twelve

🎶

Fool's Gold - One Direction

🎶

Es war nicht überraschend, als er in einem leeren Bett aufwachte – das war es schon lange nicht mehr – aber trotzdem biss sich das Gefühl der Enttäuschung mal wieder in seiner Brust fest. Es ärgerte ihn, dass er sich von einer so vorhersehbaren Sache so beeinflussen ließ.

Sie hätten das sowieso nicht tun sollen, heute Nacht. Vielleicht in keiner Nacht, aber am allerwenigsten in der letzten. Nicht, wenn Harry nicht der einzige Typ gewesen war, der Louis zum Lachen gebracht hatte. Nicht, wenn sein Herz allein schon bei dem Gedanken an einen anderen Typen eine Bruchlandung hinlegte.

Und doch konnte er sich nicht gänzlich dazu durchringen, sich wegen dem Sex angemessen schlecht zu fühlen – nicht um seinetwillen auf jeden Fall. Ob ihn das zu einem Egoisten machte? Vielleicht.

Ob er the other woman war (oder zumindest etwas in der Art)? Immerhin war er mit Louis im Bett gelandet, obwohl er ganz genau beobachtet hatte, wie gut dessen Date verlaufen war. Konnte man an diesem Punkt schon diese Art Anschuldigung machen?

Harry war sich nicht sicher, aber egal ob es nun so war oder nicht, er wurde den ekligen Gedanken nicht los, ein moralisches Fiasko heraufbeschworen zu haben. Vielleicht hatte es in der Nacht noch geklappt, gänzlich zu verdrängen, was sie hiermit eigentlich für eine Scheiße abgezogen hatten – als Louis' Lippen auf seinen gelegen hatten, als es ihm einzig wichtig gewesen war, sich ein letztes Mal von ihm gewollt zu fühlen – aber jetzt gerade brach das alles über ihm ein.

Wahrscheinlich hatte er es sogar verdient, die Enttäuschung über Louis' Abwesenheit zu spüren. Möglicherweise war es dieses Karma, von dem die Leute immer redeten. Oder es war einfach nur die Realität, von der Harry schon so lange befürchtet hatte, dass sie ihn einholen würde.

Er ließ sich zurück in sein Kissen sinken und fuhr sich mit den Handflächen über die Augen. Es war pathetisch, wirklich. Wegen Louis zu heulen, nur weil dieser endlich mal kein beschissenes Date gehabt hatte. Sie waren nun mal eine rein körperliche Geschichte gewesen – und auch, wenn diese über mehr als zwei Monate gelaufen war, hieß das nicht, dass Harry sich aufführen musste, als hätte ihm jemand gewaltsam das Herz aus der Brust geschnitten. Er war der Besitzer einer erfolgreichen Queerbar, verdammt! Warum zur Hölle konnte er sich nicht einfach entsprechend seiner Position benehmen? Es war wirklich zum Haareraufen!

Mit einem erschlagenen Seufzen ließ er seine Arme links und rechts von sich aufs Bett fallen, Seesternposition. Dann stockte er, fuhr mit der rechten Hand über das Laken, das... nicht so kalt war, wie er erwartet hatte.

Mit einem Ruck saß Harry wieder aufrecht und hielt den Atem an. Seine Schlafzimmertür war nur angelehnt und einen Raum weiter konnte er, wenn er wirklich darauf achtete, Geräusche hören – Schritte und das leise Öffnen und Schließen von Küchenschränken.

Ein paar Sekunden lang fühlte sich Harry wie vor den Kopf geschlagen. Das konnte nicht sein... oder? Louis blieb nicht bis zum Morgen, tat er nie. Aber weil Harry nicht glaubte, dass jemand auf so friedliche Weise bei ihm eingebrochen war, war die einzig logische (objektiv gesehen) Erklärung, dass Louis eben doch noch da war. Warum das allerdings der Fall war, konnte Harry sich nicht erklären.

Eine Option wäre es, in die Küche zu gehen und Louis zur Rede zu stellen, aber etwas in Harry sträubte sich dagegen. So sehr er sich bis eben noch gewünscht hatte, dass Louis noch da wäre... nun, da dieser Fall tatsächlich eingetreten war, schob er Panik. Kurz überlegte er tatsächlich, Niall zu schreiben und um Hilfe zu bitten – aber dann erinnerte er sich daran, dass er ja eine moralisch verwerfliche Sache getan hatte und sein bester Freund ihm dafür wahrscheinlich metaphorisch den Kopf abreißen würde (oder auch nicht ganz metaphorisch, so sicher konnte man sich bei Niall da nie sein).

