Kapitel 6
Nebel waberte über das Feld, dass für die Schlacht ausgesucht worden war. Es lag außerhalb der Stadt und es verirrten sich an diesem Abend kaum Menschen hier her. Die Dämmerung ging gerade in die Dunkelheit über und der Vollmond kam zwischen den Bäumen hervor. Wenigstens hatte Luna den Mut, sich das Schlamassel an zu sehen, dass sie angerichtet hatte.
Die Umgebung war in einem Zweilicht getaucht, das jedem, der es nicht kannte, einen Schauer über den Rücken jagen ließ. Alles wirkte so mystisch...so unglaublich schön und schrecklich zugleich.
Konrad rümpfte die Nase.
„Und da sag nochmal jemand, wir wären kitschig! Die Sonnenscheißer haben den Vogel definitiv abgeschossen mit dem Szenario hier!"
Kenneth lachte trocken.
„Als ob je jemand behaupten würde, du seist kitschig!"
Die Mondjäger standen geschlossen in einer Reihe mit den Vampiren. Jeder von ihnen hatte eine Waffe in der Hand. Selbst die rangniedrigsten Vampire hatten es sich nicht nehmen lassen, für ihre Freiheit zu kämpfen.
Ava stand mit Jason genau in der Mitte, zwischen den Mondjägern und Vampiren.
Hinter ihnen hatten sich die Werwölfe und einige Hexen aufgebaut. Die Sirenen hielten sich im Hintergrund. Wie sie gesagt hatten, blieben sie neutral, aber das hinderte sie nicht daran, der Schlacht zu zuschauen!
Ava war innerlich angespannt, obwohl man es ihr nicht ansah. Jason hielt ihre Hand. Seine Augen leuchteten grün. Das war eine neue Veränderung, die sich erst heute im Laufe des Tages entwickelt hatte. Er hatte ihr nicht gesagt, warum sie gerade grün wurden und was sie bewirkten, doch er hatte mehrmals gegrinst, als er in die Ferne geschaut hatte. Die Veränderung schien ihm also zu gefallen.
Ava hatte seine blauen Augen geliebt, aber dieses Grün war...sehr sexy! Im Moment sah er sowieso wieder ganz anders aus. Er hatte sich komplett in schwarzes Leder gekleidet. Dieses verhinderte aber nicht, dass man seinen muskulösen Körper erkennen konnte. Er stand stolz da, hob arrogant sein Kinn und blickte in die Ferne. Im Moment nahm man ihm den Fürstentitel gut ab.
Obwohl die ganze Situation alles andere als erregend war, konnte Ava kaum an sich halten. Sie schmiegte sich eng an ihn, stand auf die Zehenspitzen und küsste sein Kinn, während ihre Hand langsam über seinen Bauch strich.
Das ist jetzt nicht dein Ernst, Geliebte!
Sie grinste ihn an, doch er schüttelte nur den Kopf und sah wieder nach vorne. Seufzend nahm sie ihr Schwert in die Hand.
Dann eben nicht!
Nun musste er auch grinsen.
Unersättlich! Ich sag es doch!
„Würdet ihr Zwei Mal aufhören?", knurrte Sebastian.
„Neidisch?" lachte Ava.
Konrad und Violett lachten mit ihr und auch die anderen grinsten vor sich hin. Es hätte ja eigentlich nun enden können, aber Stanislav, der mittlerweile seine steife Haltung gegenüber Ava aufgegeben hatte, setzte noch eines drauf.
„Ihr zwei könntet es ja mitten auf dem Feld treiben! Dann hätten die Sonnenscheißer wenigstens einen Grund, um schockiert zu sein! Vielleicht wären sie dann auch so schockiert, dass sie diese verdamme Schlacht absagen!"
Er grinste und man hörte immer wieder Gelächter, dieses Mal von den Vampiren.
Die Werwölfe schauten etwas pikiert.
„Oh Mann...wir stehen kurz vor einer Schlacht und ihr macht hier Witze? Könnt ihr auch ernst sein oder läuft es immer so bei euch?"
Sie blieben den Werwölfen eine Antwort schuldig, denn in dem Moment tauchte eine ganze Armee von Dämonen und Sonnenjäger auf der anderen Seite des Feldes auf. Kaum sah Ava ihre Gesichter, knurrte Ava der Magen. Ihre Eckzähne wuchsen wie auf Kommando. Ihre Fingernägel wuchsen zu richtigen Klauen heran. Das hatte sie noch nie erlebt. Entsetzt schaute sie auf ihre Finger.
