Kapitel 18


Mein ganzer Körper ist von einer Gänsehaut überzogen, während ich zwanghaft versuche mir nicht anmerken zu lassen, wie weich meine Knie sind... oder dass ich am liebsten laut stöhnen und jeden Zentimeter dieses muskelbepackten Körpers hinter mir küssen würde.

Sean steht keine zehn Zentimeter hinter mir. Ich spüre seine Präsenz als Brennen auf meiner Haut und es macht mich verrückt. Ganz zu schweigen von der Hand, die ganz zart auf meiner Taille liegt, genau da wo mein Oberteil Haut frei lässt, und raue Finger sanfte Kreise ziehen. Wenn nicht keiner hier wüsste, dass etwas zwischen uns geht, hätte ich mich schon längst umgedreht und Sean auf Teufel komm raus geküsst. Bis ihm die Knie weich geworden und wir tunlichst von hier verschwunden wären.

Aber so muss ich die süße Folter ertragen und gleichzeitig ganz normal weiterlächeln. Wir stehen taktisch geschickt halb verborgen hinter dem Stehtisch. Niemand kann sehen, wie Sean mich langsam in den Wahnsinn treibt und das macht das Ganze nur noch aufregender. Intensiver. Als würden wir etwas Verbotenes tun. Etwas, von dem nur wir beide wissen dürfen. Ein Schauer jagt mir bei der Vorstellung über den Rücken und ich höre ein leises amüsiertes Glucksen hinter mir. Der Laut kommt so unerwartet, dass ich für einen Moment erstarre, bis ich überhaupt verstehe, was da gerade passiert ist. Sean, der ruhige manchmal etwas grummelige Sean hat... gekichert. Ein belustigtes kleines Kichern.

Ich warte darauf, dass das Geräusch Erinnerungen in mir aufsteigen lässt. Dass ich mich so unvermittelt in einer Situation von früher wiederfinde, wo Menschen leise über mich gelacht haben, dass es mich fast mehr erschrickt, als die Bilder ausbleiben. Stattdessen merke ich nur wie einer meiner Mundwinkel sich nach oben zieht und ich nicht anders kann, als selbst gegen ein Kichern zu kämpfen. Mir gefällt es, das Sean lacht. Dass er mit mir lacht und ihm dieses kleine Spiel genauso viel Spaß macht wie mir.Und als würde Sean meine Gedanken hören und mich darin bestätigen wollen, spüre ich wie seine Hand kurz neckend innehält und sanft zudrückt.

Die Geste hat etwas Intimes. Wie eine Botschaft, die nur an mich gerichtet ist und mit einem Mal spüre ich den ganzen Alkohol, den ich intus habe, wieder sehr heftig. Mir schwindelt, während sich in meinem Kopf diese sanfte Berührung immer wieder abspielt. Sie verursacht ein warmes Ziehen in meiner Brust, dass ich nicht so Recht einzuordnen weiß, aber sich... gut anfühlt. Sehr gut sogar. Der Raum um mich dreht sich immer schneller um mich und ob aus Reflex oder weil ein Teil von mir es will, greife ich nach Seans Arm, um das Gleichgewicht zu halten.

Seine Haut ist warm und als er sich anspannt, um mich zu stützen, merke ich die Muskeln darunter. Das Gefühl lässt den intensiven Wunsch in mir aufkommen, mich einfach gegen seine Brust fallen zulassen, doch ich beiße mir heftig auf die Zunge, um mich zusammenzureißen. Natürlich könnte ich es machen unter dem Vorwand betrunken zu sein. Aber selbst in dem Schwindel, den mein Kopf gepackt hat, weiß ich, dass das nicht richtig wäre. Dass das nicht ich wäre. Ich schlüpfe in die Rolle, die Kerle von mir sehen wollen. Und von mir aus mime ich auch Mal einen Abend lang das zarte zerbrechliche Mädchen. Aber das ist der Punkt: ich spiele es. Das hier gerade hat nichts mehr mit einem Schauspiel zu tun. Ich will mich vertrauensvoll an Sean lehnen. Mich darauf verlassen, dass er mich hält... und das ist völlig verrückt.

