Kapitel 21


Sean und ich sind nach dem Training getrennte Wege gegangen. Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich davon enttäuscht oder darüber froh bin. Denn ich wäre heute sicherlich zu nichts anderem mehr gekommen, wären wir erstmal im Bett gelandet.

So habe ich Zeit mich noch dem ein oder anderen Rechtsparagraphen zuzuwenden, was mir natürlich große Freude bereitet. Nicht. Vielleicht erwische ich mich deswegen keine Stunde später am Handy, wie ich Elisas neuste Instastory schaue. Sie ist shoppen mit Heather und ich kann nichts gegen den kleinen Stich tun, der mir ins Herz fährt.

Ich habe seit dem Wochenende nichts mehr von den beiden gehört. Nicht Mal eine Frage, wo ich bin oder ob ich gut nach Hause gekommen bin, obwohl der eigentliche Plan gewesen war, zusammen heimzufahren. Das verletzt mich, auch wenn ich es nicht will. Wir sind vielleicht nie beste Freundinnen gewesen, aber etwas mehr hätte ich doch erwartet. Ich denke an frühere Zeiten zurück, an durchgefeierte Nächte und Kater-Sonntage. Vor dem ganzen Carly-Desaster habe ich die meiste meiner Zeit mit ihnen verbracht. Bevor sie wussten, wie ich früher aussah...

Eine Schwere überkommt mich, die ich schon Tage nicht mehr gespürt und ganz sicher nicht vermisst habe. Keiner der beiden hat mich jemals darauf angesprochen. Das Thema wurde einfach tot geschwiegen, auch wenn ich weiß, dass Elisa hinter meinem Rücken darüber getuschelt hat. Nur weil ich nicht immer beliebt und hübsch gewesen bin, ist mein Wert drastisch gesunken. Ein Teil von mir weiß, dass ich melodramatisch werde, trotzdem kann ich die Gedanken nicht unterdrücken. Na gut, ich glaube Heather hat das Ganze nie sonderlich interessiert. Sie war noch nie die antreibende Kraft in unserem Trio. Und inzwischen... sie scheint immer öfter irgendetwas einzuschmeißen und kaum etwas mitzubekommen. In der Bar wirkte sie so weggetreten, hat wild getanzt und ist ständig gegen Umstehende gestoßen, ohne es richtig wahrzunehmen. In all den Monaten zuvor habe ich nie mitbekommen, dass sie illegales Zeug nimmt, aber es ist nicht zu leugnen. Und um ehrlich zu sein will ich damit nichts zu tun zu haben. Also ist es eigentlich gut, wenn der Kontakt weniger wird. Das sage ich mir zumindest.

Um mich von den trübseligen Gedanken abzulenken, beschäftige ich mich mit meinem momentanen Lieblingsthema: Sean. Wir werden uns aller Wahrscheinlichkeit morgen wieder im Fitnessstudio sehen und das ersetzt das bedrückende Gefühl in meiner Brust durch ein aufgeregtes Flattern. Ich habe wirklich Spaß mit ihm und das nicht nur rein körperlich. Etwas worüber ich vor einer Woche wohl noch gelacht hätte. Mit diesem Gedanken zwinge ich mich selbst noch etwas weiterzuarbeiten und dann ins Bett zu gehen.

Am nächsten Tag beehrt uns die Sonne ein weiteres Mal mit ihrer Anwesenheit und das hat erstaunliche Auswirkungen auf meine Stimmung. Ich trage ein ehrliches Lächeln auf dem Gesicht und beauftrage Matt mit etwas, dass ich mir nur selten gönne: Eine Sahnehaube auf die Kaffeespezialität des Tages. Matt scheint sich richtig zu freuen, als ich ihm das sage, und ich habe ein schlechtes Gewissen, als ich das Café verlasse und die kleine Notiz entdecke, die er auf dem Kaffeebecher hinterlassen hat: Schön dich so strahlen zu sehen.

Aber er hat Recht, ich strahle wirklich. Selbst Melanies sonst nervige Ausschweifungen über ihre letzte Shoppingtour oder Daves schlechte Scherze können mir nichts anhaben. Ich quatsche so entspannt wie schon lange nicht mehr mit den anderen, zumindest bis ich endlich ins Fitnessstudio kann. Da hält mich nichts mehr auf, so schnell wie möglich zu meinem Auto zu kommen.