„Ruhig, Liebes, das ist normal. Du bekommst Hunger und die Waffen, die du dazu brauchst wachsen nun mal. Bald kannst du dich satt essen!"
Sie lächelte unsicher und hielt sich ihren Bauch, der immer stärker knurrte. Der Hunger machte sie fast wahnsinnig! Himmel, wie hatte Jason das fast ein Jahrtausend aushalten können?
„Ich kann gut nachfühlen, was die Fürstin angeht! Mein Magen rebelliert auch schon!", meinte Stanislav.
Alle blieben ruhig, bis sich die Sonnenjäger und Dämonen sich aufgestellt hatten. Auch danach hörte man keinen Mucks.
Nach einer Weile trat ein Sonnenjäger hervor. Er war groß und schlank. Seine schlohweißen Haare hingen ihn fast bis zur Hüfte, doch er war nicht alt. Ava hätte sogar schwören können, dass er jünger als sie selbst gewesen war, als er gewandelt wurde.
„Wer ist das?", fragte sie vorsichtig. Sie hatte das Zischen der Vampire gehört, als der Mann vorgetreten war.
„Dimitri!", knurrte Sebastian.
Dimitri schritt mit ausladenden Schritten auf die Mitte des Feldes zu. Er sah hochmütig die Reihen ab und grinste verächtlich.
„Mondjäger, Vampire, Werwölfe und Hexen! Ihr habt ein Angebot erhalten, dass eure Leben retten wird. Liefert uns den Fürst und seine Braut aus und wir können alle nach Hause gehen!"
Eine der Nymphen kam aus dem Hintergrund.
„Was habt ihr mit ihnen vor?"
Ava erkannte die Nymphe, die noch vor ein paar Tagen bei ihnen gewesen war. Offenbar war sie genesen.
Dimitri sah sie abschätzig an.
„Das geht dich nichts an, Mädchen!"
Die Nymphe hob ihr Kinn.
„Ich bin Anippe, Geliebte des Poseidons und Anführerin der hiesigen Sippe! Du wirst mich entsprechend meines Titels behandeln! Ich frage dich noch einmal. Was habt ihr mit ihnen vor?"
Dimitris Augen wurden schmal.
„Na gut, Hure des Meeresgottes! Sie werden unsere Gastfreundschaft genießen! Etwas anderes hat dich nicht zu interessieren!"
Die Nymphen keuchten entsetzt auf, doch Anippe blieb, trotz der Kränkung gelassen. Sie hob eine Hand und ihre Gefährtinnen wurden sofort ruhig.
„Eure sogenannte Gastfreundschaft habe ich schon genießen dürfen. In dem Fall kann ich nicht mehr meine Neutralität aufrechterhalten!"
Sie nickte ihren Gefährtinnen zu und sie gingen entschlossen auf die Seite der Vampire.
Dimitri starrte sie einen Moment entsetzt an, denn die Menge der Nymphen war erstaunlich. Doch dann hob er wieder arrogant sein Kinn.
„Liefert uns den Fürst aus!", forderte er erneut.
Nun trat Stanislav hervor.
„Vergiss es!"
Auch Kenneth stellte sich neben Stanislav.
„Fick dich ins Knie, Dimitri!"
Dieser lächelte böse.
„Nymphen, Vampire und Mondjäger haben sich also für den Kampf entschieden. Was sagen die Werwölfe und Hexen dazu? Bedenkt, es ist eure letzte Chance, die wir euch gewähren!"
„Leck uns doch!", kam es von Seiten der Werwölfe und Hexen.
Dimitri schaute zum Mond hinauf.
„Gut! Ihr habt euch entschieden. Hiermit verurteile ich alle im Namen von Luna zum Tode durch unsere Hand! Besonders die Mondjäger, die nicht einmal davor zurückschrecken, ihre eigene Göttin zu verraten!"
Die Mondjäger knurrten böse.
„Hat sie dir den Verstand heraus gevögelt? Seit wann darfst du über uns richten? Fick dich doch selbst, Dimitri!"
Konrad schrie über das ganze Feld seinen Frust hinaus.
Dimitri verzog nur angewidert das Gesicht. Ava hätte ihm am liebsten in seine arrogante Fresse geschlagen. Sie konnte nicht verstehen, wie die Sonnenjäger ihn zum Anführer haben wählen können.
