Teil 9 | Lauter bunte Päckchen
Sofort sperrte ich mein Handy und ließ es mit einer schnellen Armbewegung in meiner Hosentasche verschwinden.
Anschließend drehte ich mich zu meinem Vater um. Als ich direkt in sein wütendes Gesicht sah, schreckte ich instinktiv zurück.
„Gar nichts. Ich hab bloß ein paar Freundinnen ein frohes Weihnachtsfest gewünscht“, log ich dem Wesen ins Gesicht.
„Oh, wirklich? Wie nett von dir. Aber was würdest du davon halten, wenn du dich nun uns, deiner Familie und der Bescherung widmen würdest?“
Das Monster sprach den Satz wie eine Drohung aus. Es hatte zwar nichts weiter erwähnt, doch ich konnte spüren, dass Konsequenzen folgen würden, wenn ich nicht das tat, was sie von mir verlangten.
Mein Blick wanderte rüber zum Weihnachtsbaum, wo Mike noch immer regungslos saß. Er schien darauf zu warten, dass ich endlich dazu stieß.
Seine Augen klebten förmlich an mir und forderten mich still dazu auf, näher an ihn heran zu treten.
Ich konnte spüren, wie meine Beine weich wurden. Zunehmend fiel es mir schwerer, meinen Körper in einer aufrechten Position zu halten.
Wieso waren diese Wesen so erpicht darauf, die Geschenke auszupacken?
Und wieso sollte ich unbedingt dabei sein?
Was auch immer sich in den hübsch verpackten Boxen befand, es war ganz sicher nicht das, was meine Eltern zuvor gekauft hatten.
Unbewusst glitt meine Hand erneut in Richtung Smartphone. Wenn ich schon nicht die Zeit hatte, nach einem professionellen Exorzisten zu suchen, könnte ich es vielleicht mit dem Notruf versuchen.
Nur zwei schnelle Eingaben und schon wäre Hilfe unterwegs.
Die Sanitäter würden zwar nichts gegen diese paranormalen Monster unternehmen können, aber immerhin wäre ich dann nicht mehr allein.
Dieses Vorhaben mochte zwar egoistisch erscheinen, doch ich wusste wirklich nicht, wie ich mir sonst helfen sollte.
„Wird's bald? Oder braucht unsere Prinzessin Mal wieder eine Extra-Einladung?“, krächzte die Präsenz in meinem Vater, deren Geduld offenbar schneller erschöpft war, als die einer ausgebrannten Grundschullehrerin.
„Nenn mich nicht Prinzessin“, spuckte ich dem Wesen entgegen. Sofort bereute ich, diese Worte ausgesprochen zu haben.
Das Monster legte seine Hand unter mein Kinn und starrte mich mit wachsamen Augen an.
„Ist das etwa die Art, wie man mit seinen Eltern redet?“
Der Blick meines Vaters war so stechend, dass ich meine Augen nicht von ihm abwenden konnte. Es war, als ob er direkt in mein Unterbewusstsein starren würde.
Als würde er mein ganzes Leben analysieren.
Und dann passierte es.
Nachdem mein Vater geblinzelt hatte, war nichts mehr von den klaren, durchdringenden Augen übrig geblieben.
Da war nur noch diese emotionslose, kalte Schwärze, die ich vorhin noch als Lichtreflex abgetan hatte.
Ich konnte nicht anders als laut zu schreien, als dieses schwarzäugige Monster mich wütend anfauchte.
„Nein, tut mir leid. Wird nicht mehr vorkommen“, versuchte ich das Wesen zu besänftigen.
Tatsächlich schien es sich damit vorerst zufrieden zu geben. Seine Gesichtszüge entspannten sich und auch das unheilvolle Schwarz entschwand mit einem Mal aus den Augen meines Vaters.
Ob er wohl noch irgendwo in diesem Körper anwesend war? Womöglich musste er gerade hilflos dabei zusehen, wie sein Körper mich bedrohte.
Dieser Gedanke ließ mein Herz schwer werden. Es musste doch irgendeine Möglichkeit geben, diese Dinger aus den Körpern meiner Familie zu vertreiben.
Ein kurzer Blick zu Mike verriet mir, dass er ebenfalls langsam die Geduld verlor.
Was auch immer dieses Wesen sein mochte, das seinen Körper befallen hatte. Ganz offensichtlich besaß es den selben kindlichen Charakter wie Mike.
Ich musste mir irgendwie Zeit verschaffen, damit ich unbemerkt den Notruf absetzen konnte. Mir schwarnte allerdings jetzt schon, dass das kein einfaches Unterfangen werden würde.
Auf einmal wurde ich von einem Geräusch aus den Gedanken gerissen.
Mike.
Er hatte soeben damit begonnen, das erste Geschenk auszupacken.
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