Angestrengt blinzle ich und schaffe es tatsächlich meinen Kopf etwas zu klären. Ich verlasse mich auf niemanden außer Row. Und Gott bewahre, dass ich einen Kerl brauche, um mich zu stützen. Dass ich Sean brauche. Meine Güte, das zwischen uns ist die Definition einer lockeren Sache. Ein aufregendes Versteckspiel. Fehlt ja nur noch, dass ich ihm einen Spitznamen gebe.

Mit einem tiefen Atemzug bekehre ich mein angetüteltes Ich und löse mich von Sean, um wieder selbst auf zwei Füßen zu stehen. Aber kaum, dass ich seinen Arm loslasse, spüre ich wie seine Hand an meinem Arm hinunterfährt und nach meiner greift. Mein ganzer Körper spannt sich an, als sich zwei seiner langen schlanken Finger zwischen meine schieben. Ich sollte die Hand wegziehen. Gott, und wie ich es sollte.

Ich schlucke hart, aber meine Vernunft, setzen aus, als Sean sich zu mir vorlehnt. Mein Körper ist wie elektrisiert, kaum dass seine Brust sich sacht gegen meinen Rücken drückt. Ich versuche mir nicht anmerken zu lassen, was für einen Effekt Sean auf mich hat, indem ich den Blick weiter durch den Raum schweifen lasse, und halte an meinem üblichen Halblächeln fest. Doch genau in dem Moment als Seans sanfte Stimme dicht an meinem Ohr erklingt, trifft mein Blick Rows. Sie ist die Einzige, die uns Beachtung schenkt, aber dafür sieht sie alles. Mich durchfährt ein Stich der Schuld, dass ich es ihr noch nichts erzählt habe. Dass sie es so erfahren muss. Gleichzeitig lenken mich Seans Worte ab.

„Ich will dich. In meiner Wohnung, in meinem Bett."

Es ist kein Befehl und er spricht auch nicht mit dieser machohaften Arroganz, wie ich sie schon bei dem ein oder anderen zu hören bekommen habe. Es ist eine Feststellung. Ein Eingeständnis und das lässt mich leise aufstöhnen. Während ich weiter Rows Blick halte und weiß, dass ich zu ihr rübergehen sollte, um ihr endlich alles zu erzählen, macht sich zugleich mein Mund selbstständig. Ich komme nicht dagegen an. Gegen diesen Wunsch, diese Sehnsucht in meiner Brust.

„Ich will dich auch."

Seans Finger drücken meine Hand, bevor er mich sanft mit sich zieht. Ich lasse es zu und versuche Row mit einem letzten Blick über die Schulter Entschuldigung zu sagen. Aber sie wirkt gar nicht sauer, wie sie uns hinterherblickt. Nur nachdenklich, bis Sean und ich von der Menge verschluckt werden.

Trotzdem bleibt mein Blick noch eine Sekunde an der Stelle haften, wo Row sich hinter einer Mädchengruppe verborgen befinden muss. Mir fällt erst jetzt auf, wie schnell mein Herz schlägt. Ich habe schon oft eine Party zusammen mit einem Kerl verlassen. Und doch fühlt sich das hier anders an.

Sean bahnt uns einen Weg durch die Bar, mich noch immer an der Hand, sodass ich mich einfach von ihm mitziehen lassen kann. Es ist ein schönes Gefühl. Als könne ich einfach die Führung abgeben. Aber es hat den Nachteil, dass nun nicht nur Row auf uns aufmerksam wird. Immer wenn wir uns an einer Gruppe vorbeidrängen, weil die Bar inzwischen so voll ist, dass kaum Platz zum Bewegen bleibt, fällt ein neuer Blick auf uns. Zuerst entdecken sie Sean, weil er mir seiner breiten Statur mich größtenteils abschirmt, und ihm wird Platz gemacht. Es ist nicht Mal eine bewusste Entscheidung der Leute, doch jeder, der Sean sieht, geht automatisch einen Schritt zur Seite. Und das nicht weil er Eishockeyspieler ist. Sondern weil Sean diese Ausstrahlung besitzt. Eine ruhige Entschlossenheit, wie ein Fels in der Brandung. Da ist nichts von Lees Albernheit oder Grays allgemeiner Sympathie. Sean ist... geheimnisvoller. Er wirkt immer so gelassen und doch strahlt er eine Kraft aus, der man sich nicht in den Weg stellen will.