Der Arsch gehört mir!
Jason drückte ihr fest die Hand.
Wenn es geht, Liebes, halte dich von ihm fern. Ich traue ihm nicht!
Ava zischte böse in Richtung der Sonnenjäger. Ihre Anspannung wuchs und mit ihr auch ihre Vampirkräfte. Konrad, der nur ein paar Meter neben ihr stand zog anerkennend seinen Atem ein.
„Meine Fresse, Küken! Du siehst wie ein Vampir aus!"
Sie lächelte böse und schloss ihre Hand um das Heft ihres Schwertes, so dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Sie benötigte es eigentlich nicht, aber sie wollte irgendetwas bei sich haben, dass sie an die Mondjäger erinnerte.
Sie standen sich lange gegenüber. Die Dämonen brüllten, doch auf der anderen Seite wurde es immer ruhiger. Jeder hatte seine Waffe in der Hand und wartete den Angriff ab.
Dann brach die Hölle los.
Wie erwartet erfolgte der Angriff von den Sonnenjägern und den Dämonen.
Ava rannte los und erwischte gleich einen Sonnenjäger, der eine Axt in sie rammen wollte. Mit einer Hand riss sie ihm die Kehle heraus und verbiss sich in den Rest des Halses. Sofort spürte sie noch mehr Macht in sich aufsteigen. Mit irrem Blick suchte sie nach einem weiteren Opfer. Ein Dämon kam gerade auf sie zu gerannt, doch schon einige Sekunden später hatte er seinen Kopf verloren. Hunrig trank sie sein Blut aus dem Halsstumpf. Das Blut lief ihr Kinn herab, aber sie spürte es nciht einmal, so sehr war sie im Kampfrausch!
Schwer atmend sah sie sich um. Um sie herum wütete ein Gemetzel, aber man konnte schon erkennen, dass sie die Oberhand hatten. In dem Moment kam der nächste Dämon auf sie zu gerannt. Kurz bevor er bei ihr angekommen war, stoppte er seinen Lauf. Heftig holte er Luft.
„Du! Du bist die Fürstin! Habe ich recht?"
Vorsichtig nickte Ava. Er schien sie nicht angreifen zu wollen. Es schien eher so, als ob ihm eine Frage auf der Zunge lag.
Der Dämon wehrte einen Vampir halbherzig ab, der Ava zu Hilfe eilen wollte. Er verletzte ihn nicht und Ava hob gebieterisch eine Hand, als andere auf sie zukamen.
„Meine Schwester! Ist sie bei euch?"
Ava ließ ihr Schwert sinken.
„Arabella ist deine Schwester? Und dann bist du hier? Bist du wahnsinnig?"
Der Dämon senkte den Kopf.
„Dimitri sagte..."
Ava schnaubte.
„Sie war fast tot, als Jason sie gefunden hat. Sie ist bei uns und auf dem Weg der Besserung! So! Willst du mich nun umbringen? Glaubst du Dimitri trotz allem mehr als mir?"
Er sah kurz hoch, dann schüttelte er den Kopf.
„Der Fürst...er hat sie gerettet?"
Ava nickte.
Der Dämon brüllte etwas in einer fremden Sprache. Etwa fünfzig Dämonen hoben den Kopf. Dann ließen sie ihre Waffen sinken und gingen einfach. UNter ihnen war der Dämon, den sie vor vor einem Jahr kastriert hatte. Er grinste sie an und tippte sich mit dem Finger an die Stirn, bevor er verschwand.
Der Dämon vor ihr verneigte sich leicht.
„Mein Name ist Xaphan! Ich bin einer der Feuerdämonen. Ich bin dem Fürst sehr dankbar, dass er meine Schwester gerettet hat. Die Feuerdämonen werden sich zurückziehen. Wenn ihr erlaubt, werden wir unsere Leute in ein paar Tagen holen."
Ava nickte wieder und Xaphan verschwand mit den anderen.
Die Sonnenjäger sahen ihnen verzweifelt hinter her, denn die Feuerdämonen hatten den Großteil ihrer Armee ausgemacht. Nun standen sie ziemlich alleine da, denn auch andere Dämonen folgten den Feuerdämonen. Ava atmete erleichtert auf. Nun konnte es nicht mehr lange gehen.
