Mehrfarbig - 01

Vorgabe: Geschichte mit Titel "Mehrfarbig"

Wir saßen gemeinsam in der Mitte des bis dato noch leeren Raumes. Sahen uns die vier weißen Wände um uns herum an. 

Unsere eigenen vier Wände.

Wir konnten es noch immer kaum glauben, dass wir tatsächlich dieses Haus gekauft hatten. So lange hatten wir darauf hingespart, hatten uns die unterschiedlichsten Häuser angesehen, aber jedes Mal war etwas anderes dazwischengekommen. Entweder das Haus entsprach nicht dem, was wir uns vorstellten. Oder der Verkäufer entschied sich für andere Käufer. Oder das Eigenkapital reichte nicht aus.

Aber all die Mühe und das Warten hatten sich gelohnt, denn dieses Haus war einfach perfekt. 

Und nun saßen wir gemeinsam auf dem blanken Parkettboden und ließen unsere Gedanken schweifen.

"Was hältst du von zart gelben Wänden?", fragte ich meinen Mann und schwenkte den Wein in meinem Glas.

Er betrachtete die Wände nachdenklich. "Hm, das wäre fröhlich und warm. Aber gelb? Ich weiß nicht... Was würdest du denn zu einem Blauton sagen?"

Nun war es an mir, die noch weißen, kahlen Wände zu betrachten und mir unterschiedliche Blautöne vorzustellen. "Du weißt, ich liebe Blau, aber meinst du nicht, dass es auf Dauer kühl wirken könnte? In meinem Wohnzimmer möchte ich mich wohl und wohnlich fühlen."

"Na, dann sollten wir eindeutig Rot nehmen – als Symbol unserer Liebe und Leidenschaft", grinste Josh und gab mir einen Kuss auf meine zu einem Lächeln verzogenen Lippen.

"Deine Symbolik gefällt mir. Ich befürchte aber, dass sich bei mir auf Dauer leider eher die negativen Eigenschaften auswirken würden - Rot macht mich eher aggressiv", wendete ich ein. Rot fand ich nur an sehr ausgewählten Stellen passend – als kräftiger Farbton einer Rose beispielsweise, bei saftigen Beeren oder auch bei knallig geschminkten Lippen. Damit waren für mich aber die Berechtigungen der Farbe Rot nahezu ausreichend erschöpft.

"Ja, ich denke, ich brauche auch nicht zwingend rote Wände, höchstens vielleicht Akzente, sofern sie zum Rest passen", stimmte mir Josh zu. 

Ich schnappte mir mein Handy und suchte nach "Farben Symbolik".

"Ha! Jetzt habe ich es! Ich stimme für Lila." Ich grinste Josh an, der nur fragend die Augenbraue hob und offenbar auf eine Erklärung wartete, weshalb ich ihm für unser gemeinsames Wohnzimmer eine Mädchenfarbe vorschlug. "Lila steht für Fantasie und Extravaganz, das passt doch hervorragend zu uns."

Josh schnappte sich mein Handy. "Und es steht auch für Eitelkeit, das passt ja dann eher zu dir", neckte er mich.

"Okay, okay, wir suchen weiter. Grün - die Farbe der Hoffnung. Wir könnten unseren eigenen Wald im Wohnzimmer haben. Wir könnten sogar eine Bildtapete an einer Wand anbringen. Und echte Pflanzen von der Decke hängen lassen", sinnierte ich und fand meine Idee gar nicht so schlecht.

"Und dann schwingen wir uns wie Tarzan und Jane von der Wohnzimmertür direkt auf die Couch, oder wie?" 

Ich stellte mir das natürlich direkt bildlich vor und musste über diese absurde Fantasie lachen. Der Wein machte uns locker und gelöst.

"Hey, deine Idee ist vielleicht wirklich nicht so schlecht. Aber was hältst du denn davon, wenn wir nicht das Thema 'Wald' aufgreifen, sondern das Thema 'Strand'?" Josh blickte mich abwartend an und ich runzelte die Stirn.

"Willst du Sand statt Teppich auf dem Boden verteilen?"

Joshs tiefes Lachen sandte mir einen wohligen Schauer über den Körper. Dieses Lachen.

"Ich hatte eher an beige Wände gedacht und dann könnten wir blaue Akzente setzen mit Kissen, Vorhängen oder Deko. Aber da bist dann eher du die Fachfrau."

"Hm, also ein mehrfarbiges Wohnzimmer?" Ich runzelte die Stirn und versuchte mir vorzustellen, was Josh im Sinn hatte.

"Ja, warum nicht? Vor allem können wir Beige gut auch mit anderen Farben kombinieren, wenn uns das Blau einmal über wird. Es passt dunkles braun oder grau oder weiß oder", er wackelte mit den Augenbrauen, "rot." Ich schmunzelte und gab ihm einen Schubser, sodass er fast nach hinten umfiel.

Ich ließ die Vorstellung noch ein wenig auf mich wirken und mit der Zeit konnte ich die Farbe an der Wand erkennen, die Bilder, die wir aufhängen würden, die Vorhänge, die in sanften Wellen die Fenster umrahmen würden. Unsere gemütliche Couch mit den kuscheligen Kissen und Decken. 

"Okay, so machen wir es!", stimmte ich zu und zur Besiegelung unserer Entscheidung stahlen wir dem jeweils anderen einen weiteren Kuss, bevor wir noch einmal miteinander anstießen.

Und plötzlich fühlte ich mich richtig zuhause. Jetzt fühlte sich alles richtig an.


717 Wörter

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