Kritik von Testlesern

,,Kritik ist kein abwertendes Werturteil, sondern nur Hilfe für das Werdende.''

Egal ob die eigene Familie, Freunde oder fremde Testleser: Wenn du das Manuskript für deinen Buch das erste Mal jemand anderem zum Lesen gibst, kommst du um schwitzige Hände nicht herum.

Die meisten von uns Autor plagt aber mehr als ein leichtes Unwohlsein: Wir haben Angst vor der Kritik der ersten Leser.

Was werden sie bloß über mich denken?

Werden sie meinen Text kritisieren oder sogar darüber lachen?

Werden sie die Szenen zerreißen, die mir am meisten am Herzen liegen?

Oder werden sie meine Geschichte im schlimmsten Fall langweilig finden?

Gerade wenn wir schon seit Wochen, Monaten, manchmal sogar Jahren an unserem Manuskript schreiben, tut Kritik von anderen Leser natürlich besonders weh. Wir haben dann bereits eine ‚,Beziehung'' zu unserem Text aufgebaut, haben Höhen und Tiefen mit ihm durchlebt. Zudem kann es sein, dass wir ihn bereits mehrmals überarbeitet haben und nun der Meinung sind, dass er perfekt sein müsste.

Wie geht man also mit Kritik von Testlesern richtig um?


Die Grundsätze der Kritik

Bevor ich zu meiner eigentlichen Strategie komme, halte ich es für wichtig, ein paar Grundsätze aufzuzählen. Besonders wenn du noch nie die Kritik von Testlesern einarbeiten musstest, kann es in der Aufregung schnell passieren, dass du die einfachsten Dinge vergisst. Deswegen hier ein paar „Regeln":

-Die Kritik ist kein persönlicher Angriff, sondern ist da um dir zu helfen. Auch wenn sie unglücklich formuliert ist, kannst du wahrscheinlich trotzdem von ihr lernen.

-Du musst nicht jede Kritik umsetzen. Jeder Mensch hat seine eigenen Meinungen und die müssen und werden sich nicht mit deinen decken. Und das ist in Ordnung. Du kannst es nicht jedem Recht machen. Wichtig ist, dass du am Ende mit dem Ergebnis zufrieden bist.

-Je öfter dieselbe Kritik von verschiedenen Testlesern kommt, desto mehr solltest du darüber nachdenken, ihre Kritik umzusetzen. Es kann gut sein, dass du dich mit deiner Meinung in einer Minderheit befindest. Wenn sich also alle Testleser an einem Detail stören, solltest du seinen Sinn gründlich überdenken.

Die offensichtlichen Fehler

Manche Kritiken sind leicht als „berechtigt" anzuerkennen und damit auch einfach umzusetzen. Man denke an Rechtschreib- oder Grammatikfehler oder einfache Logikfehler. Denn es ist ziemlich offensichtlich, dass deine Geschichte idealerweise fehlerfrei und logisch sein sollte. Diese Fehler zu überarbeiten, ist meist nicht mehr als Fleißarbeit. Trotzdem gibt es schon hier zwei verschiedene Vorangehensweisen:

Zuerst Inhalt, dann Rechtschreibung und Grammatik

Denn warum solltest du die Tippfehler korrigieren, wenn du die Sätze möglicherweise sowieso wieder löschst, weil sich der Inhalt ändert? Damit würdest du nur Zeit verschwenden, die du auch zum Schreiben benutzen könntest.

Zuerst Rechtschreibung und Grammatik, dann Inhalt

Wenn du zuerst den Inhalt anpassen würdest, dann können sich ganze Szenen verschieben und die kleinen Vertipper dann wiederzufinden kann schwierig sein. Da ist es einfacher, sie zu korrigieren, wenn du sie in den Kommentaren siehst. Das kann zwar bedeuten, dass du einige Fehler unnötigerweise korrigierst, aber das nimmt weniger Zeit, als sie nachher manuell suchen zu müssen.

Beide Ansichtsweisen haben ihre Berechtigung und wie du vorgehen solltest, entscheidet letztendlich nur deine persönliche Schreibweise. Es gibt kein richtig oder falsch, es muss einfach nur getan werden.

Kritik umsetzen – Was tun bei Unsicherheiten?

Aber was passiert, wenn du mit der Meinung in den Kommentaren nicht übereinstimmst?

