120. Kapitel

Eleanor

Ich schlug meine Augen auf und wusste ab den ersten Moment, dass noch keiner außer mir im Haus wach war. Mein Blick war gegen die Decke gerichtet. Ich spürte Louis neben mir. Mein Mann hatte die Arme um mich geschlungen und hatte sich in meine Halsbeuge gekuschelt. Seine Augen waren rotgerändert – das wusste ich ohne ihm ins Gesicht zu sehen. Auch wenn Louis dachte, ich würde von seinen nächtlichen Aktionen nichts mitbekommen, so wusste ich doch jedes Mal bescheid. Mein Körper schien seine Abwesenheit zu merken und wurde wacher, wenn die Wärme neben ihm fehlte – Louis hatte also keine Chance seine Gefühle vor mir zu verheimlichen. Es war kaum auszuhalten, ihn so leiden zu sehen. Seine Schluchzer und ab und zu ein gedämpfter Schmerzensschrei aus dem Bad um vier Uhr nachts. Es war der absolute Albtraum. Für mich, als auch für ihn. Denn ich konnte und durfte ihm nicht helfen. Wie stand man einem Trauernden bei? Wie, wenn er einem nicht ließ und man selber damit zu kämpfen hatte. Es traf mich ein wenig, dass er sich mir nicht öffnet und lieber alleine versucht mit den Emotionen fertig zu werden. Auch wenn er mich nicht ließ, versuchte ich im trotz allem nah zu sein, ihn zu umarmen oder einfach nur neben ihm zu liegen. Seinetwegen sprintete ich nicht sofort ins Bad, wenn ich ihn hörte. Ich ließ ihn in dem Glauben, ich würde von allem nichts mitbekommen. Alleine das half vielleicht schon ein wenig. Ich wünschte nur so sehr, er würde mich lassen...

Der Schmerz saß bei allen tief – auch bei mir. Selbst wenn ich versucht hatte für Louis und seine Familie da zu sein, hatte auch ich meine Momente, wo mich die Trauer übermannte. Doch ich wagte es nicht zu bestreiten, dass mein Schmerz anders war, als die Qualen die Louis und seine Familie durchstanden.

Ich war froh, dass Louis seinen Schlaf heute noch gefunden hatte. Nach dem emotionalen X-Factor Finale, war ich mir da nicht so sicher gewesen. Wir waren alle ein wenig aufgewühlt nach Hause gekommen. Bei uns hatte allen nur noch das Bett gerufen und somit konnten wir uns nicht noch kurz austauschen. Eine Umarmung, die sich so vertraut angefühlt hatte und dann waren wir alle schlafen gegangen.

Und nun am nächsten Morgen, war ich hell wach. An Schlaf war nicht mehr zu denken, doch ich wollte mich nicht bewegen aus Angst Louis damit zu wecken. Ich wollte vor meinen eigenen Gedanken flüchten – vor den Schmerzen, die sie mitbringen würden. An die Beerdigung, die uns noch bevorstand, wollte ich nicht denken und dennoch hatte ich keine Chance.

Die einzige Möglichkeit diesem zu entfliehen, war entweder wieder einzuschlafen oder in Erinnerungen zu schwelgen, um die Realität für einen Augenblick zu verdrängen. Da an Schlafen nicht mehr zu denken war, blieb mir nur noch Option zwei.

Ich versuchte meine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken und es funktionierte sogar. Ich schweifte durch meine Erinnerungen und blieb an einem Ereignis hängen, welches ich nicht so schnell vergessen würde. Es war unser erster Kuss in der Öffentlichkeit gewesen und diese Erinnerung lenkte mich von der momentanen Trauer ein wenig ab...

Wir waren schon eine Weile zusammen gewesen und doch hatte ich mich jedes Mal gesträubt, wenn Louis sich in der Öffentlichkeit zu mir gebeugt hatte. Es war nicht so, als wollte ich ihn nicht küssen. Schon dort hatte ich Louis über alles geliebt. Aber damals hatten mir die Fans Angst gemacht. Sie waren da noch längst nicht so viele gewesen wie heute, doch damals war für mich das schon weitaus mehr, als ich mir vorstellen konnte.

