Kapitel 82 - Supposed to run
Ron lief los. Seine Aufgabe war es, Umbridge in die Verwandlungsräume zu locken, die weit entfernt von ihrem Büro lagen, indem er ihr erzählte, Peeves würde durchdrehen und darin alles verwüsten. Grund genug Ginny und Luna standen Schmiere und bewachten den Gang vor Umbridges Büro, während Hermine, Harry und ich in Umbridges Büro schlichen. Dort sollte ich die Stellung halten. In der Zwischenzeit würde Harry versuchen mit Sirius über den Kamin Kontakt aufzunehmen.
Alles schien wie am Schnürchen zu laufen und ich fragte mich für einen kurzen Augenblick, ob es nicht gar zu einfach war. Jeder befand sich auf Position und der versperrte Zugang zu Umbridge Büro war auffällig einfach zu überwinden gewesen. Misstrauisch schritt ich über den rosa Teppich, beobachtete die dutzenden Katzenbilder an den Wänden.
„Ich habe ein ungutes Gefühl." murmelte ich, doch Harry beachtete mich nicht, sondern rannte geradewegs zum Kamin, nahm unmittelbar etwas von dem Flohpulver und warf es hinein, bevor er sich niederkniete und seinen Kopf in das züngelnde Feuer tauchte.
„Du hast recht. Irgendetwas stimmt hier nicht." erwiderte Hermine, die besorgt auf Harry hinabblickte. Etwas lag schwer und träge in der Luft. Ich konnte es weder riechen noch sehen, doch ich fühlte es. Es war, als wären wir durch einen unsichtbaren Schleier getreten. Ich schloss meine Augen, versuchte die Quelle ausfindig zu machen und von Sekunde zu Sekunde tat sich eine immer größere Befürchtung in mir auf. Ich riss die Augen auf.
„Das ist eine Fa---"
Einer lauter Krach ertönte und die Tür sprang ohne Vorwarnung auf. Ein Luftzug peitschte mir ins Gesicht und ließ mich zurücktaumeln, meinen Zauberstab ziehend, hinter dessen Spitze eine wutentbrannte Umbridge hereingerauscht kam, gefolgt von Millicent Bulstrode und Draco. Umbridge zielte mit ihrem Stab direkt auf meine Brust.
„Ich würde Ihnen raten, das zu unterlassen, Miss Hastings" sagte sie bedrohlich leise, ohne mich aus den Augen zu lassen. „Senken Sie Ihren Zauberstab. Sofort. Oder Sie und Ihre Freunde werden am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, sich mit dem Ministerium anzulegen."
Ich sog scharf die Luft ein, fragte mich, wozu sie oder das Ministerium offensichtlich bereits fähig war, um die Wahrheit über Voldemorts Rückkehr zu vertuschen. Doch ich wollte es nicht herausfinden, nicht bei dieser geringen Wahrscheinlichkeit hier herauszukommen. Harry hatte nichts von alledem mitbekommen, seinen Kopf weiterhin tief in die Asche des Kamins getaucht, während Hermines Hand zwar bereits in ihre Umhangtasche geglitten war, doch ich wusste nicht, ob sie schnell genug sein würde, sollte es zu einem Kampf kommen. Draco und Bulstrode hatten bereits ihre Stäbe gezogen, sie waren bereit und Umbridge... Ich zweifelte nicht daran, dass sie Flüche kannte, die ich nicht kennenlernen wollte und in dem Umgang mit Zaubern bestens geschult war, wenngleich nichts davon in ihrem Unterricht jemals zum Vorschein gekommen war. Nein. Das hier würde kein gutes Ende nehmen.
„Sie meinen, damit Sie und das Ministerium weiterhin dafür sorgen können, dass niemand von Voldemort erfährt?" murmelte ich, versuchte irgendwie noch Zeit für Harry zu gewinnen.
„LÜGEN!" kreischte sie und die Spitze ihres Zauberstabs bewegte sich ruckartig in meine Richtung, als würde sie mich wie eine Olive mit einem Zahnstocher aufspießen wollen. Instinktiv machte ich einen Schritt zurück. „Ich habe Sie wohl nicht genug mit meiner Feder schreiben lassen, Miss Hastings. Doch ich verspreche Ihnen, dass Sie meine nächste Lektion nicht so schnell vergessen werden." Ihre Mundwinkel zuckten für einen Moment nach oben. Draco neben ihr machte einen Schritt zur Seite. Ich spürte seinen schweren Blick auf mir, doch ich erwiderte ihn nicht.
"Weiß Fudge davon? Von ihrer Feder?"
Ihre Nasenflügel plusterten sich auf, ihre Augen verengten sich. „Für Sie noch immer 'Minister Fudge'." presste sie unter ihren dünnen Lippen hervor. "Und Cornelius wird bestimmt Verständnis für die Situation haben, wird er erstmals erfahren, welche wilde Horde Affen hier von Dumbledore erzogen wird."
Der Griff um meinen Stab wurde stärker, als ich meine nächsten Worte murmelte. „Also weiß er nichts davon. Ich schätze, er wird nicht sonderlich erfreut sein, wenn er davon erfährt."
„Genug davon!" schrie Umbridge, ihre Wangen in ein tiefes Rot getaucht. „Ich sage es nicht noch einmal." Sie zischte jedes Wort gefährlich langsam durch ihre Zähne hindurch. „Senken Sie ihren Zauberstab."