In dem Moment hörte sie einen Schrei und drehte sich herum.
Das Blut gefror ihr in den Adern und sie selbst schrie entsetzt auf.
Fünf Sonnenjäger hatten Jason in ihrer Gewalt. Er wehrte sich mit Leibeskräften, doch sie hatten ihm eine Kette umgelegt, die ihn fast bewegungsunfähig machte. Irgendwie musste die Kette aus geweihten Gegenständen geschmiedet worden sein. Eine normale Stahlkette hätte Jason nicht aufhalten können.
Sie rannte los, aber ihr kam es so vor, als ob sie etwas festhielt. Sie sah nach unten zu ihren Füßen. Sie sanken in den morastigen Boden ein. Bei allen Göttern! Vor ein paar Sekunden war der Boden noch staubtrocken gewesen. Sie starrte zum Vollmond.
Warum tust du uns das an, Luna!
„Der Fürst! Wir haben den Fürst!", schrien die Sonnenjäger. Dann stand Dimitri vor ihm.
„Sieh mal an. Der Schlächter von London! Die Iren hassen dich immer noch dafür...mh...dabei ist es längst bewiesen, dass du gar nicht den Befehl gegeben hast! Wie traurig!"
Er lachte böse.
„Verpiss dich!", schrie Jason und zerrte an den Ketten. Diese verbogen sich bedenklich und die Jäger, die ihn festhielten, hatten damit große Mühe.
Dimitri beugte sich zu ihm vor.
„Aber weißt du, das interessiert mich gar nicht. Nein! Wirklich nicht. Ich will dich untersuchen, deine Gewohnheiten, deine Blutgier...einfach alles! Luna hätte dich am liebsten tot gesehen, weil du eine ihrer Töchter geschändet hast! Aber ich denke, es wird viel lustiger, wenn wir herausfinden, was du jetzt alles kannst."
Er beugte sich noch näher zu Jason.
„Oder wie man dich stoppen kann! Halb Vampir, halb Mondjäger! Eine neue Generation, die ich gerne weiter züchten würde!" Dimitri lachte irre.
Ava zerrte an ihren Stiefeln, aber sie bewegten sich keinen Millimeter. Hilflos musste sie mit anhören, wie Dimitri Jason weiter verhöhnte.
„Von Luna weiß ich, dass deine sogenannte Gefährtin sehr wohl Kinder empfangen kann. Das wusstest du nicht? Nun, sie ist ja nicht wirklich tot, sie ist ein Mondjäger und nur ein Halbvampir. Mondjägerfrauen können Kinder zur Welt bringen, das will allerdings keine. Da du aber tot bist, kannst du mir bei meiner Züchtung nicht helfen. Mh...was mache ich dann mit dir? Oder warte! Du bist ja jetzt auch ein halber Mondjäger. Oh, das wird schön sein, dich zu untersuchen und zu quälen!"
Er richtete sich wieder auf und sah in die Ferne. Dann leuchteten seine Augen.
„Ich weiß, was ich mache! Wenn ich dich ja nicht gebrauchen kann, werde ich dich zu meinem persönlichen Experiment machen. Du kennst doch meine Einrichtung. Du warst ja oft genug dort, um diese widerwertigen Geschöpfe zu befreien. Nun, du wirst jetzt selbst ein Insasse. Und was deine Gefährtin angeht...um sie werde ich mich auch kümmern. Du kannst dir denken, was ich vorhabe!"
Jason brüllte und zog ein letztes Mal an seinen Ketten. Sie riss und Jason packte Dimitri am Hals.
„Du wirst sie nicht anrühren! So lange ich noch auf dieser Welt weile, wirst du die Finger von ihr lassen, du dreckiger Bastard!"
Ava sah, wie ihn die fünf Sonnenjäger wieder zurück rissen und Dimitri sein Schwert hob. Er, der Jäger riss an Jasons Haare und legte so seinen Hals frei.
In dem Moment löste sich ihre Füße aus den Schuhen und sie rannte barfuß auf Jason zu.
„Ich brauche dich doch nicht, du elende Kreatur! Ich töte dich und beglücke deine Gefährtin!", schrie Dimitri.
Bevor Dimitris Schwert auf Jason nieder sausen konnte, warf sich Ava dazwischen. Der Schwertstreich ging ihr von der rechten Schulter bis zur linken Hüfte. Verdattert sah Dimitri sie an. Dann lächelte er böse.
