Kapitel 5


Den Freitag über versuche ich mich an diesem Mantra festzuhalten und bringe die selbstbewusste Alexis so überzeugend rüber wie schon lange nicht mehr. Mein Kinn ist leicht hochgereckt, die Schultern nach hinten gezogen und mein kühler Blick straft das Lächeln auf meinen Lippen Lügen. Freitag ist mein kurzer Tag, also kann auch die Mittagspause mich nicht runterreißen, da ich mir nur einen Apfel und einen Müsliriegel für auf den Weg ins Fitnessstudio mitnehme. Das reicht, nachdem Row mich gestern Abend noch dazu gebracht hat mit ihr zu Abend zu essen, und was Schweres ist vor dem Training sowieso schlecht.

Ich fühle mich also sogar fast gut, als ich wie gewöhnlich als erstes zu den Laufbändern gehe. Und vor allem fühle ich mich entschlossen, mich von keinem idiotischen Eishockeyspieler aus der Bahn bringen zu lassen. Ich erlaube mir nicht mehr als einen kurzen Blick zu der Glasfront, um zu bemerken, dass Sean mal wieder mit dem zierlichen Ding, das seine Personaltrainerin zu sein scheint, am Trainieren ist. Das reicht als Info, um zu wissen, dass ich die nächste halbe Stunde die Anzeige von meinem Laufband höchst interessant finden werde. Wieso müssen die Laufbänder aber auch direkt vor dem Reha-Raum liegen?

Meine Kopfhörer auf voller Lautstärke beginne ich zu laufen und schnaube einmal, um Sean nicht nur aus meinem Blickfeld, sondern auch aus meinen Gedanken zu verbannen. Er ist hier, ich bin hier. Fertig. So wie das mit zig anderen Menschen auch ist, die hier trainieren. Ich entscheide, ob das ein großes Ding ist oder nicht. Und das ist es definitiv nicht. Egal wie dumm er guckt. Davon habe ich mich fest überzeugt, bis ich mit meinem Lauf fertig bin und schwer atmend von dem Gerät springe. Wie immer fühlen sich die ersten Schritte auf normalem Boden komisch an, als würde er sich weiterhin unter mir bewegen. Das bringt mich zum Lächeln, so vertraut ist das Gefühl. Der Kopf leer und in meiner Art von Friedlichkeit schwebend nehme ich gerade einen Schluck aus meiner Trinkflasche, als mich plötzlich eine Berührung an der Schulter zusammenfahren lässt.

Wie von der Tarantel gestochen fahre ich herum und reiße mir zugleich die Kopfhörer, aus denen immer noch Falling in Reverse plärrt, aus den Ohren, nur um vor der zierlichen Personaltrainerin zu stehen, die ich sonst immer bei Sean sehe. Sie redet, so viel nehme ich wahr. Aber was sie genau sagt weiß ich nicht, denn das erste was durch meinen Kopf schießt ist, dass wenn sie hier ist, er wahrscheinlich auch den anderen Reha-Raum verlassen hat... Und tatsächlich finden meine Augen keine Sekunde später Sean, der mit lässig verschränkten Armen nur ein paar Schritte entfernt an eine Säule gelehnt steht. Kaum treffen sich unsere Blicke, wandert wieder diese dämliche Augenbraue in die Höhe begleitet von einem belustigten Lächeln. Das Blut rauscht mir sofort in den Ohren. Was will dieser Kerl von mir?

Die Frage wäre mir beinahe laut herausgerutscht, aber eine nervige Frauenstimme erinnert mich daran, dass es ja gar nicht Sean war, der mich angetippt hatte. Anscheinend verwirrt davon sich auf etwas anderes als diesen Eishockeyidioten zu konzentrieren, braucht mein Gehirn ein Moment, bevor es sich auf die Frau vor mir fokussiert.

„... ich freue mich auf jeden Fall, wenn wir zusammenarbeiten könnten! Ich habe bereits..."

„Moment, wer sind Sie überhaupt?"

