wirklich eine Wahl gehabt hätte.

Els Kopf schoss nach oben und zu mir. Sie hatte es doch tatsächlich geschafft, das Kleid, über ihren Kopf und über die Hälfte ihres Oberkörpers zuziehen. In ihren Augen spiegelte sich dieselbe Belustigung wieder, wie sie es, sehr wahrscheinlich auch in meinen fand. Ihr machte es Spaß, wenn meine Geschwister mit ihr spielten. Sie machte bei jeden Quatsch mit oder tröstete sie, wenn es tränen gab. Sie war perfekt.

„Und wieso machst du so eine Panik?", fragend sah ich Phoebe an, die zu El ging und ihr dabei half, das Kleid in Position zu bringen. Sie hatte es geschafft und das was ich sah, ließ mein Lachen, meine gute Laune und auch die entspannte Stimmung auf einen Schlag erlöschen.

Sie war dünn, zu dünn. Durch das viel zu enge Kleid, wurde ihr Körper noch mehr betont. Schnell fuhr mein Blick über ihren Körper und nahm jede einzelne negative Veränderung wahr. Ihre Arme und Beine waren nun frei und wurden nicht von Klamotten überdeckt. Ihre Beine waren nicht mehr wohl geformt, sondern gerade striche – anders kann ich das nicht mehr nennen. Waren das blaue Flecke, an ihren Knien? Die Panik stieg wieder in mir hoch. El...

An ihrem Körper war kein Gramm Fett mehr. Die Knochen stachen heraus.

Natürlich ist mir das schon eher aufgefallen. Wenn ich sie in meinen Armen hielt, spürte ich ihre Knochen. Wenn ich meine Hände auf ihren Bauch hatte, spürte ich ihre straffe Haut. Wenn ich meine Finger mit ihren verschränkte, spürte ich es ebenfalls.

Trotz alldem sah ich sie essen. Ich sah sie zu Starbucks gehen und irgendwas Kalorienhaltiges kaufen. Ich sah sie trinken, aber wieso war sie so dünn? Man brauchte nur Bilder von zweitausendelf und jetzt zu vergleichen und man sah sofort den Unterschied. Und dieser war erschreckend!

War es meine Schuld? Lag es an meinen Job? Lag es an den Fans? Lag es an der Presse? Ich wusste es nicht.

Ich musste mit ihr reden! Ich kann nicht länger mit zusehen, wie sie immer dürrer wird.

El sah mein Stimmungsumschwung und ihr Blick wechselte zu besorgt. Sie war schon im Inbegriff ihren Mund auf zumachen und irgendwas zu sagen. Schnell verdrängte ich diese schrecklichen Tatsachen ins hinterste von meinen Kopf und setzte ein Lächeln auf. Später, dies war ganz sicher nicht der richtige Zeitpunkt!

„Der Prinz muss doch der Prinzessin, den Reisverschluss zumachen. Außerdem klemmt er seit einiger Zeit", meinte Phoebe und zog mich in den Raum rein. Sie hatte nichts bemerkt. Vorsichtig stieg ich über die Sachen, aber trotzdem trat ich kurz vor meinem Ziel auf etwas spitzes und schrie auf. Mann tat das weh!

„Alles in Ordnung?", fragte nun El und reichte mir ihre Hand. Auch ihre Finger waren dünner geworden...

„Ja, alles super", ich hörte auf mit meinen gehüpfe und nahm ihre Hand in meine.

„Dann meine Prinzessin, drehen Sie sich mal um, ihr Prinz muss eben mal ihren Reisverschluss zumachen", sie kicherte, tat aber was ich ihr sagte. Man konnte deutlich ihre Schulterblätter, ihre Rippen und ihre Wirbelsäule sehen. Kurz schluckte ich, führte meine Finger an ihre Taille und strich von außen bis zur Mitte entlang. Ich musste mich ablenken, um die Situation nicht eskalieren zu lassen und ich wusste ganz genau, wie ich das anstellte. Ich hörte, wie ihr Atem unregelmäßiger wurde und schmunzelte. Ich liebte es, solche Auswirkungen auf sie zu haben und so machte ich weiter. Kleine Kunstwerke malte ich auf ihre Haut und dachte gar nicht mehr an meine eigentliche Aufgabe. Meine Lippen nährten sich immer mehr ihrer warmen, weichen Haut –

„Nehmt euch ein anderes Zimmer, aber nicht unseres!", kam es von Daisy die uns aufmerksam beobachtete. Nun lachten wir beide und sahen uns kurz in die Augen. Kinder fanden alles noch eklig, was mit Liebe zu tun hatte, aber so waren wir doch alle mal...

Brav zog ich nun den Reisverschluss hoch. Trotzdem konnte ich es mir nicht nehmen lassen, sie bei jedem neu geschafften Zentimeter, ihren Nacken zu küssen. Dabei kicherte sie und versuchte mir auszuweichen, aber das ging nicht, da ich sie immer noch fest hielt.