„Nun, dann führe ich halt zu Ende, was ich angefangen habe."
Er zog ein Messer und setzte es an ihre Kehle.
„Schade. Ich hätte gerne einen ganzen Orden mit unseren Nachkommen gefüllt!"
Sein Griff wurde härter, doch er konnte ihren Hals nur verletzen. Eine Axt streckte ihn nieder. Benommen sah Ava hoch. Xaphan stand über Dimitri und spuckte ihn an. Dann sah er zu Ava und neigte leicht seinen Kopf.
„Verzeih! Ich war zu spät! Nun sind wir quitt, Fürst!"
Er drehte sich um und ging, ohne sich um alle zu kümmern.
Dimitri keuchte. Ava nahm ihre letzte Kraft zusammen und stürzte sich auf den am Boden liegenden Anführer. Mit einem Schrei trieb sie ihre Zähne in seinen Hals und saugte ihn komplett aus. Dann riss sie ihm seine Kehle heraus und warf sie den anderen Sonnenjäger, die Jason immer noch festhielten vor die Füße.
„Verpisst euch! Aber schnell!"
Verdattert sahen sie Ava an, ließen Jason los und rannten davon. Ava schwankte, doch bevor sie zu Boden stürzen konnte, hatte Jason sie aufgefangen und hielt sie in seinen Armen.
Mittlerweile hatten die Vampire einen Kreis um die zwei gebildet.
„Schützt den Fürst und die Fürstin!", schrie Stanislav.
Doch es war schon nicht mehr nötig. Die Dämonen waren schon längst geflohen und die restlichen Sonnenjäger rannten um ihr Leben.
Ava hustete und würgte Blut hervor. Sie wusste genau, dass Dimitris Angriff tödlich war, auch wenn Xaphan noch versucht hatte, sie zu retten.
Langsam schloss sie die Augen.
„Flynn! Sie muss sofort zu Flynn!", flüsterte Jason nervös. Dann brüllte er den Befehl und die Vampire machten ihm Platz.
Jason drückte sie fest an sich und rannte los. Sebastian, Konrad und Violett sahen ihm nach, doch als sie begriffen, was geschehen war, rannten sie ihm hinter her.
„Verdammt, mein Herz! Warum hast du das getan?"
Sie hob schwach lächelnd ihre Hand und strich ihm über das Gesicht.
„Dich schützen...liebe...dich!"
Sie wollte wieder die Augen schließen, doch er ließ es nicht zu.
„Halt die Augen auf, Liebes. Verlass mich jetzt nicht. Ich bringe dich zu Flynn. Er wird dir helfen!"
Sie hörte, wie Sebastian nach Jason schrie.
„Komm schon, Bruder! Mein Auto ist hier! Beeil dich!"
Ava spürte, wie Konrad sie Jason abnahm und sie dann vorsichtig wieder zu Jason auf den Schoß legte. Violett saß neben ihr und hob ihre Hand auf Avas Halswunde. Ava spürte ihre Tränen, die auf ihr Gesicht fielen.
„Nein, Küken, nein, nein! Das darf nicht wahr sein!"
Jason hielt sie fest an sich und flüsterte ihr immer wieder Worte ins Ohr, aber Ava verstand den Sinn nicht mehr.
Sebastian ließ die Reifen quietschen und raste durch die Stadt, bis sie vor der Kirche angekommen waren. Wieder wurde Ava angehoben und sie schrie vor Schmerz auf.
„Schhh...Liebes...ich habe dich! Jetzt wird alles gut. Flynn wird dich..."
„HALT!"
Eine Stimme ließ Jason herum fahren.
„Luna!", keuchte Sebastian. „Ava! Sie stirbt! Rette sie!"
Luna schüttelte böse lächelnd den Kopf.
„Ein Scheiß werde ich! Sie hat sich für den Blutsauger entschieden! Sie ist ein Mischbalg! Genau wie er!"
Angewidert zeigte sie auf Jason.
„Ich verstehe nicht, wie sie dich wählen konnte. Sie war dazu auserkoren, ein Mentor zu werden! Auch wenn sie es nicht wusste, war sie mächtiger als alle Mondjäger zusammen! Doch sie entschied sich für dich!"
Jason schnaubte.
„Das verstehst du nicht, Schlampe! Ich liebe sie und sie liebt mich!"
Luna lachte böse.