Die Leute respektieren ihn, das sehe ich in ihren Augen. Und dann fällt ihnen die kleine Gestalt auf, die er hinter sich herzieht. Mich. Und aus dem Respekt wird etwas anderes. Lieb gesagt könnte man es als Verwirrung oder Unverständnis bezeichnen. Doch bei anderen ist der Ausdruck auf ihrem Gesicht so klar, dass ich mir nichts vormachen kann. Verachtung. Abscheu. Sie könnten genauso gut laut rufen: „Was macht Sean denn mit der da?"

Und die Frage halt in meinem inneren wieder. Was macht Sean eigentlich mit mir? Wieso gibt er sich mit mir ab? Oder noch viel wichtiger, wieso riskiert er es so mit mir in der Öffentlichkeit gesehen zu werden, wenn er auf der anderen Seite nicht mal meine Telefonnummer wählen wollte? Bisher war es nur Sex. Guter Sex, der mir als Erklärung, was Sean von mir will, gereicht hat. Sex, von dem niemand wusste. Er hatte nichts zu verlieren, aber eine gute Zeit zu gewinnen. Das hier ist jedoch ein Game Changer. Sobald die Leute davon wissen, ist es nicht mehr nur noch eine rein körperliche Anziehung zwischen uns. Denn dann werden Fragen gestellt, die dazu führen, dass man Dinge hinterfragt. Die dazu führen, dass man nachdenken muss. Zum Beispiel darüber, dass ich trotz der dummen Blicke, oder gerade deswegen, mich noch stärker an Seans Hand festhalte. Ich will ihn nicht verlieren. Also, damit meine ich natürlich, ihn nicht hier in der Menge verlieren. Von den Blicken auseinandergerissen werden, weil Sean seinen Fehler bemerkt.

Aber er lässt nicht los. Stattdessen drückt er meine Hand und schiebt sich durch die letzten Leute, bevor wir endlich am Ausgang angekommen sind. Dass die kleine Geste mir ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert hat, wird mir erst bewusst, als uns eisige Luft entgegenschlägt. Eigentlich sollte mir sofort kalt werden, aber da ist dieses warme Prickeln in meiner Magengrube, das in meinen ganzen Körper strahlt.

Sean zieht sich seine Jacke über, die er vorhin von dem Hocker genommen hat, wo sie den Abend über gehangen hatte. Danach wird mir meine Jacke aus der Hand genommen, die ich geistreich einfach nur an mich drücke, anstatt selbst reinzuschlüpfen.

„Die Dame."

Irritiert blinzle ich, als Sean mir die Jacke hinhält. Aber das ist es gar nicht, was mich so irritiert. Es ist Seans schiefes Grinsen, das man viel zu selten sieht. Und das viel zu gut aussieht. Automatisch verziehen sich auch meine Lippen und ich deute spielerisch einen kleinen Knicks an.

„Der Herr."

Dann schlüpfe ich in die Ärmel und spüre für einen Moment den Druck von Seans Händen auf meinen Schultern, als er sich nach vorne beugt und mir leise ins Ohr raunt.

„Du siehst toll aus."

Das Lächeln auf meinem Gesicht wird noch breiter, aber ich beiße mir auf die Innenseite der Wange, um nicht wie sie letzte Idiotin zu wirken, als ich mich in seinem Griff umdrehe.

„Was ist hier denn los? So viel gutes Benehmen bin ich gar nicht gewohnt."

Sean schmunzelt und selbst hier draußen im Dunkeln sehe ich das Funkeln in seinen Augen, das so rein gar nichts mit gutem Benehmen zu tun hat. „Oh glaub mir, wenn ich will, kann ich mich sehr gut benehmen. Aber du hast die Neigung aus mir das schlechteste herauszuholen, Alexis."

