Tropf

Es tropfte wieder. Jedes Geräusch in dieser Wohnung brachte mich dem Herzinfarkt ein Stückchen näher.

Auch wenn die Küche sechs Meter entfernt war, konnte ich jedes einzelne Geräusch wahrnehmen.

Ich verdrehte genervt die Augen, dennoch huschte mein Blick ins Wohnzimmer, um mir zu versichern, dass niemand, außer mir, hier anwesend war.

Meine Eltern waren natürlich arbeiten und ich saß jetzt, nicht mehr so gelangweilt, im Bett und schaute mir irgendwelche Videos an. Ich tippte mit dem kalten Finger auf dem schon warmen Display herum und schaute mir ein paar Fails auf YouTube an. Sie waren ziemlich uninteressant.

Ich war viel mehr auf die Geräusche außerhalb meines Zimmers fokussiert. Der Kühlschrank machte wie immer diese klackernden Geräusche, die einem immer wieder Angst machten. Doch am meisten störten die Wassertropfen die aus dem Wasserhahn tropften und in meinem Kopf hallten. Immer wieder.

Die Tür viel, durch den kalten Wind der durch das offene Fenster im Schlafzimmer meiner Eltern wehte, laut ins schloss und ich zuckte, mit einem überraschten Schrei, zusammen.

Es war hier niemand, es war der Wind.

Man redete sich natürlich alles gruselige ein, also bekam ich, nach einer Weile, Angst. Die ganze Furcht war natürlich meine Schuld, doch ich konnte mich nicht davon abhalten, immer mehr an unheimliche Geschehnisse zu denken. Meine Fantasie, von Mördern oder Einbrechern, die in meine Wohnung eindrangen und alles möglich anstellten, ging vollkommen mit mir durch. Immer wieder musste mein Blick ins Wohnzimmer wandern, um mir sicher zu gehen, dass niemand da war.
Vielleicht ein Geist? Sprach ich mit mir selber.

Ich musste über mich selbst lachen.

Immer schon das starke Mädchen gewesen, und jetzt hast du Angst vor ein paar Geräuschen.

Diesmal machte der Kühlschrank ein lauten und dennoch dumpfen Krach und ich erschrak zum tausendsten mal heute.

Vor lauter Nervenkitzel zog ich mir die rote Decke über den Körper und versuchte mich, so wenig wie möglich, zu bewegen, denn so wäre mir so noch heißer, als es schon war. In der Embryo Stellung und noch immer mit ganzem Körper unter der viel zu warmen Decke wandte ich mich meinem, schon vom Angstschweiß nassem, Handy zu. Das Handy hielt ich außerhalb der Decke, zum ersten, damit es sich nicht überhitzte und zu zweiten, damit ich ein bisschen atmen konnte.

Es ist wirklich lächerlich, was du hier tust, du musst dich ablenken. Erklärte ich mir und starrte nun wie gebannt auf mein Handy, dessen Display mir fast die Augen weg brannte.

Ein eher dicker Mann läuft, mit seinem von Bier durchtränktem Hemd, gerade in einem Glaslabyrinth herum und stößt mit der dicken Nase gegen eines der durchsichtigen Hindernisse. Der Schweiß und die vertrocknete Haut pickte nun auf dem Glas.

Ich musste kurz lachen, es war nicht wirklich lustig, ich lenkte mich nur ab. Ich sollte mich für ein anderes Video entscheiden. Doch zudem kam ich nicht und mein schadenfrohes Grinsen erstarb, als ich genauer hinsah. Der Mann, noch völlig perplex, hält sich mit seiner Hand an die Nase. Die Frau, die die Kamera wackelig hielt, lachte, was so ähnlich wie das Gegacker eines Huhns klang. Die Unruhen aus meinem Handy hallten in dem plötzlich kalten Zimmer. Ich bekam kaum Luft, was erstens, deswegen ist, weil ich unter der Decke lag und zweitens, weil ich vor Panik fast durchdrehte.

Sie bemerken beide nicht die Person die sich ganz hinten in einem der Gläser spiegelte und, wie es scheint, genau in meine Richtung schaute. Es war eine, trotz der Sonne die im Video schien, dunkle und in hohen Maßen eine abscheuliche Gestalt die ein breites Lächeln auf dem Gesicht hatte.

Ich hielt meinen Atem an. Mein Gesicht kam dem Display näher, sodass ich sogar schielte. Die Gestalt hob die Hand, man erkannte nun nur noch eine Silhouette von einem Männlichen Körper, alles war schwarz, außer das breite lächeln.
Der Mann winkte mir zu.

Ich hatte das Gefühl, dass sich die Welt drehte. Mein Herz schlug schneller, ich spürte das Pochen in meinen Schläfen und mein ganzer Körper spannte sich an. Mein Atem ging nur noch mehr stock weise. 

