104. Kapitel

Eleanor

Meine Oma war so eine liebenswürde Person und jeder mochte sie auf Anhieb, doch sie hatte die Eigenschaft mir ein schlechtes Gewissen einzureden, wenn ich sie nicht mit Louis und April besuchen kam. Wenn es nach ihrem Sinne ginge, hätten wir uns schon längst auf den Weg machen sollen. Bevor meine Tochter das Licht der Welt erblickt hatte, war ich immer mit zum Zug zu ihr gefahren – Bruce stets an meiner Seite. Doch mit einem neugeborenen Baby und einem weltberühmten Star im Gepäck, wollte ich das zu hohe Risiko von den Fans, die nicht zu der angenehmen Sorte gehörten, angesprochen zu werden, nicht eingehen. Statt dem Zug nahmen wir also das Auto.

„Haben wir auch alles eingepackt?", fragte ich Louis zum dritten Mal an diesen Tag und wühlte immer wieder in den eigentlich gepackten Taschen herum. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass wir irgendwas vergessen hatten. In meinen Hinterkopf kreisten die Gedanken. Das ich etwas falsch machen könnte war momentan Dauerthema in meinem Kopf. April war einfach noch so zerbrechlich. Die Angst, dass ich mit ihr falsch umging oder sie sogar aus meinen Armen runterfallen lassen konnte, war stets in meinem Kopf.

Verwundert darüber, dass mein Verlobter auf meine Frage nicht antwortete, drehte ich mich in seine Richtung. Er stand immer noch an der Stelle, wo ich ihn zuletzt mit April gesehen hatte. Doch anstatt das ich eine Antwort von Louis erhielt, als ich verwundert die Augenbrauen hochzog, hörte ich nur sein heiteres Lachen. Er schnappte sich den Kindersitz, wo April friedlich schlief, und ging zur hinteren Tür des Autos. Ich widmete mich wieder den Taschen, als ich das sanfte zuschlagen der Tür hörte und er April sicher im Wagen angeschnallt hatte. Bruce war ebenfalls schon Abfahrbereit, als ich einen letzten Blick zu ihm in den Kofferraum warf und mich vergewisserte, dass es ihm gut ging. Sanft schlug ich die Klappe des Kofferraumes zu und wandte mich zu Louis um. Mit zusammengekniffenen Augen musterte ich ihn.

„Was ist los?", fragte ich und kam auf ihn zu gelaufen. Louis schien bester Laune zu sein und sprühte förmlich vor Freude. Irgendwie steckte seine Gelassenheit an.

„Haben wir genug Windeln für April mit? Das ist eine Frage, die ich mir noch nie stellen musste und nun geistert die Frage jeden Tag in meinem Kopf herum. Den Gedanken fand ich irgendwie witzig", mit zwei Sätzen war er bei mir und schlang seine Arme um meine Taille. Ich kicherte leise, doch verstummte sofort, als sein warmer Körper meinen berührte.

„Du weißt nicht, wie glücklich ich in diesen Moment bin", sachte stupste seine Nase gegen meine und kurze Zeit später trafen seine weichen Lippen auf meine. Ich genoss diesen Augenblick in den ich mich fallen lassen konnte. Doch so ungern ich diesen Kuss unterbrechen wollte, wir mussten los. April würde nicht ewig ruhig in ihren Kindersitz liegen. Schließlich war sie erst eine Woche alt. Soviel durfte man ihr noch nicht zumuten und Bruce hatte ebenfalls seine Bedürfnisse.

„Ich liebe dich und unsere Tochter über alles", Louis hauchte mir einen Kuss auf die Stirn, ehe er sich wiederstrebend von mir löste und mir die Beifahrertür aufhielt. Ich lächelte ihn voller Liebe an und erwiderte: „Du weißt nicht, wie sehr ich dich liebe"

Die paar Tage bei meiner Oma waren entspannend und gleichzeitig total anstrengend gewesen. Zum einen wurde April abwechselnd von uns allen umsorgt, zum anderen hatte ich keine einzige Minute für mich oder Louis alleine. Dennoch genoss ich die Zeit bei meiner Oma. Sie war eine aufgeweckte ältere Dame, die viel von früheren Zeiten erzählen konnte. Dementsprechend redeten wir viel und backten Kuchen, denn wir dann in den Tagen, in denen wir bei ihr waren, verputzt hatten. Es war ein schönes Gefühl sie um sich zu haben. Das Leuchten in ihren Augen zu sehen, als sie April das erste Mal sah und fast schon ehrfürchtig: „Meine Urenkelin", gehaucht hatte, würde ich nie vergessen und hatte mir gleichzeitig die Tränen in die Augen getrieben. Zu diesen Zeitpunkt hatte ich mich an Louis Schulter gelehnt, den einen Arm um mich gelegt, und gemeinsam hatten wir den Moment genossen.