Als ich damit fertig war, reichte mir Daisy grinsend ein Prinzenkostüm hoch.

„Oh nein, kommt nicht in die Tüte!", rief ich und werde schnell mit meinen Händen ab, aber ich hätte eigentlich wissen müssen, dass dies nichts brachte. Als Daisy, Phoebe und El mit verschränkten Armen vor mir standen und mich mit bettelten Blick ansahen, kapitulierte ich und zog es an. Wie konnte man auch, ein Teil seiner wichtigsten Menschen im Leben, sowas abschlagen, besonders, wenn man sie nicht oft sah?

Das ganze lief darauf hinaus, dass unzählige Bilder für die ganzen Fotoalben, die noch leer waren, geschossen und somit gefüllt wurden. Wieso hatte ich so eine komische Familie und eine Freundin, die das noch unter Gekicher mitmachte?!


Die paar Tage, die ich bei meiner Familie verbringen durfte, waren viel zu kurz. Ich musste, dank meinen Job, am Dienstag, wieder in London sein. Außerdem wollten wir an diesen Tag eine weitere Single von uns rausbringen. Also musste ich am Montagabend meine Sachen packen, da es am Dienstag sehr früh losging.

Der Abschied von meiner Familie viel mir sehr schwer. Jedes Mal flossen Tränen. Ich hasste abschiede, egal ob es nur für kurzer Dauer oder länger war. Wieso musste ich das immer machen?

Und diese Frage erschreckte mich. Ich hatte sie mir noch nie gestellt, aber jetzt schlich sie sich in meine Gedanken. Lag es daran, dass wir alle erschöpft waren und dringend die Pause im nächsten Jahr brauchten? Wir sind ungefähr fünf Jahre durch die Welt getourt, hatten tausende Konzerte gegeben, Termine gehabt und die Zeitverschiebungen, waren auch nicht zu unterschätzen. Aber trotzdem blieb die Frage.

Tat ich es für die Fans? Tat ich es für das Management? Tat ich es für meine Bandmitglieder, Freunde und Brüder zu gleich? Oder tat ich es für mich?

Das Gefühl auf der Bühne zu stehen, kann man nicht beschreiben. Dafür gibt es keine Wörter, die dies Erlebnis nur annähernd erzählen können. Die Lichter die einen blenden, aber auch gleichzeig ein Gefühl gaben, dass man gesehen wurde. Das Vibrieren des speziellen Bodens unter meinen Füßen, wenn die Musik aus den Boxen schallt, die wir erzeugten. Die Energie, die mich durchströmt, wenn ich zeigte was ich liebte. Das Gefühl es nicht alleine zu tun, sondern mit Menschen, den es genauso ging und die dir alles bedeuten. Ohne das 'wir', wären wir nicht One Direction. Die Bestätigung von den Fans, die elektrisierende Atmosphäre. Das alles war noch untertrieben zu dem was ich eigentlich fühlte.

Tat ich es dafür?

Wir hatten vor ein paar Wochen, einen kleinen Clip für den heutigen Tag gedreht. Es ging um unsere zweite Single 'Infinity'. Dies würde dann im Laufe des Dienstages veröffentlicht. Dazu kam noch die Namensbekanntgebung unseres neuen Albums. Ich war jetzt schon gespannt auf die Reaktionen der Fans. Zumal der Name, zwar nicht einfallsreich war, aber für uns dennoch eine Bedeutung hatte. 'Made In The AM', ist wirklich so endstanden, wie der Name schon sagte.


Nun saßen wir im Auto und hatten eine lange Autofahrt nach London vor uns. Wir mussten gegen drei Uhr nachmittags dort aufkreuzen. Bis dahin, wollte ich mich noch frisch machen, meine Klamotten in die Wäsche schmeißen und mit El irgendwas machen. Was genau, wusste ich noch nicht.

Am Freitag hatte ich mit El über ihren Körperbau geredet. Vorsichtig hatte ich sie darauf angesprochen, ihr meine Sorgen um sie, erzählt, aber alles was sie darauf antwortete war: „Alles ist in Ordnung. Mach dir keine Sorgen. Du siehst ja, das ich esse"

Da hatte sie Recht, aber der Gedanke, dass sie vielleicht nach dem Essen, alles wieder rausbrachte, war immer noch in meinem Kopf...

Ich ließ das Lenkrad mit der linken Hand los los und nahm ihre in meine. Ihre war so warm und weich...

Ein leichtes prickeln spürte ich in meiner Magengegend und lächelte leicht. Aber mein Blick blieb auf der Straße. Wir wollten heil in London ankommen.


Ich zuckte erschrocken zusammen, als ich Els vor panikverzerrte Stimme hörte. Meine Hand zerquetschte sie fast dabei, aber das war mir gerade so egal. Mein Kopf schnellte zu ihr und ich sah ihr kalkweises Gesicht. Die rechte Hand, hatte sie vor ihren Mund geschlagen, trotzdem erreichten mich ihre Worte: „Halt sofort an!"


Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top