Ich wusste nicht mehr genau, was mir wirklich Sorgen bereitet hatte, doch wir landeten immer in einer Umarmung, anstatt uns zu küssen. Louis hatte mich auch ohne Worte verstanden und bald damit aufgehört, doch hieß dies nicht, dass wenn die Türen geschlossen waren, das gleiche war.

Doch an diesem Tag war irgendetwas anders. Ich war schon mit einem anderen Gefühl aufgewacht – klang komisch, aber so war es gewesen. Der Mai zweitausendzwölf war relativ warm gewesen und die Sonne hatte geschienen. Louis war zu der Zeit in London gewesen, da sie von der damals aktuellen Tour einen Monat Pause hatten. Das letzte Konzert von der 'Up All Night Tour' war am zweiundzwanzigsten April in Wellington gewesen. Erst vier Wochen später ging es weiter mit Uncasville in Amerika. London lag da praktisch in der Mitte.

Wir waren damals gelaufen. Louis hatte den Arm um meine Taille gelegt gehabt. Wir hatten geredet und einfach gemeinsam die Zeit genossen. Ich wusste noch, irgendwann hatte ich ihn von der Seite angesehen – sein Lachen und seine leuchtenden Augen würde ich nie vergessen – bin stehen geblieben, habe mich zu ihm gebeugt und ihn geküsst. Es war eine Kurzschlussreaktion von mir gewesen. In diesen Moment war mir alles egal gewesen. Ich war es leid, ständig an andere Leute zu denken und nicht an uns. Und genau das war der Grund wieso ich zu diesen Zeitpunkt unendlich glücklich war. Ich würde schon fast behaupten, dass eine Last von mir abgefallen war. Eine Last, die ich mir zwar selber gestellt hatte, sie aber auch mit eigener Kraft niedergerissen hatte.

'Er ist mein Freund. Ich darf ihn küssen wann und wo ich will', das waren meine letzten Gedanken gewesen, bevor sich unsere Lippen berührt hatten. Danach ging für einige Fans von One Direction im Internet die Welt unter, doch Louis und ich waren glücklich.

Ich musste leicht schmunzeln, als ich an Louis Reaktion damals dachte. Was mich wiederum zu einer anderen Erinnerung zog...

Es war eigentlich nur ein Foto gewesen, welches geschossen wurden war, als ich geschlafen hatte. Genauer gesagt wurde es in einem Hotelzimmer in Los Angeles aufgenommen. Fizzy hatte uns besucht und wir beide waren nach dem One Direction Konzert so müde gewesen, dass wir vor allen anderen eingeschlafen waren. Am nächsten Morgen wurde mit das Handy mit der Aufnahme vor die Nase gehalten und ein gespielt eifersüchtiger Louis hatte mich gefragt, ob ich jetzt mit seiner Schwester was hatte. Ich, noch völlig schlaftrunken hatte noch gar nicht realisiert was überhaupt los gewesen war, da lachte Fizzy direkt neben mir im Bett schon laut los. Es war ein Foto von uns beiden, wo ich mich an den Rücken von Louis Schwester gekuschelt hatte. Wäre ich da nicht dort auf dem Bild, würde ich das Foto sogar süß finden, aber naja. Nun war genau dieses Bild in einem der vielen Fotoalben von Louis Familie eingeklebt.

Louis neben mir bewegte sich leicht. Sein Atem blies gegen meine nackte Haut. Sein Griff verstärkte sich um meinem Bauch. So langsam wurde mir heiß – Louis heiß – doch ich würde einen Teufel tun ihn zu wecken.

'Hi Baby, das ist irgendwie komisch, ich bin nicht berühmt. Du bist so süß Maddie. Gott segne dich! Ich hoffe, du hast die Show genossen. Viel Liebe, Eleanor Calder. P.s. Kann ich deine Schuhe haben?'

Das waren die Worte meines ersten Autogramms. Ein Mädchen hatte mich nach einem Konzert der Jungs gesehen und mich angesprochen. Damals war ich so überrumpelt und überrascht gewesen. Louis und ich waren noch nicht lange offiziell ein Paar, dementsprechend hatte ich auch nicht damit gerechnet, dass mich jemand Fremdes kennen würde. Meine Hände hatten so gezittert und gleichzeitig hätte ich das Mädchen umarmen können. Ihre Schuhe waren der Hammer gewesen. Ich hätte sie am liebsten gegen meine getauscht. Als ich ihr das erzählt hatte, hatten wir beide sehr darüber gelacht...

