Ohne Titel Teil 10

„Flynn! Sebastian!"

Ohne sich lange im Erdgeschoß aufzuhalten lief Ava in ihr Zimmer und schnappte sich ihre Reisetasche, die immer noch gepackt auf dem Bett stand. Sie leerte den kompletten Inhalt aus und packte sich neue Sachen hinein. Am liebsten hätte sie die Sachen von London weg geschmissen. Schließlich hafteten an ihnen schlechte Erinnerungen und die wollte sie so schnell wie möglich loswerden. Obwohl, das brauchte sie nicht mehr. Jason hatte zwar Gründe für sein abweisendes Verhalten gehabt, aber er hatte sich dafür entschuldigt. Mehrfach. Und mittlerweile kannte sie die Gründe dafür.

Als erstes stand Flynn an der Zimmertür. Er lehnte sich an den Türrahmen und beobachtete, was sie tat.

„Kannst du mir verraten, was du hier treibst? Es sieht ja fast so aus, als ob du gleich wieder verschwinden würdest!"

Sie schnaubte leicht und packte ihren Laptop in die Tasche.

„Du bist ja ein ganz Schlauer!"

Flynn kam näher und setzte sich auf ihr Bett.

„Wozu? Warum packst du?"

Sie hielt kurz inne.

„Wie sieht es mit deinen medizinischen Fähigkeiten aus, Ire?"

Verblüfft hob er eine Augenbraue. Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet und er wunderte sich offensichtlich über den abrupten Themenwechsel.

„Was? Willst du mich verarschen? Bist du verletzt?"

Sofort sah er sie kritisch an und wollte schon seine Hand ausstrecken, um sie zu untersuchen.

Sie sah ihn ernst an, antwortete aber nicht. Sie wartete auf seine Antwort.

Er holte tief Luft und zeigte mit einem Finger auf seine Stirn.

„Ist noch alles hier drin gespeichert! Als ob das andere nie passiert wäre! Aber warum willst du das gerade jetzt wissen. Du bist nicht verletzt!"

Erleichtert seufzte sie auf und setzte sich im Schneidersitz auf das Bett. Mittlerweile war auch Sebastian ins Zimmer gekommen. Ungefragt setzte auch er sich auf das Bett, nachdem er misstrauisch ihre Tasche betrachtet hatte.

„Das ist gut, Flynn. Ich habe etwas heraus bekommen und brauche dringend deine medizinische Hilfe. Nicht für mich wie du schon richtig erkannt hast, aber es ist wirklich dringend. Du könntest dich natürlich weigern, aber ich hoffe, dass du ihnen hilfst. Medizinische Geräte und Ausrüstungen werden im Moment gerade besorgt und aufgebaut!"

Flynn rieb sich über das Gesicht.

„Du machst mir irgendwie Angst. Verdammte Scheiße! In was hast du dich jetzt wieder hinein manövriert?"

Sie atmete einmal tief durch.

„Ich kann es dir jetzt nicht erklären, aber es hängt viel davon ab, dass du völlig neutral an diese Sache gehst und keinerlei Unterschiede machst! Kannst du helfen?"

Er zuckte mit den Schultern.

„Ich werde es mir anschauen, aber hier und jetzt nichts versprechen."

Sie nickte ihm ernst zu.

„Mehr kann ich nicht von dir verlangen! Außer vielleicht dich an deinen hippokratischen Eid zu erinnern. Gilt der überhaupt noch?"

Den letzten Satz murmelte sie eher zu sich selbst. Dann wandte sie sich an Sebastian.

„Ich möchte außerdem auch, dass du es dir ansiehst. Du wirst es dann genau so verstehen, was hier gerade geschieht, wie ich es tat!"

Das erste Mal konnte sie seine Gedanken hören.

Es ist ihr völliger Ernst! Verdammte Scheiße, sie ist so erwachsen!

„Ja, Sebastian. Es ist mein Ernst, verdammter Mist! Du weißt, über was wir heute Abend gesprochen haben. Ich kenne nun die Tatsachen und ich bin am Boden zerstört!"

Flynn räusperte sich.

"Gut, das haben wir, glaube ich, verstanden. Aber warum packst du deine Sachen?"

Sie stieg vom Bett.

„Weil sie auch irgendwie meine Hilfe brauchen. Und die der Mondjäger. Aber das kann ich nicht alleine entscheiden! Zumindest nicht, was die ganzen Mondjäger angeht. Ich habe mich schon entschieden. Das ist alles, was ihr im Moment zu wissen braucht."

Sie zeigte mit dem Finger auf Flynn.

„Du solltest auch packen. Du wirst wahrscheinlich für längere Zeit nicht mehr hier her kommen."

Er hob seine Hände.

„Ich habe noch nicht zu gesagt!"

Sie lachte bitter.

„Mittlerweile kenne ich dich, Ire. Und ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass du helfen wirst!"

Die beiden Männer stellten keine Fragen mehr. Flynn ging los um zu packen und Sebastian wollte Konrad und Violett informieren. Ava nahm an, dass er sich absichern wollte, falls sie, Ava, Unrecht hatte. Es war sein gutes Recht, aber Ava fand es etwas übertrieben. Naja, sie kannten Jason eben nicht so gut wie sie.