Da wird es schwieriger.

Denn wer hat nun Recht?

Der Testleser, der einen Blick von außen hat, aber auch nicht genau weiß, was eigentlich deine Vision ist?

Oder du, auch wenn du möglicherweise voreingenommen bist, was deine Geschichte angeht?

Der Grat, den du hier zu wandeln hast, ist schwierig und bei jeder einzelnen Kritik musst du neu entscheiden.

Diese Entscheidung kann dir leichter fallen, wenn du dir die folgenden zwei Fragen stellst:

Warum wurde die Textstelle kritisiert?

Diese erste Frage mag auf den ersten Blick eine offensichtliche Antwort haben: „Weil der Testleser meint, dass die Textstelle verbessert werden kann/sollte".

Aber ich würde dich dazu drängen, die Gründe tiefergehend zu hinterfragen. Warum genau wurde diese Stelle kritisiert?

Da können viele Fakten mit hereinspielen:

Ist dein Testleser mit deinem Genre vertraut?

Wie war die Erwartungshaltung des Testlesers und warum war sie so?

Was sind die persönlichen Vorlieben deines Testlesers?

All das und noch viel mehr kann die Art der Kritik beeinflussen. Deswegen halte ich es für extrem wichtig, deine Testleser gut kennen zu lernen. So kannst du nämlich die Kritik immer in ihrem Kontext verstehen.

Wenn du herausfinden kannst, warum eine Kritik angebracht wurde, dann kannst du besser entscheiden, ob du sie umsetzen möchtest.

Wie würde eine Änderung die Geschichte verbessern?

Ich frage hier absichtlich nicht „ob" eine Änderung deine Geschichte verbessern könnte. Denn die Frage nach dem „ob" würde eine einfache Ja– oder Nein-Antwort verlangen und oftmals sind diese schwarz- und weiß-Fragen nicht so leicht zu entscheiden, einfach weil die Antwort grau ist. Das „wie" verlangt von dir, dass du Gründe findest. Und wenn du von dir selbst verlangst Gründe zu finden, ist es einfacher, die eigene Voreingenommenheit hinter sich zu lassen und sich allein mit der Geschichte zu beschäftigen. Schnell stellen sich dann Fragen wie:

Was war meine Absicht mit dieser Textstelle?

Warum habe ich die Situation/Beschreibung/etc. auf diese spezielle Art und Weise umgesetzt und nicht anders?

Wenn du dir deine eigenen Absichten vor Augen führst und dann damit abwägst, wie die Szene von deinen Testlesern wahrgenommen wird, kannst du einfacher abschätzen, ob eine Änderung notwendig ist.

Rückmeldung der Testleser kann Goldwert sein

Was wir am meisten fürchten, ist negative Kritik. Doch gerade, wenn es sich um handelt, die dein Manuskript lesen, können ihre Anmerkungen pures Gold für deinen Text sein. Das gilt insbesondere für Szenen und Charaktere, mit denen du dir selbst nicht ganz sicher bist. Zögere es also lieber nicht heraus, deinen Text anderen zu zeigen. Arbeite lieber schon vorher in kleinen Dosen mit ersten Lesern zusammen, um dich von ihren Anmerkungen inspirieren zu lassen. So wird auch deine Angst vor Kritik abnehmen.


Ich gebe zu, dass diese beiden Fragen alleine nicht immer zu einer zufriedenstellenden Antwort führen. Wenn du Kritik umsetzen willst, ist jede Situation so unterschiedlich, dass man mit allgemeinen Tipps nicht immer weiterkommt. Jedes Mal musst du von Neuem abwägen und dich neu entscheiden. Auch wenn es im ersten Moment einfach scheinen mag, die Kommentare der Testleser einzuarbeiten, wirst du wahrscheinlich schnell merken, dass es doch zeitaufwändig und komplex ist.

Mein letzter Tipp ist deswegen Folgender: Nimm dir Zeit. Du musst dich nicht bei jeder Kritik sofort entscheiden, ob du sie umsetzen willst oder nicht. Wenn du dir unsicher bist, lass sie liegen und kümmere dich später darum. Und wenn die Zeit auch nicht hilft, dann wende dich nochmal an die Testleser. Spreche die Kritik nochmal im Einzelnen durch und vielleicht können sie dir in ihrer Entscheidungsfindung helfen.

Liebe Grüße

Natalia

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