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I Can See You - Taylor Swift

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Es war Freitagabend und die absolute Hölle los. Niall leistete ihm hinter der Bar Gesellschaft und mixte Drink um Drink, während Jeggie, Elena und Martha (eine weitere Aushilfskraft speziell für die Wochenenden) zwischen den Besuchern hin und her wuselten, Bestellungen aufnahmen und die leeren Gläser auf den Tischen durch volle ersetzten.

„Verdammte Scheiße." Niall wischte sich mit seinem Handrücken über die Stirn und zog eine Grimasse in Harrys Richtung. Seine zu Beginn der Schicht noch sorgsam gestylten Haare verloren langsam ihre Form und er hatte schon wieder Augenringe, die vermutlich bis zum Tartarus reichten.

Harry hätte gern etwas aufmunterndes gesagt, aber sein bester Freund hatte mit seiner Aussage so ziemlich den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Musik war laut, die Stimmen um sie herum noch lauter, es war warm und stickig und so sehr Harry seinen Job und die Bar auch liebte – für heute hatte er eigentlich die Schnauze voll. Immerhin (und das war ein echter Lichtblick) hielt der Haargummi seine Locken in einem festen Dutt, sodass sein verschwitzter Nacken frei blieb.

Er stellte das Tablett mit den fertigen Cocktails auf den Bartresen, als Jeggie auftauchte. Xies bunte Haare waren vollkommen zerstört und standen in alle erdenklichen Richtungen ab, doch als xier sich das Tablett griff, grinste xier Harry einmal breit an. „An Tisch acht flirtet einer mit mir!"

Harry lachte einmal auf. „Keine Ablenkung während der Arbeit, Jegs!", sagte er, aber ihnen beiden war klar, dass Harry definitiv nicht in der Position war, solche Anforderungen zu stellen.

Nicht, wenn Louis heute Abend wieder an einem der Tische mitten im Raum saß und einen Pullover trug, der so geschnitten war, dass gerade so der tätowierte Schriftzug auf seinem Schlüsselbein zu sehen war. Nicht, wenn Harrys Blick in jeder Lücke zwischen seinen Barkeeper-Tätigkeiten zu ihm huschte und er nur darauf wartete, dass die Nacht endlich endete, damit er Louis mit nach oben nehmen konnte.

Denn dass genau das passieren würde, war ihm nach den ersten fünf Minuten klar gewesen, in denen er Louis und sein Date beobachtet hatte. Der Typ hatte bereits bei seiner Ankunft seine übertriebenen Armmuskeln spielen lassen und schien auch sonst nur über „das Gym" zu reden, während er absolut nicht kapierte, dass Louis ihm so gut wie gar nicht mehr zuhörte. Schon dreimal war Harry seinem Blick begegnet und jedes Mal war ihm ein subtiles Augenrollen geschenkt worden, das ihn in der Annahme bestätigt hatte, dass Louis sein Date bei der nächstbesten Gelegenheit abservieren würde.

Dieses Wissen ließ ein warmes Kribbeln in seinem Magen aufsteigen und er musste sich ein Stück von Niall wegdrehen, um sein Grinsen vor diesem zu verstecken, denn mit Sicherheit hätte sein bester Freund ihn wieder nur damit aufgezogen.

Harry liebte es, wenn Louis' Dates scheiße liefen.

Martha brachte ihm eine Großbestellung von einem der Ecktische – vermutlich eine Geburtstagsfeier, denn eine der Frauen trug eine selbstgebastelte Krone auf dem Kopf – und ein paar Minuten lang war Harry vollkommen mit seiner Arbeit beschäftigt, während Niall alle weiteren Getränke übernahm. Erst, als er den letzten Cocktail gemischt und das Tablett Martha überlassen hatte, ließ er wieder seinen Kontrollblick durch die Bar schweifen.

Es war kurz vor Mitternacht und der Laden summte wie ein Bienenschwarm. Jeder einzelne Tisch war besetzt und auch direkt an der Bar waren nur noch vereinzelte Stühle frei. Mittig im Raum standen drei Personen und schwangen die Hüften zu den Spice Girls aus den Lautsprechern und auch der Rest der Gäste schien seinen Spaß zu haben. Eine Frau, die zu seiner linken am Tresen saß, wippte mit dem Kopf zur Musik und tinderte ganz ungeniert vor sich hin, während sie schon ihren dritten Drink leerte. Eine weitere Gruppe an einem der Tische direkt vor ihm hatte ein Kartenspiel-Set ausgepackt und zockte sich unter lautem Gejohle und Gelächter gegenseitig bei irgendeinem freundschaftlichen Trinkspiel ab.

