101. Kapitel
Eleanor
Das Gefühl, ein Neugeborenes das erste Mal in den Armen zu halten, war unbeschreiblich. Ich hatte sie die ganze Zeit gespürt und doch war es etwas ganz anderes sie wirklich festzuhalten und ihre Wärme zu spüren. Ihr Schrei, als sich die Lungenflügel entfalteten, war mir durch Mark und Bein gegangen. Sobald Louis die Nabelschnur durchtrennt hatte, fühlte es sich im ersten Moment total befremdlich an. Nun versorgte ich nicht mehr meinen kleinen Punkt von meinen Körper – ab jetzt konnte sie es mit unserer Hilfe selber tun. Diesen Schritt zu begreifen, dass man endlich sein eigenes Kind sehen und in den Armen halten konnte, war das Schönste, was man als frisch gebackene Eltern fühlen konnte. Es war atemberaubend und trieb einen die Tränen in die Augen, da einen die Gefühle übermannten.
Als mir das kleine zarte Bündel in die Arme gelegt wurde, versuchte ich krampfhaft die Tränen weg zu blinzeln um endlich meine Tochter in die Augen sehen zu können. Sie war so klein, so zart und das schönste Mädchen was ich je gesehen hatte. Ich fand keine Worte dafür. Mein Herz raste, das Adrenalin schoss durch meinen Körper und ließ mich alles um mich rum vergessen – nur meine Tochter in meinen Armen zählte.
„April", fast schon anbetend hauchte Louis den Namen unserer Tochter. Er hatte sich zu uns gekniet und schaute halb über meine Schulter hinweg zu unserem Kind. Unser kleines Mädchen, was wir nur von einen Monitor kannten, war tatsächlich hier in unseren Händen.
Nur mit halben Ohr hörte ich wie die Hebamme, die Geburtsdaten vor sich hin murmelt und dabei auf einen Zettel notierte: „April Tomlinson – geboren am zweiten Mai zweitausendsechzehn um neuzehnuhrzwanzig. Gewicht...", ich wurde von der ersten keinen Bewegung meiner Tochter abgelenkt, die ihre kleinen Hände leicht zur Faust geballt hatte und sich über die Wange fuhr.
„Ich liebe dich", meine Stimme bebte als ich die Worte formulierte und doch kamen sie klar und deutlich heraus. Ich lehnte mich an meinen Verlobten und betrachtete weiter unsere Tochter im Arm.
„Ich liebe dich", Louis küsste mich auf die Schläfe und zog mich näher an sich ran. Es war ein unbeschreiblicher Moment, den ich nie vergessen würde. Er war so kostbar, wie unser Kind, eingewickelt in eine weiche Decke und ein paar Haare auf dem Kopf.
„Du hast es geschafft. Ich bin so unglaublich stolz auf euch beide", so zart als könnte April zerbrechen, wenn man sie zu stark berührte, streichelte Louis über ihre rosa aussehenden Bäckchen. Nur unter aller Selbstkontrolle die ich in diesen Moment aufbringen konnte, löste ich den Blick von meiner Tochter und sah zu Louis. Eine einzelne Träne rann ihn über sein wunderschönes Gesicht. Noch bevor sie an seinen Kinn ins bodenlose stützen konnte, fing ich sie mit zitternden Fingern auf.
„Halte deine Tochter in den Armen", flüsterte ich und sah wieder zu dem süßen Bündel in meinen Armen. Wie konnte ich sie nur jemanden anderen anvertrauen, wenn ich es jetzt schon kaum schaffte, sie loszulassen. Ich vertraute Louis mein Leben und das meiner Tochter an, doch ich hatte mich an den wärmenden Körper gewöhnt und konnte es zudem noch gar nicht richtig glauben. Ich war überwältigt.