Das Karussell meiner Gedanken drehte sie immer schneller. Es waren nur noch Bilder die vor meinem geistlichen Auge aufflackerten und doch waren es wertvolle Erinnerungen...

Meine erstes Date mit Louis, unser erster Kuss, mein erstes Konzert der Jungs, unsere Reisen, die gemeinsamen Kissenschlachten, mein Uniabschluss, unsere Familien, Louis Lachen, unsere Freunde, unsere Verlobung, unsere Tochter, unsere Hochzeit, unsere Erinnerungen...

Eine sanfte Berührung an meiner Hand, riss mich aus der Flut von Bildern meiner Vergangenheit. Es war eigentlich nur eine flüchtige Berührung meiner Finger, als wäre die Bewegung unbewusst gewesen. Und schon hörte ich das erste Gebrabbel meiner Tochter. Ich drehte meinen Kopf um April anzusehen. Sie war aus ihrem Schlaf aufgewacht.

„Guten Morgen meine kleine Maus", flüsterte ich in die Stille hinein. Ich hatte den Spitznamen von Louis und Jay übernommen. Er klang so putzig und weckte süße Erinnerungen...

Sanft strich ich meiner Tochter über die Haare, ehe sie sich auf den Bauch drehte und sie ihren Kopf hob. April blickte mich aus ihren großen und wundervollen Augen an. Sie erinnerten mich so an Louis, an Louis wie er mir immer in die Augen sah.

„Komm zu Mommy", ich lächelte sie an. Sanft strich ich über ihren Arm. Ich wusste nicht, ob sie mich wirklich verstanden hatte oder ob April so oder so vorhatte sich zu bewegen, aber sie versuchte ihr bestes, mir näher zu kommen.

„Schafft sie es dieses Mal?", es war nur ein murmeln, dennoch hörte ich Louis. Seine Stimme war ganz rau vom Schlafen.

„Jap, unsere Tochter ist uns gerade geschlagene zwei Zentimeter näher gekommen", ich lächelte April voller Stolz an.

„Guten Morgen, Louis", ich schmunzelte, als ich mein Gesicht zu meinem Mann drehte und ihm einem Kuss auf die Stelle seines Gesichtes hauchte, die ich gerade erwischen konnte.

„Morgen, Love. Sind die anderen auch schon wach?", er rappelte sich auf, sodass er sich auf seine Ellenbogen stützte und zu seiner Tochter sehen konnte.

„Nicht das ich wüsste", ich zuckte mit den Schultern und schenkte meiner Tochter wieder meine Aufmerksamkeit. Mittlerweile müsste es acht oder neun Uhr sein. Vielleicht waren wir nicht mehr die einzigen, die wach waren.

„Prima, April du hast es gleich geschafft", Louis streckte nun seinen Arm aus und berührte April am Rücken.

„Jaaaa", schrie mein Mann neben mir aus, als April uns erreichte und ihre kleinen Ärmchen die Bettdecke berührten, worunter meinen Bauch war. Euphorisch hob Louis unsere Tochter hoch und legte sie sich auf den Bauch. Sanft schlang er seine Arme um April und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn.

Ein kichern ertönte und mir kamen fast die Tränen vor Freude. Das Lachen unserer Tochter war der schönste Laut den ich je gehört hatte. Ich könnte es die ganze Zeit hören.

„Ich liebe euch beide", Louis löste seine Umarmung von April, legte seinen Arm um mich und zog mich zu seinen Körper ran. Ich schmiegte mich an meinen Mann und beobachte unsere Tochter, wie sie auf Louis Bauch schlangenartige Bewegungen vollführte und mit den Beiden strampelte.

Als wir zu dritt in die Küche kamen, war Dan mit den Zwillingen schon da. Ich entdeckte Niall und Harry an der Küchenzeile. Phoebe, Daisy, Lottie und Fizzy konnte ich nirgendswo sehen.

„Guten Morgen", rief ich in die Runde und bekam ein Chor von Begrüßungen zurück. Es ist ein schönes Gefühl das Haus so gefüllt zu sehen.