„Tu es, Alicia." hörte ich Hermine neben mir sagen. Ich wusste, dass es Zeit war, mehr konnte ich in diesem Moment nicht tun. Nicht ohne dass die Konsequenzen immens waren. Widerwillig ließ ich meinen Zauberstab sinken, versuchte nicht auf Harry zu blicken, der immer noch ahnungslos hinter uns kniete. Ich konnte nur beten, dass er inzwischen Sirius erreicht hatte.
„Nehmen Sie ihnen ihre Zauberstäbe ab und halten Sie die beiden fest." befahl Umbridg und mein Blick huschte zu Draco, der unmittelbar auf mich zukam, ohne mich jedoch anzusehen. Er nahm zuerst mir und dann Hermine den Zauberstab ab, griff dann nach meinen Armen und presste sie mir fest in den Rücken, sodass ich mich kaum bewegen konnte. Trotzig stemmte ich mich gegen sein Gewicht, ohne jedoch große Wirkung zu erzielen. Millicent drückte Hermine gegen die Wand, unfähig zu entkommen. Wir waren geliefert. Sowas von geliefert.
Umbridge rauschte zum Kamin, ihre Absätze klackerten auf dem Holzboden. Ihre Hand schellte nach vorne. Sie packte Harry grob an seinem Haar, riss ihn zurück, raus aus der Asche. Sein erschrockener Schrei vermischt mit einem Husten teilten die Luft im Büro in zwei.
„Denken Sie, dass ich nach allem noch so ein widerliches, schnüffelndes kleines Biest in mein Büro lasse, ohne dass ich davon erfahre? Ich habe Heimlichkeitsaufspürzauber um meine Tür gelegt, nachdem zuletzt jemand eingedrungen ist, Sie dummer Junge. Nehmen Sie ihm auch den Zauberstab ab." Draco tat wie ihm geheißen, ohne mich jedoch loszulassen. Umbridges Gesicht war fahl vor Wut und die Abscheu, die in ihrem Blick lag, als sie Harry betrachtete, ließ mich die Zähne knirschen.
Ihr Kopf schellte in meine Richtung. „Und Sie." Erneutes Klackern ertönte, als sie in meine Richtung schritt, einen guten Meter vor mir haltmachend. „Dass Sie bei dieser verabscheuungswürdigen, minderwertigen Gruppe dabei sind, war zu erwarten. Letztes Mal hatten Sie Glück, nicht wahr?" Eine dunkle Haarsträhne hatte sich aus ihrer ansonsten so perfekt sitzenden Frisur gelöst. Ihr Blick glitt an meiner Schulter vorbei und ein süßes Lächeln erschien so plötzlich auf ihren Lippen, als wäre es per Knopfdruck in ihr Gesicht gemeißelt worden. „Ihnen mache ich keine Vorwürfe, Mister Malfoy. Ich bin mir sicher, Sie dachten, sie würde Ihnen tatsächlich helfen. Ihre jetzige Hilfe ist mir Beweis genug." fuhr sie an Draco gewandt fort. Schmeichelnde Worte, die doch so falsch klangen. Sein Griff verstärkte sich kurzzeitig und ich fühlte die Wärme seines Körpers in meinem Rücken, als er mich näher zog.
Umbridge berührte mit ihrer Fingerkuppe die Spitze ihres Stabs. Jegliche Freundlichkeit, die eben noch Draco zuteilgeworden war, war daraus gewichen. „Letztes Mal sind Sie knapp davongekommen. Doch dieses Mal ist es für Sie endgültig vorbei. Sie und Ihre Freunde werden erfahren, was mit dreckigen, kleinen Gören auf dieser Schule passiert." Umbridge drehte sich auf dem Absatz um, schritt zurück zu Harry. „Ich möchte wissen, weshalb Sie in meinem Büro sind." Sie griff nach ihm, schüttelte Harry, der gefährlich wankte.
„Ich wollte meinen Feuerblitz holen." stieß dieser halb krächzend hervor.
„Lügner!" kreischte sie. „Sie hatten Ihren Kopf in meinem Feuer. Mit wem haben Sie Verbindung aufgenommen?"
„Mit niemandem."
„Lügner!" rief Umbridge noch einmal und plötzlich sprang die Tür erneut auf und etliche Slytherins strömten nacheinander ins Büro. In ihren Klammergriffen hielten sie Ron, Ginny, Luna und Neville, der eigentlich gar nichts mit dieser Aktion zu tun hatte. Jeder von ihnen war geknebelt.
„Ich habe sie alle." sagte Warrington. Offensichtlich war das gesamte Inquisitionskommando im Einsatz. „Der hier wollte mich daran hindern, sie festzunehmen." Dabei zeigte er mit einem Finger in Richtung von Neville. Ginny neben ihm leistete Widerstand und versuchte irgendwie loszukommen, jedoch vergeblich.
Warringtons Blick blieb kurzzeitig an mir hängen. Seine Brauen wanderten nach oben, offenbar überrascht, mich hier zu sehen. Doch dann glätteten sich seine Züge. Pansy Parkinson hingegen, die Ginny festhielt, grinste so breit, als hätte sie den Jackpot gewonnen. In diesem Augenblick hätte ich ihr am liebsten einmal mehr einen Fluch an den Hals gehetzt. Ein subtiler Abschluss sozusagen, denn ich wollte mir nicht ausmalen, was mir bevorstand. Welche Strafe mich erwartete.
„Gut, gut. Sieht so aus, als würde Hogwarts bald eine weasleyfreie Zone werden." Umbridge begann breit zu grinsen und ich hörte, wie Draco mir erbost in den Nacken lachte, woraufhin ich mein Schulterblatt gegen sein Schlüsselbein rammte. Er keuchte auf.