Nach neun Monaten, unendlichem Bangen und Hoffen, warten und Freuen, konnte ich April richtig kennenlernen. Sie hatte ihre Augen geschlossen gehabt, als ich sie zum Anregen des Milchflusses an meine Brust gelegt hatte, doch nun waren sie halb offen und blickte zu uns hinauf. Sie bewegte sich ganz leicht, als wollte sie sich ihrem Vater entgegenstrecken. Ich hielt die Luft an und ließ Louis gewähren. Sofort fühlte sich mein Oberkörper kalt an, doch als ich meinen Verlobten mit unserer Tochter sah, traten mir schon wieder die Tränen in die Augen. Diesen Augenblick würde ich nie vergessen.
Louis war vorsichtig und langsam aufgestanden und wiegte unsere kleine April in seinen Armen. Ich schloss überglücklich meine Augen und entspannte mich. Wir hatten es geschafft. Wir hatten es tatsächlich geschafft. April war gesund und dass war das einzige was für mich in diesen Moment zählte - sie und Louis.
Nach der Geburt von April war ich unglaublich müde und total erschöpft. Während Louis unsere Tochter die mitgebrachte Kleidung anzog, durfte ich mich mit Hilfe einer Krankenschwester duschen und mich so von dem Schweiß und dem Blut, was immer noch an mir haftete, befreien. Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten und hätte mich am liebsten wieder hingelegt und geschlafen. Doch irgendwie überstand ich auch diese Prozedur und somit fand ich mich nach einer unbestimmten Zeit in einem Krankenhauszimmer wieder, in den Armen meine Tochter, die nun friedlich schlief. Louis hatte sich zu mir gelegt und hatte uns beide im Arm. Sein Kopf hatte er so drapiert, dass er unsere Tochter in dieser liegenden Position beobachten konnte.
„Ich habe nie verstanden, wieso manche Menschen Leute beim Schlafen stundenlang beobachten...", ich flüsterte die Worte nur, aus Angst April mit einer zu lauten Stimme zu wecken. Sie sah so entspannt und friedlich aus, als hätte sie keine anstrengende Geburt hinter sich. Sie war einfach faszinierend. Ich hatte ständig das dringende Bedürfnis sie zu berühren. Ihre Haut war so weich und ihre Finger so klein, dass man es kaum glauben konnte, selber einmal so ausgesehen zu haben.
„Ich schon, denn ansonsten hätte ich es nicht ständig bei dir getan...", Louis Blick war unverwandt auf unsere Tochter gerichtet. Ein lächeln zierte sein Gesicht, was seitdem er April gesehen hatte, nicht mehr verschwunden war. Er strahlte nach außen eine Energie aus, die alle im Raum spüren konnte. Es war der Triumpf den er verspürte, wenn er unsere Tochter ansah. Als hätte er sich diese Situation schon immer gewünscht und nun sei sie in Erfüllung gegangen. Und dann begriff ich, dass es genauso war, anders konnte es nicht sein. Es berührte mein Herz im tiefsten Inneren. Ich dachte, meine Liebe zu ihm und zu meiner Tochter könnte nicht noch größer werden. Tja, ich hatte mich in diesen Punkt absolut unterschätzt.
Seine Worte erreichten mich und hüllten mich ein. Ich konnte ihn nur stumm anschauen. Zu mehr war ich nicht in der Lage. Louis hatte mich im Schlaf beobachtet? Er bekam doch schon so wenig Schlaf ab, wieso...und dann sah ich es endlich. Ich musste die Situation nur mit meiner Tochter vergleichen, die immer noch friedlich in meinen Armen schlief. Ich konnte mich einfach nicht von ihr losreißen. Sie war einfach zuckersüß.
Ihr schlafender Anblick machte mich selber schläfrig und so schloss ich meine Augen für einen kurzen Moment. Ich brauchte mir keine Sorgen zu machen, dass mir das kleine süße Bündel aus den Armen fallen konnte. Louis hielt sie genauso sehr, wie ich, in den Armen.
„Love?", Louis sanfte, leicht raue Stimme, riss mich aus meinen Traum und ich schreckte hoch. Angst erfüllte mich und ich sah hektisch zu meinen Armen, die nun leer waren. Wo war meine Tochter?!