„Liebe!" Sie spuckte das Wort regelrecht heraus. „Alles, was ihr nicht erklären wollt, entschuldigt ihr mit Liebe! Als ob du sie lieben würdest. Du bist ein Vampir! Die können nicht lieben!"
Ava öffnete kurz die Augen.
„Er kann und er tut es!"
Luna lachte laut auf.
„Ach, du bist so herrlich naiv, Kind! Genau wie Sebastian damals. Er hatte auch behauptet, diese Dämonenschlampe würde ihn lieben!"
Sie zuckte kurz mit den Schultern.
„Ich habe nicht nachgefragt. Vielleicht meint ihr, es wäre Liebe, aber wie kann es Liebe sein, wenn so etwas Abartiges dabei herauskommt?"
Sie stellte sich vor Konrad, als wollte sie von ihm eine Bestätigung. Der schüttelte nur den Kopf.
„Abartig? Es ist eine neue Generation, Luna. Nichts daran ist Abartig! Sie können uns helfen! Warum willst du das nicht begreifen?"
Luna hob hochmütig ihren Kopf.
„Du willst mir sagen, was ich denken soll, Sohn? Nein! Willst du nicht. Und jetzt gehorche mir! Töte sie! Alle beide!"
Konrad schüttelte wieder den Kopf und stellte sich schützend vor Jason und Ava.
„Nein! Das werde ich nicht tun!"
Luna schnappte nach Luft.
„Du verweigerst dich meinem Befehl?"
Konrad nickte ernst.
„Ich werde die beiden beschützen. Notfalls mit meinem Leben!"
Luna lächelte böse.
„Dann sei es so!"
Mit einer Handbewegung von ihr flog Konrad gegen eine Mauer und blieb leblos liegen. Man konnte nur an der Position seines Kopfes erkennen, dass sein Genick gebrochen und er tot war.
Violett schrie aus Leibeskräften, rannte zu Konrad und bettete seinen Kopf vorsichtig auf ihren Schoß. Leise weinend strich sie ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Dann hob sie den Kopf und sah Luna an.
„Du bist das Monster! Wie kannst du es wagen, deine eigenen Kinder um zu bringen?"
Luna schürzte den Mund.
„Auch du, Tochter?"
Ohne ein sichtbares Zeichen von Luna, kippte Violett nach vorne und sackte leblos auf Konrads Körper.
Luna wandte sich an Sebastian.
„Ich weiß, von dir habe ich auch keine Hilfe zu erwarten. Du warst ja der erste, der sich mit einer Unterweltschlampe eingelassen hat. Habe ich dir nicht alles gegeben, damit du sie vergessen kannst? Habe ich dir nicht eine mächtige Gefährtin zugedacht? Und du verlierst sie an einen Vampir! Wie dämlich muss man sein!"
Sebastian lachte laut auf.
„Ich habe sie nie geliebt! Du kannst nicht einfach annehmen, dass ich dir den Mord an Luise verzeihe, nur weil du mir Ava vor die Nase setzt. Die Einzigste, die hier dämlich ist, bist du! Du vögelst einen Sonnenjäger, vernichtest deine eigenen Kinder und erwartest jetzt von uns, dass wir trotz allem deine Befehle ausführen? Jason hat Recht. Du bist hier die Schlampe. Und eine machtgierige dazu. Weiß Helios, was du mit ihm vorhast?"
Lunas Gesicht wurde zu einer Fratze.
„Du wagst es so über mich zu reden?"
Sebastian lächelte milde.
„Da ich sowieso bald Konrad und Violett folge...ja, ich wage es! Wann wurdest du so? Warum wendest du dich gegen deine eigenen Kinder? So viele mussten sterben und nur, weil du..."
Luna hob eine Hand.
„Schluss jetzt! Dimitri war mein Geliebter! Er hatte mich eindringlich davor gewarnt, dass ihr euch alle gegen mich stellen würdet! Ich habe nur getan, was getan werden musste. Ich werde einen neuen Orden aufbauen und alle Unterweltbewohner vernichten! Das war eure Aufgabe, doch ihr habt sie nicht erfüllt. Deswegen werde ich nun selbst tun, was getan werden muss! Auch ohne eure Hilfe!"
Sie reckte den Kopf und Sebastian sank augenblicklich auf den Boden. Seine Augen starrten leblos ins Leere. Luna drehte sich langsam zu Jason und Ava um.
