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Mit einem dumpfen Aufprall landete ich geschmeidig wie eine Katze auf dem Fußboden meines ehemaligen Zaubertränkeklassenzimmers. Wenn alles geklappt hatte, wovon ich stark ausging, befand ich mich hier im Jahr 1996. Ein paar Sekunden zuvor, das heißt vor meinem Zeitsprung, war ich noch im Jahr 2019.
Während ich mich vergewisserte, dass ich allein war, atmete ich vertraute Gerüche ein, die mich an meine Schulzeit in Hogwarts erinnerten: Dämpfe von Kräutermischungen, die irgendeinem Sud beigefügt werden, dazu das schummrige Licht, das den Kerkern innewohnt, in denen die Räumlichkeiten der Slytherins und des Fachs Zaubertränke liegen.
Mir war nach meiner Reise etwas schwindlig zumute, ich konnte trotzdem sehr genau den Duft des kostspieligen Parfums identifizieren, das Professor Slughorn verwendete. Damals, im Jahr 1996, unterrichtete er Zaubertränke, da unser Schulleiter Albus Dumbledore Professor Snape endlich seinen heißgeliebten Posten in Verteidigung gegen die dunklen Künste anvertraut hatte. Die beiden Professoren waren sehr verschieden. Snape hatte nicht gerade den besten Ruf unter uns Schülern. Er war streng und übellaunig, Slughorn dagegen meist fröhlich und freundlich. Der Eine kam aus armen Verhältnissen und pflegte einen bescheidenen Lebensstil, der Andere ließ es sich immer gut gehen und gab sich nicht mit etwas Billigem zufrieden. Das Parfum verriet mir, Slughorn war erst kürzlich in diesem Raum gewesen. Perfekt für mich und meine Investigation. Oh, aber zuerst sollte ich mich vorstellen.
Mein Name ist Hermine Jean Granger. Ich bin ausgebildete Aurorin und wurde vom Zaubereiministerium in die Vergangenheit geschickt, um Vergangenheitsbewältigung zu leisten. Das war notwendig, weil während des Krieges gegen Voldemort vielen Menschen großes Unrecht widerfahren ist. Mein bester Freund Harry, unser jetziger Zaubereiminister, hatte erlassen, etwas dagegen zu unternehmen. Anfangs war ich selbst natürlich sehr skeptisch, aber dann war es mir gelungen, zu Dobby in die Vergangenheit zu reisen, wo ich ihn warnen konnte. Keine leichte Aufgabe übrigens. Zeitreisen, die schon länger zurückliegen, haben ihre Tücken und sind nicht mit denen zu vergleichen, die ich in meinem dritten Schuljahr gemacht habe. Es hat mich unzählige Versuche gekostet, nicht mit dem Gesicht voraus zuerst die Raum-Zeit-Barriere zu durchbrechen, was ein paar unschöne Unfälle zur Folge hatte.
Inzwischen bin ich ein Profi, was das anbelangt, aber jede Zeitreise ist und bleibt ein gewagtes Abenteuer. Oder glaubt ihr, es ist leicht, einem Elfen zu erklären, dass er in der Zukunft von einer bösen Hexe namens Bellatrix Lestrange getötet wird, auch als Schwester seiner Sklavenherrin bekannt?
Die meisten meiner Schützlinge reagierten nicht besonders begeistert auf mein plötzliches Auftauchen. Einige hielten mich sogar für feindliche Spione, die Voldemort geschickt hatte. Letztendlich war es mir jedoch gelungen, nach reichlicher Vorbereitung und Selbstaufopferung, all meine Aufträge zufriedenstellend zu beenden. Dobby lebt. In der Zukunft ist er gesund und munter und arbeitet wieder in Hogwarts.
Nachdem sein Fall abgeschlossen war, bin ich wieder in die Vergangenheit gereist und habe Fred Weasley vor dem Tod bewahrt. Ihm folgten meine Freunde Remus Lupin und seine Frau Nymphadora, die von allen nur Tonks genannt werden will. Snape war somit mein fünfter und vorläufig letzter Kandidat. Er war ein Spion, der im Krieg auf unserer Seite gestanden hatte. Hier, im Jahr 1996, tat er genau das und darum war ich hier. Sicher, man mag von ihm halten, was man will, und ich als seine ehemalige Schülerin muss das wissen, aber er hatte nach allem, was ich über ihn gelernt habe, ebenfalls eine zweite Chance verdient. Wenn ich mit ihm fertig wäre, hatte ich mir fest vorgenommen, keine Zeitreisen mehr zu unternehmen. Ich fand, dass es eher an der Zeit war, mich in den Innendienst versetzen zu lassen, wo es deutlich ruhiger zuging. Immerhin war ich fast vierzig, zwar kein nennenswertes Alter für eine Hexe, aber mein Leben war die vergangenen Jahrzehnte ziemlich aufregend gewesen.
Langsam gewöhnte ich mich an meine Umgebung. Das Schwindelgefühl ließ deutlich nach und ich wollte zusehen, dass ich von hier wegkam, schließlich hatte ich ja nicht vor, Wurzeln zu schlagen oder in der Vergangenheit irgendwas durcheinander zu bringen, das in der Zukunft einen Schaden anrichtete.