Während Umbridge mitteilte, dass sie genau wusste, dass Peeves gar nicht die Verwandlungsräume zerstören konnte, weil er gerade Tinte auf Okulare sämtlicher Schulteleskope schmierte, beugte sich Draco etwas tiefer zu mir. Sein Atem kitzelte an meinem Ohr und verschaffte mir eine Gänsehaut. „Wehr dich nicht." flüsterte er. Mein Brustkorb hob sich schwerfällig an, wollte mich umdrehen, doch sein Griff ließ mir keinerlei Bewegungsfreiheit. Was hatte er vor? Es gab nichts und niemanden, der mir aus dieser Situation nunmehr helfen konnte. Umbridge hatte uns auf frischer Tat ertappt, es gab nichts, was Draco sagen könnte, was mir aus diesem Schlamassel helfen konnte. Falls er helfen wollte.
Nachdem Umbridge erkannt hatte, dass Harry kein Wort sagen würde, entschied sie sich wohl, zu härteren Maßnahmen zu greifen.
„Sehr schön, Mr. Potter. Ich habe Ihnen die Chance gegeben, es mir freiwillig zu sagen. Sie haben abgelehnt. Ich habe keine andere Wahl, als Sie zu zwingen." meinte die alte Hexe in einem gefährlich süßen Unterton. „Sie. Holen Sie Professor Snape." fuhr sie fort und zeigte dabei auf ein Slytherinmädchen aus dem siebten Jahrgang. Während sich diese aufmachte, um Snape zu holen, entstand ein wildes Gerangel und die Mitglieder des Inquisitionskommandos hatten immer größere Mühe, die anderen festzuhalten. Ron, Ginny und Neville wehrten sich mit Händen und Füßen, soweit es ihnen möglich war. Ich für meinen Teil rührte mich nicht, wusste nicht wirklich, was Draco vor oder eben nicht vorhatte. Konnte ich ihm vertrauen? Hatte ich denn eine Wahl?
Es kam mir vor, als wäre eine halbe Ewigkeit vergangen, als die Slytherin mitsamt Snape zurückkam. War das nun wirklich mein Ende, so wie Umbridge gesagt hatte? Ich atmete tief ein und aus, konzentrierte mich auf das Gefühl der Luft, die in meine Lungen strömte und überlegte fieberhaft, wie ich Umbridge daran hindern könnte, mich von Hogwarts zu schmeißen, oder schlimmeres. Meine Gedanken wanderten unweigerlich zu dem mysteriösen Unbekannten und meine Brust schnürte sich schmerzhaft zu. Was würde er denken, wenn er erstmal erfuhr, dass ich all seine Warnungen ignoriert hatte? Wäre er enttäuscht? Würde er auch weiterhin mit mir kommunizieren? Oder würde ich nie etwas über mich und meine Vergangenheit erfahren? Mein Brustkorb zitterte kurzzeitig bei dem Gedanken daran, dass ihn verlieren könnte. Dass ich all das hier verlieren könnte.
Mein Kopf hob sich an. Ein Vergessenszauber. Das war der einzige Ausweg, der mir einfiel, doch ich wusste nicht, ob ich einen solch komplexen Zauber ausführen konnte.
Nein. ging es mir durch den Kopf. Konnte ich nicht. Und selbst wenn, was dann? Es musste einen anderen Weg geben. Und Snape... Snape war ein Mitglied des Ordens. Er würde doch nicht etwa zulassen, dass uns Umbridge folterete, nicht wahr? Immerhin hatte er mir etwas für meine Wunden gegeben, hatte mir Nachsitzen aufgebrummt, damit ich nicht weiter zu Umbridge musste. Er wusste Bescheid, er würde nicht einfach so gehen, nicht wahr?
„Sie wünschen mich zu sprechen, Schulleiterin?" sagte Snape und seine Miene blieb vollkommen unverändert, als sein Blick über uns strich. Über Ron, dessen blutige Lippe sich trotzig verzog. Über Ginny, die wild strampelte und Pansy gegen das Schienbein zu treten versuchte. Über mich, regungslos wie eine Statue, den Blick fest auf ihn gerichtet. Keine Regung, kein Zucken eines Mundwinkels, keine Spur von Überraschung oder Missbilligung. Es war, als betrachte er ein Gemälde, das ihn nicht im Geringsten berührte.
„Ah, Professor Snape." Da war es wieder, dieses zuckersüße Lächeln. "Ich benötige eine weitere Flasche Veritaserum, so schnell wie möglich."
„Sie haben meine letzte Flasche genommen, um Potter zu befragen. Sie haben doch bestimmt nicht alles aufgebraucht? Ich hatte Ihnen gesagt, drei Tropfen würden genügen." erwiderte Snape trocken.
Umbridge Gesicht lief rot vor Wut an. „Sie doch können doch noch mehr davon herstellen, nicht wahr?"
„Gewiss. In einem Monat sollte es fertig sein."
„Ein Monat? Aber ich brauche es heute Abend, Snape! Wie ich eben festgestellt habe, benutzt Potter meinen Kamin, um mit einem oder mehreren Unbekannten Verbindung aufzunehmen."
„Tatsächlich?" fragte Snape und zum ersten Mal war da etwas auf seinen starren Gesichtszügen.
„Also haben Sie nun das Veritaserum?"
„Wie ich Ihnen bereits mitteilte, habe ich leider keinen Bestand. Eine erneute Zubereitung dauert einen Monat."
