Teil 8 | Ein rettender Plan

„Jetzt schon? Wir haben doch gerade erst mit dem Essen angefangen. Hat Mike euch so sehr genervt, dass ihr nachgegeben habt?“

Ich versuchte witzig zu sein und mir meine Angst nicht anmerken zu lassen.
Falls das Wesen mich in diesem Moment beobachtete, sollte es nicht das Gefühl bekommen, irgendeine Art von Macht über mich zu haben.

Mama lachte kurz auf, dann sah sie mich mit einem fast schon engelsgleichen Gesichtsausdruck an.

„Es ist an der Zeit“, war das einzige, was sie anschließend dazu sagte.

Papa und Mike nickten zeitgleich, als hätten sie auf genau dieses Stichwort gewartet.

Das sonderbare Verhalten meiner Familie machte mich langsam wütend. Offenbar war ich die Einzige, die in diesem Haus noch klar bei Verstand war.

Es schien fast so, als würde die Wut meine Angst verdrängen - zumindest für einen kurzen Moment.

„Was stimmt mit euch nicht? Wieso benehmt ihr euch so merkwürdig? Hab ich irgendwas verpasst?!“

Meine Stimme wurde lauter, als ich es eigentlich beabsichtigt hatte.
Sofort schlug ich mir die Hände vor den Mund, doch es war bereits zu spät.

Was mir am meisten Sorgen bereitete, war dass das unheimliche Wesen -das vermutlich aus der Hölle stammte- durch meine laute Stimme erneut auf mich aufmerksam wurde.

„Wo verhalten wir uns denn merkwürdig? Wir wollen einfach nur ein schönes Weihnachtsfest miteinander verbringen. Wenn hier jemand komisch drauf ist, dann du“, sagte mein Vater mehr in sich hinein nuschelnd, als mit mir sprechend .

„Jetzt versucht nicht, den Spieß umzudrehen. Was war denn zum Beispiel vorhin mit deinen Augen los, Papa?“

Die besondere Betonung fiel auf das Wort „Papa“. Ich war mir fast schon sicher, dass er nicht er selbst war. Ebenso wenig wie Mama und Mike, doch bei ihm war es am offensichtlichsten.

Ich konnte sehen, wie sich die Augenbrauen meines sogenannten Vaters zusammenzogen.

„Ich glaube, du hast zu viele Horrorfilme gesehen. Vielleicht sollten wir Netflix demnächst wieder verschlüsseln.“

Nach diesem Satz hätte ich lauten Protest von Mike erwartet, doch nichts dergleichen geschah. Er blieb stumm, wie schon die gesamte Zeit, seitdem ich das Wohnzimmer betreten hatte.

Das war definitiv nicht mein Bruder.

Meine Wut wurde allmählich wieder durch Angst ersetzt, als mir klar wurde, was ich da gerade versucht hatte.

Ich hatte mich mit übernatürlichen Wesen angelegt, die wahrscheinlich viel mächtiger waren, als ich es mir jemals erträumen könnte.

„Na los. Die Bescherung wartet“, sagte das Wesen, das Mikes Körper übernommen hatte.

Die Körper meiner Eltern nickten erneut synchron.

Ich beschloss, fürs Erste mitzuspielen.
Auch wenn diese Situation mehr als beunruhigend war, konnte ich auf keinen Fall zulassen, mich durch aufmüpfiges Verhalten in Gefahr zu bringen.

Ich war schließlich die Einzige, die noch Kontrolle über ihren Körper besaß.

Ich war die Einzige, die diese Familie noch retten konnte.
Bloß wie? Wen kontaktierte man in solchen Fällen? Einen Exorzisten?
Existierte diese Berufsgruppe überhaupt im realen Leben?

Ich beobachtete, wie meine Familie sich erhob und auf den Weihnachtsbaum mit den hübsch verpackten Geschenken zusteuerte.

Vielleicht konnte ich die Gelegenheit ihrer Ablenkung nutzen, um mit meinem Smartphone nach Exorzisten in der Nähe zu suchen.

Mir war bewusst, wie absurd das klang, doch ich hatte wirklich keine Ahnung, was ich ansonsten tun könnte.
Diese Dinger würden ja wohl kaum verschwinden, wenn man sie nett darum bat.

Ich beobachtete im Augenwinkel, wie Mikes Körper sich auf den Boden hockte und die Geschenke ohne jegliche Regung betrachtete.

Schnell zückte ich mein Handy und tippte die Worte „Seriöser Exorzist in der Nähe“ in die Suchleiste ein.

Sobald dieser Spuk vorbei war, würde ich meinen Browserverlauf sofort löschen.
Nicht auszudenken, wie Nico reagieren würde, wenn er diese Suchanfrage sah.

Natürlich zeigte sich das WLAN in diesem Moment von seiner schlechtesten Seite.
Die Suchergebnisse brauchten ewig, um vollständig zu laden.

„Na los, mach schon!“, feuerte ich mein Handy innerlich an.

Gerade als die ersten Ergebnisse angezeigt wurden, ließ mich die Stimme meines Vaters zusammen zucken.
Offensichtlich hatte er sich von hinten angeschlichen.

Sein kalter Atem ließ mich für einen Moment lang erstarren.

„Was glaubst du, was du da tust?“

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