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Sirius fühlte sich so müde, wie noch nie in seinem Leben.
Das kalte Wasser, das auf ihn herunter prasselte half ein wenig dabei, die Müdigkeit aus seinen Gliedern zu vertreiben.
Er wusste nicht genau wie spät es war, aber er konnte vor der Badezimmertür  Stimmen hören.
Das hieß James und Peter waren bereits wach.

Nach dem Festessen hatten sie gestern zu dritt auf dem Bett gelegen und seine vergilbte Karte studiert.
Letztes Jahr hatten sie fast gar nichts gelernt und nur an diesem Stück Pergament gearbeitet, bis es endlich fertig war.
Die Karte der Rumtreiber war ihr Meisterwerk, ihr allerheiligstes.

Mit müden Augen hatten sie beobachtet, wie nach und nach alle Personen zum stillstand kamen und schlafen gingen.
Nur Mrs Norris stromerte noch durch die verlassenen Gänge, dicht gefolgt von Filch.

Ein Klopfen an der Tür riss Sirius aus seinen Gedanken, schnell stieg er aus der Dusche und rubbelte sich mit einem Handtuch die langen Haare trocken.

"Mach schneller Sirius! Meine Haare müssen gut aussehen"
Natürlich war es James, der gegen die Tür hämmerte und fast ins Badezimmer stolperte, als Sirius sie öffnete.

Peter richtete sich gerade seine rotgoldene Krawatte, als auch endlich James fertig war.
Er roch nach einem billigen Eau de Toilette und fuhr sich im Versuch sie zu glätten, durch die rabenschwarzen Haare.
Mit leuchtenden Augen wippte er auf seinen schwarzen Schuhen auf und ab.
In den ersten Wochen des neuen Schuljahres war seine Lily-Abhängigkeit immer am größten.

"Ich werde sie fragen, ob sie mit mir ausgeht", verkündete James und platze beinahe vor Stolz.
Aber als er in den Gryffindorgemeinschaftsraum trat und Lily erblickte, verließ ihn plötzlich sein ganzer Mut.

Das rothaarige Mädchen unterhielt sich mit ihren Freundinnen.
Als sie James bemerkte, schenkte sie ihm ein weniger begeistertes Lächeln.
James jedoch sah so aus, als hätte sie gerade seinen Heiratsantrag angenommen.

"Hallo James", sagte sie ruhig und ignorierte sein dämliches Grinsen
Auch Peter und Sirius schenkte sie ein Lächeln und wand sich dann wieder Marlene zu, die den drei Jungs kurz zuzwinkerte.

Sirius hatte Marlene McKinnon schon immer gemocht.
Sie hatte kurze braune Haare und ein braunes, sowie ein blaues Auge.
Wenn sie nicht ihre Schulkleidung trug, fand man sie in auffälligen Tüllröcken und Stulpen vor und sie machte immer den Eindruck, als wäre es ihr egal, was andere über sie denken.

Auch Dorcas Meadowes, die sich mit den beiden und Alice Fortescue einen Schlafsaal teilte, winkte dem Rumtreibern kurz zu.
Dorcas hatte lange schwarze Haare und mindestens genauso dunkle Augen, mit denen sie alle so genau musterte, dass es Sirius oft so vor kam, als könne sie damit einfach durch seinen Kopf, direkt in seine Gedanken blicken.
Schnell wandte er seinen Blick von ihr ab, denn ihm wurde ein wenig mulmig zumute, auch wenn Dorcas nicht einmal einer Fliege etwas zu leide tun konnte.

"Tschau Lily", posaunte James laut und wedelte mit seiner Hand hin und her.
"Für dich immer noch Evans", rief die Rotthaarige ihm erbost nach,aber da war James schon mit einem idiotischen Grinsen auf den Lippen, durch die Porträtöffnung geklettert.

"Habt ihr das gesehen Leute? Lily steht sowas von auf mich."

Sirius schnaubte verächtlich, doch James schien es gar nicht zu bemerken.

Als die drei Rumtreiber endlich die Halle betraten( James war mehrmals in Rüstungen gerannt, weil er mit den Gedanken nur bei Lily war), erstarrten sie.
Denn in einem viel zu weiten Wollpullover und hellen Jeans saß am Gryffindortisch niemand Geringeres, als Remus Lupin.