„Sie sind auf Bewährung!" Ihr Gesicht war so rot angelaufen, dass es sich mit dem Pink ihres Kostüms schlug. „Sie verweigern mir mutwillig Ihre Hilfe! Ich hätte mehr von Ihnen erwartet. Lucius Malfoy spricht immer in den höchsten Tönen von Ihnen! Verlassen sie jetzt mein Büro!" kreischte sie.
Bei der Erwähnung seines Vaters spürte ich, wie sich Draco hinter mir versteifte. Ein kaum wahrnehmbares Zittern durchzog seine Haltung.
Snape machte eine fast schon spöttische Verbeugung und schritt in Richtung Tür.
„Er hat Tatze! Er hat Tatze an dem Ort, wo sie ist!" rief Harry. Alle Augenpaare waren schlagartig auf ihn gerichtet. Snape hielt mitten in seiner Bewegung inne.
„Tatze? Was ist Tatze? Wo ist was versteckt? Was soll das heißen, Snape?" schrie Umbridge hysterisch.
Snape drehte sich langsam um. „Ich habe nicht die geringste Ahnung." sagte er kühl und verließ anschließend das Büro.
Er hatte diese Nachricht doch verstanden, nicht wahr? Panik stieg in mir hoch. Panik davor, was mit uns allen geschehen würde, sollte Snape es nicht getan haben.
„Gut, Sie lassen mir keine andere Wahl. Wenn Sie nicht sofort die Wahrheit sagen, Mister Potter, dann sehe ich mich gezwungen, den Cruciatus Fluch anzuwenden. Ich bin mir sicher, dass das Ministerium verstehen wird, dass ich keine andere Wahl hatte."
„Nein!" schrie Hermine. „Professor Umbridge, das ist illegal!"
Umbridges Mundwinkel zuckten nach oben. Ein Blick in ihre Augen offenbarte eine Mischung aus Hass und Verachtung, wie ich sie an ihr noch nie zuvor erlebt hatte. „Was der Minister nicht weiß..." Sie hob ihren Zauberstab. „Schließlich wusste er nie, dass ich es war, die letztes Jahr den Dementoren den Befehl erteilte, nach Potter zu suchen. Aber er war dennoch überaus erfreut, die Gelegenheit zu haben, Potter von der Schule zu verweisen. Es spielt keine Rolle."
„Sie waren das?" keuchte Harry. „Sie haben die Dementoren auf mich angesetzt?"
„Jemand musste handeln." Umbridge schnaufte, betrachtete nachdenklich das Holz ihres Stabs, ehe ihr Blick wieder zu Harry wanderte. „Nun, Sie zwingen mich zu diesem Schritt."
„Das können Sie nicht tun!" schrie ich, presste mich mit meinem gesamten Gewicht gegen Draco, versuchte mich ihm zu entreißen, doch vergebens.
"Oh, und ob ich das kann, Miss Hastings." Ein honigsüßes Lächeln erschien auf ihrem Krötengesicht und am liebsten hätte ich ihr in diesem Moment meinen Ellbogen hineingerammt, bloß um es verschwinden zu sehen. Ich wollte mich auf diese widerliche Sabberhexe stürzen, sie aufhalten. Doch Draco hielt mich zurück, zog mich einige Schritte fort, weg von dem, was in Kürze geschehen würde.
„Halt still." zischte er mir ins Ohr, während sich etwas Feuchtes in meinen Augen sammelte.
„Cru---".
„Nein!" Hermine sank zusammen, sodass sie mehr in Millicent Bulstrodes Griff lag als sich darin befand, ein lautes Schluchzen von sich gebend. „Wie müssen es ihr sagen, Harry!"
„Niemals!" rief er.
„Es tut mir so leid. Aber ich halte es nicht mehr aus. Sie wird es sowieso aus dir herausholen, warum also all das?" weinte sie und bedeckte dabei mit beiden Händen ihr Gesicht. Gerade als ich brüllen wollte, ob sie denn übergeschnappt sei, spürte ich, wie sich Dracos Griff um meine Handgelenke verstärkte. Ein kurzes Stöhnen glitt stattdessen über meine Lippen. Doch als ich meinen Kopf nach vorne riss, vernahm ich Hermines Worte und ich hielt inne.
Sie erklärte Umbridge, dass Harry versucht hätte mit Dumbledore zu sprechen und mein Blick streifte den von Harry, der wohl ebenso wenig wusste, was sie vorhatte. Doch sie erzählte Umbridge, dass sie eine Waffe für Dumbledore hätten, die sie ihm geben wollten, weshalb sie mit ihm sprechen mussten. Umbridge bestand darauf, dass Hermine und Harry ihr diese Waffe zeigen sollte,
„Sie warten hier auf mich. Sorgen Sie dafür, dass niemand entkommt." Umbridge strich ihr rosafarbenes Kostüm glatt, während sie zu dem Inquisitorenkommando sprach. „Sollten Sie Schwierigkeiten machen, haben Sie hiermit meine offizielle Erlaubnis, Ihre Zauberstäbe einzusetzen."
Pansys hämisches Grinsen wurde breiter und ich brauchte nicht eins und eins zusammenzuzählen, um zu wissen, dass es mir galt.
Umbridge ging mit Harry und Hermine los, ließ sie mit etwas Abstand vorgehen, auf beide den Stab gerichtet, während der Rest von uns mit den anderen zurückblieb.
Einige Minuten lang geschah nichts. Das Inquisitorenkommando unterhielt sich darüber, was Umbridge wohl mit uns anstellen würden, wobei ich bemerkte, wie sich ihre Blicke besonders oft auf mich legten. Das gesamte Inquisitorenkommando bestand lediglich aus Slytherins und ich war die Einzige, die gemeinsam mit den Gryffindors hier eingebrochen war. Die gesamte Situation hatte einen seltsamen Beigeschmack.