Keine halbe Stunde später laufe ich mit schwingenden Pferdeschwanz in den Geräteraum. Mein erster Blick gilt dem verglasten Reha-Raum und während mein Herz in der ersten Sekunde noch einen aufgeregten Hüpfer macht, rutscht es mir in die Hose, als ich dort niemanden entdecke. Allem voran nicht den unübersehbaren Eishockeyspieler, auf den ich gehofft hatte.

Für einen Moment bleibe ich enttäuscht stehen und meine Freude darauf, zum Sport zu gehen, nimmt rapide ab.

„Wow, da sieht jemand aber enttäuscht aus."

Erschrocken fahre ich herum und starre auf Sean, der lässig angelehnt an einem Laufband steht. An meinem Laufband. Ich unterdrücke das breite Grinsen, dass sich auf mein Gesicht schleichen will und gebe mich genauso entspannt, wie Sean aussieht.

„Die besondere Attraktion fehlt dem Gym, seitdem du hier draußen herumlaufen darfst."

Sean lacht schnaubend und ich muss feststellen wie vertraut mir dieser Laut inzwischen ist. „Vom Psychopathen zum Zootier, danke Alexis du gibst mir immer dieses ganz besondere Gefühl."

Jetzt grinse ich doch breit und laufe das Stück zu ihm rüber. „Oh, ich kann dir gerne auch noch auf ganz andere weißen dieses besondere Gefühl geben."

Bei dem verruchten Tonfall, den ich anschlage, verdunkelt sich Seans Blick und ich stehe auf die Art, wie er mich einmal von oben bis unten mustert. Völlig unerwartet werde ich mit einem Mal fest an ihn gezogen und meine Lippen von seinen erobert. Doch bevor mein Gehirn verarbeiten kann, was hier passiert, ist der Kuss auch schon vorbei und ich starre Sean perplex an.

„Zehn Minuten Warmlaufen, dann geht das Training los."

Ich verstehe nicht, was er meint, bis Sean sich am Laufband neben meinem einrichtet und vorsichtig anläuft. Und selbst dann rühre ich mich noch eine geschlagene Minute nicht. Wir trainieren erneut zusammen?

„Hast du keine Reha mehr?"

Sean wendet mir bei meinem fragenden Tonfall den Kopf zu. „Doch, aber nur noch jeden zweiten Tag."

Mehr sagt er nicht und ich beschließe nicht weiter nachzuhaken, wieso er hier auf mich gewartet hat. Ich war nie der Typus, der mit anderen trainiert. Weil ich mein Ding beim Sport machen will, ohne mir von jemanden dazwischen quatschen zu lassen. Aber während ich aufs Mal aufs Laufband steige, merke ich keine negativen Gefühle über die Aussicht, erneut mit Sean zusammen zu trainieren. Wie auch, wenn ich dafür in den Genuss seines Bizeps komme? Stattdessen fühle ich mich aufgeregt. Mein Körper kribbelt von oben bis unten und so energiegeladen habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Meine Beine fliegen geradezu über das Laufband und als Sean nach viel zu kurzer Zeit von seinem steigt und sich mit verschränkten Armen vor meines stellt, bin ich absolut noch nicht bereit von diesem Runners High zu kommen.

„Gib mir noch 5 Minuten", bringe ich irgendwie zwischen meinen Atemzügen raus. Aber Sean schüttelt nur den Kopf und wagt es tatsächlich über die Konsole des Laufbandes zu greifen und es zu stoppen. Mit offenen Mund starre ich ihn an, während ich mein Tempo an das auslaufende Band anpasse.

„He, was soll das denn?" Zu meinem Unglaube mischt sich Wut. Immerhin hat er nicht über mich zu bestimmen. Aber das scheint Sean nicht sonderlich zu beeindrucken. Er deutet mir nur an, ihm zu folgen und meint: „Du wirst all deine Kraft für gleich brauchen. Also verschwende keine Energie mit dem Ding."

Er nickt abfällig zu den Laufbändern und ich kann nicht glauben, dass ich diesem selbstgefälligen Idioten wirklich folge. Aber meine Beine machen sich einfach selbstständig, während ich ihn mit Blicken von hinten erdolche. „Sei ruhig wütend, später wirst du mich noch mehr hassen."