Zwei Stunden später, die Ava wie eine Ewigkeit vorgekommen waren, saßen Flynn und sie in Jasons Wagen, den sie sich ausgeliehen hatte. Natürlich war auch das ein teures Auto. Ein Ferrari, das neuste Modell! Ava hatte nur mit dem Kopf geschüttelt, doch Flynn war vor Begeisterung kaum zu bremsen. Er lief ein paarmal um den Wagen herum. Ava grinste nur, über seine kindliche Freude. Wenn er und Jason nur wüssten, wie viel sie gemeinsam hatten.

„Meine Fresse! Wessen Auto ist das?"

Ava lachte ihn an.

„Deiner! Zumindest für eine bestimmte Zeit. Derjenige, dem der Wagen eigentlich gehört, meinte, du könntest ihn gebrauchen, wenn du tagsüber irgendwelche Besorgungen machen müsstest!"

Jason hatte dies tatsächlich gesagt, gleichzeitig jedoch geknurrt und mit den Zähnen geknirscht. Er meinte auch, dass er Flynn den Schädel einschlagen würde, sollte er nur einen Kratzer entdecken!

Flynn pfiff anerkennend durch die Zähne.

„Du versuchst mich wohl mit allen zu ködern! Hab ich Recht? Und verdammt, du hast es beinahe geschafft. Fahr mich schnell noch zum Bahnhof!"

Ava sah ihn entsetzt an. Wollte er jetzt doch noch einen Rückzieher machen?

Doch Flynn grinste frech.

„Ich habe da etwas deponiert, was ich wahrscheinlich brauchen werde. Eigentlich habe ich gedacht, dass ich es nie wieder benötigen werde, aber jetzt bin ich froh, dass ich nciht meinem ersten Instinkt gefolgt bin und es weg geschmissen habe."

Sie fuhr ihm zum Bahnhof, sah ihm nach, wie er in das Gebäude verschwand und hoffte, dass er wirklich nur etwas holen wollte. Insgeheim hatte sie Zweifel. Aber er kam nach einer Weile mit einem Koffer wieder und setzte sich wieder auf den Beifahrersitz. Ava hob eine Augenbraue. Wegen eines Koffers hatten sie nun diesen Umweg gemacht?

„Jetzt schau nicht so. Es ist mein Arztkoffer. Ich habe ihn hier gekauft und bestücken lassen. Es war eigentlich als meine Belohnung für den Doktortitel gedacht. Ich habe jahrelang für ihn gespart. Als ich gewandelt wurde, habe ich ihn hier eingeschlossen. Erst habe ich so mit mir gehadert, dass ich ihn zerstören wollte. Doch dann überlegte ich es mir anders. Ich wollte ihn nicht weg schmeißen, denn er hatte irgendwie einen ideellen Wert für mich! Den anderen wollte ich ihn aber auch nicht überlassen, denn sie hätten die Geräte für ihre Experimente genutzt. Das wollte ich auf jeden Fall verhindern! Und jetzt fahr los! Ich denke, es wäre dringend?"

Kopfschüttelnd fuhr sie zur Südstadt und hielt an der Kirche. Sebastian wartete schon auf sie. Er lehnte gegen sein Auto und hatte die Arme vor der Brust gekreuzt. Seine Messer hielt er in den Händen. Ava stöhnte auf. Nicht einmal ihr vertraute er jetzt?

Sie parkte neben ihn und holte ihre Tasche. Dann warteten sie auf Flynn, der etwas mehr Gepäck hatte. Ava ging voran zu den Katakomben. Vor dem oberen Eingang hielt sie noch einmal an. Flynn hatteden ganzen Weg leise vor sich hingeflucht. Er kannte die Kirche. Schließlich hatte ihn Dimitri oft hierher geschickt um einen Vampir zu suchen. Erfolglos. Und nun fühlte er sich verarscht.

„Euch wird hier nichts geschehen. Ihr müsst nur in meiner Nähe bleiben und...bitte...behaltet eure Waffen bei euch. Sie trauen euch noch nicht und wenn sie eine Waffe sehen, könnten sie es als Provokation auffassen."

Sebastian zeigte auf ihr Schwert, dass Ava auf ihren Rücken geschnallt hatte.

„Ach und dir vertrauen sie?"

Ava nickte.

„Ja, ich habe ihr Vertrauen! Naja, zumindest traut mir einer und seine Meinung zählt hier einiges."

Sebastian steckte widerwillig seine Messer in den Stiefelschaft. Flynn hatte sein Schwert erst gar nicht mitgenommen.

Ava ging wieder voran, bis sie am unteren Tor angekommen waren. Natürlich standen die Wachen wieder da und beäugten die beiden Männer misstrauisch.

Ava begrüßte sie.

„Manolo! José!"

Die beiden neigten ihren Kopf.

„Willkommen zu Hause, Herrin! Weiß der Fürst, dass ihr Gäste mitgebracht habt?"

Sie nickte.

„Natürlich weiß er es. Sie sind angemeldet und einer der beiden wird wahrscheinlich auch längere Zeit unser Gast bleiben."

Jose zischte etwas unwillig, aber nach einem bösen Blick von Ava, zog er sich zurück. Manolo hingegen neigte wieder seinen Kopf.

„Wie ihr wünscht, Herrin! Ich werde veranlassen, dass es ihm an nichts fehlen wird."

Ava nickte wieder und Manolo ließ sie durch das Tor.

Flynn stieß seinen Atem aus, als sie durch das Tor gingen.