„Warum?" fragte Warrington nach einer Weile, seine Stimme schneidend.
„Warum was?" fauchte ich.
„Warum verbündest du dich mit denen?" Er machte eine flüchtige Kinnbewegung in Richtung der anderen. „Denkst du, wir wollen Umbridge hier an Hogwarts haben?" Warrington lachte über seine eigenen Worte, als würde er sie wahnsinnig witzig finden, schüttelte dann aber den Kopf. „Slytherin hatte zumindest das Glück, ein Schlupfloch angeboten zu bekommen und du hast nichts Besseres zu tun, als mit ihnen gemeinsame Sache zu machen. Ich habe dich für schlauer gehalten, Hastings."
Mir entwich ein Schnauben. Es war nicht falsch, was er sagte. So schrecklich Umbridges Kontrolle über Hogwarts auch sein mochte, hatte sie gerade uns die Möglichkeit gegeben, diese Situation zu unseren Gunsten zu wenden, das Ganze erträglicher zu machen, indem sie uns Befugnisse verlieh, etwa durch den Beitritt zu Inquisitionskommando. Eine Gelegenheit, die viele Slytherins am Schopf gepackt hatten, manche bloß deshalb, um nichts selbst auf ihrer Abschlussliste zu stehen. Doch zu welchem Preis?
„Sie war nie eine von uns, Warrington. Siehst du es denn nicht?" Pansys Stimme schnitt durch den Raum, ihr höhnisches Grinsen noch schärfer als gewohnt. Etwas Raubtierartiges spiegelte sich darin. „Sie war immer eine von Potters kleinen Freunden. Mich hat sie sogar angegriffen, das habt ihr doch nicht vergessen, oder?"
Warrington neigte sein Kinn, ein fast beiläufiges Zeichen der Zustimmung.
„Ihr dürft sie gerne mir überlassen. Wir zwei haben noch eine unbeglichene Rechnung, nicht wahr, Hastings?" fuhr sie fort.
Mein Kopf kippte nach vorne, das blonde Haar fiel mir ins Gesicht, während meine Schultern zu beben begannen. Ein gedämpftes Lachen entglitt mir, unfreiwillig, aber irgendwie befreiend. Dieses hinterhältige kleine Biest... „Nur zu, Pansy. Gib mir meinen Zauberstab und wir zwei erledigen das auf die gute alte Weise." Ich blickte zu ihr hoch, starrte in hasserfüllte grüne Augen.
„Denkst du, ich habe ein Interesse daran, mit dir zu kämpfen, Hastings?" Sie legte den Kopf schräg, ihre Augen verengten sich. "Oh nein, nun bin ich an der Reihe."
Warrington drängte Ron grob einige Schritte nach vorne und stellte sich vor Pansy, seine breite Statur versperrte ihr den Blick. „Wir sollten auf Umbridge warten. Ich habe keine Lust hier deine persönliche Fehde auszubaden. Umbridge wird sie dieses Mal ohnehin nicht davonkommen lassen."
Pansy reckte trotzig das Kinn. „Ihr habt sie doch gehört. Sollen sie Unruhe stiften, steht es uns frei, hier wieder für etwas Ordnung zu sorgen. Und ich bin überzeugt davon, dass sie bei Hastings am wenigsten Fragen stellen würde."
Draco hinter mir bewegte sich. "Warrington hat Recht. Wir sollten auf sie warten."
Pansys Gesicht nahm eine dunklere Farbe an, ihre Kiefermuskulatur sichtlich verkrampft. „Gut." zischte sie. „Ihr seid Narren, wenn ihr euch diese Chance entgehen lässt."
Ein Grinsen schlang sich auf meine Lippen, als ich ihr entgegenblickte, und ich konnte ihre Wut förmlich spüren, als würde sie die Luft, die wir alle atmeten, vergiften. Ich hatte nicht für den Bruchteil einer Sekunde Zweifel daran, dass mich Pansy für meinen Fluch teuer bezahlen lassen würde, würde sich ihr die Chance bieten, doch so weit würde es nicht kommen. Mein Blick streifte den von Ginny. Sie nickte, machte eine kaum merkbare Bewegung mit ihrem Kinn und da verstand ich: Ich sollte fortfahren, eine Ablenkung.
„Du willst wissen, weshalb?" sagte ich an Warrington gewandt, meine Stimme unerwartet ruhig. Er wandte sich in meine Richtung, die Augen kaum merkbar geweitet. „Nicht, weil mir der Name Slytherin nichts bedeutet, sondern weil sie recht haben. Harry hat die Wahrheit gesagt, Voldemort ist wieder zurück."
Bei der Erwähnung seines Namens, blinzelte er, ehe sich Desinteresse, fast schon Ärger auf seinen Zügen spiegelte, mir kein Wort glaubend. Pansy kicherte.
„Und wo war er dann das gesamte vergangene Jahr, Hastings?" höhnte Warrington. „Es wäre ganz schön still um ihn gewesen, für den größten Zauberer, den die Zauberergeschichte seit langem gesehen hat, meinst du nicht auch?"
Dracos Griff lockerte sich. Aber nicht genug.
„Askaban." flüsterte ich. „Habt ihr euch nie gefragt, wie so viele Gefangene fliehen konnten? Ausgerechnet so viele verurteilte Todesser?"
Etwas schimmerte in Warringtons Augen. Skepsis. Aber sie war genauso schnell wieder verschwunden, als er zu sprechen begann. „Wir alle wissen, dass Sirius Black da draußen herumläuft."
