Kapitel 79 - Doomed Game


Slytherin gegen Hufflepuff. Diesem Spiel hatten wir eine halbe Ewigkeit entgegengefiebert. Das Wetter war klar, bloß ein paar einzelne Wolken waren am Himmel zu sehen. Gute Voraussetzungen, für ein gutes Spiel, so dachten wir. Unser Quidditchtraining war trotz der Abwesenheit von Montague glatt gelaufen. Adrian hatte vorübergehend die Rolle des Quidditchkapitäns übernommen und uns bestmöglich auf unser kommendes Spiel vorbereitet. Er ging in seiner Rolle förmlich auf, tüftelte tagelang an guten Manövern und schleppte dutzende Bücher über Quidditchtechniken mit sich herum. Er sprach kaum noch über etwas anderes, was Daphne gelegentlich genervt die Augen verdrehen und eilig das Weite suchen ließ. Montague selbst war in seiner Position als Jäger durch Warrington ersetzt worden. Als wir das Quidditchfeld betraten, wussten wir nur zu gut, dass wir zwar nicht an unserem Höhepunkt sein mochten, dafür waren wir allerdings zuversichtlich. Das mussten wir. Doch als die schrillen Töne von Madam Hoochs Pfeife über das Spielfeld gellte und das Spiel begann, sollte uns diese Zuversicht jäh verlassen.

Zu Beginn schien das Glück auf unserer Seite zu sein. Wir fingen einen Quaffel nach dem anderen ab und verwirrten die Hufflepuffs durch gut einstudierte Ablenkungsmanöver. Nach etwa 20 Minuten Spielzeit begannen wir jedoch fortdauernd die Torringe zu verfehlen. Wenn es nicht das war, wehrte der Hufflepuffhüter erfolgreich ab. Ihre Jäger waren so flink, dass wir Mühe hatten mitzuhalten. Wir sausten ihnen hinterher, doch merkten bald schon, dass uns unser bestes Glied in den Jägerreihen fehlte. Auch Warrington mochte zwar kein schlechter Spieler sein, aber das monatelange gemeinsame Training hatte er in dieser kurzen Zeit nicht nachholen können. Er war nicht auf dieselbe Art mit unserer Spielweise vertraut und das wurde uns mehrmals zum Verhängnis. Als ich vortäuschte, den Quaffel an Adrian abzugeben, ihn stattdessen aber an Warrington passte, traf es ihn völlig unvorbereitet und der Quaffel flog geradewegs an ihm vorbei. Ein Jäger des Gegenteams hatte ihn binnen Sekunden abgefangen, wenig später ein weiteres Tor treffend.

Nach nur einer Stunde Spielzeit stand es bereits 80:30 für Hufflepuff. Das Spiel mochte mit diesem Punktestand noch nicht verloren sein, doch der Realität ins Auge blickend, wussten wir, dass es mit unserer Teamaufstellung fast schon unmöglich schien noch aufzuholen. Je länger das Spiel andauerte, umso klarer wurde es, dass ein Sieg unwahrscheinlich war. Und bald schon stand fest, dass Draco unsere einzige Hoffnung war, indem er den Schnatz fing. Alles, was wir jetzt noch tun konnten, war Schadensbegrenzung zu betreiben.

Mit einem markanten Sturzflug gelang es mir wenig später den Quaffel an mich zu nehmen, als plötzlich beide Sucher von der gegenüberliegenden Seite des Spielfelds in meine Richtung preschten. Meine Augen weiteten sich, als ich den Schnatz ausmachte, der wenige Sekunden später an meinem Ohr vorbeisauste, ein kurzes, aber intensives Summen vernehmend. Draco hatte einige Meter Vorsprung. Er würde den Schnatz vor dem Hufflepuff erreichen. Der Wind strich mein Gesicht entlang, donnerte gegen mein Trommelfell, als sich ein Schmunzeln in mir breit machte. Wir würden gewinnen.