„Vampire! Du hast uns in ein verdammtes Vampirnest geführt, Ava! Bist du noch ganz sauber?"

Sebastian schüttelte grimmig den Kopf.

„Sie hat uns nicht in ein Nest geführt! Sie hat uns in DAS Vampirnest geschleust! Kleines, wie konntest du uns das antun? Sie lassen uns hier nicht mehr lebend heraus!"

Ava schnaubte.

„Haltet einfach eure Klappe und macht, was ich euch gesagt habe! Euch geschieht nichts, wenn ihr bei mir seid!"

Sebastian lachte bitter.

„Das habe ich gesehen! Warum nennen sie dich Herrin? Warst du die ganze Zeit hier? Ist dein Liebhaber etwa ein verdammter Vampir?"

Sie antwortete ihm nicht, sondern ging stur weiter. Die Vampire, die ihnen auf den Fluren begegneten, neigten vor ihr ehrfurchtsvoll den Kopf. Sebastian stöhnte leise, als er diese Gesten erkannte.

„Ich bin mir sicher, dass es nicht ein verdammter Vampir ist, sondern DER Vampir!", konterte dieses Mal Flynn.

Ava blieb stehen und starrte die beiden böse an.

„Könnt ihr endlich mal aufhören? Ja, Sebastian! Es ist DAS Vampirnest! Und ja, Flynn, mein Mann ist DER Vampir! Ihr kennt ihn nicht! Also würdet ihr endlich mit euren scheiß Vorurteilen aufhören?"

Sie war sauer und das merkten die Vampire. Sie zischten die beiden Männer böse an und einer hatte sogar den Mut, sich neben Ava zu stellen.

„Werdet ihr belästigt, Herrin? Soll ich dem Fürst rufen lassen?"

Ava lachte.

„Nein, Maddox, mit den zwei werde ich schon alleine fertig. Sie haben es auch bestimmt nicht böse gemeint. Sie sind nur etwas entsetzt! Das ist alles. Sie müssen sich daran gewöhnen. Und bis dahin verhalten sie sich eben wie zwei Memmen!"

Der Vampir zog sich wieder zurück und Ava führte die beiden in die unteren Etagen.

Vor der Tür des Krankenlagers blieben sie stehen. Ava öffnete die Tür und der Gestank kam wieder in vollen Zügen zu ihnen geweht. Sebastian ging es ähnlich wie ihr. Er stützte sich an der Wand ab und würgte, bis er den Alkohol, den er zu Hause noch getrunken hatte, erbrach. Sofort kam eine Vampirfrau und wischte die Sauerei weg. Als Sebastian sich bedanken wollte, floh sie regelrecht vor ihm. Sebastian blickte hilflos zu Ava.

„Sie wissen, dass du Mentor der Mondjäger bist und deswegen haben sie Angst vor dir. Kannst es ihnen verdenken?"

Sebastian schüttelte nur den Kopf. Er wusste, was er die ganzen Jahre über getan hatte. Nein, er konnte sich denken, was die Vampire über ihn dachten.

Flynns Gesicht versteinerte sich, als er das Ausmaß der Gewalt sah, dass sich vor ihm erstreckte. Er ließ seine Taschen und Koffer fallen und stöhnte leise auf. Dann wischte er sich über das Gesicht.

Bevor er etwas sagen konnte, kam Isabeau auf sie zu und neigte leicht ihren Kopf.

„Es ist alles vorbereitet, Herrin!"

Ava lächelte sie an.

„Ich habe von dir auch nichts anderes erwartet, Isabeau! Das hier ist Flynn O'Connely! Und das hier ist mein Mentor Sebastian!"

Isabeau neigte auch vor den beiden den Kopf. Sie hatte offensichtlich keine Probleme damit, einem Sonnen- und einem Mondjäger gegenüber zu stehen.

„Willkommen. Es ist mir eine Ehre, Doktor. Mein Name ist Isabeau. Scheuen sie sich nicht, mir Befehle zu erteilen. Ich bin zwar nicht perfekt in der Krankenpflege, aber ich lerne gerne dazu!"

Flynn lächelte nun das erste Mal, seit er die Katakomben betreten hatte.

„Dann ist es mir eine Ehre, Isabeau. Du solltest mich Flynn nennen. Auch ich lerne gerne etwas dazu. Und ich bin kein Doktor!"

Sie lächelte ihr gütiges Lächeln.

„Das sehe ich anders, Flynn! Komm, ich zeige dir alles. Mein Fürst hat keine Kosten gescheut und sich sehr beeilt. Der OP-Saal wird gerade hergerichtet, aber ansonsten ist für alles gesorgt! Die technischen Geräte werden noch kalipriert, sind aber auch bald einsatzbereit."

Sie ging voraus und Flynn folgte ihr. Beide redeten mit einander, als ob sie sich schon seit Jahren kennen würden.

Sebastians Magen hatte sich nun etwas beruhigt. Er stellte sich hinter Ava.

„Verdammte Scheiße! Ich habe nicht geahnt, dass es so schlimm ist!"

Sie nickte nur. Ihr ging es genauso.

„Du weißt, was ich davon halte, oder?"

Wieder ein Nicken. Er fluchte leise, um die Kranken nicht zu stören.

„Das ist der Grund? Sprich mit mir! Bitte!"

Sie drehte sich langsam zu ihm herum.

