24
Remus ging bereits seit zwei Tagen seinen Freunden aus dem Weg. Im Unterricht setzte er sich in die hinterste Ecke und versuchte verzweifelt, Sirius' bohrenden Blick zu ignorieren, aber er konnte es einfach nicht lassen.
Schuldgefühle breiteten sich in seinem Bauch aus, wenn er in Sirius' graue Augen blickte und er die Sorge in ihnen erkannte.
Remus wusste, dass sein Freund bereit war ihm zu vergeben, ihm bereits vergeben hatte, aber er konnte nicht aufhören, sich selbst zu beschuldigen.
Seine Ängste der letzen Monate hatten sich nur verstärkt und er musste sich einfach von seinen besten Freunden fern halten, um sie vor dem Monster zu beschützen, das er war.
Auch wenn es schwer war.
Die Erinnerung an Sirius' angstgeweitete Augen hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt und Remus bezweifelte, dass er sie jemals loswerden würde.
Auch die Worte seines Freundes ließen ihn einfach nicht los.
Es war selbstsüchtig gewesen, zu denken, dass Sirius nur wegen einem winzigen Hinweis schwul sein könnte und Remus hatte sich, wie so oft, falsche Hoffnungen gemacht.
Nun standen die Weihnachtsferien kurz bevor und er war für zwei Wochen allein mit Sirius in einem Schlafsaal.
Der Gedanke hatte in ihm zuvor ein Glücksgefühl ausgelöst, rief aber nun nur noch Panik hervor.
Was war, wenn er Sirius wieder verletzen würde?
Oder wenn er ihn...
Remus konnte den Gedanken nicht zu Ende denken und erschauderte.
Schon jetzt, wo Hogwarts so voller Schüler war, war es schwierig den Rumtreibern aus dem Weg zu gehen.
Wie sollte er Sirius zwei Wochen lang in einem leeren Schloss entgehen?
Seine Armbanduhr verriet ihm, dass es bald Mittagessen geben würde.
Er wollte es eigentlich nicht riskieren, Sirius über den Weg zu laufen, aber der Hunger trieb ihn schließlich in die große Halle.
Er konnte James' wilde Haare am Ende des Gryffindortisches erkennen und möglichst unauffällig setze er sich neben eine blasse Drittklässlerin, die ihn neugierig anschaute.
Remus war gerade dabei, sich Kartoffeln in den Mund zu schieben, als von der anderen Seite des Tisches plötzlich aufgeregtes Tuscheln ertönte.
"Siehst du, wie fertig er aussieht? Wir müssen irgendetwas tun!"
"Shh, er wird dich hören."
Remus musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, wer gesprochen hatte, aber er tat es trotzdem.
Drei Augenpaare starrten ihn an, himmelblau, dunkelbraun und
sturmgrau.
Remus zwang sich, wegzuschauen und stand auf.
Sein Magen knurrte anklagend aber es war ihm egal.
Als er die Halle verließ, war alles woran er denken konnte, diese grauen Augen in denen etwas lag, das er nicht deuten konnte.
Etwas warmes, unruhiges, das seinen Bauch Saltos schlagen ließ.
Die Gänge waren beinahe wie ausgestorben, nur ab und an schwebte ein Geist vorbei und die waren ja immerhin schon tot.
Er hatte zwei Wochen bis zu seinem nächsten Vollmond, das war normalerweise die Zeit, in der er sich am besten fühlte, weit weg von seiner letzen Verwandlung und von seiner nächsten.
Heute fühlte er sich einfach nur beschissen.
Wie hatte er nur so die Kontrolle verlieren können?
Es war genauso gewesen, als er Bellatrix angegriffen hatte, weil sie Sirius gefoltert hatte.
Und plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
Sirius.
Er war der Auslöser für seinen Kontrollverlust und gleichzeitig war er auch das einzige, was den Werwolf in ihm in Schach halten konnte.
Der Gedanke war erschreckend und beruhigend zugleich.
Sirius Black löste etwas in ihm aus, das den Wolf angreifbar machte, ihn milderte und gleichzeitig stärkte.
Sirius Black war die Antwort und die Frage und zum ersten Mal konnte Remus hoffen, den Wolf zu kontrollieren.
Er musste mehr darüber herausfinden, aber es gab nicht besonders viele Bücher über Werwölfe und wenn doch, waren sie negativ und voller Vorurteile.
Remus brauchte jemanden, mit dem er reden konnte und zwar dringend.
Jemanden wie Lily Evans.
Er machte auf dem Absatz kehrt und erst jetzt wurde ihm bewusst, wie viel er gelaufen war.
