109. Kapitel

Eleanor

Mit einem professionellen, aber dennoch freundlichen Gesicht, stieg der Fahrer des Wagens aus und hielt uns die hintere Tür aus, damit wir einsteigen konnten. Er würde uns zur Kirche fahren, wo schon alle Gäste warten – und Louis und April und...

„Ich wusste nicht, dass Louis das ernst gemeint hatte", flüsterte ich voller Ehrfurcht. So ganz konnte ich es noch nicht glauben, dass vor mir so ein glamouröses Auto stand. Meine Mutter neben mir lächelte nur geheimnisvoll und ich meinte zu hören, wie sie: „Du weißt ja gar nicht, was er sonst noch alles arrangiert hat", murmelte. Ich stieg zuerst ein, damit mir meine Mom dabei helfen konnte, das Kleid ohne Dreck und Risse in das Wagen innere zu befördern.

„Danke", flüsterte ich, als die Limousine los fuhr und ich sanft in den Sitz gepresst wurde. Durch die Aufregung zitterten meine Lippen beim Sprechen ein wenig. Hoffentlich fiel ich nicht vor allen Augen hin oder noch schlimmer: hoffentlich kommt nachher beim Ehegelübde trotz Aufregung ein Ton über meine Lippen. Stopp, Eleanor! Du darfst jetzt an so etwas nicht denken. Mein Herz schlug an dem heutigen Tag so wie so schon viel zu schnell. Also schaute ich aus dem Fenster und beobachtete die vorbeiziehenden Häuser.

Meine Gedanken schweiften an gestern Abend, wo ich alleine im Bett gelegen hatte – wach wohlgemerkt. Schon da war meine Aufregung und Nervosität ins unermessliche gestiegen. Dennoch war der entscheidende Punkt gewesen, dass ich Louis vermisst hatte. Nur April lag bei mir, da ich sie trotz der Überredungsversuche meiner Familie, die Nacht vor der Hochzeit bei mir haben wollte. Schließlich brauchte sie noch Muttermilch. Das Fertigzeug aus dem Supermarkt wollte ich so gut es ging vermeiden – so ganz traute ich der Sache nämlich nicht. Und da ich eh das Sorgerecht und auch die Verantwortung für April hatte, hatte ich schlussendlich gewonnen. Mir wurde schon Louis für ein paar Stunden verwehrt, nicht auch noch meine Tochter! Das ließ ich nicht zu.

Wer hatte sich die Tradition, dass das Paar in der Nacht vor der Hochzeit nicht bei einander schlafen durfte, ausgedacht? Während ich also im Dunkel an meinen Jungengesellenabschied ungefähr vor einer Woche gedacht hatte, hatte ich insgeheim die ganze Zeit gehofft, Louis würde es sich anders überlegen und doch noch zu mir kommen. Doch das war nicht passiert. Denn ich war es gewesen, die die Traditionen einhalten wollte, da sonst mein Gewissen mich noch zusätzlich geplagt hätte und hatte Louis sozusagen aus dem Schlafzimmer verbannt gehabt. Also kein Wunder, das ich schlaflos im Bett lag und nur darauf gewartet hatte bis April nach mir verlangte. Hätte Louis neben mir geschlafen, hätte ich mich an ihn gekuschelt und ich hätte höchstwahrscheinlich ein wenig schlaf abbekommen. Sonst wäre ich jetzt wahrscheinlich ausgeschlafen. Doch das war nun einmal nicht der Fall gewesen und somit musste ich mich damit abfinden. Wie sagt man so schön? 'Hätte, hätte Fahrradkette!'

„Wir sind da", sanft legte sich die Hand meiner Mutter auf meine Finger. Und tatsächlich sah ich den Haupteingang direkt vor meiner Wagentür. Ich sah die paar Stufen hinauf zur großen offenen Flügeltür, die ich gleich hoch laufen und nachher wieder runter laufen musste. Bei diesen Gedanken musste ich kurz schlucken. Zum Glück hatte ich auf dem Hinweg meine Mutter und auf dem Rückweg Louis an meiner Seite.