„Nun, siehst du nun, Blutsauger, zu was du mich getrieben hast? Wird dir gerade bewusst, was du angestellt hast mit deiner angeblichen Liebe?"
Jason beachtete sie gar nicht. Mittlerweile war er mit Ava auf die Kirchentreppe gesunken. Weinend strich er ihr immer wieder über das Gesicht und flüsterte ihr Worte der Liebe zu.
„Ava! Geliebte! Mein Leben! Meine einzigste Liebe!"
Ava nahm ihre restliche Kraft zusammen und hob ihre Hand an seine Wange.
„Flieh, Geliebter!"
Er schüttelte den Kopf.
Niemals!
Sie lächelte ihn an.
Du weißt, dass ich sterben werde. Es ist zu spät und nicht einmal du kannst mich noch retten. Rette wenigstens dein Leben!
Luna kam auf sie zu.
„Meine Güte. Verabschiede dich endlich von ihr! Du bist nämlich der Nächste!"
Langsam ließ Jason seinen Kopf auf Avas Kopf sinken. Er schloss gequält die Augen.
Ava drehte etwas den Kopf und starrte Luna an.
„Verpiss dich, Schlampe!"
Die Göttin keuchte auf.
„Du wagst es, so mit deiner Mutter zu sprechen?"
Ava lächelte.
„Das bist du nicht. Du warst es nie. Eine Mutter versteht ihre Kinder und verlangt nicht, ihre Befehle aus zu führen, die ihnen zuwider sind. Du hast versagt, Luna!"
Sie schloss wieder die Augen und drehte sich zu Jason. Ihr wurde kalt. Das Gefühl kannte sie schon. Doch dieses Mal würde kein Sebastian kommen, um sie ins Leben zurück zu holen und sie zu wandeln. Nicht einmal Jason konnte etwas für sie tun. Dieses Mal würde sie endgültig sterben. Luna hatte ihre Hand zum letzten Schlag erhoben. Ava lächelte glücklich zu Jason.
„Vereint!"
Er brachte auch ein Lächeln zu Stande.
„Ja! Vereint! Für immer!"
Gemeinsam warteten sie auf den tödlichen Schlag, der sie nun endgültig vereinigen sollte.
„Luna!"
Ein grelles Licht erschien!
Jason knurrte vor Schmerzen und zog Ava mit sich in den Schatten.
Luna erstarrte mitten in der Bewegung.
„Helios? Was tust du hier? Es ist Nacht, meine Zeit!"
Er stieß kurz den Atem aus.
„Dachtest du, dann wärst du sicher vor mir? Da muss ich dich enttäuschen! Ich habe gesehen, was du angerichtet hast! Du wolltest mich tatsächlich stürzen? Einen Gott? Du kannst nicht ganz bei Trost sein!"
Luna kauerte sich zusammen.
„Auch ich bin eine Göttin! Vergiss das nicht!"
Er lachte böse.
„Wie sollte ich das je vergessen? Du bist meine immer währende Prüfung! Doch ich habe den Rat aufgesucht! Es steht schlecht um dich, Luna!"
Weitere Lichter erschienen. Luna schrie erschrocken auf.
„Du hast sie alle hergeholt? Verdammt sollst du sein!"
Ava keuchte auf, als sie zehn Gottheiten erkannte, die auf Luna zukamen.
Helios zuckte nur mit den Schultern.
„Das mussten sie selbst sehen! Du hast deine Kinder ermordet! Aus reiner Willkür! Und als ob das nicht schlimm genug wäre, wolltest du einen Sonnenjäger...meinen Stellvertreter...zu einer Gottheit erheben, nur um mich zu stürzen und so mehr Macht zu bekommen. Meinst du wirklich, das wäre lange unbemerkt geblieben?"
Ein mächtig aussehender Gott ging langsam auf Luna zu.
„Das ging zu weit, Luna! Wir werden dich verbannen!"
Luna kreischte entsetzt auf.
„Das kannst du nicht tun, Atum!"
Dieser zuckte nur mit den Schultern.
„Ich kann das nicht? Du vergisst, dass ich einer derjenigen war, der dich erschaffen hat. Wir können dich auch vernichten. Aber das erscheint mir doch als sehr milde Strafe im Angesicht dessen, was du getan hast. Deswegen haben wir entschieden, dass wir dich verbannen. Du wirst ein Mensch und Helios entscheidet, welche Aufgabe du zu erfüllen hast! Schließlich war er es, den du vernichten wolltest!"