„Schlafen die anderen noch?"

„Ja, ich denke schon. Der Tag gestern war ziemlich heftig. Ich glaube wir alle haben diese Nacht nicht sonderlich gut geschlafen", Dan hob Doris auf die Arme und sah kurz zu Louis ehe er weiter das Frühstück mit den Jungs vorbereitete.

Ich würde sagen es war ein typischer Sonntag mit der Familie – außer das eine Person leider fehlte. Die Jungs, Niall, Harry und Liam gehörten automatisch dazu. In Laufe der Jahre sind wir alle zu einer großen Familie zusammengewachsen. Ich fühlte mich so, als hätte ich in eine riesen großen Familie eingeheiratet, wobei ich leider als Einzelkind aufgewachsen war und so war es ja schließlich auch. Und ich war mehr als glücklich darüber. Denn in dieser Familie fühlte man sich geborgen. Man konnte noch so aufgedreht sein, noch so schüchtern, man wurde geliebt wie man war und nicht für etwas was man nicht ist.

Irgendwann fanden wir uns im Wohnzimmer wieder. Wir hatten den Boden mit Kissen und Decken dekoriert, sodass wir es bequem hatten, als wir uns alle hinlegten. Zu dreizehnt lagen wir da, unterhielten uns oder schweiften mit unseren Gedanken umher. April lag wieder auf Louis Bauch, während Doris und Ernst – die noch nicht so lange ruhig liegen bleiben konnten – mit den Spielsachen spielten, die im ganzen Raum verteilt waren. Phoebe lag zu meiner linken, während ich mich an Louis Seite kuschelte. Die Jungs lagen mit den Kopf an unseren Köpfen. Man konnte das Gebilde, welches wir bildeten nicht wirklich definieren.

Nun herrschte eine angenehme Stille im Raum – außer die Spielgeräusche, die Ernest und Doris machen und das Brabbeln von April – und meine Gedanken kreisten wieder: Wie würde wohl mein Leben verlaufen, wenn ich Louis nicht kennengelernt hätte? Wäre ich damals nicht mit Harry zu dem Treffen gegangen. Hätte nur einer anders entschieden, wäre unser aller Leben anders verlaufen.

Diese 'Was wäre wenn' Fragen, mochte ich noch nie wirklich. Ich war so glücklich und froh, dass sich unsere Wege gekreuzt hatten. Ich war froh, dass ich alle kennenlernen durfte, die ich im Laufe der vergangenen Jahre kennenlernen konnte. Alle Erlebnisse, die ich mit Louis und seiner Familie teilen konnte, waren für mich wie ein Menschenleben – kostbar, das höchste Gut.

Und auch wenn Jay, die Mutter von so wundervollen Menschen, von uns gegangen war, konnten wir mit dem Loch den sie hinterlassen hatte leben. Es würde nicht alles gut werden, aber nach einiger Zeit würde es halbwegs erträglicher werden. Da war ich mir sicher...

„Ich habe euch alle so lieb", sagte ich plötzlich in die Stille hinein. Ich spürte, wie Louis liebevoll meine Finger drückte.

„Danke, dass ich an euer Leben teilhaben darf", irgendwie kamen mir die Worte kitschig vor, doch in diesen Moment, wie wir hier alle so liegen und an die Decke starren, passte es.

Eine Antwort bekam ich nicht in Form von Worten, sondern von Umarmungen, die mehr als tausend Wörter sagten. Phoebe und Daisy, umarmten mich von der Seite, während ich Dans Hand kurz an meinem Kopf spürte und Nialls, Harrys und Liams Hände in meine fühlte.

Hier lagen wir und genossen die Geborgenheit die uns umgab.

„Ich liebe Dich, Louis", flüsterte ich in Louis Ohr und spürte keine Sekunde später seine weichen Lippen auf meinen.

Unser Band war stärker als andere und konnte vieles aushalten. Mit April, unserer Tochter, wurde uns so viel gegeben und wir würden sie immer lieben.

Jay, wir werden dich nicht vergessen. Du wirst über uns alle wachen. Wir werden auf einander aufpassen und zusammen in die Zukunft gehen.

„Für immer, Love"

„Gemeinsam"


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