Der Fahrer stieg aus, sobald er den Motor abgeschalten hatte und öffnete von meiner Seite aus die Tür. Hilfreich hielt er mir seine freie Hand hin, damit ich einigermaßen elegant aus den Wagen steigen konnte. Dankend lächelte ich ihn an.

„El!", quiekte Phoebe überglücklich und löste sich aus der kleinen Gruppe, welche ein Teil ihre Geschwister bildeten. Sie kam mit einem Körbchen voller Blumen auf mich zugelaufen. Daisy, Doris und Ernest folgten ihr daraufhin. Auch wenn ich schon ein paar Blütenblätter auf den Boden ausfindig machen konnte, schien es nicht zu der Katastrophe gekommen zu sein, wie Jay vermutet haben mag.

„Hey ihr", ich lachte, als sie mich alle erreichten und mich umarmten. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie meine Mutter mit meinen Brautstrauß neben mich trat. Schon da sah ich, wie atemberaubend schön er war.

„Wartet ihr schon lange", wollte ich wissen und nahm den Blumenstrauß von meiner Mutter entgegen. Kurz stockte mir der Atem, als ich ihn nun in seiner vollen Bracht sah. Der Anblick war wunderschön...

„Nein, aber für Louis scheint es sich wie viele Stunden anzufühlen. Er war vor fünf Minuten kurz hier draußen, bis wir ihn wieder reingescheucht hatten, aus Angst, du könntest schon um die Ecke kommen", Daisy kicherte und mir kamen schon fast wieder die Tränen – nicht vor Trauer, sondern vor Rührung.

„Oh", mehr brachte ich nicht zustande. Ich blickte zu der Eingangstür auf, als ich eine Bewegung wahr nahm und Jay mit April im Arm sah. Der Anblick der beiden war unbeschreiblich und würde sich für immer in meinen Gedanken festbrennen.

„Es ist so weit. Meine Damen, mein Herr", sie winkte ihre Kinder zu sich: „Jetzt dürft ihr die Blumen streuen", sie lächelte sie alle an. Während das kleine Grüppchen um Jay herum in Position ging, suchte sie meinen Blick. Meine Füße trugen mich von alleine zu meiner Tochter, die sich in diesen Moment wieder an ihrem wunderschönen Lächeln übte. Sanft hauchte ich ihr einen Kuss auf die Stirn und streichelte ihre rosa Wangen, ehe ich kaum merklich nickte und Jay mit der Kinderschar im Schlepptau die Kirche betrat. Der Anblick war zu goldig...

„Das ist unser Einsatz", meine Mutter hielt mir ihren Arm hin. Ich hakte mich bei ihr unter und legte meine Finger auf ihre. Den Verlobungsring konnte man bei dieser Haltung von fast allen Seiten gut betrachten. Vom inneren der Kirche hörte ich die Musik hinauswehen und wusste, dass es jetzt so weit war. Auch wenn wir schon auf dem Papier und somit in den rechtlichen Sachen verheiratet waren, so war es noch einmal ein ganz anderes Gefühl es in einer wunderschönen Kirche vor unseren Familie und unseren Freunden zu bestätigen.

Ich schaute noch einmal zu meiner Mutter, die mich voller Freude anlächelte und gemeinsam betraten wir die Kirche. Mein Blick war auf den Boden gerichtet. Es war eine Angewohnheit, wo ich es einfach nicht schaffte es mir abzugewöhnen. Ich konnte zwar meine Schuhe nicht unter meinem langen weißen Kleid sehen, dennoch gab es mir ein Gefühl von Sicherheit nicht vor allen anwesenden Personen hier im Raum über den langen Stoff zu stolpern.