Die Frage ist ziemlich plump und unfreundlich, aber sie ist mir rausgerutscht, bevor ich einmal darüber nachdenken konnte. Und weil ich die Schuld dafür definitiv bei dem männlichen Wesen, das mich noch immer dumm anstarrt, sehe, bedenke ich ihn mit einem kurzen, aber scharfen Blick. Anscheinend etwas verdutzt von der Unterbrechung schaut mich diese zierliche Fee irritiert an, bevor sie mit einem unsicheren Lächeln wiederholt, was sie anscheinend schon davor gesagt hatte.

„Mein Name ist Trix und ich bin die neue Trainerin hier im Haus, spezialisiert auf Reha und Muskelaufbau. Ich habe in den Karteidaten gesehen, dass du bisher bei keinem meiner Kollegen einen Trainingsplan hast, und wollte dich daher gerne unter meine Fittiche nehmen..."

„Nein danke, kein Bedarf."

Defensiv verschränke ich die Arme und bin dieses Mal mit voller Absicht so schroff. Es hat schon seine Gründe, weshalb ich bisher bei keinem der Trainer untergekommen bin: Ich will es schlicht und ergreifend nicht. Ich brauche niemanden der mir in meinen Lifestyle reinredet. Ich trainiere und esse, wie und wann ich will. Das liegt unter meiner Kontrolle und die gebe ich nicht ab. Nun anscheinend völlig aus dem Konzept gebracht, blinzelt mich Trix verblüfft an und braucht ein paar Sekunden, bevor sie wieder ihre Stimme findet.

„Oh, ähm aber das wäre völlig kostenlos! Ist in deiner Mitgliedschaft schon miteinbegriffen und viele unserer Mitglieder schwärmen davon, wie viel es ihnen gebracht hat professionelle Unterstützung zu bekommen."

„Ja ich weiß, aber ich brauche das nicht."

Dieses mal lasse ich meinen Worten ein kühles Lächeln folgen, nur um sicher zu gehen, dass die Botschaft auch wirklich ankommt. Ich sehe, wie Trix kurz verletzt zusammenzuckt. Wahrscheinlich nimmt sie es als Kritik an ihren Fähigkeiten. Aber damit hat das nichts zu tun. The Rock könnte mir seine Hilfe anbieten und ich würde sie immer noch ablehnen. Aber solange es bewirkt, dass sie mich in Ruhe lässt, soll sie ruhig von mir verletzt sein. Ich will hier einfach nur mein Ding machen.

Ich will mich gerade schon abwenden, da ich mir sicher bin, dass von Trix kein erneuter Versuch kommen wird, da mischt sich auf einmal eine weitere Stimme ein.

„Naja, sieht für mich schon so aus als könntest du einen gescheiten Trainingsplan vertragen."

Ich kann gerade so verhindern, dass mir der Mund offensteht, so baff bin ich von diesen unverschämten Worten. Trotzdem bin ich für einen Moment mundtot, während Sean sich von seinem Platz an der Säule abstößt und mit einem geradezu süffisanten Lächeln auf uns zukommt. Der Anblick bringt mein Gehirn aber wenigstens wieder zum Laufen, sodass ich giftig erwidere: „Ach ja, und wie meinst du das genau?"

„Cardio allein ist nicht gerade das Wahre."

Mit einem Schnauben ziehe ich die Augenbrauen hoch.

„Ach ja? Und was bringt dich zur Annahme ich würde nur Cardio machen? Beobachtest du mich etwa, Sean?"

Ich benutze seinen Namen wie ein Messer, aber irgendwie scheint es bei ihm die Wirkung zu verfehlen. Immerhin wissen wir beide, dass er mich beobachtet hat. So wie ich ihn.

„Naja, einem bleibt ja kaum etwas anderes übrig, wenn man da drinnen ist und du hier immer auf dem Laufband deine Zeit abläufst."

Mit einem Nicken deutet er auf den verglasten Raum, indem sein Reha-Training stattfindet, und ich schwöre, diese eine hochgezogene Augenbraue verspottet mich geradezu.

„Männer stehen nicht auf Bohnenstangen, Alexis."

