Teil 19 | Frische Farbe
Das nächste Geschenk war in dunkelblaues Papier mit gelbem Sternenmuster gehüllt.
Von außen wirkte es so harmlos, dass es fast schon absurd war, was der Anblick dieses Pakets in mir auslöste. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und meine Hände waren schweißnass.
Ich würde erfahren, wie ich aus dem Leben geschieden war. Ich würde akzeptieren müssen, dass ich nie wieder in dieses Leben zurückkehren konnte, wenn ich nicht in der Hölle des ewigen Nichts enden wollte.
Aber was war die Alternative? Ich wusste nicht, was mich auf der anderen Seite erwarten würde, sollte ich es schaffen, meinen Tod zu akzeptieren.
Mir war bewusst, dass es ohnehin kein Zurück mehr gab. Das Öffnen der Pakete würde mich an einen anderen Ort bringen.
An einen besseren Ort. Zumindest hoffte ich das.
Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht, welche meine Haut wie kleine Flüsse durchquerten. Dann machte ich mich endlich daran, das Paket unter den wachsamen Augen der Dämonen zu öffnen.
Was ich dort am Grund des Pakets entdeckte, löste bei mir erst einmal pure Verwirrung aus.
Ein Spielzeugauto? Was hatte das zu bedeuten?
Mein Blick wanderte in Richtung der Dämonen, doch deren Gesichtsausdrücke machten mir schnell klar, dass ich von ihnen auch keine Antworten bekommen würde.
Es lag nun an mir.
Ich allein trug die Verantwortung für die Form, die mein Leben nach dem Tod annehmen würde.
Ich musste mich erinnern, was nach der Kirche vorgefallen war. Was war der Auslöser für meinen Tod gewesen?
Ich nahm das Spielzeugauto in die Hand, damit ich es noch einmal genauer aus der Nähe betrachten konnte.
Möglicherweise hatte ich irgendwas übersehen.
Eine Sekunde genügte, bis mir das entscheidende Detail ins Auge fiel.
Die Windschutzscheibe.
Sie war nicht durchsichtig, wie es normalerweise bei Autos der Fall war, sondern dunkelrot.
Aus irgendeinem unerfindlichen Grund verspürte ich das immense Bedürfnis, die Farbe mit meinen Fingern zu berühren.
Als die Kuppe meines Zeigefingers in die rote Farbe eintauchte, stellte ich überrascht fest, dass diese nicht trocken war.
Sie fühlte sich klebrig und relativ frisch an. Als hätte man sie gerade erst aufgetragen.
Ach, verdammt. Es wäre ja auch zu schön gewesen. Enttäuscht studierte ich meine WhatsApp Nachrichten, doch ich konnte Nicos Namen nicht ausfindig machen.
Zwei meiner Freundinnen hatten mir ein frohes Weihnachtsfest gewünscht, auch wenn die Beiden eigentlich wissen müssten, dass ich ein absoluter Weihnachtsmuffel war und auch keine Lust auf meine Familie hatte.
Abgesehen davon war die Klassengruppe gerade sehr aktiv. Leander, ein merkwürdiger Typ aus meinem Biologiekurs, hatte gerade ein Bild gepostet auf dem er mit Weihnachtsmütze und einer Flasche Schnaps in der Hand zu sehen war.
Einige Jungs feuerten ihn an, dann gab es ein paar Wenige, die fiese Kommentare über sein Aussehen abgaben.
Ich verzog das Gesicht, als ich den Chat verließ.
Meine Gedanken waren soweit abgedriftet, dass ich gar nicht merkte, wie ein neongrüner Audi A6 mit völlig übertriebener Geschwindigkeit auf mich zuraste.
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