𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟟

𝕏𝕖𝕟𝕚𝕒𝕤 .𝕆.𝕍.

Ich saß da auf dem unbequemen Heubett in der Dachkammer von Jordans Haus. Die Wände waren trist und die Kommode sah aus als würde sie gleich in sich zusammenbrechen. Genau wie ich mich fühlte. Ich hörte Gideon und Jordan unten stritten. Eigentlich hatte er uns etwas zum Essen besorgen wollen, aber er muss wohl darauf gekommen sein, dass ich wegen Jordan so verstört war. Ich wollte trotzdem nicht, dass Gideon Stress mit seinem Onkel bekam, obwohl er vorhin echt komisch gewesen war. Am liebsten würde ich wieder zurück in Gideons Haus oder zu Lina, da wo ich mich sicher fühlte. Denn hier fühlte ich mich definitiv nicht sicher!

Ich hörte Schritte auf der Treppe und kurz danach öffnete Gideon die Tür. Ich konnte förmlich spüren wie er innerlich brodelte vor Wut. Er sah mich an. Seine Augen schimmerten wütend, doch das legte sich etwas, als er zu mir kam. Er setzte sich neben mich und nahm mich nochmals in den Arm. Als er mich wieder losließ, sagte er: »Jordan hat nichts Essbares im Haus. Wir müssen runter ins Dorf und uns selbst etwas besorgen.«.
Mir fiel wieder ein, dass ich noch gar nicht wusste, in welcher Zeit wir uns befanden. »Gideon?«,fragte ich.

»Ja?«, antwortete er und sah mich aufmerksam an.

»In welcher Zeit sind wir überhaupt?«, fragte ich ihn.

»Hat dir das Jordan nicht gesagt? Ich dachte, er hätte dich schon aufgeklärt... Anscheinend noch eine Sache, in der ich mich geirrt habe!«.

Er macht schon wieder Anstalten aufzustehen und runterzugehen, um nochmals mit Jordan zu streiten, doch ich hielt ihn zurück. Es war sowieso schon ein Wunder, dass er uns noch nicht rausgeschmissen hatte. Ich versuchte ihn noch etwas zu beruhigen und sagte, »Gideon, er hat sich erst um dich gekümmert und danach hat er mir die Zeitreise-Sache erklärt. Er wollte mir auch sagen, in welchem Jahr wir uns befinden, aber in dem Moment bist du zu dir gekommen und er ist zu dir gegangen.«.

»Dann hab ich ja was gut zu machen, wenn du wegen mir nicht erfahren hast, in welchem Jahr wir sind.«.
Er grinste und küsste mich flüchtig, bevor er mich vom Bett hochzog. »Komm, dann lass uns ins Dorf gehen und etwas zu essen holen«, sagte er, während er sich umzog.

Immer noch etwas überrascht von seinem Kuss zog ich mich ebenfalls um. Allerdings mit der Bedingung, dass Gideon sich umdrehen sollte.

»Bevor ich es jetzt vergesse: wir sind im Jahr 1875.«, sagte Gideon zu mir und ich bemerkte, dass ich schon wieder völlig vergessen hatte, dass ich das wissen wollte.

Als wir fertig umgezogen waren, gingen wir den Feldweg entlang ins Dorf. Gideons Wunde war schon fast vollständig verheilt. Es war schon praktisch, dass man als Werwolf schneller heilte als normale Menschen. Aber auch Jordan hatte gute Arbeit geleistet. Trotzdem wusste ich nicht so richtig, was ich von ihm halten sollte...
Am Dorfeingang nahm Gideon meine Hand und drückte sie kurz. Ob die Leute uns wieder erkennen würden? Hoffentlich nicht! Diesmal nahm keiner Notiz von uns. Es war ein gemütliches kleines Dörfchen. Am Straßenrand spielten Kinder und ein Mann versorgte sein altes Pferd. Alles sah so friedlich aus bis jemand schrie, »Da sind sie! Er hat mich angegriffen mit seinen Krallen und Zähnen! Seine Augen waren gelb wie Schwefel!«.

