119. Kapitel

Louis

Die Bühne war in gleißendes blaues Licht getaucht. Ein letztes Mal berührte ich meine In-ears. Ich atmete tief durch. Steve hatte die Musik voll aufgedreht und stand hinter mir an seinem Mischpult. Meine linke Hand war unruhig und leicht zur Faust geballt, als ich das Mikrofon mit der anderen Hand vor meine Lippen platzierte. Der Beat pulsierte in meinem Körper und gab mir die nötige Kraft diesen Auftritt durchzuziehen – zumindest hoffte ich das.

Als die ersten gesungenen Worte meine Lippen verließen, spürte ich wie meine Stimme kurz wackelte, ehe ich das Publikum ausblendete und mich voll und ganz in die Musik fallen ließ. Es war die einzige Möglichkeit. Ich musste meinen Körper zwingen, sich wieder an dieses berauschende Gefühl zu erinnern. Das Gefühl, welches man nur spürte, wenn man das tat, was man liebte.

Zuerst fühlte es sich so an, als könnte ich mich kaum bewegen. Ich wollte es, so wie ich es auch bei den vielen One Direction Konzerten immer getan hatte, aber irgendetwas blockierte mich. Es war fast so, als würde ich in einer Parallelwelt sein. Als wäre ich hier, aber gleichzeitig auch nicht. Es verwirrte mich für einen Bruchteil einer Sekunde.

Und dann wippte ich leicht mit dem Takt mit. Es war wie eine Last die plötzlich von mir abfiel. Ich hatte nicht mehr die Worte von meiner Mutter im Kopf – ich wollte diese Performanz aus eigenen Stücken tun – und so langsam kam die schon fast vergrabende Energie zurück.

Die Gefühle durchströmten mich. Das Adrenalin schoss durch meinen Körper hindurch und ich lächelte kurz. Genau in diesen Moment war ich für eine Weile frei. Frei vom Schmerz, frei von der Last.

Meine Stimme wackelte nicht mehr, sondern traf die Töne sofort. Es berauschte mich. So langsam machte es mir wirklich wieder spaß. Ich war hier, genau hier wo ich stand – auf der Bühne. Hier gehörte ich hin.

Doch irgendwann war die Blase in der ich mich so langsam begeben hatte, urplötzlich zerplatzt. Der Schmerz kam mit voller Wucht. Die Hochstimmung die ich gerade noch verspürt hatte war dahin.

'Also, was würdest du ihnen sagen, wenn du gegangen bist? Das du aufgegeben hast oder das du weiter gemacht hast?'

Als ich diese Zeilen sang, zog sich alles wieder in mir zusammen. Man konnte deutlich meine Verzweiflung in meiner Stimme hören. Und dann setzte ich meine Maske auf. Ohne sie, würde ich das Lied nicht überstehen. Es erinnerte mich an Jay. Es erinnerte mich so sehr an sie. Und dann traf es mich wie ein Schlag.

Mein Unterbewusstsein hatte mir einen Streich gespielt – nur war dieser nicht sonderlich lustig. Ich hatte dieses Lied für Mom geschrieben - für unsere Gefühle und sie hatte es wusste. Mom hatte es die ganze Zeit gewusst – sobald ich ihr meinen Song vorgespielt hatte. Sie liebte es auf Anhieb und bestärkte mich bis zu ihrer Erlösung, dass ich es der Welt präsentieren sollte. Mom hatte an mich geglaubt und sie hatte geahnte, wie meine Fans reagieren würden. Nur aus diesen Grund hatte sie mich gebeten es zu performen. Nur aus diesem Grund hatte sie mich liebevoll gedrängt. Nur weil sie mich liebte.

'Mom...'

Ich bewegte mich auf einem schmalen Grad. Es fehlte nicht fiel und ich würde vor tausenden Menschen zusammenbrechen. Der Schmerz begann sich wieder die Oberhand zu nehmen. Bald würde mein Körper die Qualen nicht mehr aushalten. Ich wusste, es fehlte nicht viel und es wäre um meine Beherrschung dahin.

Durch die Scheinwerfer wurden meine Augen schon gereizt. Nun kam zusätzlich noch die Anstrengung nicht zu weinen. Doch so sehr ich mich bemühte meine Gefühle zu verstecken, es gab immer welche, die meine noch nicht geflossenen Tränen schimmern saßen...

Und dann war das Lied zu Ende. Ich konnte nicht mehr. Denn ich wusste nicht, wie ich mit meinen Gefühlen fertig werden konnte. Schmerz und Freude vermischten sich in mir. Es war wie Säure in meinem Magen, sodass selbst die Magenschleimhaut nichts mehr dagegen tun konnte.

Ich blickte auf dem Boden – um Fassung bemüht. Steve legte von der Seite einen Arm um meine Schulter und drückte mich kurz an sich. Ich nickte – zu mehr war ich nicht im Stande. Kurz dankte ich den Fans, ehe der Moderator seine Stimme erhob und die Jury einschließlich Simon dazu aufforderte etwas zu sagen.