Bei der Art wie er meinen Namen sagt, läuft mir ein Schauer über den Rücken. Ich Stelle mich auf Zehenspitzen, um verführerisch mit den Lippen über seine Wange zu streichen, bevor ich genauso nah an seinem Ohr hauche: „Oh, ich bringe sehr gerne das Schlechteste in dir hervor."

Seans Hände sind zu meiner Taille gewandert und ziehen mich ganz dicht zu ihm, während ich das tiefe Brummen in seiner Brust rumpeln höre, welches er als Bestätigung ausstößt. Er dreht den Kopf leicht, sodass nun unsere Lippen voreinander schweben. Es sind nur Millimeter und ich spüre das Kribbeln auf meinen Lippen bereits so, als hätten wir die Lücke zwischen uns schon geschlossen. Der Moment zieht sich quälend süß in die Länge. Ich bebe fast vor freudiger Erwartung und ich weiß, dass Sean das merkt. Sehe es an der Art, wie ein kurzes Grinsen über sein Gesicht huscht, bevor er endlich das letzte Stück überbrückt.

Der Kuss ist atemberaubend. Dominant und fordernd, aber zugleich auch weich und süß. Sean beugt sich zu mir, sodass ich wieder auf meinen ganzen Füßen stehe und einer seiner Hände wandert in meinen Nacken. Ich bin vollständig umhüllt von ihm. Überall ist einfach nur Sean. Und ich lasse mich in dieses Gefühl fallen. Es löscht alles andere aus. Die Umwelt, meine Gedanken und die Vergangenheit. Da ist nichts, außer dieser Moment, und das ist genau was ich brauche. Genau, wonach ich mich sehne. Und ich will mehr davon.

Mit einem kleinen Stöhnen dränge ich mich noch enger an Sean, fahre mit den Händen unter seine Jacke, die offen steht, und erkunde die Muskeln an seinem Rücken. Mein Gott, dieser Kerl besteht gefühlt aus nichts anderem. Wie kann es sein, dass er Monate verletzt war und nicht mal ein kleines Bäuchlein angesetzt hat? Nicht das ich mich beschweren will. Absolut nicht.

Bevor das Ganze hier einen Schritt zu weit geht, schiebt Sean mich sanft ein Stück von sich, sodass sich nur noch unser Atem vermischt, während wir beide begierig nach der kühlen Luft schnappen. Seine Hand liegt noch immer in meinem Nacken und ich bin verdammt froh über diese Stütze, denn irgendwie dreht sich die Welt wieder bedenklich. Ich weiß nur nicht, ob das der Alkohol oder Seans Schuld ist.

Zumindest scheint es Sean aber nicht besser zu gehen, so wie er mich mehrere Sekunden dicht bei sich hält, bevor er es schafft mit einem tiefen Atemzug einen Schritt zurückzutreten. Meine Hände klammern sich an seine Jacke, unentschlossen ob ich mit dem Abstand einverstanden bin, was ein Lächeln über Seans Gesicht huschen lässt. Er kommt wieder etwas näher, während ich seine warmen Finger an meiner Wange spüre, als er mir eine Haarsträhne hinters Ohr schiebt. Eine Gänsehaut breitet sich auf meiner Haut aus.

„Ich rufe uns ein Taxi." Seans Stimme ist tief und heißer, was meinen Zustand nicht gerade verbessert. Also nicke ich nur, weil mir reden gerade etwas zu viel abverlangt. Sean zieht sein Handy aus der Hosentasche und ich bin jetzt zumindest soweit ,endlich die Finger aus seiner Jacke zu lösen, um ihm etwas Freiraum zu geben. Aber ich schaffe es kaum einen Schritt zurück, als sich auf einmal ein Arm um mich schlingt und an eine warme Brust zieht.