Dieses Mal ist er es, der meinen Namen wie eine Waffe benutzt und im Gegensatz zu meinem Angriff vorhin, verfehlt es nicht seine Wirkung. Dieses Mal klappt mir mein Kinn runter, ohne dass ich etwas dagegen tun kann.

„Ein paar Muskeln aufzubauen würde dir definitiv nicht schaden. Ein gescheiter Trainingsplan kann Wunder bewirken."

Wunder bewirken...?! Ich sehe rot. Wortwörtlich. Wie oft habe ich diese bescheuerte Phrase schon gehört? Ein bisschen Bewegung kann Wunder bewirken. Achte auf deine Ernährung, das kann Wunder bewirken.
Diese Worte machen mich fuchsteufelswild und ich werde sicherlich keine Sekunde länger hier stehen und mir diesen Scheiß weitergeben. Ich brauche kein Wunder mehr. Ich bin schön. Kerle lieben meine Figur. Und von diesem Mistkerl werde ich mir nichts anderes einreden lassen.

„Komm du erst mal wieder auf deine Schlittschuhe, bevor du Tipps verteilst."

Damit schnappe ich mir meine Sachen und stürme an der unbehaglich berührten Trix und einem noch immer völlig ruhigen und selbstüberzeugten Sean vorbei. Eins ist klar, von dem guten Gefühl von vorher ist nichts mehr übrig.

Das dumme mit Wut ist, dass sie irgendwann verraucht. Und dann bleiben nur noch die Worte übrig, die sich in deinen Kopf bohren und dich fertig machen. So geht es mir zumindest den restlichen Tag. Ich bekomme zwar irgendwie all meine Sachen geregelt, doch ich fühle mich dabei mehr wie eine Außenstehende, die ihren Körper beobachtet, als wirklich selbst zu leben. Zu sehr bin ich damit beschäftigt Dinge aus der Vergangenheit zu verdrängen, die die Worte wieder geweckt haben. Das lässt mich immer stumpfer und düsterer werden und ich weiß es gibt nur eine Sache, die mich wieder aus diesem Zustand rausholt: Feiern gehen. So ist das leider viel zu oft. Ich weiß nicht, wieso ich das brauche. Ich glaube es ist diese Mischung aus der Anonymität, den Machtspielchen mit den Kerlen und der Aufmerksamkeit, die mich anmacht. Und das zeigt wohl mal wieder wie verkorkst ich wirklich bin. Aber um ehrlich zu sein ist mir das schon lange egal geworden. Hauptsache es hilft. Ich fühle mich wie ein Junkie auf der Suche nach seiner nächsten Dosis. Und vielleicht bin ich das auch. Auf jeden Fall weiß ich, wer mir bei meinem nächsten Schuss helfen kann. Elisa und Heather.

Zwischen uns ist es vielleicht auch nicht mehr so wie früher, aber das ist vergessen als ich mit einer Cocktailmischung, meinem Kleid für den Abend und meinem Schminkzeug bei Elisa aufschlage und bereits vor der Zimmertür von lautstarker Musik begrüßt werde. Sie wohnt in einem anderen Wohnheim fünf Minuten zu Fuß von mir entfernt und irgendwie hat es schon fast Tradition, dass wir uns zu Dritt bei ihr fertig machen. Das liegt zum einen daran, dass sie allein wohnt und in ihrem Wohnheim im Gegensatz zu meinem jeder ein privates Bad hat. Zum anderen daran, dass bei Studentenpartys oft in ihren Gemeinschaftssaal vorgeglüht wird.

Es ist nicht Elisa selbst, die mir die Tür nach meinem dritten anklopfen öffnet, sondern Heather, die bereits deutlich angetrunken mich mit einem kreischen umarmt und in den Raum zieht. Ich lache auf und merke, wie Erleichterung sich in mir breit macht. Kein weiteres sich durch den Tag quälen und versuchen den Anschein von Normalität zu vermitteln. Kein Nachdenken über dumme Worte, die Vergangenheit oder versteckte Wahrheiten. Jetzt kann ich so oberflächlich, dumm, dramatisch und durchgeknallt sein wie ich will... und es wird sogar begrüßt.

