115. Kapitel
Eleanor
Mein Kopf lugte durch den Spalt in der Tür, als auch schon Jays Stimme ertönte: „Kommt rein ihr Lieben"
„Wo ist meine kleine Maus?", Jay lag in ihrem Bett und steckte ihre Arme nach April aus. Sie lächelte, auch wenn man ihr die Erschöpfung ansah.
„Hallo, Mom", Louis Stimme zitterte leicht, als er seine Mutter anschaute. Vorsichtig stellte er den Autositz auf den Stuhl, der mit einem Tisch an der gegenüberliegenden Wand von Jays Bett stand, und schnellte unsere Tochter ab. Mit großen Augen schaute April ihren Vater ins Gesicht – es waren Louis Augen, die sie geerbt hatte und die ich so sehr liebte.
„April hat sich schon so darauf gefreut dich wieder zu sehen, Mom", mit diesen Worten trat er an ihr Bett ran und übergab seiner Mutter unsere Tochter. Louis setzte sich, so wie ich an den Rand des Bettes. Wir beobachten Jay, wie sie mit April auf den Arm schäkerte.
„Louis, hör auf", seine Mutter hatte immer noch ihren Blick auf April geheftet als sie ihn ansprach.
„Womit?", Louis sah mich leicht irritiert an. Seine Stimme klang selbst bei dem einen Wort belegt. Ich zuckte nur mit meinen Schultern. Mein Blick war die ganze Zeit auf die Beiden geheftet gewesen, während meine eigenen Gedanken umhergekreist sind.
„Du kannst den Krebs nicht aufhalten. Ich weiß, dass du das weißt. Es tut mir in der Seele weh, euch so leiden zu sehen. Ich möchte nicht, dass ihr in meiner Abwesenheit weint. Nicht um mich. Bitte", nun sah Jay ihren Sohn direkt in die Augen. Sie wirkten müde, doch das Leuchten hatten sie dennoch nicht verloren.
„Mom –", mehr kam nicht über Louis Lippen, bevor seine Stimme brach. Ich sah, wie er die Tränen versuchte aufzuhalten und es dennoch nicht schaffte. Die Rötungen waren nun wieder deutlich zu sehen. Ich hasste es genauso wie Jay, wenn er weinte. Es war die Art des Schmerzes, die der Körper damit ausdrückte und was uns allen in der Seele brannte. Ich stand von meiner Seite des Bettes auf und ging zu Louis, um von hinten die Arme um ihn zu schlingen.
„Ich weiß, es ist schwer, aber denkt jetzt nicht an meinen baldigen Tod. Mein Herz schlägt noch. Ich spreche gerade mit euch. Ich halte April in den Armen. Noch kann ich mich halbwegs bewegen. Sieht diese Dinge, und nicht das triste Krankenhaus, welches den Tod mit offenen Armen empfängt Komm her...", auch wenn Jays Stimme abgekämpft klang, verstanden wir sie klar und deutlich.
Langsam löste ich meine Umarmung, ging zu Jay und nahm ihr April ab, damit sie ihren Sohn in die Arme nehmen konnte. Fest drückte ich meine Tochter an mich, als ich sah, dass beide ihre Augen geschlossen hatten. Eine einzelne Träne floss über Louis Wange.
Eine Umarmung war nicht nur eine Umarmung. Man spürte die Wärme des Anderen. Man nahm den Geruch des Anderen wahr, wie sich der Mensch anfühlte. Man spürte das Heben und Senken des Brustkorbes. Man hörte wie die Luft eingeatmet und wieder ausgestoßen wurde. Man spürte die Kleidung an der Haut. Man spürte die Muskeln und die Knochen – das was einen lebendig werden ließ. Was man aber nicht hörte waren die Gedanken.
Ich drehte mich zum Fenster, achtete darauf, dass April genau das gleiche sah wie ich. Die Sonnenstrahlen brachen durch die Wolkendecke und ließen alles erstrahlen. In meinem Inneren herrschte derweile das reinste Chaos und ich hoffte inständig, dass es keiner der Beiden mitbekam. Ich wollte für meinen Mann und auch für Jay stark sein. Meine Gefühle zu unterdrücken, war das schwerste, was ich je tun musste und doch das Beste für die Beiden.
„Wo ist meine Schwiegertochter und meine Enkelin?", Jays Stimme erhellte den Raum und ich drehte mich wieder zu den beiden um - das Lächeln war wieder an seinem Platz.
„Hier", sagte ich spaßeshalber und hob sanft Aprils linken Arm hoch, als würde sie sich melden. Wir lachten und doch der traurigen Stimmung, gaben wir unser Bestes – für Jay und erfüllten ihren Wunsch.
Als wir das Krankenhaus verließen wirkte Louis etwas lockerer als vorhin, wo wir es noch betreten hatten. Mein Mann hatte noch mit den Ärzten gesprochen, um zu wissen, wie es um seine Mutter wirklich stand und nicht was uns Jay vorgab – auch wenn sie uns damit nur schützen wollten.
Aber nicht aus diesem Grund wirkte Louis nicht mehr ganz so traurig: Es war die Gewissheit das sie noch lebte. Das sie da war und er Jays wärme spüren konnte. Die Zeit war noch nicht gekommen, dass sie keine Gespräche mehr führen konnten und genau das ließ Louis wieder etwas durchatmen.