Als wir in London reinfuhren, sah ich zu April auf die Rückbank und grinste. Sie sah so zuckersüß in den viel zu groß wirkenden Kindersitz aus. Sie schlief tief und fest. Ihre Lippen waren leicht geöffnet, sodass es wie ein O aussah. Auf der zurückgelegten Strecke, hatten wir wegen unserer Tochter ein paar Stopps einlegen müssen, doch ansonsten war die Fahrt zurück nach Hause ziemlich ruhig verlaufen. Ich war ein bisschen stolz auf meine Tochter, dass sie die vergleichsweise lange Autofahrt so gut überstanden hatte. Andere Kinder in meinen Bekanntenkreis hielten nicht so lange durch.

Mein Handy klingelte als wir ins Zentrum der Stadt reinfuhren, doch das Klingen nahm ich erst war, als Louis mich sanft an der Wange berührte. Ich war in meinen Gedanken versunken gewesen, als ich April mal wieder auf der Rückbank beim Schlafen zusah. Die vorüberziehenden Gebäude und Menschen hatten mich nicht wie sonst gefesselt.

„Love, dein Handy klingelt", kam es fast schon flüsternd über seine Lippen. Seine grün-bläulichen Augen schauten mich liebevoll an, als ich blinzelnd zu ihm sah.

„Oh", kam es immer noch ein wenig abweisend über meinen Lippen. April hatte mich sofort um den kleinen Finger gewickelt, sodass ich wie in eine Traumwelt gezogen worden war, sobald ich sie nur ansah. Es war faszinierend und leicht beunruhigend zugleich.

Schnell kramte ich mein immer noch klingelndes Handy aus meiner Tasche. April schien das Geräusch des Klingeltones nicht zu stören, denn sie schlief ruhig weiter, vollkommen erschöpft von der langen Autofahrt.

„Hey Harry", begrüßte ich einen meiner besten Freunde in der offenen Leitung des Telefonates.

„Hey El. Wie geht es euch. Wie geht es meinem Patenkind. Seid ihr gut in London angekommen?"

„Wir sitzen noch im Auto, aber wir sind gleich zu Hause. Uns geht es soweit gut. Meine Oma hatte nur Augen für April. Wie geht es dir? Wieso rufst du an?", fragte ich Harry und fing an, an meinen Haaren zu spielen.

„Ja kein Wunder. Macht es euch etwas aus, wenn ich nachher bei euch auftauche? Ich bin gerade in der Stadt. Und mir würde es sofort super gut gehen, wenn ich April gesehen habe", fügte Harry noch schnell hinzu. Ich hörte förmlich, wie er grinste und ein Lachen unterdrücken musste.

„Nicht du auch noch", frustriert und kichernd zugleich, verdrehte ich die Augen. Louis sah mich verwundert von der Seite an, ehe er wieder den Blick auf die Straße heftete.

„Es reicht, wenn das meine Familie macht. Da fühlt man sich ja wie das fünfte Rad am Wagen", maulte ich Harry durch das Telefon gespielt verzweifelt an.

„Gib es zu, du kannst die Augen auch nicht von deiner Tochter lassen und Louis geht es bestimmt genauso. Habe ich Recht oder habe ich Recht", wir lachten beide. Es stimmte. Neugeborene Kinder umgab ein Zauber, welcher niemand ignorieren konnte. Man musste die Kleinen einfach lieben.

„Und was das vorbeischauen angeht, kannst du gerne kommen. Wir sind jetzt erst einmal zu Hause. Die Autofahrt war für April ziemlich anstrengend, sodass wir ihr ein bisschen Ruhe geben wollen", kam ich auf die eigentliche Frage von Harry zurück und sah kurz zu Louis, als ich mit Harry sprach. Dieser nickte zustimmend und lächelte erfreut.

Ich saß im Bett, April zwischen meinen Beinen und Louis Kopf auf meinem linken Oberschenkel. Unsere Tochter drehte ab und zu unbewusst ihren Kopf und versuchte uns mit ihren Augen zu fixieren, doch so ganz wollte das noch nicht klappen. In unregelmäßigen Abständen ballte sie ihre kleinen Hände zu Fäusten oder bewegte ihre winzigen Fingerchen. Die Sonne ging gerade unter und Harry war schon wieder gegangen. Er hatte noch irgendetwas zu erledigen. So ganz hatte ich es in der Hektik nicht verstanden.