Mistkerl. Aber er sollte Recht behalten. Was Sean die darauffolgende Stunde mit mir anstellt, war anstrengender als alles andere was ich jemals getan habe. Es ist nicht so, dass er andere Geräte oder Übungen nutzt als ich, aber wann auch immer ich mit meinem üblichen Gewicht anfangen will, schüttelt Sean den Kopf und packt nochmal zehn Kilo drauf. Ich schaffte gerade so die Hälfte meiner üblichen Wiederholungen, aber wann auch immer ich kurz davor bin, ihn mit einem der Gewichte zu erschlagen, tauscht Sean mit mir den Platz, um sein Set zu machen. Letztendlich machten wir jede Übung fünf Mal mit je zehn Wiederholungen pro Set. Eine ganz andere Trainingsart, wie ich sie normalerweise nutze, aber gottverdammt, am Ende bin ich völlig fertig. Nicht Mal Seans Muskelspiel oder die beeindruckend hohe Zahl an Kilogramm, die er stemmt, interessieren mich noch. Alles an mir fühlt sich nach Wackelpudding an.

Mit einem Stöhnen lasse ich mich an der Wand runtergleiten, als Sean verkündet, dass wir fertig sind. „Du bist ein Monster. Oder nein, korrigiere", erschöpft hebe ich einen Finger. „Du bist Hades, dem es zu langweilig wurde nur Tote zu quälen."

Lachend gesellt sich Pseudo-Hades zu mir. „Was soll ich sagen? Tote sind nicht so schön anzusehen." Er zwinkert mir zu, aber mehr als ein kleines Lächeln bringe ich nicht zu Stande.

„Dann ist dein Plan gescheitert. Ich fühle mich mehr tot als lebendig." Mit schmerzverzerrtem Gesicht reibe ich mir über die Arme. Das wird richtig miesen Muskelkater geben.

„Das gehört sich so. Man soll beim Training Ziele erreichen, stärker werden. Und nicht einfach jeden Tag im Kreis rennen."

Etwas an Seans Tonfall lässt mich zu ihm schauen und was ich dort erblicke ist der gleiche verschlossene Gesichtsausdruck, wie am Wochenende, als ich den Orangensaft nicht trinken wollte. Mein Magen zieht sich schmerzlich zusammen, aber ich versuche möglichst beteiligungslos mit den Schultern zu zucken.

„Jeder hat seine eigenen Ziele." Damit will ich den Kopf wieder von ihm abwenden, aber zwei Finger an meinem Kinn halten mich ab.

„Ja, aber du bist dünn genug Alexis. Woran es dir fehlt sind Muskeln und dabei wird dir das Laufband nicht helfen."

Ich schaue tief in Seans Augen, kann aber nicht benennen, was ich in ihnen sehe. Meint er das beleidigend? Und wieso interessiert ihn das überhaupt? Wie vorhin kommt Wut in mir auf über dieses übergreifende Verhalten. Andauernd betont er, nichts ernstes zu wollen, wieso mischt er sich also so in mein Leben ein?

„Ach hier geht es also darum, der Bohnenstange ein paar Kurven zu verpassen?"

Mein Tonfall ist bissig, während mein Herz wie wild klopft. Ich bin absolut bereit einen richtigen Streit vom Zaun zu brechen, aber Sean reagiert wie immer anders als gedacht. Anstatt auf meine Anspielung zu seinem beleidigenden Kommentar einzugehen, hält er meinen Blick noch eine Sekunde mit seinen unergründlichen Augen. Dann zuckt er mit den Schultern und wendet sich so abrupt ab, dass ich ihm perplex nachschaue, als er aufsteht.

„Wenn du beleidigt sein willst, dann sei beleidigt. Ich wollte dir nur helfen. Man sieht sich."

Und ohne noch einmal zurückzuschauen, geht er. Ich sitze wie erstarrt da und blicke ihm auch dann noch hinterher, als er schon lange nicht mehr zu sehen ist. Die Wut ist verraucht und ich bereue es schon fast, so bissig gewesen zu sein. Jetzt ist Sean weg und hat nur eine Frage zurückgelassen: Brauche ich seine Hilfe denn?

Am nächsten Morgen kann ich die Frage beantworten: Nein. Nein, nein. Nein. Ich brauche niemanden der mich auch noch körperlich quält. Für die Folter ist mein Unterbewusstsein zuständig.

Mit einem Stöhnen rolle ich mich in meinem Bett um, als mein Wecker nervtötend zu klingeln beginnt und taste unkoordiniert nach dem Ding. Es hat mich mitten aus dem Schlaf gerissen und dafür würde ich es am liebsten mit einem Gähnen gegen die Wand schmeißen. Zumindest bis mir klar wird, was das heißt.

Schockiert reiße ich die Augen auf. Mein Wecker hat mich geweckt. Ich habe nicht die letzten Minuten damit verbracht, darauf zu warten, dass ich endlich aufstehen kann, während Fetzen eines Traums durch meinen Kopf gezogen sind. Genau genommen kann ich mich nicht mal erinnern, überhaupt geträumt zu haben. Keine Ahnung, wann das das letzte Mal vorgekommen ist.