Sirius fühlte erst so etwas wie Erleichterung und dann überkam in eine plötzliche Wut.
Die Sorgen von gestern Abend schienen auf einmal wie weggeblasen, denn alles woran er jetzt noch denken konnte war, dass Remus sie beinahe alle im Stich gelassen hätte.
In seinem Kopf drehte sich alles und wutentbrannt stampfte er auf den ihn zu.

Remus stand ruhig auf und hob beschwichtigend seine Hände.
Erst jetzt viel Sirius auf, wie unglaublich riesig sein Freund geworden war, mindestens zehn Zentimeter größer als er selbst.

"Sirius, ich-"

Er versuchte Remus zu schubsen, schaffte es aber nicht, was seine Wut nur noch rasender machte.
Längst hatte er vergessen, warum er überhaupt sauer war, vielleicht war er auch einfach nur wütend auf sich selbst, auf Regulus und auf die ganze Welt.
Remus sah ihn mit seinen gelben Augen an und plötzlich war sein Ärger, wie weggeblasen.

Als Sirius aus der großen Halle rannte, konnte er das Getuschel der Schüler hören, die ihm neugierig nachsahen.
Tränen sammelten sich in seinen Augen und er fühlte sich auf einmal kindisch und dumm.
Wütend wischte er sie weg und rannte einfach weiter.
Er kam sich furchtbar lächerlich vor, weil er eine so große Szene gemacht hatte, aus einem so banalen Grund.
Schließlich hielt er vor der Jungentoilette im dritten Stock an und ging hinein.

In der Halle unterhielten sich nun alle Schüler die schon wach waren, über Sirius Blacks Ausraster.
Immer noch schockiert stand Remus da und sah viel zu lang, schlaksig und verloren aus.
James und Peter gingen schweigend auf ihn zu.
"Gib mir die Karte James. Ich gehe ihm nach", sagte Remus ruhig.
Eilig kramte dieser nach dem gelblichen Pergament und reichte es ihm.

Hastig eilte er aus der großen Halle und versuchte die vielen Blicke der Schüler zu ignorieren, die ihm folgten.

"Ich schwöre feierlich, dass ich ein Tunichtgut bin"

Sofort erwachte die Karte zum Leben und schnell hatte er den Namen gefunden, nach dem er gesucht hatte.
Mit schnellen Schritten machte sich Remus auf.

Schon von weitem konnte er ein Schniefen hören, dass lauter wurde, als er sich der Toilette näherte.
Er stieß die Tür auf und erschrocken sah Sirius hoch.
Seine Augen waren gerötet und er sah so aufgelöst aus, wie Remus ihn noch nie erlebt hatte.
"Ist alles in Ordnung?",fragte er vorsichtig und setzte sich neben seinen besten Freund auf den kalten, nassen Boden der Toilette.

"E-es tut mir leid", stammelte Sirius und lehnte sich an die geflieste Wand.

"Ist schon okay."

"Ich weiß auch nicht, was los war. Irgendwie habe ich einfach rot gesehen. Der Sommer mit meiner Familie war furchtbar und ich dachte, hier wird alles wieder gut, aber dann warst du nicht da und-"
Er brach ab.

Die beiden Jungen saßen eine Weile schweigend nebeneinander und lauschten den gedämpften Stimmen der Schüler die sich auf zum Frühstück machten.
Sirius musterte Remus Gesicht ganz genau.
Er wirkte müde und hatte die mit dunklen Ringen unterschatteten Augen geschlossen.
Seine welligen, dunkelblonden Haare fielen ihm in Strähnen in das ausgemergelte Gesicht.
Man konnte frische Schnittwunden erkennen und er hatte eine neue tiefe Narbe, die sich quer über sein Gesicht zog.

Er war attraktiv in einer Art und Weise, die sich Sirius nicht erklären konnte.
Nicht wegen seiner äußerlichen Erscheinung, sondern weil er einfach nur er selbst war.
So saßen sie da und sprachen kein Wort miteinander und trotzdem kam es Sirius so vor, als hätten sie sich alles gesagt.

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