„April!", ich wollte mich schon panisch aufsetzen, als Louis mich mit einer Hand sanft wieder in die Kissen drückte.
„April ist bei mir. Bitte beruhige dich. Ich wollte nicht, dass du dich erschreckst. Als du eingeschlafen warst, habe ich sie genommen, damit du dich im Schlaf auch bewegen kannst und nicht bei der kleinsten Bewegung von ihr aufwachst. Es tut mir leid. Ich hätte wissen müssen, wie du reagierst...", er strich mir mit seiner freien Hand über meine linke Wange und versuchte mich mit der Geste zu beruhigen.
„...nur unsere Mütter stehen in der Eingangshalle und würden gerne April sehen. Der Rest unserer Familien kommt morgen, dafür ist es zu spät. Ich wollte dir nur die Chance geben, dass du es weißt, bevor sie uns hier besuchen kommen", mit einen Blick in seine Richtung, sah ich, das er April tatsächlich auf dem Arm hatte. Sie schien immer noch zu schlafen. Wie lange hatte ich meine Augen geschlossen gehabt und war weggetriftet? Wie viel hatte ich von ihrem Anblick schon verpasst?
„Oh", brachte ich noch ein weniger wirr heraus und strich vorsichtig die Decke in der April eingewickelt war, glatt. Danach fuhr ich mir über mein Gesicht und kämmt mit meinen Finger durch meine Haare.
„Ich wollte nicht einschlafen. Tut mir leid. Ist sie schon einmal wieder aufgewacht? Wie viel habe ich verpasst?", ich setzte mich ein wenig auf, doch bereute es gleich darauf. Die Wunde war immer noch da und forderte nun ihre Aufmerksamkeit. Also ließ ich es bleiben und versuchte mich nun im Liegen für unsere Mütter halbwegs vorzeigbar zu machen.
„El, es ist alles in Ordnung. Ihr beide hattet eine anstrengende Geburt hinter euch. Ich würde dir ja raten zu schlafen und eigentlich wollte ich dich auch nicht wecken. Nur Mom und Kim haben einfach keine Ruhe gegeben. Sie wollen euch beide unbedingt sehen. Und ich weiß, dass du ihre Gesichter sehen möchtest, wenn sie April das erste Mal sehen. Nur deswegen habe ich dich geweckt. Ihr beide braucht ruhe. April ist da ein hervorragendes Beispiel", mein Verlobter grinste mich nun an und hielt unsere Tochter so, als würde er sie auf einer Bühne präsentieren.
„Sie schläft friedlich in unseren Armen und ruht sich aus. Wenn wir unsere Mütter die Aufregung genommen haben, werden wir alle drei schlafen. Sie wird uns noch genug auf trapp halten. Da sollten wir ein bisschen in Vorleistung gehen", vorsichtig, sodass er keine unsanften Bewegungen machte, die April aufwecken könnten, stand er vom Bett auf und reichte mir unsere Tochter.
„Bist du bereit unseren Müttern gegenüberzutreten?", fragte er mich mit einen glühen in den Augen und brachte mich damit zum Strahlen. Die Müdigkeit war vergessen. Die Aufregung erkämpfte sich den ersten Platz ganz vorne und nahm mich voll ein. Mein Herz raste, sodass ich Sorge hatte, unsere Tochter aufzuwecken, doch sie schlief friedlich weiter.
„Ja und unsere Tochter ist es ebenfalls, auch wenn sie gerade schläft", in seinen Augen wandelte sich etwas. Es war pures Glück, was er in diesen Moment ausstrahlte und ich tat es ebenfalls. Wir waren endlich eine glückliche kleine Familie.
„Okay, dann hole ich sie mal. Kommst du alleine klar? Wenn was ich, drückst du einfach hier auf den Knopf", er zeigte auf eine Art Fernbedienung die gut erreichbar neben meinen Bett auf dem Beistelltisch lag. Louis beugte sich über mich und hauchte mir einen liebevollen Kuss auf die Stirn. Ich nickte ihm lächelnd zu und sah dann wieder zu meiner kleinen Tochter in meinen Armen, während Louis zur Tür ging und im Gang verschwand.