Stattdessen tat Harry also etwas ganz Erwachsenes: Er floh in sein Badezimmer, das direkt gegenüber lag, und lehnte sich dort von innen gegen die Tür, während sein Herz heftig in seiner Brust schlug. Louis konnte ihn dabei nicht überhört haben, denn die Scharniere der Badtür waren alt und laut, dennoch tat sich im Flur nichts, so sehr Harry auch lauschte. Schließlich stieß er sich von der Tür ab und trat unter die Dusche, spülte sich die letzte Nacht vom Körper, wie er es immer getan hatte.

Dass die letzte Nacht diesmal aber nicht mit Tagesanbruch aus seiner Wohnung verschwunden war, machte die Sache leider etwas komplizierter, denn egal, wie viel Seife und Shampoo er auch benutzte... sobald er aus dem Bad trat, würde er sich Louis stellen müssen. Und mit ihm allen Erinnerungen an das, was vor ein paar Stunden zwischen ihnen passiert war.

Als er schlussendlich doch einen letzten, tiefen Atemzug tat und mit noch nassen Haaren und nur einem Handtuch bekleidet aus dem Badezimmer trat, war die Wohnung seltsam still. Beinahe glaubte er sogar, Louis wäre doch noch verschwunden, aber dann öffnete er seine Schlafzimmertür und dort saß er. Es wurde Harry bewusst, dass er Louis noch nie voll bekleidet auf seinem Bett gesehen hatte. Das, zusammen mit dem Blick, den Louis ihm zuwarf, sorgten dafür, dass ihm seine eigene Nacktheit (denn das Handtuch zählte nicht wirklich) viel zu markant vorkam.

Er räusperte sich, während er ein paar frische Klamotten aus seinem Kleiderschrank holte. „Du bist noch da." Er wusste nicht, was er mit dieser Aussage bezwecken wollte, aber gar nichts zu sagen, kam ihm noch seltsamer vor.

Louis nickte nur stumm, dann sagte er: „Ich hab Kaffee gemacht. Er steht in der Küche. Ich, ähm... hab bei mir auch so eine Handpresse, deswegen hab ich mich mal an deiner bedient. Ich hoffe, das war okay."

Harry winkte ab. „Passt schon", sagte er, obwohl er sich nicht sicher war, wie sehr das stimmte. Er hatte per se kein Problem damit, wenn Gäste sich an seinen Küchengeräten bedienten. Aber dass Louis geblieben war und ihm Kaffee machte, als würde das alles hier tatsächlich bedeuten, was Harry sich nicht zu hoffen traute, ließ ihn skeptisch bleiben.

Mit seiner frischen Kleidung in den Händen drehte er sich wieder zum Bett um. Louis sah ihn noch immer an und Harry schluckte, erwiderte den Blick zwei, drei Sekunden lang, ehe er seinen Kopf senken musste. „Ähm", machte er und friemelte an den Stoffen zwischen seinen Fingern herum.

Louis hatte ihn schon nackt gesehen – öfter, als irgendwer von ihnen vermutlich zählen konnte und auch öfter als sonst irgendwer in Harrys Leben jemals. Er hatte ihn mit roten Wangen und mit geschwollenen Lippen und schweißüberzogener Haut gesehen. Er hatte ihn unter sich gesehen und auch über sich, er hatte ihn jegliche Selbstkontrolle aufgeben sehen... und doch krallte Harry seine Hand nun in das Handtuch um seine Hüfte, als liefe es Gefahr, im nächsten Moment herunterzurutschen.

Es war nie seltsam gewesen, vor Louis komplett entblößt zu sein, aber auf einmal schien es selbst zu viel, oberkörperfrei hier zu stehen, während diese dunkelblauen Augen auf ihm lagen. Das hier war nicht richtig. Louis sollte ihn bei Tageslicht nicht so ansehen. Es verkomplizierte alles doch nur noch mehr.

„Hey, ähm. Bist du okay?"

Die Frage riss ihn aus seinen Gedanken und erst jetzt bemerkte Harry, dass er sich vollkommen verkrampfte, alle Muskeln seines Körpers angespannt. Er war sich nicht sicher, ob Louis fragte, weil er eine tatsächliche Antwort darauf erwartete, oder ob die Fragestellung eher rhetorisch gemeint war.

Die Wahrheit wäre gewesen Nein, bin ich nicht, zu sagen, doch am liebsten hätte Harry sich eine fadenscheinige Begründung aus den Fingern gesaugt. Langer Tag gestern. Ich war vor zwei Tagen noch krank. Mein Goldfisch ist gestorben. Aber er war sich ziemlich sicher, dass Louis diese Lüge sofort durchschaut hätte, also ließ er es bleiben und zuckte letztendlich nur schwach mit den Schultern.

