107. Kapitel

Eleanor

Wer um Himmels willen war das?! Die Stimme am Telefon klang trotz dem verzerrten Ton sehr weiblich. Ich sah fassungslos auf das Gerät in Louis Händen. Mein Körper war wie erstarrt. Um die Worte zu erfassen, welches das Mädchen gesagt hatte, war mein Kopf momentan nicht in der Lage.

Nach diesen Worten sagte Louis erst einmal nichts. Er saß genauso erstarrt da, wie ich. Seine Muskeln waren angespannt und sein Gesicht sah aus dem Augenwinkel so aus, als würde er Höllenqualen leiden.

Woher hatte das Mädchen seine Nummer rausbekommen?

„Hallo?", fragte Louis nach einer Weile, als das Mädchen nichts mehr sagte. Er hatte wohl seine Stimme wieder gefunden, denn ich schaffte es nicht nur einen Ton über meine Lippen zu zwingen. Ein einziger Gedanke hallte jetzt in meinem Kopf wieder: April. Meine Tochter, die noch nicht mal einen Monat gelebt hatte, wurde jetzt schon von fremden Menschen bedroht! Wie kamen die Leute drauf ihr den Tod zu wünschen?! Es war mir ein verdammtes Rätsel, welches ich wohl nie lösen würde.

„Hallo", antwortete die weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung. Sie klang genauso emotionslos, als sie unsere Tochter den...

Ich konnte noch nicht einmal den Gedanken zu Ende denken. Sie sprach die Worte so aus, als würde sie über das Wetter reden und nicht einen Mordwunsch aussprechen. Für sie war es das normalste der Welt bei wildfremden Leuten anzurufen und ihre Kinder zu bedrohen. Wussten sie überhaupt, was sie da sagten? Begriffen sie, was das bedeuten könnte, wenn das Gesagte wahr werden würde. Um Gottes willen, bitte, bitte nicht!

„Hast du das jetzt wirklich gesagt?", fragte Louis nach einer kurzen Pause in der er wahrscheinlich selber erst einmal die Worte begreifen musste, mit erstaunlich ruhiger Stimme. Ich zwang meinen Körper den Kopf zubewegen, damit ich meinen Verlobten richtig ansehen konnte. Seine Kiefermuskeln arbeiteten und ich sah wie es unter der Oberfläche brodelte. Er hatte seine freie Hand zur Faust geballt und sein Körper war nach wie vor komplett angespannt. Was um Himmels willen denkt sich diese Frau? Was erhoffte sie sich mit dieser Aktion.

So langsam sickerte die Bedeutung der Worte in meinen Kopf. Ich schaffte es meinen Körper zu befehlen, sich zu bewegen. Langsam schälte ich mich aus der Decke und stand auf, um April, die in der Wiege lag und friedlich vor sich hin schaute, in die Arme nehmen konnte. Louis saß immer noch auf dem Sofa – wie versteinert.

„Ja, habe ich", hörte ich das Mädchen am anderen Ende der Leitung gehässig antworten. Was fiel ihr ein?! Wäre sie hier, würde ich sie am liebsten Anschreien und gleichzeitig April und Louis ganz weit von ihr weg bringen.

„Du hast Glück das ich unser Telefonat aufgenommen habe. Die Aufnahme geht jetzt direkt zu meinem Anwalt und er wird herausfinden wer du bist. Dumm gelaufen für dich", er wirkte noch ruhiger als vorher und das beunruhigte mich zutiefst. Es konnte sich nur noch um Sekunden handeln, in der er komplett ausrastete – zurecht!

„Oh mein Gott! Nein! Es tut mir so leid", und dann war das bekannte rauschen der offenen Telefonleitung abrupt weg. Sie, wer auch immer das war, hatte aufgelegt.

Ich drehte mich mit April auf den Armen zu ihm um und sah wie er noch ein paar Sekunden auf sein Telefon schaute, ehe er wie von der Tarantel gestochen plötzlich auf das Display einhämmerte und es sich ans Ohr hielt. Den Lautsprecher machte er nicht noch einmal an.

„Mason? Ja, hier ist Louis. Ich hoffe ich störe dich nicht", eine kurze Pause entstand als er seinen Bodyguard zuhörte. Er hatte von uns, die letzten Wochen nach der komplizierten Heimfahrt vom Krankenhaus, frei bekommen. Aber anscheinend wollte Louis ihn wieder engagieren.