Es war nah bei seiner Mutter und konnte sie innerhalb von dreißig Minuten erreichen, statt drei Stunden. Das machte einen großen Unterschied, den man deutlich spüren konnte.
„Was möchtest du heute noch Unternehmen, bevor wir zu dem Rest deiner Familie fahren?", fragte ich ihn, als ich dabei war April anzuschnallen und Louis schon auf dem Fahrersitz saß.
„Wie wäre es, wenn wir schnell mit Dan telefonieren und fragen, ob wir etwas zu essen mitbringen sollen. Dann könnten wir gemeinsam Abendbrot essen ohne das jemand einen großen Aufwand hat"
„Klingt gut. Hast du schon eine Idee?"
„Jap", er grinste mich mit seinem typischen Louis Lächeln an.
„Louis, was hast du jetzt schon wieder vor?", ich schüttelte lachend meinen Kopf und legte meine rechte Hand auf seinen linken Oberschenkel. Mein Mann sagte derweile nichts. Er grinste nur.
Während Louis das Essen holte – ich blieb mit April im Auto – wurde er von ein paar Fans entdeckt. Wir telefonierten gerade, als sie ihn erkannten.
„Ich habe jetzt –", mehr konnte ich nicht verstehen, da es plötzlich rauschte, als würde Stoff über das Mikrofon gezogen werden. Dennoch hörte ich, wie er die Essenstüten auf den Boden abstellte.
„Louis! Oh mein Gott", kam es gedämpft aber klar und deutlich zu verstehen, aus meinem Handy. Und erst wenige Sekunden später begriff ich, dass Louis absichtlich die Leitung offen gelassen hatte. Er wollte, dass ich wusste, dass er aufgehalten worden war und das ich mir keine Sorgen machen brauchte. Schließlich saß ich hier schon ein wenig, da wir in einer Nebenstraße standen – von den neugierigen Blicken abgeschirmt. Obwohl wir die hinteren Autofenster verdunkelt hatten, gab es immer noch die Frontscheibe, wo man hindurch fotografieren konnte. Es gab nämlich schon etliche Fotos solcher Art von Louis und mir und es war nie ein schönes Gefühl. Wir wollten das April so lange wie möglich ersparen.
„Hey", Louis begrüßte die Fans und schien sie zu umarmen, da es in unregelmäßigen Abständen so gut wie stumm wurde, ehe es erneut raschelte und man die Stimmen wieder verstehen konnte.
„Hey, können wir ein Foto machen?", fragte eines der Mädchen. Ich vermutete das es mehrere waren. Mein Blick schweifte zu April, die in ihrem Autositz eingeschlafen war. Ich lächelte und konzentrierte mich dann wieder auf das Telefonat: „Wie geht es dir? Bist du alleine in Sheffield?", heikle Fragen, die das Mädchen stellte, dachte ich und wartete auf Louis Antwort. Auch wenn ich nicht in der Situation stecke, so spürte ich bei diesen Fragen ein Stich im Herzen. Es tat weh und wenn es mir wehtat, dann war Louis Schmerz noch viel schlimmer. Ich würde ihn am Liebesten erst aus der Masse ziehen und dann so lange umarmen, bis April uns brauchte.
„Nein, ich bin nicht alleine. Eleanor ist bei mir. Bitte, ich würde jetzt gerne wieder zu meiner Familie", ich hörte Louis Stimme und wusste, das er die Maske nicht mehr lange wahren konnte. Louis umging mit voller Absicht die erste Frage und erwähnte April nicht mit ihren Namen. Lediglich, dass er zu seiner Familie möchte, lässt schließen, das April bei mir war und wir dann zu seinen Geschwistern fuhren.
„Ist April bei Eleanor?", Natürlich! April war noch zu jung, um ohne mich lange durchzuhalten. Sie mussten also daraus schließen, dass unsere Tochter bei mir war. Louis, bitte komme schnell hier her, damit du tief durchatmen kannst.
Ich bin bei dir.
„Tschüss", sagte Louis freundlich aber entschieden und dann hörte ich wieder dieses Rascheln.
„Love?", mein Mann sprach nun wieder direkt ins Mikrofon.
„Ja, ich bin noch dran"
„Danke, ich mache noch einen kleinen Umweg und bin dann gleich bei euch. Ich will nur sichergehen, dass mir die Fans nicht folgen", er sprach leise damit ihn niemand außer mir verstehen konnte.
„Gut. April schläft noch, also alles in Ordnung hier. Ich bin für dich da"
Sobald ich Louis sah, öffnete ich ihm die Beifahrertür. Das letzte Stück zu seiner Familie würde ich fahren. Vollbeladen wie er war, stieg mein Mann ins Auto, stellte die Tüten entweder vor seine Füße oder auf die noch freie Rückbank neben April ab und schloss die Wagentür.
Meine erste Intension war es, ihn zu umarmen, also schlang ich meine Arme um ihn und zog meinen Mann an mich.
„Ich bin immer bei dir und stärke deinen Rücken. Vergiss das nicht", murmelte ich in seine Ohr, ehe ich mich löste und den Motor startete.
Als wir in die Einfahrt fuhren, wurde die Haustür schon aufgerissen und das Geschrei ging los. Louis und ich lachten, tauschten bedeutungsvolle Blicke aus und stiegen aus.
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