„Hey Süße, da bist du ja endlich! Oh mein Gott! Deine Flasche ist ja noch voll! Daran müssen wir sofort was ändern."

Elisa kommt mit einem zuckersüßen Lächeln auf mich zu und umarmt mich kurz. Ihre Haare sind zur Hälfte mit einem Glätteisen zu wunderschönen Locken geformt worden, aber anscheinend habe ich sie mitten im Prozess unterbrochen. Auffordernd hält sie mir ihr Sektglas hin und ich stoße mit einem Lächeln, das ihrem in nichts nachsteht, mit meiner Flasche an. Heather hüpft aufgeregt neben uns und lässt ihr Glas ebenfalls gegen unsere klirren.

„He, nicht ohne mich, Bitches!"

Dann lachen wir alle laut und trinken. Obwohl mein Gemisch extrem süß ist, ist genug Hochprozentiges drin, als dass es mir im Hals brennt. Doch ich begrüße das Gefühl und setze erst ab, als die halbe Flasche leer ist. Noch ein paar Minuten und mein Kopf wird angenehm benebelt sein. Ein fast seliges Lächeln liegt auf meinem Gesicht.

Danach werde ich mit ins Bad gezogen, wo bereits das komplette Chaos ausgebrochen ist. Überall auf dem Boden liegen Kleider verstreut, die Regale um das Waschbecken sind vollgestellt mit allem Möglichen an Schminke, genauso wie der Waschbeckenrand. Und irgendwo inmitten von dem ganzen liegt auch Elisas Glätteisen. Row hätte einen Herzinfarkt bekommen, würde sie das sehen. Ich aber bin einfach nur froh, dass Heather sofort zu plappern anfängt und ich nichts anderes machen muss, als an den richtigen Stellen die richtigen Geräusche von mir zu geben.

Während Elisa sich dran macht auch den restlichen Teil ihrer Haare zu locken und Heather das Minikleid, dass sie gerade an hat auszieht, um ein anderes Outfit anzuprobieren, verdrücke ich mich auf den Badewannenrand und packe meinen kleinen Spiegel aus. Für einen Moment beiße ich mir nachdenklich auf die Lippen und betrachte die beiden anderen. Elisa setzt heute eindeutig auf die Karte „unschuldiger Engel". Ihre braunen Haare umrahmen in perfekt Locken ihr Gesicht und sie trägt bereits ein weißes luftiges Kleid, das mit dem großen V-Ausschnitt auf seine ganz eigene Weise engelsgleich ist. Auf die Masche springen die Kerle immer an. Keine Ahnung weshalb sie immer wollen, dass man brav und treu erscheint. Als hätte man das ganze Leben nur auf sie gewartet und es gäbe keinen anderen Mann für einen. Und dann wird gleichzeitig erwartet, dass man im Bett ein kleiner Teufel ist. Aber wenn sie dem Irrglauben erliegen wollen, dass es so ein Mädchen gibt, nutzen wir das nur zu gerne aus. Allerdings habe ich heute keine Lust auf die Masche. Ich fühle mich nicht nach brav oder süß. Also mache ich mich entschlossen auf die Suche nach meinen dunkelsten Lidschatten.

So verbringen wir die nächste Stunde. Abwechselnd erzählt jemand von irgendwelchen vergangenen Nummern, dem neusten Tratsch oder Lästereien, nur unterbrochen von übertriebenen Komplimenten an die jeweils anderen und jeder Menge Alkohol. Jeder der das von außen beobachten würde, würde wahrscheinlich schnaufend den Kopf schütteln, darüber wie aufgesetzt und klischeehaft das Ganze wirkt. Aber das ist nun Mal unsere Realität und ich liebe die Stumpfsinnigkeit des Ganzen. Nichts was heute Abend gesprochen wird hat nur den geringsten Tiefgrund. Ich muss mir über nichts Gedanken machen, außer über mein Makeup und ob das Kleid perfekt sitzt.