Remus war in der Nähe der Kerker gelandet.
Zu seinem Glück wusste er, wie er wieder zurückkam.
Er lief am Slytheringemeinschaftsraum vorbei und hoch zu einigen leerstehenden Klassenzimmern.
Er wollte gerade abbiegen, als seine guten Werwolfsinne Alarm schlugen.
In einem der Klassenzimmer war jemand, er konnte deutlich Stimmen vernehmen.
Remus trat näher an das Zimmer heran und konnte nun alles deutlich hören.
"Der Dunkle Lord wird nicht erfreut sein, Snape", sagte eine abfällige, kalte Stimme.
"Du weißt doch, was er mit Blutsverrätern anstellt", sagte eine andere, "und jetzt geh schon. Sonst fällt auf, dass du beim Essen fehlst."
Remus lief los und wollte sich hinter einer Statue verstecken, aber es war schon zu spät.
Die Tür öffnete sich und Severus Snape trat heraus, dicht gefolgt von zwei Slytherinschülern, die er nicht kannte.
Sofort griff er nach seinem Zauberstab, aber Snape war schneller.
"Expelliarmus."
"Gut gemacht, Snape", sagte der Kleinere von den anderen beiden. Es war der mit der kalten Stimme.
"Wen haben wir denn da?", fragte Snape spöttisch und strich sich eine Strähne fettigen Haares aus dem Gesicht. "Remus Lupin."
Der andere Slytherin, ein riesiger, blonder Junge mit dümmlichen Gesichtsausdruck, grinste.
"Sag mal, Remus", schnarrte der Kleinere, "was machst du hier so ganz alleine? Haben Potter und Black dich verlassen? Sich als die Verräter herausgestellt, die sie schon immer waren?"
Remus antwortete nicht, was den großen Slytherin noch mehr zu belustigen schien.
"Du bist doch schlau, nicht wahr? Es steht etwas Großes bevor, musst du wissen, und in Zeiten wie diesen ist es wichtig, zu wissen welche Seite die Richtige ist."
Remus musste sich zwingen, so abfällig wie möglich zu lachen, obwohl alle seine Instinkte ihm sagten, er solle wegrennen.
"Ich glaube, ich weiß sehr gut, was die richtige Seite ist. Ich dachte eigentlich, dass wüssten mehr."
Er ließ seinen Blick absichtlich länger an Snape hängen, der wegschaute.
"Du weißt, dass deine ach so tollen Freunde Leuten wie Lily etwas antun wollen oder Snape?"
"Hör nicht auf ihn", zischte der Kleine und sagte dann leiser, so dass Remus es nicht hören konnte, noch etwas.
Snapes erhobener Zauberstab überraschte ihn und er bekam einen Schockzauber direkt in den Bauch.
Sofort merkte er, wie sich seine Gliedmaßen versteiften und er fiel regungslos nach hinten.
Er konnte Snape und die anderen jetzt nicht mehr sehen und Panik machte sich in ihm breit.
Der erste Tritt kam so plötzlich, dass er zusammengezuckt wäre, wenn er gekonnt hätte.
Die nächsten kamen schnell und fest.
Der Schmerz durchzuckte ihn, aber Remus war daran gewöhnt.
So plötzlich wie sie angefangen hatten, hörten die Tritte auch wieder auf.
"Bellatrix hat eine Eule geschickt."
Die Stimme war zaghaft und kam ihm vage bekannt vor, aber im Moment ließ ihn der Schmerz nicht klar denken.
"Lasst ihn da. Er wird bestimmt nicht vermisst", sagte Snape und lief einige Schritte auf ihn zu.
Etwas kaltes, nasses traf sein Gesicht.
Snape hatte ihn angespuckt.
Die Slytherins entfernten sich und mit jedem Schritt wurde Remus erleichterter.
Der Boden war kalt und eine seiner Narben war wieder aufgerissen, sodass Blut sein Hemd befleckte.
Snapes Schockzauber würde noch länger andauern und so musste er wohl oder übel noch ein wenig länger hier liegen.
Plötzlich hörte er Schritte, die direkt auf ihn zu kamen.
"Finite."
Ein Paar bekannter, sturmgraue Augen durchbohrten ihn, als sich die Person über ihn beugte, die ihn befreit hatte.
"Regulus?"
Hey Spargelchen!
Ich bin endlich zurück, nach der wohl größten Schreibblockade meines Lebens. Ich hoffe ihr könnt mir verzeihen und euch gefällt das Kapitel.
Ich freue mich wie immer über Feedback und Anregungen.
-Lea
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