Ich mochte Mason, doch auch nach den Jahren wollte ich nicht ständig jemanden erst anrufen müssen, nur damit ich ein paar Schritte an der Luft machen konnte. Doch insgeheim fühlte ich mich dank ihm auch sicherer und gerade nach diesem Anruf, wo auch immer das Mädchen Louis Nummer herhatte, wollte ich mit April ungern alleine das Grundstück verlassen.

Die Aktion von dem fremden Mädchen hatte mir gezeigt, dass man sich nie wirklich sicher fühlen konnte – selbst wenn man die sozialen Plattformen mied. Es brachte einen überhaupt nichts, wenn einer von beiden immer noch in und für die Öffentlichkeit arbeitete. Damit mussten wir uns schon seit Jahren arrangieren und nun eben weiter machen.

„Okay, gut. Ja, es ist etwas vorgefallen. Ein Fan hat meine Nummer rausbekommen. Ich spreche auch gleich mit meinen Anwalt. Ich konnte zum Glück das Gespräch aufnehmen", Louis verstummte abrupt, als er wieder Mason Worten lauschte. Ich musste bei den Wort 'Fan' schnauben. Mein lieber Louis, das war sicher nicht einer deiner liebenswürdigen und treuen Fans – aber ich berichtigte ihn nicht.

„Ja, ich weiß. Mason, ich möchte, das du auf Eleanor und meine Tochter aufpasst, sobald sie das Haus verlassen. Ich weiß, das ist viel verlangt – ", er wurde von Mason anscheinend unterbrochen, denn er hörte wieder zu und nickte dann mehr oder weniger gequält. Im passte es genauso wenig wie mir, dass wir wieder einen Bodyguard benötigen, wobei er nicht einmal auf Tour ist, geschweigeden ein Album veröffentlicht hatte und nun der Trubel zu groß geworden war. Nein, er machte es, da er besorgt um unsere Sicherheit war. Was konnte das Mädchen noch, wenn es schon die Telefonnummer von Louis rausbekommen hatte?

„Danke, das sehe ich nicht als Selbstverständlichkeit an, auch wenn es dein Beruf ist", sagte Louis, ehe er auflegte.

„Hast du noch Masons Nummer auf deinem Handy?", wandte sich Louis nun an mich und fuhr sich erschöpft durch die Haare.

„Ja", sagte ich. Wieso sollte ich sie löschen?

„Gut, bitte benutze sie, sobald du unser Grundstück verlassen möchtest. Wer weiß, was das Mädchen noch alles kann", am Ende lachte er kurz bitter auf. Ich ging mit langsamen Schritten auf meinen Verlobten zu. Momentan konnte ich ihn nicht einschätzen. Die Wut, die unter der Oberfläche kochte, sah ich immer noch und das beunruhigte mich.

„Okay", sagte ich, auch wenn ich alles andere als begeistert war. Doch jetzt etwas dagegen zu sagen, würde Louis explodieren lassen. Ich sollte es lieber nicht erst versuchen.

„Wer meiner Familie droht, kann was erleben!", Louis schrie nicht, er sagte es ganz ruhig, wie schon die ganze Zeit, aber der Unterton in seiner Stimme jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. Ich stand nun direkt vor ihm und reichte ihm unsere Tochter. Vielleicht konnte er sich ein bisschen beruhigen, wenn er sie ansah und sicher sein konnte, dass es ihr gut ging.

Vorsichtig nahm er sie in seine Arme und streichelte ihr über die winzigen Finger. Fasziniert beobachtete ich die Beiden, ehe ich mein Handy hervorholte und unbemerkt ein paar Fotos schoss.

„Wieso tun sie dir das an?", es war nur ein murmeln und ich wusste nicht, ob ich Louis Worte wirklich verstanden habe, doch ich spürte in meinem Herzen einen gewaltigen Stich.

„Lass uns mit April und Bruce im Regent's Park spazieren gehen. Nach den Tagen im Bett könnte ich die frische Luft gut gebrauchen und du nach diesem Telefonat auch", während ich den Vorschlag Louis unterbreitete, tippte ich schon eine Nachricht an Mason und fragte ihn, ob er gleich vorbei kommen konnte und entschuldigte mich für die kurzfristige Planung.