Als wir alle drei fertig sind stellen wir uns vor den großen Spiegel in Elisas Zimmer. Er gehört zu diesen riesen Dingern mit verspieltem Rahmen, die wie aus einem anderen Jahrhundert wirken. Ich liebe diesen Spiegel. Und das ist ziemlich erstaunlich, denn eigentlich habe ich eine allgemeine Abneigung gegen alles Spiegelnde. Sie zwingen mich dazu mich anzusehen. Wann auch immer ich auch nur an einem Fenster vorbeilaufe wandert mein Blick wie unter Zwang zu der unscharfen Abbildung von mir. Und was ich sehe ist nichts weiter als eine Ansammlung von Fehlern. So ist das zumindest mit den meisten Spiegeln. Aber nicht mit Elisas. Wann auch immer ich hier stehe, mit den beiden Mädels links und rechts von mir kurz bevor wir losgehen, schaut mich eine andere Person an. Eine schöne, verführerische Frau, die nichts mit dem unsicheren dicken Kind von früher zu tun hat. Und dafür liebe ich diesen Spiegel.

Auch heute fällt mir ein Stein vom Herzen, als ich uns drei betrachte. Heather hat sich letztendlich für eine lange enge Hose entschieden und darauf ein Oberteil mit Fledermausärmeln in einem wunderschönen Floramuster. Elisa sieht aus wie ein Engel und legt mir eine Hand auf die Schulter, während sie sich richtig positioniert. Leicht seitlich, ein Bein aufgestellt, um Beine und Po zu betonen, und ein Lächeln auf den kirschroten Lippen, das selbst mich an Gott glauben lässt. Mein leicht schwummriges Gehirn reagiert auf den Gedanken mit einem kleinen Lächeln.
Falls es Gott gibt ist er auf jeden Fall enttäuscht von mir. Denn wenn Elisa ein Engel ist, bin ich der Teufel. Mein schwarzes Mini liegt wie eine zweite Haut an mir. Es ist hochgeschlossen, doch der Stoff transparent bis zu einem eindrucksvollen V-Ausschnitt. Zwei Cutouts an der Taille sind ebenfalls mit dem gleichen transparenten Stoff besetzt und die hauchdünne Strumpfhose wird kaum etwas gegen die Kälte helfen. Nichts an mir sagt unschuldig oder brav. Meine Lippen schimmern in einem dunklen Rot, die Smokey Eyes lassen meine grünen Augen herausstechen und die schwarzen Stilettos sind gefährlich hoch. Das Lächeln auf meinen Lippen nimmt einen verruchten Zug an. Das im Spiegel bin nicht ich. Es ist die Person, die ich für heute sein will. Eine Frau ohne Probleme, Sorgen oder Dämonen. Sie wird in dem Moment zum Leben erweckt als ich auf den Auslöser meiner Handykamera drücke und das Bild mit einer kitschigen Unterschrift in der Insta Story landet. Und ich werde nur zu gerne zu ihr.

„Okay, los geht's Mädels. Ich brauche mehr Alkohol!"

Mit einem Lachen lege ich Elisa und Heather je einen Arm um die Hüfte und wir schwanken kichernd zu dem kleinen Schreibtisch, der kurzerhand zur Bar umfunktioniert wurde.

„Das ruft nach Shots!"

Mit einem begeisterten Jauchzen, der jeden Cheerleader neidisch gemacht hätte, greift sich Heather drei Klopfer aus einer Packung und verteilt sie an uns. Mit einem Grinsen schaue ich die Zahl auf dem Boden nach und besiegle dann mit jedem Klopfen, dass heute ein guter Abend wird. Scheiß auf dumme Sprüche von noch dümmeren Eishockeyspielern. Scheiß auf Zicken und Leute, die meinen ihre Meinung wäre für mich auch nur im Geringsten relevant. Scheiß auf alle, außer diesen zwei Mädchen und den Alkohol. Mit einer Bewegung schütten wir alle den Shot runter und nehmen uns dann jeweils nochmal zwei mit für den Weg. Dann werden die Mäntel übergeschmissen und wir laufen kichernd und stolpernd die Treppen zum Gemeinschaftsraum des Wohnhauses runter. Heather und ich gehen Arm in Arm und schwanken mehr aus Show als wirklich wegen dem Alkohol hinter Elisa hinterher, die selbstbewusst vorläuft und in einer beiläufigen, aber doch geplanten, Geste die Haare hinter die Schulter wirft, kaum dass die ersten Jungs in Blick kommen.