Ich drehte mich um und sah den Jungen von heute Morgen, der auf uns zeigte und »Tötet den Dämon!«, rief. Ein anderer rief, »Sie gehört zu ihm, sie ist bestimmt auch ein Dämon!«.
Jetzt riefen die beiden zusammen, »Tötet die Dämonen, tötet die Dämonen!«. Immer mehr stimmten ein und wütend kamen sie mit ihren Heugabeln auf uns zu. Ich wurde langsam unruhig, doch Gideon blieb ganz gelassen stehen und plötzlich hörte ich ihn in meinen Gedanken.

»Xenia, alles ist gut. Sie können uns nichts anhaben. Das sind alles nur gewöhnliche Leute.«.

Ich drückte kurz seine Hand, um ihm zu zeigen, dass ich ihn gehört hatte. Doch plötzlich kam der Mann, der gerade noch sein Pferd gepflegt hatte, mit einer Fackel auf uns zu. Jetzt bekam ich erst recht Panik und seine Augen hatten so einen irren Schimmer, dass ich noch mehr Panik hatte! Doch Gideon versuchte ruhig zu bleiben. Aber ich merkte, dass er nicht so ruhig war wie er tat. Der Mann kam langsam näher, doch Gideon blieb stehen. Aber auch er fing langsam an zu zittern. Als er noch näher kam, wichen wir zurück. Es war wie ein Reflex und mein Wolf wollte an die Oberfläche.

Ich hatte Angst und Gideon auch, das konnte ich spüren. Doch dann spürte ich ein mittlerweile vertrautes Kribbeln. Ich schaute runter auf unsere Hände. Die Adern waren zu sehen! Und Gideon spannte sich langsam an. Er lehnte sich kaum merklich zu mir rüber, sodass ich seinen Atem spüren konnte.

»Auf drei rennen wir los zu Jordan, egal, was er gemacht hat. Bei ihm sind wir sicherer als hier.«.

Ich nickte, doch mir wurde unwohl bei dem Gedanken an Jordan. »Eins.«, fing Gideon an zu zählen, »Zwei.«. Er umfasste meine Hand fester und machte sich bereit einfach vorne durchzustürmen, an dem Feuer vorbei zu Jordans Haus. »Drei.«.

Wir rannten los. Ich könnte schwören, dass ich noch nie so schnell gerannt war. Es war so als würde ich fliegen, weil meine Füße kaum noch auf dem Boden aufkamen. Ich sah das Haus schon in der Ferne, doch dort stand jemand. Es war allerdings nicht Jordan. Ich roch Feuer, aber ich wusste nicht, ob es von dem wütenden Mob hinter uns war oder von dem Mann einige hundert Meter vor uns. Wir kamen langsam näher, doch Gideon blieb abrupt stehen und dann hörte ich es auch. Jordan sprach mit uns. »Verschwindet so schnell ihr könnt, der Mann hat Silber. Macht euch keine Sorgen um mich, ich komme schon klar.«.

Gideon lief in den Wald. Dann fiel mir etwas ein. »Gideon, können wir nicht einfach in der Zeit zurück springen?«.

»Nein, dafür müssten wir genau an der gleichen Stelle sein. Ich habe uns zwar die Stelle markiert, aber wir würden sie jetzt nicht schnell genug finden. Außerdem bestünde die Gefahr, dass die Menschen, die am nächsten an uns dran sind, mitspringen. Das können wir nicht riskieren.«.

Er zog mich weiter, noch tiefer in den Wald. Aber selbst als wir sehr weit von ihnen entfernt waren, machten wir keine Pause.

Bessere Ausdauer, noch ein Bonus dieser Wolfsache.

Nach einer Ewigkeit machten wir dann endlich eine Pause. Ich sank erschöpft auf den Waldboden. Gideon setzte sich neben mich. Ich lehnte meinen Kopf gegen seine Schulter und er nahm wieder meine Hand, die er vorhin beim rennen losgelassen hatte. Mit der anderen Hand strich er mir übers Haar. »Du bist wunderschön.«, flüsterte er kaum hörbar. Wahrscheinlich hatte er zu viel Angst vor meiner Reaktion, um es lauter zu sagen.
Ich lächelte und wollte etwas erwidern, aber mir fielen die Augen zu, es war inzwischen sehr spät geworden und der dunkle Schleier der Nacht legte sich über uns.



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Schönen Tag noch ;)

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