Ich lachte. „Als wäre Black dazu in der Lage." Mein Haar kitzelte unangenehm an meinem Ohr. „Oder denkst du, er wäre mächtig genug dafür, um dutzende Gefangene aus Askaban zu befreien?"
Ron stöhnte, als Warrington ihn in meine Richtung drängte, seine Lippen zu einem schmalen Strich verzogen. „Hör auf mit den Spielchen, Hastings. Du hättest all das haben können, weißt du?" sagte er und meine Augen verengten sich.
„Ich bin nicht Umbridges Marionette." zischte ich. „Und ihr werdet früh genug erfahren, dass ich recht hatte. Dass Harry recht hatte." kamen mir die Worte wie von selbst über die Lippen, ehe ich es verhindern konnte, schluckte all die Galle hinunter, die gemeinsam mit den Schuldgefühlen in mir hochstiegen. „Cedrics Tod war kein Unfall. Es war Mord."
Warringtons Augen weiteten sich, Dracos warmer Atem in meinem Nacken setzte für einen kurzen Moment aus. Sein Griff lockerte sich nicht nur weiter, nein. Er ließ los.
Aus dem Augenwinkel bemerkte ich ein Zeichen von Ginny. Es war so weit. Jetzt oder nie.
Draco machte eine Bewegung, doch da war es bereits zu spät. Ginny sprang hoch, trat mit ihren Füßen gegen Pansys Schienbein, während Ron es schaffte seine Faust in die Magengrube von Warrington zu vergraben. Mit einem Ruck entwand ich mich Draco, zog die eingesammelten Zauberstäbe aus seinem Umhang, bevor ich ihm einen Stoß verpasste, der ihn zurücktaumeln ließ, seine Augen weit aufgerissen, als könnte er es nicht fassen, was ich gerade tat. Diesen kurzen Moment nutzte ich und warf Ginny ihren Stab zu. Die Weasley fing ihn geschickt auf und jagte Draco augenblicklich einen Flederwicht-Fluch an den Hals, der seine Hand ausgestreckt hatte, um mich an meiner Schulter zu packen. Sein Stab kam scheppernd am Boden auf. So schnell ich konnte betäubte ich Millicent und feuerte einen Schockzauber auf Warrington ab, der nur um Haaresbreite Ron verfehlte, nach wie vor mit ihm ringend.
"Du dreckiges---" Pansys hatte sich aufgerappelt, ihre Miene wutverzerrt. Ein Entwaffnungzsauber von Ginny schoss an mir in halber Umdrehung vorbei, geradewegs auf die Slytherin zu und ihr Stab prallte gegen eines der unzähligen Katzenbilder an den Wänden. Ein Raunen und Fauchen summte durch das Büro.
„ sprach ich und ein magisches Seil erschien, das sich umgehend um Pansys Körper schlang und sie bewegungsunfähig machte.
Ginny und ich überwältigten innerhalb kürzester Zeit den Rest, der nicht darauf vorbereitet gewesen war. In all dem Chaos schaffte es Draco dennoch an seinen Zauberstab zu gelangen. Mit einem Arm schützte er sich vor den kleinen Kreaturen mit Fledermausflügeln, die auf ihn herabsausten und ihm sein Gesicht zerkratzten, mit dem anderen tastete er nach seinem Zauberstab am Boden und als er ihn fand, hob er ihn an und zielte. Zielte auf Ginny.
„Stupor!" Der Zauber traf Draco direkt auf der Brust, gemeinsam mit diesen bösartigen Kreaturen, die allesamt in ihrer Bewegung erstarrten. Die kleinen Biester fielen nacheinander zu Boden, einige landeten auf Draco. Schwer atmend sah ich auf ihn herab. Meine Hand begann zu zittern. Dafür war nun keine Zeit. Nicht jetzt. Eilig ließ ich meine Hand mit dem Stab sinken, wandte mich ab, um diesem Bild vor mir zu entkommen. Ich überreichte Neville, Luna und Ron ihre Zauberstäbe. In diesem kleinen Büro lagen mindestens fünf Inquisitorenmitglieder, mitten in ihren Bewegungen eingefroren oder anderweitig außer Gefecht gesetzt.
„DU BIST SOWAS VON DRAN, HASTINGS! IHR SEID ALLE SOWAS VON DRAN!" kreischte Pansy.
Über meine Schulter blickte ich zu ihr. Der Boden knarrte unter meinen Füßen, als ich zu ihr schritt. „Achja?" Ich ging in die Knie, betrachtete die Slytherin mit hochgezogenen Augenbrauen.
"ICH WERDE EUCH ALLE----"
„Silencio." murmelte ich und Pansys Stimme verstummte, obwohl sich ihre Lippen weiterbewegten. Erschrocken riss sie die Augen auf, dann ihren Mund, aus dem sich soetwas wie ein Schrei formte.
„Schon besser." murmelte Ginny hinter mir und ich stieß ein bestätigendes Schnauben aus.
„Genial. Einfach genial" sagte Ron, während er zuerst auf Pansy und anschließend auf Warrington hinabstarrte. Dann zog er eine beleidigte Miene, mich fixierend. „Aber du hättest mich beinahe getroffen."
„Nächstes Mal warte ich ab, bis du dich zu Ende geprügelt hast." brummte ich ihm entgegen und Rons Ohren nahmen augenblicklich eine rote Farbe an, doch er sagte nichts darauf. Offensichtlich hatte auch er erkannt, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür war. Stattessen lief er zum Fenster und deutete mit seinem Zeigefinger nach draußen. „Sie sind in den Verbotenen Wald gegangen. Ich weiß, wohin Hermine sie führt. Wir müssen so schnell wie möglich hinterher."