Ich will mich in eine aufrechte Position hochstützen, doch meine Arme protestieren, sodass ich mich mit einem weiteren Stöhnen wieder ins Kissen fallen lasse. Ich hasse Sean, habe ich das schon gesagt?

Aber etwas an den Worten fühlt sich falsch an, egal wie sehr mein Körper schmerzt. Ich habe Muskelkater an Stellen, die ich bisher nicht mal kannte. Und ich habe Hunger, wie ich feststellen muss, als mein Bauch ein Grummeln von sich gibt. Auch das schockiert mich, doch bevor ich mir zu viele Gedanken darüber machen kann, zwinge ich mich dazu, aufzustehen. Ich brauche einen Kaffee. Dringend.

Darauf bedacht meine Muskeln so wenig wie möglich zu strapazieren, schlurfe ich zum Kleiderschrank und beginne meine übliche Morgenroutine, inklusive eines halbherzigen Versuches Silvia zu wecken. Eine halbe Stunde und eine anständige Dusche später fühle ich mich schon etwas besser. Naja, abgesehen von meinem Magen, der sich immer lauter beschwert. So einen Hunger hatte ich um diese Uhrzeit das letzte Mal vor Jahren. Zumindest wenn ich am Abend davor anständig etwas gegessen habe und das habe ich.

Aber egal wie sehr ich mich davon abzulenken versuche, den Kampf verliere ich spätestens als ich im Café stehe und warte, bis Matt meinen Kaffee fertiggemacht hat. Vor mir in der Theke liegen die verschiedensten Leckereien. Muffins, Kekse, Kuchen. mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Oh Mann, dieser Carrotcake, und die Schokomuffins erst...

„Kann ich dir einen davon einpacken?"

Erschrocken fahre ich zu Matt um, der mich mit einem Lächeln und meinem Kaffee in der Hand betrachtet. Schnell schüttle ich den Kopf und greife nach dem Becher. „N...nein sorry, war nur in Gedanken."

Lachend legt er den Kopf in den Nacken. „Wenn man mit Blicken essen könnte, wäre unsere Theke jetzt leer. Worauf hättest du denn am meisten Lust?"

Ohne es verhindern zu können wandert mein Blick erneut zu der Kuchenauswahl. Mein Magen zieht sich zusammen, aber ich weiß nicht ob aus Hunger oder aus Furcht vor den absurd vielen Kalorien, die man den Süßwaren schon ansehen kann. Ich kann sowas nicht essen.

„Schau mal, der Kuchen hier drüben haben wir ganz neu eingeführt. Er nennt sich Fit & Sweet und ist nur durch Datteln gesüßt, aber trotzdem extrem lecker. Kein raffinierter Zucker, wenig Fett, viel Protein. Ich bin mir sicher du wirst ihn lieben."

Und bevor ich Einwände erheben kann hat mir Matt auch schon ein Stück abgeschnitten und es samt Einweggabel eingepackt. Ich kann die Tüte nur verdutzt entgegennehmen und untypisch schüchtern ein Danke stottern. Matt wiederum sieht glücklicher aus als jemals zuvor, als er mein Geld mit einem Winken ablehnt. Ich will mich gerade abwenden, als er mich doch noch einmal zurückhält.

„Alexis?" Mit einem unguten Gefühl im Magen schaue ich über die Schulter zu ihm. Matts Gesicht ist rot angelaufen, als stände er an einer Klippe und nicht hinter einer Theke, und ich sehe etwas in seinen Augen, das mein ungutes Gefühl bestätigt. Hoffnung. Oh nein. „Du siehst heute fantastisch aus. Ach was, du siehst immer fantastisch aus. Ich... ich wollte dich schon seit langem fragen..."

Bevor das eine passiert, was ich schon seit Wochen zu vermeiden versuche, werde ich plötzlich am Arm gepackt. „Hey Alexis da bist du ja! Komm, wir müssen los, sonst kommen wir zu spät."

Überrascht schaue ich zur Seite, direkt in Lees Gesicht, der mich völlig unbekümmert anlächelt. Die Frage wohin wir zu spät kommen oder was das Ganze überhaupt soll, liegt mir auf der Zunge, da fällt bei mir gerade noch rechtzeitig der Groschen, bevor ich mich verplappere.

Für einen kurzen Moment formt mein Mund ein lautloses „Oh", dann nicke ich etwas zu begeistert. „Stimmt, wir müssen uns echt ranhalten. Danke Matt für den Kaffee und die Küchenempfehlung!"