Ich muss aussehen wie ein Achtzigjähriger, dem gerade ein rosa Einhorn auf der Straße begegnet ist. Zumindest kann ich mich einen Moment nicht rühren oder auch nur denken, bis mein Gehirn verarbeitet hat, was hier gerade passiert ist. So viel kann ich doch gar nicht getrunken haben, um mir das einzubilden, oder?
Aber als mein Blick ungläubig nach oben wandert ist da wirklich Sean, der mit völlig ungerührter Mine in sein Handy spricht. Sean, der mich an sich drückt und mich mit seiner Wärme einhüllt. Sean, der... mein Hals schnürt sich eng zu, während ich ihn weiter einfach nur anstarren kann.

Mein Körper macht sich selbstständig und entspannt sich. Wie von einer unsichtbaren Macht geleitet legt sich meine Hand auf Seans Brust, während mein Kopf die perfekte Position an seiner Halsbeuge findet. Und ich fühle mich einfach... wohl. Geborgen.

Das Wort halt in mir wieder und schickt einen Schauer über meinen Körper, während ich mich noch ein Stück näher an Sean dränge und seine Wärme ganz tief in mich aufnehme. Mir fällt nicht Mal auf, dass ich die Augen geschlossen habe, bis mir eine Hand sacht über den Kopf streichelt und eine tiefe Stimme mich aufblicken lässt.

„Zehn Minuten, dann sind sie hier."

Um ehrlich zu sein hätte es von mir aus auch eine Stunde dauern können. Aber ich nicke kurz und zwinge mich, nicht wie die letzte verliebte Idiotin zu wirken, auch wenn ich meinen Körper nicht davon überzeugt bekomme, mich von Sean zu lösen. Zum Glück scheint ihm das nichts auszumachen.

„Denkst du nicht, du hättest drinnen ein Fangril gefunden, dass dich heimfährt? Vielleicht hätte sich der Mopp von vorhin sogar überzeugen lassen dich auf Händen heimzutragen." Spöttisch ziehe ich eine Augenbraue hoch und bekomme dafür ein schiefes Lächeln zurück.

„Oh bestimmt, spätestens wenn ich ein verschwitztes altes Trikot als Bezahlung geboten hätte. Aber was wäre dann aus meiner hübschen Begleitung geworden?"

Auch wenn die Worte nur im Spaß gemeint sind, lassen sie ein Grinsen auf meinem Gesicht erscheinen. Weil ich das Gefühl habe ein Teil von etwas zu sein. Als wäre ich mehr als nur eine Bettgeschichte. Gefährliche Gefühle, aber der Gedanke verblasst ganz schnell als Sean mich kurz drückt, als wolle er seine Worte nochmal unterstreichen.

„Tja, ich befürchte der Taxifahrer wird kein stinkendes Kleidungsstück von dir als Bezahlung gelten lassen." Ich versuche frech zu wirken, aber als mein Blick dem von Sean begegnet fangen meine Beine verräterisch an zu zittern.

„Das ist es wert."

Es ist dumm und töricht. Aber ich kann mich dem Gefühl nicht verwehren, dass er damit mehr meint als den Sex. Und das lässt mein Herz viel zu schnell schlagen.

Einige Stunden später liege ich auf Sean, einen Arm über seine Brust gestreckt und ein Bein zwischen seinen verhakt, während er mit seinen rauen Fingern langsam Kreise über meinen Rücken zieht. Es fühlt sich verdammt gut an. Wie etwas, das für immer so bleiben könnte, und zumindest für den Moment genieße ich es in vollen Zügen.

Als er mit der Bewegung inne hält gebe ich einen grummelnden Laut von mir, der mit einem leisen Lachen gekontert wird. „He, als menschliches Kissen missbraucht zu werden ist anstrengend. Lass mich zumindest einen Schluck trinken."

Da ich mit meiner geringen Körpermasse eh kaum etwas ausrichten kann, wenn Sean sich dazu entscheidet sich aufzurichten, rücke ich ein Stück zur Seite, um ihm Platz zu machen. Dabei ziehe ich die Decke mit mir was gleich zwei Vorteile hat. Erstens wird mir ohne seine Körpernähe viel zu schnell kalt. Zweitens kann ich dadurch das Spiel seiner Rückenmuskulatur bewundern, als er sich zum Nachtisch streckt und nach dem Wasserglas greift. Das stellt sich jedoch als ziemlich leer heraus, was kein Wunder ist, wenn man bedenkt, dass wir seit vier Stunden das Bett nicht mehr verlassen haben.

