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*POV Leonora*

Dieser Tag war anders, das spürte ich. Die Sonne schien, aber das machte all das nicht besser. Gestern Abend hatte ich lange mit Dad gesprochen. Er hatte mich zu sich auf die Couch gebeten, es war eins dieser vertrauten Gespräche zwischen uns von denen wir nur wenige bislang geführt hatten.
Gedankenverloren spielte ich mit dem kleinen Anhänger meiner Kette. Cole hatte mich in seinem Brief gebeten, die Kette abzunehmen. Eben dieser Brief lag vor mir auf dem Schreibtisch, aber ich fürchtete mich vor diesem Moment. Es würde sich nichts verändern und dennoch hatte ich diese Hemmungen.
Schließlich umschlossen meine Finger das dünne Silber und öffneten den Verschluss. Langsam nahm ich die Kette ab und legte sie auf das Stück Papier. Es war einfach nur ein Stück Silber was irgend wer so geformt hatte, dass man es sich um den Hals hängen konnte.
Ein leises klopfen an meiner Tür ließ mich aus diesen Gedanken entfliehen.
>Finn hat angerufen, wir sollen kommen< Timothees ruhige, leise Stimme versetzte mir einen Stich ins Herz. Dad hatte also recht gehabt. Warum musste er immer recht haben?

Im Krankenhaus roch es schlimmer als sonst. Desinfektionsmittel und Krankheiten schwirrten durch die Luft und machten sie zu einer stickigen Masse. Timothees Hand auf meinem Rücken schob mich vorwärts. Ich war mir sicher, dass ich ohne sie, mich keinen Zentimeter bewegt hätte.
Wir stellten uns neben Pops und Finn an Coles Bett. Er sah so friedlich aus trotz der Schläuche und Kabel, die sein Leben aufrechtzuerhalten versuchten. Seine Hand lag reglos auf der Decke, ich griff danach wie ich es die letzten Tage auch immer getan habe.
Eine Hand legte sich auf meine Schulter, ich wusste nicht wessen. Das Piepen war unregelmäßiger als sonst, was mir die Gewissheit gab das Dad recht hatte. Coles Herz wurde schwächer. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, ich wollte das hier nicht akzeptieren. Es musste doch irgend etwas geben, was das hier beendete.
>Cole, bitte lass mich nicht allein< flüsterte ich und spürte wie die ersten Tränen über meine Wangen flossen.
Minuten vergingen in denen ich so ausharrte, niemand von uns sagte etwas.
Der schrille Ton durchbrach diese Stille. Die Tür flog auf und irgend jemand kam herein geeilt.
>Nein, nein, nein< ich wiederholte es wieder und wieder. Irgend jemand nahm mich an den Schultern und zog mich weg. Weg von Coles Körper, raus aus dem Zimmer.
Es war Timothee der mich an sich drückte, während ich das Gefühl hatte mein Leben würde in tausend Teile zerbrechen. Er hinderte mich daran komplett zusammen zu brechen und hielt meinen kraftlosen, bebenden Körper fest.
Cole war gegangen, ich hatte ihn endgültig verloren. Der Schmerz bohrte sich in mein Herz und nahm mir die Luft zum Atmen.

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