Eine Kampfszene schreiben
,,Du fällst hin, um wieder aufzustehen. Du stehst wieder auf, um weiter zu machen. Du machst weiter, um zu kämpfen. Du kämpfst, um zu siegen!''
Ich denke, ich bin noch nie jemandem begegnet, der Kampfszenen neutral gegenübersteht. Die Leute hassen oder lieben sie. Wenn ich mich da irre, lasst es mich gerne wissen, aber das ist meine persönliche Erfahrung. Ich persönlich mag Kampfszenen, auch wenn ich sie schwierig zu schreiben finde. Es gibt so viele Faktoren, die man beachten muss, damit die Szene letztendlich die Energie hat, die man haben will. Aber um diese Energie zu kriegen, habe ich ein paar wunderbare Tipps, die einem das Leben leichter machen und die ich hier und heute mit euch teilen will.
Was ist der Nutzen der Kampfszene?
Klar, klar. Ihr schreibt Action-geladene Geschichten, in denen die Charaktere sich schon mal gegenseitig die Visage polieren. Stehe ich drauf, keine Frage, aber ich will eine sehr wichtige Sache von euch wissen: Wieso braucht eure Geschichte genau diese Kampfszene an genau dieser Stelle?
Wenn ihr eine klare Antwort darauf habt: Herzlichen Glückwunsch!
Wenn nicht: Kein Problem. Dafür bin ich ja hier.
Zunächst einmal ist es von oberster Wichtigkeit, dass ihr sämtliche Ziele eurer Charaktere kennt, sämtliche Motivationen jeder einzelnen Figur. Jede Person, die an einem Kampf teilnimmt, hat natürlich persönliche Erwartungen, die sie an eben diesen Kampf stellt, etwas, das sie damit erreichen will.
Ergibt Sinn, nicht wahr?
Man schlägt nicht grundlos Leute. Hoffe ich. Ein Krieger könnte für Ruhm in der Arena kämpfen. Das ist eine Motivation. Ein junger Mensch könnte im Krieg für Geld kämpfen, um seine Familie zu ernähren. Noch eine Motivation. Ein Kind könnte in der Schule gegen den Fiesling der Klasse kämpfen, um ihn in seine Schranken zu weisen. Motivationen, so weit das Auge reicht.
Gut. Sehr gut. Unsere Protagonisten haben jetzt also ihre Motivation, in unsere Kampfszene zu spazieren und sich ein bisschen zu prügeln.
Aber was ist mit den Gegnern?
Haben die auch alle Ziele, die sie durch diesen Kampf zu erreichen versuchen?
Also, abgesehen von dem Ziel, stetig gegen unsere Hauptcharaktere vorzugehen, weil sie halt die Bösen sind.
Wie gesagt: Kennt jedes einzelne Ziel, für das die Charaktere in den Kampf ziehen.
Sprechen wir jetzt mal konkret über den Nutzen der Kampfszene für die Geschichte, statt des Nutzens für unsere Charaktere. Eure Kampfszene ist eine Szene. Wow. Ich wette, das überrascht euch jetzt eher so gar nicht, aber jede einzelne Szene, die ihr schreibt, muss selbstverständlich eure Geschichte voranbringen. Da sind Kampfszenen keine Ausnahme. Ihr könnt nicht einfach aus Lust und Laune mal einen Kampf anzetteln, der keinerlei Konsequenzen nach sich zieht. Weder im echten Leben noch in der fiktionalen Welt. In der echten Welt solltet ihr vielleicht sowieso keinen Kampf anzetteln, aber wenn ihr es tätet, hätte das für euer Leben garantiert Konsequenzen. Dem entsprechend sollte das für eine Geschichte natürlich auch so sein.
Einerseits könnten diese Konsequenzen offensichtlich Verletzungen oder sogar den Tod beinhalten, das ist immer aufregend. Aber ein Kampf kann beispielsweise auch Charakterentwicklung liefern.
Wird euer abgebrühter, unerschütterlicher Held vielleicht das erste Mal in einem Duell besiegt?
Das könnte ihn ziemlich verunsichern, würde ich sagen.
Sicherlich könnte auch das genaue Gegenteil passieren: Euer schmächtiger, untrainierter Protagonist gewinnt plötzlich einen Faustkampf gegen den Schläger der Schule und mit ihm eine gehörige Ladung Selbstbewusstsein.
Was ich sagen will: Seht Kampfszenen nicht einfach als stumpfes Geschlage und Gehaue. Spielt und arbeitet mit ihnen, wie ihr sonst auch mit allen anderen Szenen spielt und arbeitet.
Seid clever!
Apropos spielen und arbeiten: Ich wette, dass ihr allesamt äußerst intelligente Menschen seid.