„Hey, Brian! Na alles gut, mein Großer?"

Ein Riese dreht sich auf Elisas Begrüßung hin zu uns um und lächelt kurz. Ich kenne Brian nur flüchtig, aber was ich weiß ist, dass er trotz seiner dafür definitiv passenden Statur in keiner Sportmannschaft ist und eher zu dem zurückhaltenden Typus gehört. Von daher ist das kurze Lächeln schon fast eine Liebeserklärung. Naja okay, das vielleicht nicht. Aber definitiv eine Einladung uns zu ihm und seinen Freunden dazuzusetzen. Zumindest scheint das Elisa auch so zu sehen. Mit einem Grinsen in unsere Richtung geht sie wieder vor und quetscht sich auf das schmale Sofa dazu, wo zwei Kerle ihr nur zu gerne Platz machen. Damit ist die kleine Couchecke, mit dem Sofa und zwei Sesseln, auf denen Brian und ein anderer eher schlaksiger Kerl sitzen, eigentlich voll. Aber das ist alles Ansichtssache.
Ich muss den schlaksigen Kerl auf dem anderen Sessel nur aus dem Augenwinkel mustern und weiß schon, dass Heather und ich sicherlich das Gleiche denken. Der Blick, den wir darauf wechseln, bestätigt mir meine Vermutung und ich muss mir ein Grinsen verkneifen, als wir unisono beide auf Brian zulaufen und uns wie selbstverständlich auf die Lehnen seines Sessels setzen. Und da er mit seiner Gestalt das kleine stoffüberzogene Ding schon absolut ausreichend ausfüllt, bedeutet das, dass wir automatisch an seinen Schultern lehnen. Der Arme wirkt schon fast etwas überfordert, wie er verdutzt zwischen uns beiden hin und her schaut.

„Also, was macht ihr hier so Interessantes?"

Als wäre das nicht ziemlich eindeutig mit den Karten, die teils auf dem Tisch liegen und teils von den Jungs in den Händen gehalten werden, zwirbelt Elisa eine Haarsträhne um ihren Finger und blickt erwartungsvoll in die Runde. Da sie direkt neben ihm sitzt sieht Elisa nicht, wie ein Kumpel von Brian daraufhin mit den Augen rollt. Das „Was für eine dumme Barbie" kann ich ihm quasi von den Lippen ablesen. Aber Elisa ist keinen Falls dumm. Sie weiß nur, dass mindestens einer von ihnen genau auf die Weise reagieren wird, wie es der schlaksige Kerl in dem anderen Sessel im nächsten Moment tut. Seinen neidischen Blick von Brian losreißend, überschlägt er sich schon fast Elisa zu antworten.

„Oh, wir spielen ein bisschen Karten. Wollt ihr miteinsteigen?"

Und damit hat Elisa ihr Ziel erreicht. Ich erkenne es an dem kleinen triumphierenden Aufblitzen in ihren Augen, bevor sie wieder das süße Mädchen gibt.

„Klar gern! Aber Jungs, es ist Freitagabend... wenn wir Karten spielen müssen wir daraus schon ein Trinkspiel machen."

Der Kerl neben Elisa sieht als einziger nicht sonderlich überzeugt von diesem Vorschlag aus. Aber gegen die Mehrheit der anderen hat er keine Chance und so steht keine zehn Minuten später neben jedem von uns ein Bier. Als Elisas und mein Blick sich beim Kartenspielen treffen, zwinkert sie mir verschwörerisch zu. Und ich weiß egal ob es in letzter Zeit immer mal wieder komisch zwischen uns war, heute haben wir das gleiche Ziel.


Alkohol und Feiern... was das wohl noch geben wird ;)

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