„Ja, das ist der einzigste Grund, warum er alles getan hat. Du kannst nachher noch mit ihm darüber diskutieren. Er will dich sprechen, aber erst wollte er, dass du das hier siehst und seine Beweggründe erkennst! So hat er es auch mit mir gemacht!"

Sebastian nickte.

„Du meinst den Vampirfürst, oder? Kennst du ihn schon lange?"

Sie nickte. Warum sollte sie es jetzt noch leugnen?

Bevor Sebastian noch weitere Fragen stellen konnte, kam Flynn wieder zu ihnen. Er hatte sich umgezogen und sah in der OP-Kleidung wie ein Arzt aus. Nichts erinnerte mehr an den Sonnenjäger, der er eigentlich war. Sogar ein Stethoskop baumelte an seinem Hals. Lächelnd wandte er sich an Isabeau.

„Mit wem fangen wir an?"

Isabeau sah zu Ava.

„Mit Arabella bitte. Ihr geht es immer schlechter!"

Ava ging vor. Das kleine Dämonenmädchen schlief, aber als sie Ava zu ihr ans Bett setzte und ihre Hand nahm, wachte sie auf und sah Ava lächelnd an.

„Hallo, meine Kleine. Da bin ich wieder und ich habe dir einen Freund mitgebracht! Er ist ein Arzt und möchte dir gerne helfen!"

Arabella nickte schwach.

„Verdammt! Ein Kind!", hörte Ava Sebastian flüstern.

Flynn setzte ein Lächeln auf und setzte sich ebenfalls an Arabellas Bett.

„Hey, Arabella! Mein Name ist Flynn. Ich möchte dich gerne untersuchen! Es könnte aber wehtun. Wenn es zu doll schmerzt, musst du es mir sofort sagen!"

Arabella sah ich mit großen Augen an.

„Ich kenne dich! Du hast den Mann gehauen, als er mich mit der Nadel pikste!"

Flynn grinste.

„Ja, das habe ich! Es tut mir leid, dass ich dir damals nicht helfen konnte, aber jetzt mache ich es! Ich will dir helfen!"

Arabella lächelte ihn an.

„Ich glaube dir!"

Sie schloss die Augen und Flynn begann mit der Untersuchung.

Ava sah ihm an, dass er wirklich nichts verlernt hatte. Er bat sie, Arabellas Hand zu halten, bis er fertig wäre. Gründlich tastete er Arabella ab, hörte ihr Herz ab und bewegte ihre Beine.

„Isabeau!"

Sie kam näher zu ihm.

„Doktor?"

Er verdrehte kurz die Augen, grinste sie dann aber an.

„Ich muss sie operieren. Da führt kein Weg daran vorbei! Danach wird es ihr besser gehen. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, wo der Splitter steckt. Ich weiß, dass die Laborleute den Unterweltbewohnern geweihte Gegenstände eingepflanzt haben, aber durch die schnelle Wundheilung kann ich nur Vermutungen anstellen. Würdest du sie bitte röntgen? Wirbelsäule und Kopf. Da sie ihre Beine nicht mehr bewegen kann, vermute ich den Gegenstand dort. Ich sehe mir die Bilder später an. Ich will mir erst einen Überblick verschaffen, bevor ich operiere. Außerdem muss ich schauen, ob noch jemand dringender operiert werden muss. Die dringendsten Fälle operiere ich, sobald ich die Untersuchungen abgeschlossen habe. Allerdings brauche ich dabei noch mehr Hilfe. Kannst du noch einige Leute besorgen, die sich nicht scheuen mit mir im OP zu stehen und auch Anweisungen zu befolgen? Ich brauche mindestens fünf Leute für den OP und genauso viele für die Nachbetreuung."

Isabeau nickte und holte eine fahrbare Trage.

Flynn beugte sich zu Arabella.

„Keine Sorge meine Kleine! Spätestens morgen werde ich dich operieren und dann wird es dir bald besser gehen!"

Er kniff sie leicht in die Wange, zog seine Gummihandschuhe aus und ging zu seinem nächsten Patienten, ohne noch einmal auf Ava zu schauen.

„Herrin? Der Fürst lässt nachfragen, ob der Mentor Sebastian nun bereit zum Gespräch sei!"

Ava sah kurz zu Sebastian, der ihr zu nickte.

„Danke, Gwendolyn. Er ist soweit. Ist Jason im Besprechungsraum?"

Die junge Vampirfrau schüttelte den Kopf.

„Nein, er erwartet euch und den Mondjäger in der Suite. Er wollte es so privat wie möglich halten. Soll ich euch begleiten?"

Ava hob eine Augenbraue.

„Danke, Gwendolyn, aber ich denke, ich finde unsere Wohnung schon alleine!"

Das Mädchen neigte den Kopf und entfernte sich.

Sebastian neigte sich leicht zu ihr.

„Eure Wohnung? Ich denke, du musst mir einiges erklären!"

Sie verzog kurz das Gesicht.

„Das denke ich auch! Aber jetzt gibt es wirklich wichtigeres als mein Liebesleben!"

Sie wollte Flynn Bescheid sagen, dass sie nun gehen würden, aber er war voll in seiner Arbeit gefangen, so dass er ihr kaum zuhörte, sondern nur zerstreut nickte. Sie hatte sogar das Gefühl, dass ihre Anwesenheit ihn stören würde.