Dieses Mal gibt Sean einen beschwerenden Laut von sich, doch bevor er aufstehen kann, habe ich mich schnell nach vorne gebeugt und ihm das Glas abgenommen. Erstaunt blickt er zu mir, doch ich zwinkere nur und lasse die Decke fallen, sodass man das rote Spitzenset sehen kann, das ich anhabe. „Lass mich machen."

Kaum dass ich aus dem Bett aufgestanden bin, schlingt sich ein warmer Arm von hinten um mich und heiße Küsse werden auf meinem Rücken platziert, die mich erschaudern lassen. „Ich habe mich umentschieden, ich brauche nichts zu trinken. Komm lieber wieder zurück ins Bett."

Lachend lege ich den Kopf zur Seite, als er sich bis zu meinem Hals hinaufgeküsst hat. „Wer sagt, dass es darum geht, was du willst? Ich habe auch Durst." Um meine Worte zu unterstreichen, stoße ich ihn von mir und funkle ihn kurz an, bevor ich mich umdrehe und auf nackten Füßen ins Wohnzimmer tapse. Es wäre jedoch gelogen, dass mir das gequälte Stöhnen nicht schmeichelt, das mich auf meinem Weg begleitet. Doch mir ist eine Idee gekommen, die zu gut ist, um mich davon abhalten zu lassen.

Also gehe ich weiter in die Küche um dort vor dem Kühlschrank stehen zu bleiben, anstatt vor dem Wasserhahn. Ein lächerlich breites Grinsen ziert mein Gesicht, während ich diesen öffne und eine angebrochene Orangensaftfalsche hervorhole. Vielleicht ist es der Restalkohol in meinem System, aber ich habe gerade ein unglaubliches Verlangen danach. Oder vielleicht auch nur nach Küssen, die nach Orangen schmecken. Egal wie, ich fülle das Glas bis es randvoll ist und beeile mich dann zurück ins Bett zu kommen, um der Kälte zu entfliehen.

Sean hat meine Abwesenheit genutzt, um etwas auf dem Handy nachzuschauen. Ich würde am liebsten fragen was, aber dazu habe ich kein Recht, also beiße ich mir gerade noch rechtzeitig auf die Zunge, auch wenn Verärgerung in mir aufsteigt. Da hole ich schon extra was zu trinken und er... Doch bevor ich zu Ende denken kann, blickt Sean auf und ein Lächeln erscheint auf seinem Gesicht, dass mich alles andere vergessen lässt.

„Ich habe gedacht du bist ein Wassermensch."

Mir auf die Lippe beißend, um nicht dümmlich zu lächeln, weil mein Plan aufgegangen ist, knie ich mich auf die Matratze und krabble zu Sean herüber, das Glas noch immer in meiner Hand.

„Na, ich will mir ja nicht nachsagen lassen, dass ich eine Spaßbremse mit Kontrollzwang bin."

Ein tiefes Lachen poltert durch den Raum und es fühlt sich verdammt gut an, wie Sean mich näher zu sich zieht. Funkelnd schaut er mich an.

„Dann lass großen Worten auch Taten folgen und trink."

Keine Ahnung wieso, aber etwas an den Worten lässt mich zögern, als ich das Glas schon fast angesetzt habe. Ich weiß schon gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal einen Saft getrunken habe, der nicht mit Alkohol vermischt war. Saft ist Zucker. Nicht viel besser als Softdrinks wenn es nach meiner Diät geht. Unbewusst legt sich eine Hand auf meinen Bauch.

„Alexis." Seans sanfte Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und lässt meinen Blick von dem Saft zu seinem ernsten Gesicht gleiten. Von der Belustigung gerade eben ist nichts mehr zu erkennen, in der Art wie er mich betrachtet. „Du kannst das trinken, ohne dir Sorgen zu machen. Der Saft schadet dir nicht."