Es kam der nächste Abschnitt. Der plötzliche Abschnitt wechsel im Video irritierte mich. Diesmal eine Frau, die gerade mit einem Seil ins Wasser springen wollte. Ich hielt das Video an. Panisch scrollte ich runter und suchte in den Kommentaren, ob nicht jemand auch diese abschreckende Gestalt sah. Meine Augen überflogen das überschüssige und fanden....
Nichts.

 Ich hatte noch mehr Angst. Richtig Angst. Mein Herz schlug weiterhin wie ein Presslufthammer gegen meine Brust. Mein Atem ging wieder nur stock weise. Ich schloss kurz die Augen und befahl mir mich zu entspannen. Langsam fuhr ich mir durch die roten und schon mit kaltem Schweiß gebadeten Haare.

Doch die Neugierde war zu groß. Schnell und mit zittrigen Fingern drückte ich ein paar Minuten zurück. Ich erblickte wieder den Mann, wie er sich an der Nase hielt. Doch, die Gestalt war nicht da.

Es war nur Einbildung! Wiederholte ich mir wie eine Mantra im Kopf. Ich atmete aus. Als wäre die Angst wie weggeblasen und durch Erleichterung ersetzt worden. Mir war schon richtig heiß unter der Decke und ich bekam immer weniger Luft, also zog ich mir den Lacken vom Kopf und lehnte mich an das hölzerne Gerüst meines Stockbettes.
Entspannt, doch noch immer mit einem kleinen Stückchen Zweifel, schaute ich weiter das Video bis ich ein knacken von Holz im Wohnzimmer hörte.

Der Boden ist aus Holz und es ist ziemlich heiß.

Versicherte ich mir. Konnte aber nicht anders und schaute ins Wohnzimmer. Wiedermal Nichts. Ich spielte das Video ab, obwohl ich es eigentlich wechseln wollte, und schaute mir den Rest an. Es war nichts sonderliches dabei und ich war wieder entspannt. Hin und wieder hörte ich das Tropfen aus dem Wasserhahn. Doch dieses nahm ich kaum war, da das nächste Video von mir schon ausgesucht wurde.

Ich sah eigentlich nur den Kühlschrank, die Hälfte des Wohnzimmers und ein bisschen vom Vorzimmer wenn ich raus schaute. Das reichte mir eigentlich, es war niemand, außer mir, da.

Ich schloss kurz die Augen. Die Müdigkeit war, als ich endlich wieder vollkommen entspannt und beruhigt war, nicht zum aushalten. Meine Augen brannten bei jedem blinzeln und es war schwer sie wieder auf zu machen. Immer wieder hörte ich das regelmäßige tropfen, das mich noch müder machte. Es war gerade mal 16 Uhr und die Sonnen strahlen des Sommers strahlten durch mein geschlossenes Fenster. Ich legte mich hin und genoss die innere Ruhe, bis ich einschlief. Das Handy unter meinem Kopfpolster, falls etwas wäre.

Ich spürte einen ziehende Schmerz an meinem Hinterkopf. Jemand zog an meinen Haaren. Panisch und nach Luft japsend griff ich nach hinten und spürte, dass sie sich am Zipp meines Kissens verfingen. Ich riss, mit zittrigen Fingern, ein bisschen herum und wurde endlich aus der Qual befreit. Das Haar bündel, dass an meinem Zipp hing ließ ich vergessen, als ich sah wie dunkel es schon war. Ein kurzer Blick auf mein Display verriet mir, dass es schon 20 Uhr war. Die Geräusche von Grillen und Autos kamen nur gedämpft von draußen und trotz diesen Unruhen, spürte ich die kalte Atmosphäre in dieser Wohnung. Ich hatte wieder Angst. Ich wusste nicht wieso, es ist so, als würde mich jemand beobachten.

Mia, du bist ein Angsthase!

Langsam glitt ich aus dem Bett und spürte, mit den nackten Füßen, den weichen und angenehmen Teppich. Meine müden Knochen knacksten und ich fühlte, wie kalt es war. Das Handy hatte ich, als würde es mich retten, fest in der Hand umklammert. Ich konnte niemanden anrufen, das wäre für ein siebzehn jähriges Mädchen kindisch. Meine Eltern vertrauten mir. Ich hatte keine Geschwister und wie ich weiß, sollte Mum für zwei Tage in Prag arbeiten. Ich sollte sie nicht anrufen und Dad schon gar nicht. Ich hatte niemanden. Obwohl, ich kannte nur eine Person die mir helfen konnte. Nervös suchte ich in den Kontakten nach meiner besten Freundin und fand es endlich. Jose. Ich rief an. Ein kurzer piep Ton und schon hörte ich ihre beruhigende Stimme.
"Mia? Was los?" fragte sie und ich war automatisch wieder entspannter.
"Nichts, nichts, bin nur alleine in der Wohnung, magst her kommen?"