Es fühlte sich so an als wären nur Sekunden vergangen, seitdem Louis das Zimmer verlassen hatte, doch mit dem Blick auf die Uhr, war deutlich mehr Zeit vergangen, als die Tür leise geöffnet wurde und Louis mit unseren neugierigen Eltern rein kam.
Ich starte noch einmal einen Versuch mich ein wenig aufzusetzen, doch mit April auf den Armen und einem erschöpften Körper, konnte ich mir das gleich wieder aus dem Kopf schlagen. Auf mein Gesicht hatte sich ein Lächeln geschlichen, als ich alle drei ins Zimmer kommen sah.
„Oh mein Gott, wie süß. Wie geht es euch?", riefen sie leise aus, darauf bedacht April nicht zu erschrecken und kamen an mein Bett. Mit Tränen in den Augen beugten sie sich links und rechts über April und betrachteten sie liebevoll.
„Den Umständen entsprechen super. April hat bis jetzt geschlafen. Wenn sie die Augen auf hatte, ist es mehr wie ein blinzeln, doch das wird sich in den nächsten Tagen noch ändern", gab ich die Informationen an Louis und meiner Mutter weiter und blickte sie dann voller Stolz an: „Wollt ihr sie einmal halten?", vorhin konnte ich mir kaum vorstellen, sie jemals aus meinen Armen zu geben, doch in diesen Moment wollte ich unbedingt die Bilder in meinen Gedanken für immer festhalten, wie Jay und meine Mutter meine Tochter in den Armen hielten. Ich wollte diesen Moment nie wieder vergessen.
„Wir haben eine Enkelin. April ist ein wunderschöner Name", die frischgebackenen Großmütter schwarten sich um unsere Tochter und gaben sich ganz ihren Entzückung hin.
„Habt ihr schon ein Familienfoto gemacht?", fragte Jay, als meine Mutter gerade April in den Armen hielt und blickte uns neugierig an. Louis hatte es sich wieder an meiner Bettkante bequem gemacht und spielte mit einer Haarsträhne von mir.
„Nein, wir haben nur ein Foto von April, welches die Schwestern vorhin gemacht haben", antwortete Louis und kramte schon nach seinem Handy, um es keine zwei Sekunden später aus der Tasche zu ziehen und es Jay zu reichen. Meine Mutter kam auf mich zu und reichte mir meine Tochter wieder. April schien das ständige hin und her nicht zu stören, denn sie schlief einfach weiter.
Keine zehn Minuten später erschien die Nachtschwester, versicherte sich, dass es Kind und Mutter gut ging und wies unsere Eltern freundlich daraufhin, das es schon spät sei und sie gerne morgen wieder kommen konnten. Somit verabschiedeten wir uns voneinander und wünschten ihnen eine gute Nacht, bevor wir sie in ein paar Stunden schon wieder sehen würden – und dann mit der kompletten Familie. Ich freute mich riesig darauf, doch nun musste Louis erst einmal April aus meinen Armen bekommen. Das Gefühl, dass mir etwas fehlte, wenn ich sie nicht berührte, schlug sofort wieder zu, sobald ich nicht mehr ihre Wärme spürte. Doch ich musste schlafen, solange es unsere Tochter tat und somit schaffte es mein Verlobter sie in das Bett direkt neben mir zu legen.
Er selber würde in das Bett neben meines schlafen. Wir hatten dieses Privileg schon vorher mit dem Krankenhaus abgesprochen, sodass Louis die ganze Zeit bei mir bleiben konnte und nicht nach Hause musste. Ich liebte ihn dafür nur noch mehr. Er wusste gar nicht, wie dankbar ich ihm für alles was er jemals für mich getan hatte war.
„Ich liebe dich", flüsterte ich in die Dunkelheit und schloss meine Augen, um wenige Sekunden später in einen traumlosen Schlaf zu fallen. Nur leider wurde er jäh unterbrochen, als ich von einem zarten hellen Schrei aufschreckte.
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