Ein Raunen ging durch die ganze Kirche, als ich im Augenwinkel das zweite Eingangsportal sah und ich mit meiner Mutter kurz stehen blieb. Da wir nun standen und mir keine Gefahr kurzzeitig mehr drohte, das ich doch noch auf den Boden landete, war ich fast schon gezwungen meinen Kopf zu heben und mein Gesicht zu zeigen.

Vielleicht war ich zu naiv gewesen um zu glauben, dass das Raunen nicht mir galt, sondern jemand anderen, aber als ich merkte, dass alle Blicke – ich meinte wirklich alle – auf mir lagen, spürte ich wie meine Wangen warm wurden.

Langsam gingen wir den für mich viel zu langen Gang entlang. Ich ließ meinen Blick nur kurz über die Reihen gleiten, bis ich es bereute, da mir nun wirklich klar wurde, dass sie mich ansahen und suchte stattdessen Louis. Eine Person der ich blind vertrauen würde und der ich schon vor langer Zeit mein Herz geschenkt hatte.

Beim Laufen wirbelte ich ein paar Blüten, die auf den Boden lagen, auf und erblickte gleichdarauf Phoebe und die anderen, die schon an ihren Plätzen standen. Alle Personen hier im Raum standen und irgendwie fand ich das auf eine gewisse Art beruhigend – so ragte ich wenigstens nicht über alle...

Und dann erblickte ich Louis, wie er vorne am Altar stand und sein Blick auf mir geheftet war. Hätte mich meine Mutter nicht am Arm geführt, wäre ich auf Louis zu gerannt und hätte ihn in die Arme geschlossen. Er sah atemberaubend schön aus. Würde ich ihn das sagen, würde er angeekelt schauen, da er das Wort 'schön' als ein weibliches Wort einstufte und er ein Mann war. Doch ich würde es ihm nicht sagen und mich einfach weiter an seinem Anblick erfreuen. Ich konnte es nicht glauben, dass er da stand. Es wirkte wie als wäre ich in einem wunderschönen Traum und gleichzeitig spürte ich, dass es die pure Realität war. Und das ließ mein Bauch angenehm kribbeln.

Wir liefen im Takt der Musik bis nach vorne und somit in meine Zukunft. Ich hatte trotz meiner Nervosität, die ganze Zeit ein glückliches Lächeln auf den Lippen. Ich war glücklich – ich war mehr als das. Ich konnte es einfach nicht beschreiben, wie ich mich gerade in diesen bedeutenden Moment fühlte.

Als wir endlich vorne angekommen waren und ich das Publikum im Rücken hatte, spürte ich wie ich mich langsam entspannte. Louis umgab eine Aura, die mich schon immer beruhigt hatte. Ich konnte gar nicht mehr den Blick von seinen Augen nehmen. Nur am Rande nahm ich war, wie meine Mom als Symbol ihrer Zustimmung, meine Hand nahm und sie in Louis ausgestreckte Finger legte.

Ich war zu Hause. Zu Hause, als der Ort in der die Liebe zu Louis unendlich groß war.

Nur unter meiner ganzen Selbstbeherrschung löste ich meinen Blick von meinen zukünftigen Ehemann und blickte zu meiner Mutter, die mich mit Tränen in den Augen ansah und mir einen Kuss auf die Stirn hauchte.

„Pass gut auf meine Tochter auf", flüsterte sie zu Louis. Auch wenn ihre Worte ernst gemeint waren, schaute sie Louis liebevoll in die Augen.

„Ich werde deine Tochter für immer lieben und beschützen"

„Ich habe euch beide so unendlich lieb", sie lächelt uns ein letztes Mal an, ehe sie zu unseren Familienmitglieder rüber ging und ihren Platz mit allen anderen Gästen einnahm.

Louis hob meine Hand in seiner an und hauchte einen Kuss auf meine Fingerknöchel. Seine Augen strahlten vor Liebe, Glückseligkeit und Vorfreude. In meinem Inneren sah es nicht anders aus und als wir uns zu dem Pfarrer umdrehten, waren wir beide bereit gemeinsam in die Zukunft zu gehen.

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