Mit einem letzten Winken wende ich mich ab und eile so schnell zur Tür, dass ich Lee, der noch immer meinen Arm hält, geradezu mit mir ziehe. Aber das ist tausendmal besser, als die Frage, die Matt mir stellen wollte. Oder sein enttäuschter Gesichtsausdruck bei meinem Abgang. Ich bin ein mieser Mensch.

Erst ein gutes Stück vom Café entfernt halte ich inne, als könne der räumliche Abstand mein schlechtes Gewissen mindern. Aber nein, das Gefühl ist immer noch da. Verdammt, wieso hat Matt den Mut aufgebracht diese dumme Frage stellen zu wollen? Wieso konnten die Dinge nicht einfach... unkompliziert bleiben? Mich selbst vor der Antwort drückend, drehe ich mich zu Lee um und schüttle seine Hand ab. Und was will er eigentlich? Der Wut in mir Platz machend, funkle ich den Lockenkopf an.

„Was sollte das?!"

Von meinem giftigen Ton unbeeindruckt, zuckt Lee mit den Schultern, während ein lässiges Lächeln auf seinen Lippen liegt. „Sah für mich so aus als hätte der Kerl Hilfe gebraucht."

Darauf eingestellt Lee in seine Schranken zu weisen, stutze ich bei seiner unerwarteten Antwort. „Wie, dem Kerl helfen?"

Mein verständnisloser Gesichtsausdruck scheint sehr amüsant zu sein, zumindest kräuseln sich Lees Lippen. „Gib's doch zu, eine Sekunde später und du hattest dem Armen das Herz gebrochen. Das konnte ich nicht zulassen. Der Kerl macht den weltbesten Kaffee auf dem ganzen Campus! Am Ende hätte er noch wegen dir gekündigt."

Völlig buff starre ich Lee an, während ich versuche seine Worte zu verarbeiten. Er wollte Matt helfen? Bemüht darum meine Fassung wiederzugewinnen, trete ich ein Stück zurück und verschränke die Arme. „Dann muss ich mich wohl nicht bei dir bedanken, du uneigennütziger Kaffeeliebhaber."

Kurz blitzen Lees Zähne auf, dann fährt er sich mit einer Hand durch die Locken. „Na da solltest du besser nichts sagen, uneigennützige Kaffee- und Kuchenliebhaberin."

Er deutet auf meine Beute, die ich noch immer in den Händen halte, und mein Blick folgt ihm, als wüsste ich nicht auch so was er meint. Wieder überflutet mich das schlechte Gewissen, während ich die Papiertüte mit dem Kuchen betrachte. Ich hätte das nie annehmen dürfen. Was habe ich mir dabei gedacht? Das Fette Schweinchen sagt nie nein zu Essen.

„Egal, man sieht sich Alexis."

Ich nehme Lee kaum wahr, als er sich verabschiedet und verschwindet. Stattdessen haftet mein Blick weiter auf der Kuchentüte. Mein Magen grummelt, trotzdem graut es mir davor sie zu öffnen. Wir haben nicht Mal acht Uhr. Normalerweise esse ich das erste Mal etwas in vier Stunden. Wieder grummelt mein Magen.

Mit aller Willenskraft hebe ich den Blick und schaue mich um. Da. Mit mechanischen Schritten wanke ich zur nächsten Parkbank... und dem daneben stehenden Mülleimer. Ich hebe den Arm, bis die Tüte unheilvoll über der Öffnung des Mülleimers schwebt. Einfach nur loslassen. Wieder ein Grummeln. Die Fette Kuh hat sich schon das zweite Küchenstück genommen! Einige meiner Finger lösen sich von der Tüte, trotzdem hebe ich sie immer noch. Matts glückliches Gesicht, als er mir den Kuchen eingepackt hat. Seans verschlossene Miene, als ich den Orangensaft nicht runterbekommen habe...

Das nächste woran ich mich erinnere, ist etwas herrlich zimtig Süßes zu kauen, während mich meine Beine zum Vorlesungssaal tragen. Ich ignoriere das Brennen in meinen Augen, die Enttäuschung in meiner Brust. Ich mache das nicht für mich, ich will nur nicht Matts nette Geste zerstören.

Aber eine leise Stimme in mir sagt: Jaja, rede das dir nur ein, bis du wieder das Walross von früher bist.



Sorry, dass ich so lange nichts mehr hochgeladen habe, um ehrlich zu sein habe ich es irgendwie verpeilt :D Vielleicht kommt dafür in ein paar Tagen noch ein zweites Kapitel online

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