April hatten wir dick eingepackt und in den Kinderwagen gelegt, sobald Louis das Auto nahe des Parks geparkt hatte. Wir selber hatten jeweils eine Sonnenbrille auf der Nase. Zum einen da wir somit hofften nicht gleich erkannt zu werden und zum anderen schien die Sonne, sodass wir nicht weiter auffielen. Das Wetter war heute zum Glück auf unserer Seite und so stand ich nur noch vor ein einziges Problem noch. Ich hatte es immer noch nicht über mich gebracht eines der vielen Bilder von April zu veröffentlichen. Etwas sträubte sich vehement dagegen. Und nun waren wir in der Öffentlichkeit. Jeder der hier war konnte April sehen. Die dicke Decke die wir ihr zum Schutz vor der Kälte, die wir trotz dem Mai noch etwas hatten, über sie gelegt hatte, versperrte die direkte Sicht auf ihr Gesicht. Nur wer sich wirklich über den Kinderwagen beugte, konnte sie sehen. Dennoch war es mir unwohl, als Louis das Auto abschloss und mit Bruce an der Leine neben mich trat.

Als wir Richtung Park liefen, spürte ich die Anwesenheit von Mason und den zweiten Mann, den er sicherheitshalber mitgebracht hatte. Sie liefen zunächst ein wenig hinter uns, damit sie die Umgebung im Blick hatte – Masons Worte, nicht meine.

Ich schob den Kinderwagen vor mich her und konnte trotz der Umstände ein glückliches Lächeln nicht mehr unterdrücken. Wir mussten noch so viel planen und viele Hindernisse überstehen, doch wir hatten eine gesunde Tochter, die noch nichts von dem ganzen Trubel ihrer Eltern wusste. Louis, April und ich. Wir waren eine Familie und das fühlte sich großartig an.

Vor ein paar Monaten hatte ich noch Angst, wie Louis es aufnehmen würde, dass er Vater werden würde und nun waren wir zu dritt und spazierten zusammen als Familie im Park. Eine Welle von unglaublichen Stolz und Glückseligkeit erfasste mich und riss mich mit.

„Du bist glücklich", stellte Louis fest, als er mein Lächeln sah und auch seine Mundwinkel zogen sich nach oben. Hätte er keine Sonnenbrille auf der Nase, würde man seine leuchtenden Augen sehen, dass wusste ich.

„Ja, das bin ich", sagte ich und Louis ließ Bruce von der Leine damit er über die Wiesen rennen konnte. Irgendwann würde April ihm hinterher rennen und mit ihm spielen. Irgendwann in naher Zukunft und diese würde schneller kommen, als man vermutete.

„Also was schlägst du vor", Louis hatte sich auf eine Bank gesetzt und als ich den Kinderwagen neben uns sicher abgestellt hatte, hatte er mich zu sich gezogen. Mason hatte sich mit dem anderen Bodyguard eine Bank weiter gesetzt und unterhielten sich. So musste ich wenigstens kein schlechtes Gewissen haben, dass er sich langweilte. Ich wusste, dass es sein Beruf war, aber dennoch...

Mein Verlobter schlug ein kleines Büchlein auf seinen Oberschenkeln auf und blickte mich von der Seite an. Ich sah ihn leicht irritiert an und seine Mundwinkel zuckten gefährlich. Er musste sich ein Lachen verkneifen.

„Ich dachte wir müssten unsere Hochzeit planen. Haben wir überhaupt schon die Einladungen verschickt?", ich riss bei seinen Worten überrascht die Augen auf und schlug mir vor Schreck die Hand vor den Mund.

„Ich habe mir die Freiheit heraus genommen und habe schon ein paar Leute eingeladen", sagte er nach einem kurzen Schockmoment meinerseits und grinste mich dabei süffisant an. Empört über meinen Verlobten boxte ich ihn in die Seite.

„Du bist so ein Idiot", murrte ich und schmollte ein wenig.

„Aber ich bin dein Idiot, den du liebst", konterte Louis und schlang seine Arme um mich, sodass ich mich an seine warmen Oberkörper schmiegen konnte.


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