Ava ging mit Sebastian heraus. Wieder begegneten sie Vampire, die Ava ehrfurchtsvoll grüßten, Sebastian allerdings misstrauisch beäugten. Sie hörte, wie er tief Luft holte. Aber er sagte nichts mehr zu diesem Thema!

Vor der Tür der Suite hielt sie an.

„Bitte, Sebastian. Er will wirklich nur reden! Flipp jetzt nicht aus oder so! Ich habe ihm dasselbe Versprechen abgenommen!"

Sebastian schnaubte kurz.

„Ich bin die Ruhe selbst! Was denkst du von mir? Ich werde mir anhören, was er zu sagen hat, dann werde ich entscheiden. Einverstanden?"

Sie nickte und war erleichtert über seine Antwort.

Ohne anzuklopfen ging sie hinein. Sebastian folgte ihr in das Büro.

Jason stand am Tisch und sah...furchterregend aus!

Sein Shirt spannte sich über seinen kräftigen Oberkörper. Die Ärmel hatte er hochgekrempelt und man sah seine starken Unterarme, die noch betont wurden, weil er sie vor der Brust gekreuzt hatte. Sein Blick war ernst, das Kinn hatte er vorgestreckt, was ihm ein arrogantes Aussehen verlieh. Es zeigte sich nicht eine Andeutung von Freundlichkeit in seinem Gesicht!

Muss das sein, Liebster? Komm doch bitte von deinem hohen Ross herunter. Er hat es gesehen und ist erschüttert! Er will nur mit dir reden!

Jasons Blick war die ganze Zeit auf Sebastian gerichtet gewesen, der sichtlich beeindruckt war. Ava konnte ihn verstehen. Jason sah nun mal nicht wie ein Vampir aus, sondern eher wie ein Mondjäger! Sebastian hatte so einen Vampir offenbar noch nie gesehen.

Doch nun sah Jason zu Ava und lächelte. Sein ganzes Gesicht veränderte sich nun. Er sah fast freundlich aus.

Er behielt sein Lächeln und kam mit ausgestreckter Hand auf Sebastian zu.

„Guten Abend, Sebastian! Mein Name ist Jason. Ich denke, du hast schon einiges von mir gehört!"

Sebastian ergriff seine Hand.

„Ja und ich danke dir, dass du meiner Schwester Violett und meinem Bruder Konrad geholfen hast! Obwohl Konrad natürlich behauptet, er hätte keine Hilfe nötig gehabt."

Jason zuckte mit einer Schulter.

„Ich konnte sie nicht sich selbst überlassen! Aber das wird in Zukunft nicht mehr vorkommen. Die Werwölfe haben sich verpflichtet, Frieden mit euch zu halten, wenn sie im Gegenzug nicht von euch bedroht werden! Bitte setz dich!"

Er zeigte auf einen der Stühle. Sebastian setzte sich und Ava nahm gegenüber von ihm Platz. Jason setzte sich neben sie und ergriff unter dem Tisch ihre Hand.

Als ob sie auf ein Zeichen gewartet hatte, kam Gwendolyn herein und stellte ein Tablett auf den Tisch, bevor sie sich wieder entfernte. Auf dem Tablett standen eine Flasche Whiskey und Zigarren, die Jason immer bevorzugte.

Jason wartete, bis Gwendolyn das Büro verließ und schenkte drei Gläser ein.

Er reichte Sebastian ein Glas und zeigte auf die Zigarren.

„Hier! Bediene dich! Genieße die Gastfreundschaft der Vampire, auch wenn ihr sie nicht erwidern könnt!"

JASON!

Er setzte sich, als ob er sie nicht verstanden hätte, drückte aber ihre Hand.

Sebastian leerte das Glas in einem Zug und schenkte sich nochmal ein.

„Gut!", begann er dann. „Ich habe deinen Grund gesehen. Schon alleine das würde mir alleine genügen. Aber ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich den anderen erklären soll, warum du die anderen Fraktionen mit ins Boot nimmst!"

Jason nahm eine Zigarre und zündete sie sich an. Dann lehnte er sich zurück.

Er erzählte Sebastian erst noch einmal die Geschichte, wie er die ganzen Leute gefunden hatte und wie die Vampire zu ihm gekommen waren. Nur den Teil, wie er Ava vermisste und deswegen ziellos durch die Gegend lief, ließ er aus.

„Das Problem, dass ich habe, ist einfach erklärt. Du bist einigen von meinem Clan begegnet. Ist dir dabei etwas aufgefallen?"

Sebastian nickte.

„Es waren fast nur Frauen!"

Jason schnalzte mit der Zunge.

„Genau! Die Sonnenscheißer haben schwer gewütet, als du nicht da warst. Ich habe nicht genug Krieger, um gegen sie anzukommen, auch wenn dir bestimmt erzählt wurde, dass ich meine eigene Armee aufgestellt hätte. Aber ich will dem allen Einhalt gebieten. Notfalls eben mit Gewalt! Man muss sie aufhalten, sonst machen sie weiter wie bisher! Und all das im Namen ihres ach so tollen Gottes. Ich nehme mal an, dass Helios nicht die leiseste Ahnung hat, was hier wirklich vor sich geht! Wie sagt Ava immer? Die Quote muss stimmen. Etwas anderes wird Helios nicht interessieren!"