Ein paar Sekunden lang sah Louis ihn nur weiterhin an, doch dann stand er vom Bett auf und machte einen Schritt in Richtung Tür. „Weißt du was, ich schenk dir schonmal einen Kaffee ein", sagte er, machte einen weiteren Schritt. „Ich hab's heute nicht eilig."

Und dann war er im Flur und schloss die Schlafzimmertür hinter sich, ließ Harry zurück, der sich nicht sicher war, wie zur Hölle er noch atmete. Seine Finger zitterten leicht, als er das Handtuch um seine Hüfte löste und sich endlich die frische Kleidung überzog, seine feuchten Locken noch einmal trockenrubbelte.

Ich hab's heute nicht so eilig konnte viel bedeuten. Oder zumindest konnte Harrys Kopf viel hineininterpretieren. Dass Louis immer hatte bleiben wollen, es sich aber arbeitsbedingt nicht hatte leisten können, zum Beispiel. Aber das war Unsinn.

Weniger Platz zum unsinnigen Missinterpretieren bot dafür die Aussage mit dem Kaffee, weshalb Harry schließlich ein letztes Mal tief durchatmete und sein Schlafzimmer verließ. Louis saß tatsächlich mit zwei gefüllten Kaffeetassen an Harrys kleinem Esstisch und sah auf, als dieser die Küche betrat.

„Hi. Ähm, hier." Er schob Harry eine der Tassen hinüber, eine altrosafarbene in vintage-Stil.

„Danke." Harry griff danach. Kurz spielte er mit dem Gedanken, sich einfach dazu zu setzen und so zu tun, als wäre nichts daran eine verwerfliche Sache. Doch er hatte genug davon, sich noch mehr unerfüllte Hoffnungen zu machen – allein, dass Louis noch hier war, war schon viel zu viel des Guten.

Also lehnte er sich nur gegen seine Arbeitsplatte, nahm einen großen Schluck von seinem Kaffee und sagte dann mit der festesten Stimme, die er herausbrachte: „Ich muss eigentlich gleich runter in die Bar, deswegen hab ich nicht wirklich Zeit, um hier lange zu frühstücken."

Es stimmte sogar, dass er nochmal ins To Paradise unter ihnen schauen musste – immerhin hatte Louis' Anwesenheit gestern dafür gesorgt, dass er seine Arbeitsstelle etwas überstürzt verlassen hatte, und dieses Restchaos musste er nun wohl oder übel noch aufräumen. Allerdings war seine Eile etwas vorgetäuscht, denn ganz so dringend, wie er es gerade darstellte, was die Sache noch lange nicht.

„Oh", machte Louis und wirkte tatsächlich etwas vor den Kopf gestoßen. „Klar, ich, äh..."

„Ich schmeiß dich nicht raus", unterbrach Harry ihn. Er trank ein paar weitere Schlucke seines Kaffees. „Du kannst meinetwegen noch kurz hierbleiben, du kennst ja den Weg nach draußen." Er trank die Tasse leer und stellte sie hinter sich in die Spüle. „Zieh die Tür einfach hinter dir zu."

Und mit diesen letzten Worten drehte er sich um und verließ die Küche, griff nach seinem Schlüsselbund (den Louis vom Fußboden aufgehoben und auf seinen Schuhschrank gelegt haben musste) und nach seinem Handy, ehe er schließlich aus der Wohnung trat. Der Hausflur war leer und Harry lehnte sich an die Wand neben seiner Wohnungstür, vergrub das Gesicht in den Händen, zwei Sekunden, fünf, zehn.

Schließlich stieß er sich von der Tapete ab, atmete einmal tief durch und stieg dann die Treppe hinunter bis zum Hintereingang des To Paradise.

Das vertraute Klicken der Tür erklang, als Harry den Schlüssel herumdrehte und seine Bar betrat. Der Steinflur war kalt und er bereute es ein wenig, bei seiner etwas überstürzten Flucht keine Strickjacke übergezogen zu haben, aber zurück gehen würde er nun ganz sicher nicht. Mit einem Seufzen hängte Harry sich seinen Schlüsselbund an die Gürtelschlaufe und schob dann mit einer Hand den Perlenvorhang beiseite, hängte ihn in die Wandverankerung.

Normalerweise tat er das immer schon nachts bei Ladenschluss, aber diesmal hatten er und Louis es wohl besonders eilig gehabt, aus dem To Paradise zu kommen, weshalb diese Aufgabe wortwörtlich hängen geblieben war, wie es schien. Harry verbot sich, über die letzte Nacht nachzudenken – er hatte sowieso noch viel zu viel zu tun, denn nicht nur die Sache mit dem Vorhang war noch nachzuholen. Zwar hatte Elena in der Nacht noch einen Großteil der Gläser hinter dem Tresen weggeräumt und auch die Stühle nach oben gestellt, doch das war noch lange nicht alles gewesen.