Nein, über den Umsatz würde Harry sich heute definitiv nicht beklagen können. Dennoch erwischte er sich bei dem Gedanken, die nächsten vier Stunden halbwegs schnell rumkriegen zu wollen.

Mit einem leisen Seufzen griff er sich einen der Lappen und wollte gerade die kleinen Saft- und Alkoholpfützen von der Fläche vor sich wischen, da tauchte Elena vor ihm auf. Im Gegensatz zu Jeggie hatte sie es bisher ganz gut geschafft, sich den Stress-Look soweit vom Leibe zu halten, einzig ein paar lose Strähnen hatten sich aus ihren hochgesteckten Haaren gelöst.

„Einen Long Island und einen Blue Lagoon für Tisch neun", rief sie Harry über den Tresen hinweg zu und pinnte ihren Notizzettel auf dem Metallspieß fest, ehe sie sich auch schon wieder umdrehte und verschwand, um die nächsten Bestellungen aufzunehmen. Die Blicke mehrerer Frauen (und auch ein paar Männern) folgten ihr durch den Raum.

Harry sah Elena zur Sicherheit ein paar Sekunden lang nach, aber sein Küken schien die Lage wie immer bestens im Griff zu haben und so griff er schließlich nach dem Zettel. Er wusste, wer an Tisch neun saß, immerhin hatte er den Großteil des Abends damit verbracht, immer wieder dorthin zu sehen. Auch nun huschten seine Augen beinahe automatisch in die Richtung, als sie jedoch unerwartet direkt auf Louis' trafen, wandte er sich blitzschnell wieder ab.

Er konnte es sich heute absolut nicht leisten, sich von diesen verfluchten blauen Iriden ablenken zu lassen!

Und erst recht hatte er keine Lust, schon wieder seine dumme Eifersucht in den Griff bekommen zu müssen, nur weil dieser idiotische Muskelprotz noch immer versuchte, Louis mit seinen Geschichten aus der Muckibude zu beeindrucken. Was nicht klappte. Ganz bestimmt klappte das nicht. Louis konnte diese Art von Typen nicht leiden. Die, die so überzeugt von sich selbst waren, dass sie eigentlich eine eigene Werbekampagne gebraucht hätten, die immer nur über sich redeten und keinerlei Gegenfragen stellten, die dachten, ihr Aussehen wäre alles, was sie brauchten, um Louis ins Bett zu bekommen.

Wie zur Hölle Louis es schaffte, immer mit ausgerechnet diesen Typen auf einem Date zu enden, war Harry ein Rätsel. War Tinder wirklich so voll von dieser Art von Männern?

Obwohl er sich ja eigentlich nicht darüber beschweren durfte, dass Louis nur Idioten datete – es sorgte immerhin dafür, dass sie nach jedem dieser Dates zusammen in Harrys Bett landeten. Einzig die Tatsache, dass er auch auf den ersten Teil hätte verzichten können, verschwieg Harry ihm.

Das auszusprechen konnte nur nach hinten losgehen.

Ein tiefer Seufzer entwich ihm, dann machte er sich endlich daran, die gewünschten Drinks zu mischen.

***

Es dauerte ganze anderthalb Stunden, bis Louis es schaffte, sein Date loszuwerden.

Harry hatte nie verstanden, wie genau er das jedes Mal hinbekam, ohne dass die Typen ihm eine Szene machten, aber irgendwie schien er den Dreh wohl einfach rauszuhaben. Zwar sah das verschmähte Date alles andere als glücklich über den Verlauf der Dinge aus (vermutlich hatte er stark damit gerechnet, Louis mit seinen Armmuskeln überzeugt zu haben), aber er bezahlte nur seine Getränke und zog von dannen.

Aus dem Augenwinkel behielt Harry im Blick, ob er auch wirklich die Bar verließ, aber der Typ verzog sich tatsächlich nach draußen, sodass er seine gesamte Aufmerksamkeit wieder seiner eigentlichen Tätigkeit zuwenden konnte: die zwei Tabletts voller Shotgläser mit Tequila befüllen.

Die Happy-Hour für Cocktails war schon seit einiger Weile vorbei und mittlerweile waren die meisten Gäste entweder auf einfachere Drinks umgestiegen – oder eben auf Shots. Was hieß, dass zwar Jeggie, Elena und Martha noch immer zwischen den Tischen hin und her wuselten, es bei ihm und Niall hinter dem Tresen allerdings deutlich ruhiger zuging.

Es war kurz nach halb 2, als Louis auf den Barhocker direkt vor seine Nase rutschte.

„Harold", sagte er.

„Louis. Ein schönes Date gehabt?", fragte Harry, nur um seinen Gegenüber zu provozieren.