Sebastian beugte sich nach vorne und legte seine Unterarme auf den Tisch.

„Wie kommst du darauf?"

Jason streichelte mit dem Daumen Avas Handrücken und paffte an seiner Zigarre.

„Du weißt, was in London geschehen ist?"

Sebastian nickte.

„Seit heute Abend weiß ich es!"

Jason lachte freudlos.

„Und wie lange sind Flynn und Ava schon wieder hier in der Stadt?"

Sebastian legte seine Stirn in Falten.

„Etwa eine Woche! Ich weiß nicht, worauf du hinaus willst?"

„Hat dir einer der beiden erzählt, dass Luna und Helios anwesend waren? Dass sie gehört haben, was der Dämon erzählt hatte?"

Sebastian schüttelte den Kopf.

„Und was hat Helios seit her unternommen?"

Sebastian fluchte laut.

„Verdammter Mist! Einen Scheiß hat er getan!"

Jason paffte wieder einen Zug.

„Genau! Wie du sicher mit bekommen hast, wollte ich vor zwei Tage Verhandlungen mit den Dämonen führen. Ich habe wohl die Falschen angesprochen. Nicht gerade helle diese Typen! Bevor sie die Verhandlungen abgebrochen haben, indem mich alle mit irgendeiner Waffe bedrohten, erzählten sie mir, dass alle beide, Flynn und Ava, immer noch gesucht wurden. Dimitri hat das Lösegeld nicht zurückgezogen. Also hat Helios ihn deswegen auch nicht gesprochen! Auch ich stehe mittlerweile auf den Steckbriefen. Mich können sie aber nicht finden, weil ich hier unter der Kirche hause. UNd niemand vermutet hier den Vampirfürsten, wie sie mich so schön nennen. Hier vermutet auch niemand Vampire. Aber sie beobachten deine Villa. Bisher hat sich aber keiner getraut, Flynn anzugreifen, weil sie Schiss vor dir, Konrad und Violett haben."

Sebastian schloss einen Moment die Augen, um zu überlegen. Es dauerte eine ganze Weile, bis er sich äußerte.

„Kannst du mir ein paar Tage Zeit geben?"

Jason runzelte die Stirn.

„Wozu?"

Sebastian nahm noch einen Schluck Whiskey. Dann drehte er gedankenverloren das Glas in seiner Hand.

„Mit den Informationen, die ich habe, werde ich Violett und Konrad leicht überreden können. Violett ist dir sowieso dankbar wegen ihrer Rettung. Ich will es aber vorher noch einmal auf diplomatischen Weg versuchen und vor allem mit Luna darüber reden. Und nicht nur mit ihr, sondern auch mit allen Mondjägern. Weltweit! Sie müssen ebenfalls darüber informiert werden. Außerdem will ich wissen, ob sie auch so etwas bei den Sonnenjägern in ihrer Stadt erlebt haben. Verstehe mich nicht falsch, aber ich bin nicht scharf auf eine Schlacht. Und die wird es geben, wenn wir vorher nicht wenigstens versuchen mit den Gottheiten zu reden. Das ist aber notwendig, denn ohne wenigstens einen Rückhalt sieht es verdammt schlecht aus. Ich versichere dir, dass ich an eurer Seite kämpfen werde, wenn es soweit kommen sollte. Aber ich möchte das vermeiden! Nur ein paar Tage, Jason! Wenn sich nichts ändert, bin ich da. Und die Mondjäger, die meiner Meinung sind, ebenfalls. Vorher sollten wir Helios und Luna aber noch eine Chance geben!"

Jason nickte.

„Ich verstehe deine Bedenken, aber ich bin der Überzeugung, dass sich nichts ändern wird. Trotzdem werde ich dir Zeit geben. Bis zwei Tage vor dem nächsten Vollmond. Reicht dir das aus?"

Sebastian atmete erleichtert aus.

„Das ist mehr als genug!"

Jason wollte aufstehen, aber Sebastian hinderte ihn mit einer Handbewegung daran.

„Es ist noch nicht alles geklärt!"

Jason sah erst Ava an, dann runzelte er die Stirn.

„Was denn noch? Ich denke, es ist alles geklärt!"

Sebastians Gesicht verdunkelte sich.

„Was ist das zwischen dir und Ava? Und wie lange läuft das schon?"

Ava holte tief Atem.

„Du weißt es doch schon. Warum musst du auf Antworten beharren?"

Sebastian fluchte laut.

„Natürlich weiß ich etwas. Aber eben nicht alles! Ich habe gehört, wie sie dich da draußen nannten. Herrin! Ich bin nicht bescheuert, Ava! Schon seit Tagen wird überall von der Braut des dunklen Fürsten gesprochen, doch ich wäre nie darauf gekommen, dass es unser Küken ist! Weißt du, was man über dich sagt? Das du eine verheerende Wirkung auf ihn hättest. Seit der Fürst seine Braut hätte, wäre seine Macht unermesslich gewachsen. Du bist in Gefahr! Im Moment weiß noch niemand, wer die Braut ist, aber sie werden dich jagen, sobald sie erfahren, wer die Braut ist, nur um ihn zu schwächen. Also, wie lange geht das schon zwischen euch zwei und wie weit geht es?"

Da Sebastian sich seinen Teil zusammen gereimt hatte, war es Jason nun egal, was er sah. Er legte Ava seinen Arm um die Schultern und zog sie eng an sich.