Ein Teil von mir weiß, das Sean recht hat. Ein Saft lässt die Welt nicht untergehen. Trotzdem kann ich ihn nur anstarren, während ich trocken schlucke. Er betrachtet mich noch immer eingehend und für einen Moment glaube ich, er wird noch etwas sagen. Vielleicht mir gut zureden oder mich erneut eine Bohnenstange nennen. Aber dann ist es, als würde er sich von einer zur anderen Sekunde an etwas erinnern, und was auch immer ihm zuvor im Gesicht gestanden hatte wird abgelöst von einer neutralen, fast genervten, Mine. Es kann kaum mehr als eine Sekunde sein, in der er sich abwendet, und eine so tiefe Panik in mir aufkommt, wie ich sie schon lange nicht mehr verspürt habe. Ohne noch länger nachzudenken, setze ich das Glas an und nehme einen großen Schluck.

Der Orangensaft schmeckt herrlich. Sean kauft eindeutig nicht den Billigkram. Doch das nehme ich nur am Rande wahr, weil der Großteil meiner Aufmerksamkeit noch immer auf Sean gerichtet ist, der in seiner Bewegung innehält und überrascht zu mir schaut. Als hätte er damit nicht gerechnet. Und ich weiß nicht, wieso es mir wichtig ist, ihm das Gegenteil zu beweisen, aber als ich das Glas wieder senke, lächle ich ihn so zuckersüß an, als wäre das Ganze nicht bis eben noch ein Riesending für mich gewesen.

„Wenn's leer ist musst du dieses Mal aufstehen." Ich strecke ihm das Glas entgegen und kuschle mich wieder in die Decke, im Versuch mein schnell schlagendes Herz zu ignorieren. Meine Zunge prickelt leicht von der Säure des Orangensafts und ich weiß nicht, ob das ein gutes oder schlechtes Gefühl ist. Daher entscheide ich, ist es das Beste, mich einfach von dem Gedanken – von allem was die letzte Minute passiert ist – abzulenken. Und glücklicher Weise habe ich meine Lieblingsablenkung genau neben mir.

Also gebe ich Sean kaum die Zeit selbst zu trinken und danach das Glas wegzustellen, bevor ich auch schon auf ihn krabble und meine Lippen auf sine presse. Da ist wieder dieser Geschmack nach Orangen und Sommer im Kuss. Doch bevor ich mich darin verlieren kann, werde ich sanft, aber bestimmt, weggedrückt. Überrascht öffne ich die Augen, und begegne Seans verschlossenem Blick, der mich fast zurückschrecken lässt. Wie eine Puppe werde ich von ihm gehoben und mit einem Anstandsabstand neben ihn gelegt.

„Komm, lass etwas schauen. Vielleicht schlafen wir dann endlich ein."

Er greift nach der Fernbedienung und keine Sekunde später wird der Raum von irgendeiner Sitcom erfüllt. Was gut ist, denn dadurch fällt vielleicht nicht ganz so sehr auf, wie ich erstarrt neben Sean liege und mich gerade so davon abhalten kann, ihn ungläubig anzustarren. Was war das denn? Gerade wollte er mich noch kaum aus dem Bett aufstehen lassen und jetzt fehlt nur noch, dass er eine Kissenmauer zwischen uns aufbaut. Was schlecht geht, da er nur ein Kissen und eine Decke besitzt.

Ich verstehe es nicht. Genauso wenig, wie ich nicht verstehen kann, dass er mich nicht angerufen hat, um mich dann heute Abend doch wieder mit nach Hause zu nehmen. Das ist eine Frage, die ich den ganzen Abend unterdrückt habe, doch jetzt spukt sie so laut in meinem Kopf herum, dass ich sie ihm am liebsten direkt ins Gesicht gesagt hätte. Nur dass ich mich damit zum Affen machen würde. Ich habe Sean gesagt, es ist okay für mich nur etwas Lockeres zu haben und ich möchte keinen Falls das Klischee erfüllen und nun doch eine Szene schieben. Also rolle ich mich einfach zusammen und mache es mir so bequem wie möglich, während ich darauf achte Sean nicht wieder auf die Pelle zu rücken.

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