Alle elf Gottheiten stellten sich im Kreis um Luna herum. Es erhob sich ein Gemurmel sehr alter Sprache, die Ava nicht kannte. Dann wurde Luna in ein gleißendes Licht getaucht. Es brannte höllisch auf der Haut und Ava stöhnte vor Schmerzen auf. Ebenso wie Jason, der noch weiter in den Schatten kroch.
Luna schrie, doch die Götter ließen in ihrem Tun nicht nach. Es dauerte Minuten, dann war Luna verschwunden und das Licht wurde langsam dunkler.
Die Gottheiten sahen zu Helios.
„Du hast gut gewählt, Sonnengott. So soll es sein!"
Atum lenkte seinen Blick auf die Leichen der Mondjäger und dann zu Ava und Jason.
„Was willst du mit ihnen machen? Es sind eigentlich Plutos Kinder!"
Helios schüttelte den Kopf.
„Nur zu Hälfte. Schon einmal wurde Unrecht an ihrer Art verübt. Lass es mich wieder gut machen!"
Alle Gottheiten nickten und verschwanden.
Nun stand Helios alleine auf dem Platz. Er hob seine Hände und die Leichen verschwanden. Dann kam er auf Jason zu.
Er hob bittend seine Hände.
„Gib sie mir. Gib mir das Mädchen, bevor es zu spät ist."
Jason schüttelte heftig den Kopf und presste Ava an sich. Tränen liefen ihm immer noch über die Wangen.
Helios schnalzte missbilligend mit der Zunge.
„Bald ist es zu spät!"
Ava hob ihre Hand und strich Jason über die Wange.
„Lass es zu! Er wird mir nicht wehtun!"
Helios nahm Jason Ava ab und ging mit ihr auf die Mitte des Kirchenplatzes.
„Der Tod ist schon sehr weit fortgeschritten, kleine Mondfee!"
Sie nickte schwach.
„Ich weiß!"
Er lächelte sie milde an.
„Meine Macht ist beschränkt. Ich kann dich nicht bei ihm lassen. Das würde nicht funktionieren! Nicht einmal ich als Gott kann so etwas bewerkstelligen!"
Wieder ein mildes Lächeln. Ava konnte nicht anders. Sie lächelte zurück.
„Er wird es nicht verstehen!"
Helios nickte.
„Das befürchte ich auch. Aber liebt er dich genug? Wird er dich suchen? Kann er weitere Jahre auf dich warten?"
Sie lachte leise.
„Du kennst meinen Mann nicht. Er kann stur wie ein Esel sein, wenn er es muss. Ich bitte dich nur darum, es ihm nicht zu schwer zu machen!"
Helios wackelte etwas belustigt mit seinem Kopf.
„Ich habe euch viel zu verdanken. Nur deshalb überlasse ich euch nicht Pluto. Doch Robert...nun ja...er hatte viele Sünden in seiner Vergangenheit. Ganz leicht kann ich es ihm nicht machen. Das dürfte ich auch gar nicht. Es wäre gegen die Regeln. Es wird schwer für ihn werden, aber ich werde dafür sorgen, dass man auf euch aufpasst! Und auf die anderen auch!"
Sie sackte an seine Brust.
„Sebastian? Konrad und Violett?"
Helios lachte wieder leise.
„Ich habe an alles gedacht, kleine Mondfee. Sie werden ein normales Leben haben. Bei dir wird es allerdings anders sein. Du wirst dich entscheiden müssen. Ich hoffe, du kannst mir irgendwann verzeihen, dass ich nicht mehr für dich tun konnte."
Sie schloss müde die Augen. Sie konnte einfach nicht mehr.
„Alles...egal...Hauptsache Jason...und ich!"
Er lächelte leicht.
„Ich weiß nicht, wieso Luna auf die Idee gekommen ist, ihr könntet euch nicht lieben. Ich habe sehr selten so ein Paar gesehen."
Er holte tief Luft.
„Nun! Dann sei es so! Bist du bereit?"
Sie nickte leicht.
Sanftes Licht hüllte die beiden ein. Es war warm und hieß sie willkommen. Es versprach Linderung der Schmerzen und ein besseres Leben.
Ava sah ein letztes Mal zu Jason.
Mein Geliebter!
Dann verschwand sie vor seinen Augen
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