„Ja, sie ist meine Braut! Im übertragenen Sinne. Wir Vampire drücken uns da etwas blumig aus. Wir haben uns vor über zwei Jahren getroffen und sind Freunde geworden. Erst als Luna sie nach England schicken wollte, habe ich bemerkt, dass ich weitaus mehr Gefühle für sie entwickelt habe, als gut für uns war. Das verstärkte sich als Ava in England war. Aber du kannst dir sicher sein, dass ich sie beschützen werde. Egal, wer da kommt!"

Ava lehnte ihren Kopf an seine Schulter.

„Ich liebe ihn, Sebastian!"

Jason drückte ihr einen Kuss auf das Haar.

Geliebte!

„Seid ihr wahnsinnig?"

Sebastian sprang auf und lief unruhig im Raum hin und her. Dann setzte er sich wieder und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. Er holte tief Luft und setzte sich kerzengerade hin.

„Ich will euch eine Geschichte erzählen, dann versteht ihr, was ich meine. Eine Geschichte von einem jungen Mondjäger. Er war seit einigen Jahren ausgebildet, als er eine junge Frau traf. Eine Dämonin! Entgegen seiner Absicht, freundete er sich mit ihr an, verbrachte fast jede freie Minute mit ihr, die er erübrigen konnte. Auch sie genoss seine Gesellschaft. Aus Freundschaft wurde schnell Liebe. Sie war seine Gefährtin, dass wusste er. Doch dann erfuhr Luna von dieser Geschichte. Sie nahm den jungen Mann beiseite, versprach ihm, dass sie ihm helfen würde. Sie hätte die Dämonin schon länger im Auge und erzählte weiterhin, dass sie Pläne mit dieser Dämonin hatte. Luna kannte offenbar Geheimnisse der Dämonin! So kam es dem jungen Mondjäger zumindest vor. Luna riet ihm, sich nichts anmerken zu lassen, da die Dämonin sonst ungeduldig werden würde. Sie sei aber noch nicht bereit für alles! Kommt dir das irgendwie bekannt vor, Ava?"

Sie konnte nur nicken. Genau dasselbe hatte Luna zu ihr in Bezug auf Jason gesagt. War es nicht Luna, die Ava Jasons alten Namen verriet? Hatte sie Ava nicht Sachen aus Jasons Vergangenheit erzählt, von der Jason nichts mehr wissen wollte?

Jason schaute sie fragend an.

Sie hat dich wirklich in dem Glauben gelassen, dass sie all meine Geheimnisse kennt?

Ava nickte nur. Sie konnte darauf nichts erwidern. Ihr Gefühl hatte sie also wirklich nicht getrübt. Luna hatte sie verarscht, nur um ihren Willen zu bekommen.

Sebastian fuhr mit seiner Geschichte vor.

„Es dauerte nicht lange und der junge Mann konnte mit seinen Gefühlen nicht mehr hinter dem Berg halten. Er fordert Luna auf, ihm endlich zu erlauben mit seiner Gefährtin zusammen zu kommen. Er wollte nicht mehr ohne sie sein! Es ging schon zu weit mit seiner Gefährtin."

Nun stand Sebastian auf und ging zum Kamin. Er starrte ins Feuer und stützte einen Arm auf dem Kaminsims ab.

„Luna ist unerbittlich, wenn es um ihre Kinder geht. Sie haben ihr zu gehorchen und sich nicht mit den Wesen der Unterwelt einzulassen. Es scheint zwar im ersten Moment so, als ob sie liberal sei, aber es ist eben nur Schein. Wir haben ihr absoluten Gehorsam zu leisten! Zu spät erkannte der Mann seinen Fehler! Die Dämonin starb in seinen Armen. Gerichtet von Luna. Sie hatte beide in einen Hinterhalt gelockt und die Dämonin vor den Augen des Jägers getötet. Einfach so, ohne ihnen nur die Gelegenheit zu geben, es sich anders zu überlegen. So wollte sie ihm ihre Macht vor Augen führen, damit er nicht noch einmal so einen Mist machte."

Ava schluckte.

„Sebastian!"

Er schien sie nicht zu hören, sondern erzählte weiter. Jason nahm sie auf seinen Schoß und hielt sie fest. Ava zitterte.

„Nachdem sie Luise umgebracht hatte, schickte sie mich weg. Ich musste jahrzehntelang in Asien ausharren. Sie machte aus mir einen Mentor, als ob ich so meine Frau hätte vergessen können. Ich war gebrochen. Wenn sie mir Aufträge erteilte, führte ich sie nur mit Widerwillen aus. Ich stellte alles in Frage, was sie von mir verlangte. Einmal versuchte ich sogar, mich um zu bringen. Ein japanischer Mondjäger hat mich in letzter Sekunde aus der Sonne gezogen. Zwar hat er mir das Leben gerettet, aber gleichzeitig mir die Hölle auf Erden beschert. Irgendwann hatte Luna wohl die Faxen dicke. Sie holte mich wieder hier her. Sie fand wohl, dass es Zeit war zu handeln. Eines Nachts fand ich eine junge Frau im Park, die im Sterben lag. Sie wurde überfallen und nieder gestochen. Luna befahl mir, sie zu wandeln. Das Mädchen war störrischer als ein Maulesel, konnte ihre Klappe nicht halten, aber sie konnte kämpfen, wie kein anderer Mondjäger vor ihr! Luna hatte Großes mit ihr vor. Vor allem sollte sie meine Gefährtin werden. Sie dachte wohl, dass dieses Mädchen mich beeindrucken würde. Ich konnte aber nichts anderes als brüderliche Gefühle für sie entwickeln. Ich mag sie wirklich, aber meine Gefährtin? Nein...das wird sie nie werden! Jetzt sowieso nicht mehr, da sie ja ihren wahren Gefährten gefunden hat!"