Fragte ich noch immer ein bisschen nervös und begann zu gehen, ich musste immer etwas machen, wenn ich telefonierte.

Kurze Stille trat auf.
"Ich weiß nicht, ich hab noch Hausübung."
"Komm, bitte, ich kriege Angst."
"Ok. Aber nur kurz."
"Toll, dann sehen wir uns, bye." gab ich von mir und legte ab. Entspannt landete ich im noch kälterem Wohnzimmer. Das Licht der Straßenlaternen schien mir, durch die geschlossenen drei Fenster, ins Gesicht und ließ, die übliche weiße Wand, orange schimmern. Mein Blick wanderte durch den eisigen Raum und suchte nach einer Beschäftigung. Wir waren drei Straßen entfernt, also brauchte Jose nur fünf Minuten.

Ich stand also mitten im Wohnzimmer. Eine Gänsehaut machte sich auf meinen nackten Armen breit und ich rieb sie mir, mit der Hoffnung, es wird wärmer. Ich entschied mich, zum Kühlschrank zu gehen, der plötzlich still war, doch wie versteinert stand ich plötzlich da, als sich zwei in  schwarzem Stoff umhüllte Arme um meine Brust legten. Ich holte tief Luft. Mein Herz blieb kurz stehen. Automatisch schloss ich die Augen, als würde ich gleich aus einem schrecklichen Albtraum aufwachen. Die Arme zogen mich stark an seine Brust. Ich erkannte, durch die Muskeln, die mich umschlungen, dass es ein er war. Er legte sein Gesicht in mein Haar und schnupperte danach. Ich war angeekelt und mir war, trotz seiner schwarzen und zerfetzten Lederjacke, kalt. Ich konnte keinen Ton aus mir bringen. Ich keuchte nur. "Mia." summte er tief und gelassen. Die Stimme war männlich, entspannt und flüsternd. Ich wimmerte und öffnete die Augen. Meine Sicht verschwamm durch kalte Tränen, oder war es der Angstschweiß von meiner Stirn. Ich spürte ein starkes pochen in den Schläfen. Tränen kullerten mir unwillkürlich die Wange runter. Ich konnte mich keinen Zentimeter bewegen. Meine Stimme war brüchig und ich stotterte. "Bi-bitte..." jammerte ich und war beschämt von meiner ängstlichen Reaktion. Seine Arme erdrückten mich fester. Ich schnappte immer wieder weinend nach Luft und spürte dabei, wie meine Rippen schmerzten. Sein Atem ging schwer und hauchte mir kalt in den Nacken. Er lächelte. Ich spürte es. "Mia, gib mir deine Seele." flüsterte er kaum hörbar. Ich weinte. "Nein, Nein bitte n-nicht. Ich will nicht sterben." schluchzte ich. Seine Arme erdrückten mich noch fester und ich hörte ein knacksen in meiner Brust, ich war mir sicher, durch den unglaublichen Schmerz, er hatte etwas gebrochen. Ich schrie kurz zwischen zusammen gepressten Zähnen auf. Mein Rücken, denn ich unwillkürlich bog, knackste nun auch. Mein Atem ging schwerer, ich schnaufte. Mir wurde ganz kalt, eisig kalt. Das Herz pochte so stark, das sogar er es durch seine dicke Jacke spürte. Ich konnte nicht, ich konnte nicht atmen. Meine Augen schlossen sich automatisch wieder. Ich zitterte am ganzen Leibe und wusste er spürte es. "Nein, n-ein, ich b-bitte dich." schluchzte ich weiter doch konnte nicht mehr, weil mir die Luft weg blieb. Er war mit den Lippen nun nah an meinem Ohr. "Shhhhhhh, es wird gut, es wird schön. Mit deiner Seele...." den Rest verstand ich nicht. Ich hörte nur das knacken meines Rückgrats und wie mir langsam Hitze den ganzen Körper hoch stieg. Er lachte leise. Die letzten Tränen kullerten meine Wange hinab.

Ich dachte mir immer, wenn ich sterbe, werde ich an meine Familie denken. Ich lag falsch. Man denkt nur an den Schmerz und die Kälte die von den Füßen hoch kroch und langsam den ganzen Körper überfiel.

Es tat weh. Es tat sehr weh. Ich konnte nicht einmal schreien und schon wurde ich auf den Boden geworfen. Ich konnte nicht mehr Atmen. Ich konnte nicht mehr sehen. Dunkelheit umhüllte nämlich meine Sicht und langsam verließ etwas meinen Körper. Wie ein Schleier zog es weg. Zurück wurde nur eine Tote Hülle gelassen.

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