Und außerdem wette ich, dass ihr ein bisschen was von dieser Intelligenz ohne Probleme in eure Kampfszenen stecken könntet. Seht eure Kampfszenen nicht einfach als stumpfes Geschlage und Gehaue.
Ich erwarte natürlich nicht von euch, plötzlich zu einem Meister für Kriegsstrategie zu werden, aber ein wenig strategisches und kreatives Denken sollte man für seine Kampfszenen schon aufbringen.
Wie könnten die Charaktere das Terrain für sich nutzen?
Könnte man dieses Messer nicht auch werfen?
Wie witzig wäre es, wenn der Antagonist einfach alles in Brand setzt?
Werdet kreativ! Darum geht es beim Schreiben doch letztendlich.
Die Charaktere
Ihr denkt vielleicht, ich hätte schon genug über Charaktere geredet, aber falsch gedacht!
Passend zur eben genannten Cleverness, die ihr beim Schreiben von Kampfszenen nutzen sollt, fokussieren wir uns jetzt auf die Cleverness eurer Charaktere. Beziehungsweise auf deren insgesamt.
Wie eigentlich jede Szene sind auch Kämpfe perfekt dazu geeignet, den Lesern die Persönlichkeiten eurer Charaktere zu zeigen.
Ist Charakter A sehr intelligent?
Dann wird er wahrscheinlich seine Vorteile für sich nutzen und während des Kämpfens reichlich darüber nachdenken, was er als nächstes machen sollte.
Ist Charakter B schlagfertig und humorvoll?
Vielleicht haut er während eines Kampfes ein paar amüsante Kommentare raus.
Ist Charakter C eher ängstlich?
Dann wird er vermutlich versuchen, sich vorm Kämpfen zu drücken, so gut er kann.
Ihr seht: Wie eine Person sich verhält, hängt stark von ihrer jeweiligen Persönlichkeit ab. Das müsst ihr zwar so oder so immer bedenken, aber bei Kampfszenen solltet ihr es natürlich nicht vernachlässigen.
Um mal einen anderen Aspekt anzuschneiden, der sich ebenfalls mit den Figuren befasst, reden wir über euren Hauptcharakter. Oder auch eure Hauptcharaktere. Was weiß ich, wie viele POVs ihr in euer Buch hauen wollt. Der Einfachheit halber gehen wir kurz mal von einer aus, aber das ändert eigentlich nichts. Ihr dürft so viele Sichten in die Gesichter eurer Leser boxen, wie ihr wünscht. Ich verurteile ja niemanden. Jedenfalls müsst ihr bei Kampfszenen unbedingt beachten, dass die Leser sie – wie immer – mit eurem Hauptcharakter zusammen erleben.
„Er fühlte, wie sie ihm die Faust ins Gesicht schlug."
Wow, was bin ich gefesselt. Es ist, als wäre ich in diesem Moment! Nee, aber jetzt mal ernsthaft. Bei Kampfszenen sollt ihr selbstverständlich nicht zu ausschweifend werden, was die Informationsübermittlung anbelangt, aber ein bisschen Show ist durchaus angebracht. Erzählt dem Leser, wie der Schlag sich anfühlt, wie das Blut unserem Helden warm das Gesicht herunterströmt. Dafür bin ich hier.
Außerdem ist es auch immer empfehlenswert, unseren lieben Lesern zu schildern, wie unser Charakter den Kampf generell wahrnimmt.
Fühlt er sich selbstsicher?
Generell: Wir nehmen den Kampf durch die Augen des Charakters wahr, also beschreibt uns das Geschehen auch durch seine Augen, nicht das objektive Drumherum.
Die emotionale Ebene
Für viele Figuren ist in so einer Actionsequenz viel Emotion involviert. Angst, Wut, Sorge, Hoffnung sind alles Emotionen, die in so einer Sequenz gespürt werden können und die Handlung antreiben können. Natürlich ist das etwas, das mehr oder weniger eine Rolle spielt, je nachdem die entsprechenden Figuren vorbereitet und ausgebildet sind.
Emotionen machen Actionszenen häufig interessanter – vor allem im geschriebenen Wort, weil sie eine weitere Ebene in die Szenen bringen und mehr Möglichkeiten schaffen, sich mit den Charakteren zu identifizieren.
Die psychische Ebene
Wir dürfen natürlich auch die andere Ebene nicht vergessen: Die physische Ebene. Das, was tatsächlich passiert. Denn natürlich sind die meisten Actionszenen sehr, sehr physisch. Was bedeutet, dass letzten Endes Actionszenen vor allem dann besonders gut funktionieren, wenn sie sehr kinematisch sind.
Das bedeutet vor allem beschreiben.