Verbotener Wald? Was war im Verbo ---
Ich erstarrte. Grawp. Hagrids Riesen Halbbruder. Wollte Hermine Umbridge etwa dorthin führen? Meine Gedanken sausten umher. Das war wohl die einzige Chance für sie, um Umbridge loszuwerden. Hermine war wahrlich ein Genie!
„Na kommt!" rief Ginny und wir alle drängten und durch die Tür nach draußen, wobei wir aufpassen mussten, niemanden von den Slytherins zu übertrampeln. Die Schritte der Gryffindors verursachten ein Echo auf den Gängen, doch meine Beine hatten nur wenige Meter nach der Türschwelle Halt gemacht.
„Alicia! Komm! Worauf wartest du?" hörte ich Ginny rufen, doch ich bewegte mich nicht.
„Lauft schon einmal los. Ich muss noch etwas Dringendes erledigen."
„Was ---"
„Ich komme sofort nach! Versprochen." sagte ich eilig, deutete den anderen, endlich zu gehen. „Na los!"
Sie alle nickten und ich kehrte um, trat einmal mehr in Umbridges Büro, in dem auf einmal eine unheimliche Stille herrschte, abgesehen von dem aufgeregten Miauen und Fauchen einiger Katzen. Zauberstäbe lagen lose am Boden herum. Manche von den Slytherins hielten ihren nach wie vor in der Hand. Ich stieg über die am Boden liegenden Gestalten hinweg, bis zu Draco. Ausdruckslos starrte ich auf ihn, hob meinen Zauberstab und ließ die kleinen Kreaturen verschwinden, bevor ich auf seine Brust zielte. Der Gegenfluch löste sich von der Spitze meines Stabes und er fuhr hoch, schnappte nach Atem. Sein Gesicht war von Kratzern übersehen, manche davon bluteten. Er betastete eine kleine Wunde an seiner Schläfe, bevor sich sein Blick in den meinen legte.
„Es tut mir leid." flüsterte ich ihm entgegen. Mein Brustkorb hob sich schwerfällig an, blickte auf das Chaos in diesem Büro. Als ich die Slytherins näher betrachtete, zog sich meine Magengrube schmerzhaft zusammen „Ich wollte das nicht. Nichts davon." Meine Worte waren nicht mehr als ein dünner Hauch. In der nächsten Sekunde wirbelte ich herum und lief nach draußen, ohne zurückzublicken. Ohne ihm eine Chance zu geben, mich aufzuhalten.
„Alicia, warte!" vernahm ich seine Stimme, begleitet von hastigen Schritten, doch ich rannte weiter. Ich musste zu den anderen, ich hatte schon zu viel Zeit verloren. Außerdem wusste ich nicht, was er tun würde. Ob er die anderen umgehend befreien, oder ob er mir einen Vorsprung lassen würde. Doch ich war mir sicher, dass sie nach uns suchen würden.
Dennoch. Das war ich ihm schuldig gewesen, nach allem, was geschehen war. Nach der DA und seiner Lüge, um mich vor Umbridge zu beschützen. Nach dem verlorenen Quidditchspiel. Nach dem Schockzauber.
Meine Beine trugen mich die steinernen Treppen hinunter, vorbei an großen Torbögen und an Peeves, der hämisch kicherte. Warme Luft schlug mir entgegen, als ich durch das Schlossportal hastete. Keuchend blieb ich stehen. Der Tag neigte sich dem Ende zu, die Dämmerung war bereits angebrochen und es würde nicht mehr lange dauern, bis es dunkel werden würde. Ich sah sie, die Gryffindors, wie sie geradewegs in den Verbotenen Wald liefen, in die Finsternis, die den Wald und alles darin verschluckte. Harry hatte mir von Grawp erzählt, ich wusste, wo er sich ungefähr befand und die anderen waren nicht zu weit entfernt. Ich würde sie finden.
Ohne zu zögern, setzte ich mich erneut in Bewegung, rannte die Geländer hinunter, genau an dieselbe Stelle, an der die anderen verschwunden waren. Lief geradewegs hinein, ohne darüber nachzudenken, was mich in diesem Wald erwarten würde. Es war dunkel, nur fahles Licht fiel durch die Blätter auf den Waldboden. Mit gehetztem Blick sprang ich über Steine hinweg, stolperte immer wieder aufgrund der schlechten Lichtverhältnisse. Meine Lungen brannten bei jedem Atemzug und meine Beine begannen zu schmerzen. Äste peitschten mir ins Gesicht, hinterließen Schrammen und zerrten an meiner Kleidung und an meinem Haar. Das Gestrüpp wurde immer dichter, je tiefer ich in den Wald vordrang. Mein Bein verhedderte sich unter einer Wurzel und ich fiel der Länge nach auf den harten Boden. Ein Schrei löste sich von meinen Lippen, schmeckte Erde und Blut. Hastig stützte ich mich auf beide Oberarme, rappelte mich auf, wischte mir mit meinem Handrücken über meine pulsierende Lippe. Das daran klebende Blut, glänzte fast schon schwarz unter dem Licht.
Etwas Warmes strahlte auf meine Brust. Das Buch. Ich tastete die Innentasche meines Mantels ab, als ich ein Geräusch vernahm. Er hatte mir geschrieben. Er hatte mir jetzt geschrieben. Wusste er, was vor sich ging oder handelte es sich bloß um einen Zufall, um schlechtes Timing?