Harry streckte seinen Rücken durch und atmete noch einmal tief ein, dann machte er sich an die Arbeit: Den Ausschankbereich aufräumen und die Flächen abwischen, die Fensterscheiben zur Straße raus von Schmierflecken befreien, die sanitären Artikel in den Toiletten auffüllen, die vollen Müllbeutel zusammenknoten und zu den Containern im Hinterhof schaffen, die gesamte Bar einmal durchfegen.

Er war gerade dabei, den ganzen zusammengekehrten Dreck (darunter auch ein paar Glasscherben) mit Handschaufel und -besen in eine weitere Mülltüte zu verfrachten, da nahm er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Es war Louis, der sich mit verschränkten Armen und vollkommen lässig gegen den Durchgangsbogen lehnte und ihn bei seiner Arbeit beobachtete, als hätte Harry ihm nicht vor etwa einer Viertelstunde zu verstehen gegeben, dass er keine Gesellschaft mehr wünschte.

(Das war natürlich eine Lüge, aber er wollte seinem Herzen eigentlich keine weitere Möglichkeit geben, sich noch mehr an Louis zu verlieren, als er es sowieso schon getan hatte. Es war eine Frage von Selbstschutz, Louis von sich fernzuhalten.)

Mit einem leisen Fluchen richtete Harry sich auf – er hatte vollkommen vergessen, dass er ja einen Stopper in die Hintertür geklemmt hatte, um problemlos den Müll nach draußen schaffen zu können. Was er nicht wirklich bedacht hatte, war, dass Louis das möglicherweise als Einladung ansehen könnte, um hereinzukommen, während das eigentlich das letzte war, was Harry in diesem Moment gebrauchen konnte.

Bisher hatte sein Ablenkungsmanöver „Aufräumen" nämlich wunderbar funktioniert und Louis' Auftauchen warf ihn wieder gehörig aus der Bahn. Warum sah er so gut aus, wenn er vermutlich noch weniger Stunden Schlaf gehabt hatte als Harry? Er war weder duschen gewesen noch hatte er sich frische Kleidung anziehen können, und doch kam Harry sich neben ihm vor wie einer der gelben Müllsäcke, die er vorher noch zusammengeknotet hatte. Aber vielleicht lag das auch nur an seinem mentalen Zustand.

Louis sah ihn nur weiterhin an und am liebsten hätte Harry etwas gesagt, hätte ihn aufgefordert, das To Paradise zu verlassen, ihn einfach mitsamt seinen zerbrochenen Hoffnungen allein zu lassen. Aber er schaffte es nicht, den Mund zu öffnen, starrte stattdessen nur zurück, und irgendwann räusperte sich Louis.

„Hey, ääh... können wir reden?", fragte er. „Du wirkst distanziert und ich wüsste gern, was los ist."

Beinahe hätte Harry aufgeschnaubt. Das war ein Scherz, oder? Aber natürlich, wenn Louis darüber reden wollte...

„Wir hätten das nicht tun sollen", sagte er.

Louis zog seine Augenbrauen zusammen, nur minimal, aber Harry bemerkte es. „Was genau meinst du?", fragte er und schob das Kinn ein Stück nach vorne. „Den Sex? Oder redest du von den gesamten letzten zwei Monaten?"

Harry umfasste die Kehrschaufel und den Handbesen fester. Provozierte Louis ihn? Denn wenn ja, dann klappte das verdammt gut. „Die letzte Nacht. Das war ein Fehler."

Louis' Stimme war vollkommen ruhig als er fragte: „War es das?"

„Ja, verdammt!" Harry verstand nicht, wieso es so schwer war, diesen Schluss zu ziehen. Sie hatten beide Scheiße gebaut. Das mindeste wäre es, das wenigstens zuzugeben.

Wieder sah ihn Louis nur mehrere Sekunden lang schweigend an. „Willst du, dass ich gehe?", fragte er dann leise, „Weil ich es tun würde, wenn du mich darum bittest. Wenn du es wirklich für einen Fehler hältst."

Du solltest es genauso für einen Fehler halten!", explodierte Harry. Er warf Schaufel und Besen auf den Müllsack zu seinen Füßen und machte ein paar Schritte auf Louis zu. „Du willst wissen, was mit mir los ist, nachdem du mich gefickt hast, obwohl du gestern dieses supertolle Date hattest? Mit diesem... diesem... scheiß-perfekten Typen, der in seiner Freizeit vermutlich für Calvin Klein modelt, oder so! Warum bist du nicht einfach mit ihm nach Hause gegangen? Fuck."

Allerdings fuck.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top