Nur gibt es hierbei eine Herausforderung: Beschreiben ohne zu viel zu beschreiben. Denn das ist bei Actionszenen das Gleichgewichtsspiel. Wird zu wenig beschrieben können die Lesenden sich nicht vorstellen, was passiert und die Szene funktioniert nicht. Wird jedoch zu viel beschrieben, wird das Pacing der Szene selbst zerstört und die Spannung wird gebrochen.
Wichtig ist jedoch, dass die Lesenden sich ein paar Dinge jederzeit gut vorstellen können:
Wie sieht die Umgebung aus?
Wo befinden sich die teilnehmenden Figuren und in welchem Verhältnis befinden sie sich zueinander?
In welchem Zustand sind die teilnehmenden Figuren?
Wie sind die teilnehmenden Figuren gerüstet und bewaffnet?
Aufbau
Wenn wir über das Pacing bei Kampfszenen sprechen, lasst uns auch darüber sprechen, wie eine Kampfszene aufgebaut ist.
Wichtig hierbei ist: Nein, nicht jede Kampfszene muss haargenau so aufgebaut sein – immerhin ist nicht jede Kampfszene direkt das große Finale eines Akts. Doch gerade wenn es ein großer Finalkampf ist und allgemein der Kampf einen wichtige Rolle in der Geschichte spielt, sind diese Stichpunkte oft sinnvoll.
Vorspiel: Die Einleitung/Szene, die zu dem Kampf spielt.
1. Auslöser: Etwas geschieht, das den Kampf unausweichlich macht. Ggf. versuchen die Figuren sogar einen Umweg zu finden – in welchem Fall ein zweiter Auslöser folgt.
2. Der erste Angriff: Der erste Angriff wird ausgetauscht. Egal ob es der erste Schlag oder der erste Schuss ist.
3. Die Komplikation: Aus irgendeinem Grund sieht der Kampf nicht gut für di*en Protagonist*in aus.
4. Die Krise: Der Protagonist in kommt ins Schwitzen und wird in die Ecke gedrängt.
5. Die Wende: Irgendwie schafft es der Protagonist das Blatt zu wenden – sei es durch einen klugen Einfall oder eine gute Unterstützung.
6. Die Auflösung: Der Kampf wird beendet.
Natürlich kann es absolut auch sein, dass das ganze andersherum laufen kann: Vielleicht sieht es am Anfang gut für die Held aus und am Ende gewinnt der Antagonist. Das kommt natürlich komplett darauf an, was eure Geschichte braucht.
Übertreibt es nicht mit der Action, Autoren!
Wenn du eine Kampfszene schreibst, könntest du den Drang verspüren, jeden einzelnen Schlag zu beschreiben. Das ist verständlich. Du möchtest dem Leser genau beschreiben, wie der Kampf abläuft. Doch Autoren müssen diesen Drang unterdrücken und den richtigen Mittelweg finden. Den Mittelweg zwischen der Beschreibung jeden einzelnen Schlags und genug Raum für den Regisseur und den Stuntkoordinator, damit sie ihre eigene Kreativität einfließen lassen können.
Wichtige Hilfen
Vielleicht hilft dir Musik zum Schreiben. Du kannst dir eine Playlist mit Musik zusammenstellen, die dich zu Kampfszenen inspiriert. Besonders hilfreich finde ich Filmmusik, speziell die zu Schlachten oder Kämpfen. Da schwingt so viel Energie und Power mit.
Eine andere Möglichkeit ist, sich Bücher mit Kampfszenen herauszusuchen und diese Textstellen besonders aufmerksam zu lesen.
Wie beschreibt der Autor die Handlung, womit kämpfen die Figuren und wie führt er diese Gegenstände ein?
Wie wird die Umgebung beschrieben?
Sind die Sätze kurz oder eher lang, gibt es Dialoge?
Natürlich sollte man sich auch möglichst professionell mit verschiedene Waffen oder Kampftechniken auseinandersetzen, zum Beispiel in Foren, Fachhandbüchern oder persönlich mit Menschen, die bestimmte Kampfkünste ausüben, wenn man sich nicht den Kritiken von sogenannten Experten aussetzen möchte.
Wie geht der Kampf aus?
Es ist seltsam, wenn niemand in einem Kampf stirbt oder verwundet wird. Vielleicht erwischt es den Protagonisten, vielleicht nur eine Nebenrolle. Wenn dieser Tod
wichtig ist, dann unbedingt „die Kamera draufhalten".
Ich habe zwar noch nie eine Kampfszene geschrieben, aber ich hoffe, dass euch mein Beitrag trotzdem helfen konnte. Es hat mir jedenfalls sehr viel Spaß gemacht, mich mit diesem wirklich spannenden Thema auseinanderzusetzen.
Habt ihr schon mal eine Kampfszene beschrieben?
Liebe Grüße
Natalia
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