Dieser aber grinste nur quietschvergnügt. „Nope", sagte er, „Es war grauenvoll. Sag mal, kannst du mir noch so ein Dings mischen, wie ich vorher hatte? Dieses blaue Zeug?"

„Blue Lagoon?", fragte Harry nach und Louis strahlte.

„Genau sowas. Bitte?"

„Hm, sorry, ich bin grad noch beschäftigt", flunkerte er etwas und nickte mit dem Kinn in Richtung seiner Shotgläser. „Aber Niall macht dir sicher gerne einen, das geht schneller."

Louis' Brauen zogen sich zusammen und Harry gab sich innerlich selbst einen High-five. „Ich will von Niall nichts gemischt bekommen", bekam er schließlich eine Antwort und tat überrascht.

„Was, wieso nicht? Das hier braucht bestimmt noch ein paar Minuten, die du dich gedulden müsstest." Nun ja... zumindest, wenn er sehr langsam goss.

„Hmm", machte Louis sinnlich und beugte sich ein Stück weiter nach vorne in Harrys Richtung (Himmel, es gehörte wirklich verboten, dabei so attraktiv zu sein!). „Das macht mir absolut nichts aus, wenn ich dafür dich anschauen kann. Wusstest du, dass du verdammt heiß bist, wenn du Getränke mischst?"

Sein Tonfall konnte schon fast als Schnurren beschrieben werden und Harry spürte buchstäblich, wie sein Hals bei diesem plötzlichen Stimmungsumschwung wie auf einen Befehl hin trocken wurde. Fuck, Louis wusste viel zu gut, was er tat! Und er wusste auch, dass er Harry mit solchen Aussagen einfach an der Angel hatte, darauf ließ nicht zuletzt seine selbstgefällige Miene schließen, als er sich wieder ein wenig zurücklehnte.

„Ach", war alles, was Harry herausbrachte, bevor er sich erstmal räuspern musste. „Bin ich das?"

Louis ließ seinen Blick zu Harrys Händen wandern, die noch immer die Tequila-Flasche hielten. Ein neckisches Grinsen zupfte an seinen Mundwinkeln, als er wieder nach oben und Harry in die Augen schaute. „Mhm. Das bist du definitiv. Ich hätte dir die ganze verdammte Nacht dabei zuschauen können."

„Ach?", machte Harry wieder, aber diesmal war seine Stimme fester, selbstbewusster. Das hier war sein Laden, sein Job. Das hier konnte er.

Er stellte die Flasche ab, ohne seinen Gegenüber aus den Augen zu lassen, dann griff er nach den beiden Tabletts und stellte sie direkt neben Louis' Arm auf dem Tresen ab. „Shots für Tisch drei", sagte er mit erhobener Stimme zu Elena, als diese gerade auf ihn zu kam. Dann zog er sich wieder zurück und strich dabei mit seinen Fingern wie zufällig über Louis' entblößte Haut.

Elena schnappte sich eins der Tabletts und kurz sah Harry ihr hinterher, stellte sicher, dass bei ihr noch immer alles im grünen Bereich war. Dann wandte er sich wieder Louis zu. „Also", sagte er, „Blue Lagoon, hast du gesagt?"

Das Feuer in Louis' Augen brannte beinahe so gleißend-blau wie der Likör, nach dem Harry sich umdrehte – nur, um auf halbem Weg Nialls Blick zu begegnen, der nur knapp zwei Meter weiter rechts stand und ihn mit wissend hochgezogenen Augenbrauen ansah.

„Dich hat's wirklich ganz mies erwischt", formte er mit den Lippen.

Und ja. Vielleicht hatte es das wirklich.

***

Stühle hoch. Arbeitsflächen abwischen. Lichter aus. Louis' Mund auf seinem. Abgesperrt? Zeitschaltuhr? Check. Toilettenfenster überprüfen. Hinterausgang, Tür zu. Louis' Hände, Louis' Blicke, Louis, der ihn die Treppen nach oben zog. Heute Abend war er betrunkener als vor zwei Nächten. Ob das an dem Muskelprotz lag, dessen langweilige Gym-Stories er sich stundenlang hatte anhören müssen? Oder schlugen nun einfach die ganzen Cocktails auf einmal zu, die er getrunken hatte, während er Harry bei Arbeiten beobachtet und auf dessen Feierabend gewartet hatte?

„Komm schon, ich will dich ausziehen!" Gekeuchte Worte an Harrys Lippen, noch bevor er seine Wohnungstür richtig hinter sich geschlossen hatte. Sein Schlüsselbund, der zu Boden fiel und dann Finger, die unter sein Oberteil schlüpften. Louis' Zunge an seiner. Stolperschritte durch den Flur und leises, atemloses Lachen, bis sie im Schlafzimmer ankamen und auf die Matratze fielen.

