29
Leonora hatte ein ganz schönes Tempo drauf. Zu meiner Verwunderung lief sie jedoch nicht in Richtung Park, sondern überquerte die Straße in entgegengesetzer Richtung. Mit genügend Abstand radelte ich hinter ihr her. Wir gelangten ans Wasser, es war erstaunlich wenig los. Für gewöhnlich wimmelte es hier von joggern, schuld war wahrscheinlich die dunkle Wolke die über den Himmel zog. Sicherlich würde es bald regnen. Aber Leonora schien sich davon nicht beirren zu lassen. Sie lief locker weiter. Ich war länger kein Fahrrad mehr gefahren, was sich auch daran äußerte, dass allmählich meine Oberschenkel brannten. Als hätte Leonora das gespürt beschleunigte sie ihr Tempo. Mir blieb nichts anderes über, als ebenfalls schneller zu treten und das brennen zu ignorieren. Andernfalls würde ich sie aus den Augen verlieren. In der Ferne konnte ich die Freiheitsstatue erkennen, wie weit war sie bitte schon gelaufen. Noch einmal erhöhte sie das Tempo, rannte nun einfach grade aus. Ich erhob mich aus dem Sattel um mithalten zu können. Der angekündigte Regen setzte ein, er war so heftig das sich schnell Pfützen auf dem Sandweg bildeten. Ich strich meine Haare aus dem Gesicht, die platt herunter hingen. Leonora trat in eine Pfütze, das Wasser spritze in alle Richtungen, doch sie lief weiter. Allerdings wurde sie zunehmend langsamer. Ich sah an ihren Schultern wie sie scheinbar außer atem war und dennoch weiter lief.
Allmählich schienen sie die Kräfte zu verlassen, doch sie blieb immer noch nicht stehen. Ich hatte Mühe nicht vom Fahrrad zu fallen so langsam war sie geworden. Mittlerweile schien es als wären nur noch wir hier draußen. Irgend wann ließ sie sich einfach auf die Knie fallen und ich hörte wie sie wieder weinte. Ich stieg vom Fahrrad ab, ließ es auf den Rasen fallen und lief zu ihr. >Leonora?< rief ich und legte meine Hand auf ihren Rücken. Ihr Körper zuckte so sehr weinte sie. >Ich bin da, hörst du?< ich kniete mich ebenfalls auf den Boden und schlang meine Arme um sie. Mir brannten so viele Fragen auf der Zunge, doch ich schluckte sie herunter. Wir saßen einfach so da, im Regen, mitten in New York. Ich zog sie eng an mich und hoffte sie würde sich beruhigen. Das Wasser lief an unseren Körpern hinunter und bildete eine neue Pfütze. >Geh weg< hörte ich Leonoras bebende Stimme. >Ich kann dich so nicht allein lassen< sagte ich möglichst ruhig. Ich spürte ihre Hände auf meiner Brust und wie sie mich weg stieß. Meine Arme lösten sich von ihr, damit ich nicht in die Pfütze kippte. >Verschwinde einfach< ihre verweinten Augen funkelten mich an. >Nein. Ich lass dich so nicht hier allein. Ich bin für dich da, das habe ich damals gesagt und auch so gemeint< wieder nahm ich sie in den Arm und hielt sie fest umklammert, auch wenn sie wieder versuchte mich weg zu stoßen. >Lass mich los< ihre Stimme klang entkräftet. >Leonora ich bin da, jetzt und hier, nur für dich. Hör doch auf dich dagegen zu wehren. Ich möchte dir helfen< Leonora schien wieder von ihren Gefühlen überwältigt zu werden und weinte wieder. Schlaff hing sie in meinen Armen.
Als der Regen aufhörte löste ich langsam meine Arme von ihr. >Möchtest du mir sagen was los ist?< fragte ich vorsichtig. Sie schüttelte den Kopf und machte anstalten aufzustehen, doch ihr Körper schien so entkräftet, dass sie wieder in sich zusammen sackte. >Was machst du überhaupt hier?< fragte sie und sah mich an. Ich hob meine Hand und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. >Ich bin dir hinterher gefahren. Du sahst im Haus vorhin nicht so glücklich aus. Nicht so glücklich wie in L.A. und dann haben mich deine Worte in der Küche so irritiert. Auf mich wirkte es nicht so, als wenn dir diese 2 Jahre dort so egal gewesen wären. Du solltest denke ich gerade einfach nicht allein sein< antwortete ich ehrlich. Leonora nickte. >Komm ich helfe dir hoch< ich stand auf und reichte ihr die Hand. Ich zog sie hoch. >Ich glaube ich verliere mich langsam selbst< erstaunt sah ich sie an. >Wie meinst du das?< fragte ich nach. >Ich weiß einfach nicht mehr wer ich bin. Dieses ständige umziehen...<
>Wer möchtest du denn sein?< Ich sah wie sich wieder Tränen in ihren Augen bildeten. Wieder zog ich sie an mich. >Ich weiß auch manchmal nicht wer ich sein möchte< ich sah über das Wasser. >Du willst doch Schauspieler werden und tust auch alles dafür<
>Ja, aber ob das so richtig ist kann mir auch keiner sagen. Ich habe keinen Plan B oder C. Das mit Schauspiel muss klappen< gestand ich ihr. >Ich wollte hier in New York nicht mehr ins Cheerleader Team. Ich wollte dieses Kapitel in L.A. lassen und trotzdem...< ihr Kopf drehte sich ebenfalls zum Wasser und lehnte sich gegen meine Brust. >Warum hast du es nicht gemacht? Man sollte nichts tun was einem keinen Spaß macht< ich hörte mich an wie meine Mutter. Leonora zuckte mit den Schultern. >Ich... es ist kompliziert. Verdammt kompliziert<
>Wenn du es mir irgend wann erzählen möchtest bin ich da, Leo. Und wenn du mit dem Cheerleading aufhören möchtest, dann mach es. Das Team ist eh der reinste Zickenstall< ich hörte Leonora kurz lachen. >Danke, Timothee< ich spürte wie sich ihre Arme um meine Taille schlangen. Wir verweilten so einige Minuten und sahen schweigend aufs Wasser.
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