Nein, nein, nein. Ich würde das nicht überleben. Ein Wort und meine Selbstbeherrschung war dahin. Ich möchte nicht der Welt zeigen wie sehr mich alle mitnahm – wie fertig ich war. Ich wollte diesen Anblick meiner Familie ersparen. Bitte tut mir das nicht an.

„Ah Louis. Ich möchte zu dir etwas sagen. Ich kenne dich seit über sechs Jahren...", bitte hör auf Simon. Bitte. Flehte ich ihn stumm an. Bitte...

Ich nickte nur. Mein Blick konnte ich einfach nicht auf Simon fixieren. Er schweifte immer wieder auf den Boden, oder zu den Zuschauern. Mit aller Kraft unterdrückte ich die Tränen und verpasste ein paar Sekunden von Simons Rede, ehe ich mich wieder auf seine Worte konzentrieren konnte.

„...Ich respektiere dich als einen Künstler. Ich respektiere dich als eine Person. Und –", Simon wurde von den Fans, die anfingen zu kreischen unterbrochen. Kurz riskierte ich einen Blick. Ich sah wie er mit den nächsten Worten kämpfte und ich wusste, was jetzt kam.

Simon, bitte nicht...aber es war zu spät.

„Und du weißt...Deine Mom war so stolz auf dich, Louis...", ich konnte nicht mehr. Ich versuchte die nächsten Wörter auszublenden, damit ich nicht wie ein übervolles Fass überlief. Mein Kiefer schmerzte schon, da ich meine Zähne so sehr aufeinander presste, um die Tränen zu unterdrücken. Ich durfte die Beherrschung nicht verlieren. Gleich, wenn ich von der Bühne bin. Gleich...

„Sie schaut jetzt auf dich herunter. Sie ist so stolz auf dich...", ich spürte wie die Tränen in meine Augen liefen. Sie sahen bestimmt ganz glasig aus.

Bitte lass es jetzt gut sein. Simon, mache es mir nicht noch schwere. Ich weiß deine Worte sind gut gemeint, aber bitte...Ich kann nicht mehr...

„Danke, Louis" und endlich war die Folter vorbei. Nichts fand ich schlimmer, als wenn man trauerte und eine nahstehende Person über diese Person spricht, die man verloren hat.

Ich hob kurz meinen Kopf. Dankte den Fans im Stillen, dass sie hinter mir standen und blickte wieder auf den Boden.

Der Moderator verabschiedete sich von mir und ich dankte den Zuschauern ein letztes Mal, ehe ich meinen linke Hand zu einen Luftkuss an meine Lippen führte und dann meinen Arm gehen Himmel hob.

Danke Mom. Danke für alles. Ich liebe dich.

Und dann konnte ich endlich von der Bühne gehen.

Ich ging blind. Ich konnte die Tränen nicht mehr aufhalten. Sie liefen über mein Gesicht wie Sturzbäche. Mein Fuß berührte noch nicht einmal den Boden des Backstagebereiches, als mich schon die Arme von El umschlangen und mich einfach nur festhielten.

„Du kannst so stolz auf dich sein, Louis", Els Stimme war ganz nah an meinem Ohr. Ein Schluchzen kam über meine Lippen und ich vergrub mein Gesicht in ihren Haaren. Tief atmete ich ein, um mich ein wenig zu beruhigen.

„Ich liebe dich so sehr, Love", die Worte waren abgehakt, aber ich glaubte El hatte sie trotzdem verstanden.

„Ich liebe dich", sanft hauchte sie mir einen Kuss knapp unter mein Ohrläppchen und löste sich langsam von mir. Erst jetzt registrierte ich die Anderen. Sie standen nicht mal ein Meter von mir entfernt. Sie kamen alle drei auf mich zu und umarmten mich.

„Du hast es gerockt, Lou", ich wusste nicht genau von wem die Worte kam, denn so kurz hinter der Bühne war es noch ohrenbetäubend laut.

„Danke, Leute. Danke, dass ihr hier seid"

„Immer. Wir sind für dich da", wir lächelten uns gegenseitig an und ich war froh, dass ich die Geste erwidern konnte.

„Lass uns nach hinten gehen, unsere Sachen zusammen packen und abhauen"

Ich griff nach Els Hand, während ich den Kinderwagen mit der anderen Hand schob. Die kalte Nachtluft traf auf meine überhitzte Haut und ließ mich trotz der dicken Jacke kurz frösteln. Niall, Liam und Harry liefen neben mir und quatschten wie üblich durcheinander.

Manches würde sich wohl nie ändern. Doch als wir uns nochmal kurz zum Stadion drehten, verstummten die Gespräche. Wir blickten auf das imposante Gebäude und schwelgten kurz in Erinnerungen. Ich atmete die eisige Luft ein, füllte meine Lungen mit dem Sauerstoff und als ich ausatmete fühlte mich für einen Moment frei.

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