„Kriegst du so betrunken überhaupt noch einen hoch?", fragte Harry, eigentlich ziemlich ernst gemeint.

Louis grinste jedoch nur und schlug ihm gegen die Brust. „Komm her und find's raus", sagte er dann, ehe er Harry in die Laken drückte, um ihm die Frage aus dem Kopf zu küssen, während das neonpinke Licht des „TO PARADISE" von unter herauf durch das Fenster schien.

Nacheinander wurden sie ihre restliche Kleidung los, erst Louis, dann Harry. Sie landete auf dem Fußboden, dunkle Haufen auf dem lavendelfarbenen Teppich. Ein Schuss Unordnung in der so sorgsam gehaltenen Ästhetik der Wohnung.

Ein abgehacktes Stöhnen entwich Harrys Kehle, als Louis keine Sekunde verschwendete und sich über seinen Schritt beugte, sobald sie beide nackt waren. Seine Finger gruben sich in Harrys Oberschenkel, drückten ihn in die Matratze, hinterließen vermutlich Male auf der hellen Haut, und Harry fühlte sich so hilflos – auf die beste Weise, auf die man sich so fühlen konnte.

Er ließ es zu, dass Louis ihn herumdrehte, seine Hüfte nach oben zog, seine Finger mit Gleitgel benetzte. Er nickte, als Louis fragte: „Ist das okay?", so wie er es jedes Mal tat. Er drückte sein Gesicht in das Kissen und atmete schwer und laut in den Stoff, als Louis ihn vorbereitete, trotz seiner Betrunkenheit immer vorsichtig, und keuchte auf, als er schließlich in ihn eindrang. Er kam den Stößen entgegen und stöhnte, als Louis zusätzlich seine Hand um Harry legte und das Feuer in ihm noch höher brennen ließ. Er bebte, als er seinen Orgasmus erreichte und biss ins Kissen unter sich, als die nächsten Stöße noch härter wurden, als Louis beide Hände an seine Hüfte legte und seinen eigenen Höhepunkt jagte, ehe er schließlich ebenfalls kam.

Harrys fühlte sich, als wäre er soeben einen Marathon gerannt. Seine Brust hob und senkte sich stark und noch immer spürte er die Nachbeben seines Orgasmus. Seine Beine zitterten und am liebsten hätte er sich einfach gänzlich auf die Matratze fallen lassen und wäre bis zum nächsten Morgen nicht mehr aufgestanden.

Doch so funktionierte diese Sache hier nicht.

Und so wartete er ab, bis Louis seinen eigenen Atem so weit unter Kontrolle hatte, dass er sich vorsichtig aus ihm zurückzog – dass er Harry vorher einen kurzen Kuss in den verschwitzten Nacken hauchte, wurde geflissentlich ignoriert. Das und die Tatsache, dass die Geste einen Schwarm Schmetterlinge in seiner Brust aufsteigen ließ.

„Alles okay?", wollte Louis wissen. So wie jedes Mal.

Und wie jedes Mal nickte Harry und unterdrückte den Seufzer, während er Louis' Blick auswich. Wie jedes Mal ignorierte er seine müden Beine und stand vom Bett auf, um Louis nicht seine Gefühle lesen zu lassen. Wie jedes Mal schminkte er sich an der Kommode ab und sortierte die Klamotten, die auf dem Teppich gelandet waren: Seine eigenen in den Wäschekorb, Louis' zusammengelegt auf den Hocker unter dem Fenster. Wie jedes Mal spürte er das blaue Augenpaar, das jeden einzelnen seiner Schritte beobachtete, genau.

Harry unterdrückte einen weiteren Seufzer, als er nackt zurück ins Bett stieg. Zurück zu Louis, der die Decke einladend angehoben hatte und sein typisches Lächeln lächelte, während Harry über den Fleck kletterte, den sein Sperma auf dem Laken hinterlassen hatte. Ob er wirklich den Nerv hatte, seine Matratze schon wieder neu zu beziehen, musste er sich noch überlegen – besonders, da er sowieso keinen anderen Gast in seinem Schlafzimmer haben würde als Louis.

Louis, der nun seinen Arm um Harry legte, der ihn an sich zog, Brust an Rücken. Louis, dessen Hand auf Harrys Herz lag und der jeden einzelnen, viel zu schnellen Schlag spüren musste. Louis, der sich benahm, als wäre der Sex, den sie hatten, nicht nur eine lässige Bettgeschichte. Louis, der bald sein nächstes Date mit ins To Paradise bringen würde.

Louis, der wie jedes Mal nicht mehr da sein würde, wenn Harry am Morgen aufwachte. 

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