Mit meinem Zauberstab in der einen Hand, zog ich mit der anderen Harrys Karte von Hogwarts aus meiner Hosentasche, damit ich sehen konnte, wo ich nach Snape suchen sollte. Er war ein Slytherin und hatte sein Büro immerzu hier unten und vielleicht würde ich ihn ja dort antreffen. Im selben Moment schon hörte ich ein kaum wahrnehmbares Rascheln hinter mir.
Gewarnt fuhr ich herum. Ich bin Aurorin. Ich bin gut in dem, was ich tue. Und habe ich schon erwähnt, dass ich befugt bin, selbst Unverzeihliche Flüche auszuüben?
Gewappnet blickte ich in das Gesicht meines Professors, das harte Gesicht, das immerzu von langen, schwarzen Haaren umrahmt war. Seine Züge waren steinern verzerrt, seine ebenfalls schwarzen Augen durchbohrten mich. Sichtlich überrascht, wie ich mir denken konnte, obwohl es bei ihm schwer zu sagen war. Snape war ein hervorragender Spion, der sich nur selten eine offensichtliche Gefühlsregung erlaubte. Es sei denn, er war wütend. Und wütend sah er nicht aus, denn ich war Hermine Granger, aber für ihn sah ICH aus wie eine Frau aus der Zukunft, die große Ähnlichkeit mit der Schülerin von 1996 hatte.
Wir starrten uns an. Dann brach ich das Eis, indem ich vorsichtig die Karte des Rumtreibers in meine Hose zurückschob, selbstverständlich unter genauester Beobachtung stehend, und etwas die Hände hob, um anzudeuten, dass ich in Frieden kam.
"Professor, wie schön, dass wir uns wiedersehen. Ich bin Hermine Jean Granger. Sie kennen mein jüngeres Ich." Freundlich streckte ich ihm die Hand hin.
Snape sagte nichts, aber seine dunkle Augenbraue hob sich leicht.
Mir fiel es schwer, mein Lächeln weiter aufrechtzuerhalten. Als ich sah, wie er von Nagini getötet wurde, hatte mich das genauso mitgenommen wie der Tod von Dobby oder Fred. Bei Remus und Tonks war ich nicht dabei gewesen. In Hogwarts herrschte Chaos, Harry, Ron und ich waren in viele Kämpfe verwickelt gewesen.
Da ich uneingeladen gekommen war und ihn nicht verärgern wollte, denn ein wütender Snape war schlimmer als alles andere, nahm ich meine Hand wieder runter. "Professor, ich bin hier, weil ich Sie warnen muss. Ich habe einen Zeitsprung in die Vergangenheit gemacht, um Ihnen zu helfen. Harry hat mich geschickt. Er ist ist unser neuer Zaubereiminister und wir arbeiten daran, einige Fehler, die wir in der Vergangenheit gemacht haben, zu beheben. Dazu gehört auch, Sie zu warnen. Wenn ich es nicht tue, werden Sie von Voldemorts Schlange Nagini getötet. Wir gewinnen dann zwar immer noch den Krieg, aber dass Sie sich opfern, ist nicht nötig. Harry ..."
"Das reicht", sagte er schroff. Er redete so leise und mit nahezu unbeweglichem Mund, dass ich fast glaubte, es mir nur eingebildet zu haben.
Das Sprechen war mir immer schwer gefallen, wenn er einen so anschaute. Außerdem war es nicht der geeignete Ort für eine so geheime Unterhaltung, aber ich musste es wenigstens versuchen und so startete ich erneut. "Es tut mir leid, Sie damit zu überfallen. Es muss ziemlich zusammenhanglos klingen. Vielleicht können wir in Ihr Büro gehen und uns dort unterhalten, dann werden Sie sehen, dass es einen Sinn ergibt. Ich habe Beweise, die Ihnen zeigen werden, dass ich in alles eingeweiht bin. Alles. Verstehen Sie?"
Snape hob seine Hand und machte ein verärgertes Gesicht. Oje. Diesen Ausdruck hatte ich zu oft gesehen und ich erwartete fast, dass er mich anschrie. Aber er zögerte und selbst dabei war er eindrucksvoll. Ein großer Zauberer, und wie immer, auch wenn er nur kurz überlegte, unglaublich klug im Kopf.
"Alles?", wiederholte er kühl, wobei er sofort die dünnen Lippen fest zusammenpresste.
Ich nickte, bemüht, seinem intensiven Blick standzuhalten.
Er verunsicherte mich. Ich war nicht schlecht in Okklumentik, der Kunst, den Geist zu verschließen, aber ich war auch versucht, ihn durchzulassen, damit er sehen konnte, dass ich die Wahrheit sagte; Harry hatte mir Snapes letzte Erinnerungen gegeben. Die Geheimnisse, die dieser mit Dumbledore gehabt hatte. Ihre Worte und Versprechen, wie das, was Snape damals Dumbledore gegeben hatte, damit dieser Lily beschützte. Alles.
"Ich werde erst gehen, wenn Sie mich angehört haben. Ich habe einen Eid geschworen. Einen Unberechenbaren Schwur", antwortete ich ihm.
Und weil ich wusste, wieso er für uns spionierte, verschloss ich mich vor ihm.

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