Ava riss die Augen auf.

„Ich sollte deine Gefährtin werden?"

Sebastian drehte sich zu ihr. Er lächelte, aber es erreichte seine Augen nicht. Die ganzen Erinnerungen hatten ihn regelrecht gefangen genommen. Nun verstand Ava die Traurigkeit, die ihn ab und zu überfiel.

„Lustig, nicht? Wenn du wenigstens Ähnlichkeit mit Luise hättest, aber du bist das krasse Gegenteil von ihr. Du bist klein, während sie fast so groß war, wie ich selbst. Du hast weißblondes Haar und braune Augen. Luise hatte schwarzes Haar und hellblaue Augen. Doch der Gottheit war das egal. Luna tat alles, damit wir zusammen kommen. Sie teilte uns gemeinsam für Aufträge ein, sie wollte sogar, dass Konrad und Violett in ein anderes Haus ziehen sollte, damit wir alleine wären. Sie gab mir Versprechungen, sie drohte mir, aber ich sah nie mehr in dir, als meine kleine Schwester. Unser Küken! Ich kann mich nicht auf Befehl in eine Frau verlieben. Irgendwann gab Luna mich auf und konzentrierte sich auf dich. Ich wunderte mich, als Luna dich nach England schickte. Doch jetzt wird mir einiges klar. Sie schickte dich fort, um dich von ihm fern zu halten. Offenbar hast du etwas gegen England, sonst wärst du ihr doch gefolgt! Und genau das war Luna klar. Sie muss sich tatsächlich mit dir und deiner Vergangenheit beschäftigt haben. Das war bei mir damals nicht nötig gewesen. Du bist ihr ein Dorn im Auge, weil du zu mächtig wirst. Außerdem wollte Luna dich mit Kenneth verkuppeln."

Er zeigte mit dem Kinn auf Jason, als Ava ihn fragend ansah. Sie verstand nicht ganz, was Kenneth mit allem zu tun hatte. Sebastian klärte sie sofort auf.

„Kenneth hat seine Gefährtin durch einen Vampir verloren. Wahrscheinlich dachte Luna, es wäre eine gute Idee, dich mit ihm zusammen zu bringen und deinen Hass auf Vampire neu zu schüren. Hat ja auch nicht funktioniert. Kenneth mochte dich zwar, aber er ist noch zu stark in seiner Trauer gefangen, um überhaupt an eine andere Gefährtin zu denken. Was denkst du, warum sie Flynn nach England geschickt hat? Jeder andere Ort wäre besser gewesen statt London. Flynn ist noch nicht lange Sonnenjäger und hat in London studiert. Er hätte jederzeit erkannt werden können. Er hat zwar keine Familie mehr, aber immerhin leben in London noch seine Kommilitonen. Und er war bekannt durch seine Forschungsergebnisse. Warum also, schickt sie gerade Flynn nach London? Er ist aber in dich verliebt und er hat sich mit Dimitri angelegt. Er hätte alles in Kauf genommen, nur um dir nahe zu sein. Schließlich wusste er nichts von Jason. Doch Luna wusste das. Es wäre ein leichtes für Luna, ihn zu einem Mondjäger zu machen. Sie ist so verzweifelt darauf bedacht, dass sich die Mondjäger nicht mit Unterweltbewohner einlassen, dass sie sogar einen Sonnenjäger wandeln wollte. Und was machst du? Du durchkreuzt alle ihre Pläne und verliebst dich in den oberen Fürst der Vampire. Und als ob das nicht alles wäre, liebt er dich genauso. Ich sehe es euch beiden an."

Wieder drehte er sich zum Feuer.

„Sie wird es erfahren!", entfuhr es ihm leise. „Sie wird es erfahren und wird dann alles daran setzen, euch zu vernichten. Wenn sie es nicht schon längst in Arbeit hat."

Jason sah Ava lange an. Dann fuhr er sich durch die Haare.

„Warum hat sie nicht schon längst eingegriffen? Ava ist seit einer Woche bei mir, doch es geschah nichts. Wir waren nicht gerade diskret. Scheiße, wenn ich nur daran denke, wie ich sie auf dem Friedhof geküsst habe, dreht sich mir der Magen um. Ich habe Ava in Gefahr gebracht!"

Sebastian lächelte, sah Jason aber nicht an.

„Du hast deinen Sitz gut gewählt, auch wenn es bestimmt nicht deine Absicht war. Diese Katakomben sind ein Teil der Kirche. Die Kirche untersteht einer anderen Gottheit. Luna kann nicht sehen, was hier vorgeht! Dasselbe gilt natürlich auch für den Friedhof. Aber sie wird ahnen, wo Ava ist."

Langsam drehte er sich um.

„Genießt die Zeit, die ihr noch gemeinsam habt! Sie wird es erfahren! Irgendwann! Und dann seid ihr beide verloren!"


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