Abgabe Nr. 1:

Triggerwarnung: Andeutung von Gewalt

Wenn Dämme brechen

Er spürt den starren Griff um seinen Hals. Finger, so kalt wie Eis, Finger, die vorher ein Feuer in ihm entfachten und so warm wie Sonnenstrahlen an einem klaren Junimorgen waren.  Nun sind seine sonst braunen, kaffeefarbenen Augen schwarz. Das Dämmerlicht des Raumes vertieft die Schatten seines Gesichtes, lassen es ausgehungert und ausgezehrt wirken. Seine Haare, zerzaust und strähnig, diese verdammten Strähnen, die Tobias so verrückt gemacht haben… Sie sind nur noch ein irritierendes Detail in diesem unglaublich irritierenden Bild von Orion, wie er seine Hände unerbittlich um seinen Hals hält. 

“Oh, Tobias. Du bist so schön, wie du dastehst.” Orion lehnt sich an sein Ohr und haucht die Worte auf seine Haut, als würde er ein Bild aus diesen kreieren, ein abscheuliches Bild, gemalt mit Tobias Gänsehaut. “Du hast mich wirklich verrückt gemacht, weißt du?”

Der Schauer, der seinem Rücken runterläuft, gepaart mit diesen Schmetterlingen in seinem Bauch, ist das ekelhafteste Gefühl, was Tobias jemals gefühlt hatte. Er hätte auch brechen können. Jetzt gleich. 

Orion atmet tief ein und wieder aus. Der Duft von Tobias Haut steigt ihm in die Nase und die Synapsen in seinem Gehirn schlagen wieder Alarm, so wie jedes Mal, wenn er Tobias näher kommt. Aber diesmal ist es anders. Seine wahre Natur hat sich gezeigt und es gibt kein zurück mehr.

Er weiß, er würde es bereuen, sobald er diesen berauschenden Zustand verließ, aber nicht jetzt. Jetzt ist ihm das egal. 

“Orion… Warum?”, krächzt Tobias auf einmal hervor.

“Oh… Du meinst das?” Orions Hand festigt sich ein Stück mehr um den Hals von Tobias und lässt diesen schwer röcheln und husten. Orion selbst schaut ihm nun in die Augen, sein Blick genauso erbarmungslos wie seine Stärke. Ein grausiges Lächeln entblößt zwei blitzende Reißzähne. 

“Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten, Tobias.” Er ist unerträglich nah. Die Luft scheint mehr und mehr zu weichen, je näher er Tobias Gesicht kommt. “Ich konnte einfach nicht mehr, Tobias... “

Beim Anblick der Reißzähne verliert Tobias Gesicht jeglichen Ausdruck von Schmerz und weicht stattdessen blanken Entsetzen. 

“Überrascht?”, grinst Orion nur und mustert die Züge seines Gegenübers mit intensiver Genauigkeit. Und lässt seine Hand fallen. 

Tobias fällt auf die Knie. Er versucht sich noch mit seinen Armen abzufangen, aber sie knicken ein. Er keucht und röchelt, versucht mit kurzen, unregelmäßigen Atemzügen den heiß ersehnten Sauerstoff in seine Lungen zu lassen, hustet, versucht wieder verzweifelt zu atmen. Heiße Tränen rollen von seinen Wangen und fallen still auf den weichen Teppichboden und färben ihn dunkel. 

“Wirst du jetzt mein Blut trinken?”, flüstert er zwischen seinen Tränen.

Ein leises Lachen erfüllt den Raum. “Ich trinke nicht dein Blut, mein Lieber. Lass es uns anders formulieren...“ 

Ein Finger legt sich unter Tobias Kinn und hebt seinen Blick. “Blut ist für mich nur das, was für dich dein geliebter Apfelstrudel ist. Das ist alles.”

Unglauben schimmert in Tobias Augen. Die nassen Streifen in seinem Gesicht reflektieren ein bisschen des Dämmerlichts. 

“Du bist so schön.” Ihre Lippen treffen aufeinander. Es ist nicht das erste Mal, aber das erste Mal, dass es sich so falsch anfühlt. Noch mehr Tränen ergießen sich aus Tobias Augen, und wenn er gedacht hatte, dass er nicht noch mehr weinen könnte, er hatte sich geirrt. Sein Mund verzieht sich wieder und Orion lässt endlich von seinen Lippen ab. Schwer schluchzend starrt er den Boden an. 

“WARUM?”, schreit er. “Ich liebe dich doch! Ich liebe dich doch, verdammte Scheiße! WARUM TUST DU MIR SOWAS AN?!”

Orion runzelt die Stirn. “Tobias…”

“WAG ES JA NICHT, MEINEN NAMEN AUSZUSPRECHEN!”

Orions Haut schmiegte sich sachte an seine. Küsse regneten auf seine Wange, seine Brust, seine Arme. Ein elektrisierendes Gefühl floss durch seinen ganzen Körper und sie fingen immer dort an, wo Orion seine Küsse ansetzte. Sein schwerer Atem war eines der schönsten Dinge, die Tobias jemals mitbekommen durfte. Seine schwarzen Haare, die wellig sein Gesicht umrahmten, als er ihm endlich in die Augen sah, um Luft zu holen...

“Genug mit diesem Spiel…” 

“Ich liebe dich, Tobias”, hauchte Orion, seine Stirn an die von Tobias gepresst. 

“Ich dich auch, Orion…”

Tränen rennen weiter seine Wangen runter, aber diesmal zittert seine Stimme, als er sagt: “Töte mich endlich. Lass es uns hinter uns bringen.”

“To-” Er will weitersprechen, aber er kann nicht. Als Tobias anfing, ihn anzuschreien, hatte etwas ganz hinten in seinem Bewusstsein “klick” gemacht. 

Orion versteht es nicht.

Was ist das für ein Gefühl? Diese Mischung aus unendlicher Zuneigung und animalischen, unerbittlichen Hunger? 

Als er die Worte ausgesprochen hatte, die ihm so lange im Kopf herumschwirrten, als er Tobias wieder in die Augen schaute, wusste er, er wollte diesen Anblick niemals verlieren. Er wollte ihm immer wieder so in die Augen schauen können, wie jetzt. 

Das Gefühl, wie zwei Zähne sich in seinen Hals bohren, war ekelhaft und demütigend. Schneller, als er es mitbekommen hätte können, war Orion auf seine Knie gefallen und hatte seine Zähne unter seine Haut gegraben. Und Tobias ist verstummt. Ein leerer Blick zeichnet sich auf seinem Gesicht ab, unbewegt auf das kleine Gemälde des Waldes vor Orions Haus gerichtet. Es ist ein schönes Gemälde. Ein sehr schönes Gemälde. 

Tobias bekam nicht mehr den bebenden Körper Orions mit, die kalten Tränen, die sich in Tobias Halsbeuge sammelten. Er bekam nicht mehr mit, wie Orion sich fragte, was er da tat. Er bekam nicht mehr die aufgerissenen Augen seines Freundes mit, die gefüllt waren mit Verwirrung, gefüllt mit Horror und Ekel vor sich selbst.

Wörter: 900

Aufgabe: Der Satz "Ich trinke nicht dein Blut.", sowie das Lieblingsessen müssen in der Geschichte eingebaut sein. Minimum sind 500 Wörter.

Reaktionen, Feedback und Fragen sind sehr gerne gesehen :3

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