Als Harry April vorhin gesehen hatte, war er sofort mit ihr beschäftigt gewesen und als hätte sie gewusst, dass wir Besuch bekamen, war sie kurz vorher aufgewacht. Es war wie damals mit Lux. Harry kümmerte sich noch heute rührend um sie. Ich wusste, dass man sich im Notfall auf Harry verlassen konnte, genauso wie auf den Rest der Jungs und darauf baute ich in Zukunft. Wer wusste schon, was alles passieren würde.

Während Louis linke Hand April leicht über den Arm streichelte, spielte ich mit seinen Haaren. Sie waren so herrlich weich, dass ich gar nicht anders konnte, als durch sie hindurch zu fahren. Mein Verlobter musste durch meine Streicheleinheiten schläfrig geworden sein, denn ich sah wie Louis Finger auf die Matratze glitten und entspannten. Sein Atem war ruhiger und gleichmäßiger geworden. Mit einen Blick zu ihm bestätigte sich meine Vermutung. Er war eingeschlafen. Lächelnd schnappte ich mir mein Handy, wobei ich versuchte, mich nicht zu stark zu bewegen und schoss ein paar Fotos von Louis und April. Während mein Verlobter schlief, schaute ihn April mit staunenden Augen an, ehe ihr Blick wieder durch den Raum schweifte.

Als ich spürte, wie unsere Tochter unruhiger wurde und nicht wie ihr Vater eingeschlafen war, schlich ich mich mit ihr leise aus den Raum, wobei der heikelste Moment war, als ich Louis Kopf von meinem Bein bugsieren musste. Kurz hatte er etwas Unverständliches gemurmelt, hatte sich dann aber nur auf die Seite gedreht und war wahrscheinlich wieder in den Tiefschlaf eingetaucht.

Als sich mein Körper von der plötzlichen Positionsänderung erholt hatte, wobei mir beim Aufstehen leicht schwindlig geworden war und ich wieder normal sah, schloss ich leise mit April auf den Armen, die Tür und ließ Louis somit seinen wohl verdienten Schlaf, den er so dringend brauchte. Ich ging mit meiner Tochter ins Wohnzimmer, wo ich mich wenig später auf das Sofa setzte, um sie zu stillen. April schlief dabei wie gewohnt ein und ich konnte sie sicher ablegen.

„Meine süße Kleine", flüsterte ich leise und sah sie ein letztes Mal an, bevor ich in die Küche ging, um mir einen Tee zuzubereiten. Die Müdigkeit steckte zwar tief in meinen Knochen, doch irgendwie konnte ich einfach nicht einschlafen.

Mein Handy hatte ich in die Küche mitgenommen, sodass ich nun eine App öffnete, die ich eigentlich mied.

Ich klammerte mich an der Anrichte fest, als ich von den vielen Nachrichten förmlich überflutet wurde. Den gerade frisch gekochten Tee hatte ich im Nu vergessen.

Was mache ich hier eigentlich? Fast schon wütend warf ich das Handy auf die Kücheninsel und fixierte aufgebracht einen Punkt. Würde die Stelle tatsächlich leben und meine Augen könnten Feuerstrahlen schießen, wäre Fleck nur noch verkohlt.

Ich war nicht wütend auf die Leute, die ich gar nicht kannte. Ich war wütend und enttäuscht auf mich, dass ich so naiv war und mal wieder alle meine Vorsätze über Bord geworfen hatte. Jedes verdammte Mal wusste ich schon im Voraus, dass es schmerzhaft werden würde und ich tat es wieder – immer wieder.

Wie sollte ich für Louis und insbesondere für April da sein, wenn ich durch diese sinnlosen Nachrichten aus der Bahn geworfen wurde. Verzweifelt fuhr ich mir durch meine Haare und halte fast schon frustriert meinen Kopf.

„Verdammt!", fing ich leise an zu fluchen und war den Tränen nahe. Ich spürte wie meine Selbstbeherrschung zu Staub zerfiel, als ich immer und immer wieder die Kommentare in meinen Kopf laut vorlas.

„Du bist doch nur auf Louis Geld aus!", „Du gierige kleine Geld –", „Louis ist nicht Vater geworden!", „Du willst ihn das Kind doch nur andrehen!", „Bei der Mutter, tut mir April jetzt schon leid!"


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