Was auch immer er mir schrieb, musste warten. Es war keine Zeit, ich musste zu den anderen.
Keuchend blickte ich hoch, doch nichts und niemand war zu sehen. Da war nur Wald. Überall Wald. Ich drehte mich um meine eigene Achse und ein Knoten machte sich in meiner Brust bemerkbar, als ich erkannte, dass ich die Orientierung verloren hatte.
„Wo sind sie." murmelte ich verzweifelt vor mich hin, ging einige Schritte nach vorne und wurde wieder langsamer. Ich war allein hier, mitten im Nirgendwo. Einem gefährlichen Nirgendwo.
Ein Flüstern. „Hier entlang."
Panisch drehte ich mich in die Richtung, aus der die Worte gekommen waren. Doch da war niemand. „Ron?" sagte ich, doch es kam keine Antwort. „Wer ist da?"
Mein Blick glitt nach rechts, nach links, nach oben, nach unten. Etwas bewegte sich unter den Blättern. Ich wich zurück, stieß mit dem Rücken gegen einen Baumstamm, um ein weiteres Mal in die andere Richtung zu stolpern. Mein Herz pochte wie verrückt, doch ich konnte nichts ausfindig machen. Hier war niemand, zumindest kein Mensch. Das konnte ich fühlen.
„Lumos." murmelte ich und die Lichtquelle erschien an meiner Zauberstabspitze. Etwas, das ich vermeiden wollte, um keine Aufmerksamkeit von all den Kreaturen zu erregen, die hier lauerten. Doch ich musste mich vergewissern, dass auch tatsächlich niemand hier war. Nur kurz.
„Alicia?" Ich fuhr mit meinem Stab herum und in der Ferne wurden die Umrisse von Ginny und Luna erkennbar. Waren sie das? „Alicia, bist du das?" riefen sie. Sie hatten beide ebenfalls ihre Zauberstäbe gezogen.
„Sie ist es." hörte ich Luna murmeln.
„Komm, wir haben keine Zeit zu verlieren." Ginny deutete mir mit einer Handbewegung, mich zu beeilen.
Vorsichtig näherte ich mich ihnen einige Schritte und ihre Gesichter wurden nunmehr klar erkennbar. Sie waren es tatsächlich. Ohne Zweifel. Ich ließ die Lichtquelle verschwinden und lief zu ihnen.
„Wir dachten schon, wir hätten dich verloren. Aber dann haben wir etwas gehört und im nächsten Augenblick sahen wir das Licht." sagte Ginny, als ich sie eingeholt hatte.
„Ich dachte, ich hätte jemanden von euch sprechen gehört." kam es mir keuchend über die Lippen und Ginny und Luna wechselten einen Blick.
„Von uns hat niemand etwas gesagt."
Ein flaues Gefühl breitete sich in meinem Magen aus, doch bevor ich etwas darauf antworten konnte, stießen wir auf die anderen. Blut bedeckte den Boden und ein dicker Kloß sammelte sich in meinem Rachen, als ich die Thestrale sah, die offensichtlich davon angezogen waren und ihre skeletartigen Mäuler darin tränkten.Harry und Hermine waren unter ihnen, auch alle anderen schienen wohlauf. Von Umbridge war hingegen keine Spur, genauso wenig von Grawp. War es ihr Blut? Mein Atem stockte, doch als ich mich daran erinnerte, dass sie knapp davor gewesen war, Harry mit dem Cruciatus Fluch zu foltern, glätteten sich meine Züge. Sie hätte es verdient.
„Sirius ist in Gefahr, er war nicht dort. Wir müssen ins Ministerium." klärte mich Harry kurzerhand auf und fuhr sich durch sein zerzaustes Haar.
„Wie kommen wir dorthin?" war alles, was ich fragte.
„Wir fliegen." sagte er. „Lunas Idee und unsere einzige Möglichkeit, um rechtzeitig ins Ministerium zu gelangen."
Luna half Ginny auf einen von ihnen hoch und ich fragte mich, ob die junge Weasley diese Tiere überhaupt sehen konnte.
„Ist Umbridge..." Ich deutete auf das Blut. Ich musste es einfach wissen.
„Nein, sie wurde von Zentauren mitge--."
„Zentauren?"
„Ich erkläre dir alles später. Wir müssen los." meinte er und kletterte auf den Rücken eines weiteren Thestrals.
Ich nickte und näherte mich vorsichtig einem Tier. Es war so viel Zeit vergangen, seitdem ich zum letzten Mal einem von ihnen begegnet war.
„Warte, ich helfe dir gleich." meinte Luna. „Du kannst sie ja immerhin nicht ----"
Ich schwang ich mich mit einem Satz auf einen der Thestrale und Luna legte den Kopf schräg, so als würde sie die Tatsache, wie ich auf den Rücken gestiegen war, vielmehr interessieren, als jene, dass ich sie sehen konnte. Ein Dutzend verwirrter Gesichter blickte mir entgegen.
„Du kannst diese Viecher sehen?" fragte Ron.
„Ja. Und nun los! Wir haben keine Zeit zu verlieren." rief ich und Luna kletterte auf den letzten Thestral. In diesem Augenblick war es mir egal, dass die anderen wussten, dass ich den Tod eines Menschen mitangesehen haben musste. Mir war egal, dass sie wussten, dass ich damals gelogen hatte. Denn Sirius war in Gefahr und jede einzelne Sekunde zählte.
Das Buch hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits längst vergessen, obwohl die Wärme gegen meine Brust strahlt und obwohl sie mich warmhielt, als wir in die kalte Luft emporstiegen.
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