Ich lehnte mich tief nach vorne, riss meinen Besen nach rechts zur Seite, um einer frontalen Kollision mit den beiden zu entgehen, aber bloß so weit, dass der Hufflepuffsucher gezwungen war, mir auszuweichen. Im Augenwinkel sah ich das weißblonde Haar von Draco, als er an mir vorüberzog, dicht gefolgt von dem Hufflepuff. Er schwankte zur Seite, unsere Schultern streiften aneinander. So sachte, dass ich die Berührung kaum wahrnahm. Mein Kopf drehte sich in seine Richtung und dann stoppte ich. Dann stoppte alles um mich herum. Da war plötzlich kein Wind mehr, der mir ins Gesicht schlug. Kein Rauschen. Eine seltsame Taubheit übermannte mich wie ein Regenschwall. Die Menge tobte, jubelte, schrie, doch die Geräusche um mich herum verstummten mit meinem nächsten Wimpernschlag. Die seltsame Stille wurde einzig von dem Rauschen meines Blutes in meinen Ohren zerrissen, während sich meine Augen weiteten.

Der Sucher. Ich spiegelte mich in seinen grauen Augen. Meine erschrockenen Gesichtszüge blickten mir entgegen, hinter mir ein gähnend leeres Spielfeld und grauverhangene Wolken.

Er hatte sein Gesicht. Cedrics Gesicht. Und er lächelte.

Er lächelte.

Dann war er wieder da. Der Luftzug in meinem Gesicht, der mich die Augen zusammenkeifen ließ, als er an mir vorbeizischte. Das Jubeln hatte sich in erstauntes Geflüster verwandelt, vermischt mit Schreckensschreien. Irgendwo brüllte jemand „ALICIA!". Und als ich meinen Kopf wandte, erkannte ich, dass ich zum Stillstand gekommen war. Ich entdeckte Adrian, der auf mich zugeflogen kam, wild mit seinem rechten Arm in der Luft gestikulierend. „PASS AUF!"

Ich wandte mich nach links, ließ völlig unbeabsichtigt den Quaffel fallen und dann... riss es mich vom Besen. Ein Klatscher donnerte mit voller Wucht gegen meinen Brustkorb und ich spürte, wie es mir jegliche Luft aus den Lungen presste und ich eine Rückwärtsdrehung schlug.

Ich fiel. Weit. Tief. Immer weiter.

Ein Zischen dröhnte in meinen Ohren und verschluckte mich. Ich wollte strampeln, streckte instinktiv meine Hand nach vorne, um nach meinem Besen zu greifen, den ich schon längst aus meinen Augen verloren hatte. Obwohl ich spürte, dass ich mich im Fall befand, schien sich der Himmel mit seinen wenigen Wolken kein Stück zu entfernen.

Meine Lippen öffnete sich, als ich nach Luft schnappte, doch kein Laut kam darüber, obwohl alles in mir schrie. Da war bloß das Rauschen des Windes, das so unnachgiebig gegen mein Trommelfell donnerte. Ich konnte bereits förmlich fühlen, wie mein Körper auf der harten Erde zerschmetterte. Da war Geschrei, Rufe... Und doch schien es, als hätte die Menge den Atem angehalten.

Ein Schatten flog genau über mich davon. Ich schloss die Augen. Wartete.

Mein Kopf wurde in den Nacken gerissen. Ein Ruck durchzog mich, ein abscheulicher Schmerz, der mich rot vor Augen sehen ließ. Die plötzliche Abbremsung durchfuhr mich so intensiv, sodass erstmals ein lauter Schrei aus meiner Kehle schoss. Ein Arm hatte sich um meine Brust geschlungen. Ich wusste nicht, was geschah, nur, dass ich kurze Zeit später Boden unter meinen Füßen fühlte und wieder doch nicht, als meine Knie im selben Moment nachgaben. Ich stürzte auf das begraste Feld, hatte das Gefühl, mich zu übergeben, während ich schwer nach Atem rang. Ein krampfartiger Hustenanfall überkam mich. Mit zusammengebissenen Zähnen kauerte ich auf allen Vieren, während mir die Haare ins Gesicht fielen, die sich aus meinem Zopf gelöst hatten und jeder Atemzug brannte, als würden meine Lungen Feuer fangen.

Ich war am Leben, meine Knochen waren ganz. Keine Dunkelheit, sondern bloß mein langer Schatten, der auf das Grün des Feldes fiel, während die Sonne auf meinen Rücken schien.

Ruckartig drehte ich mich um. Zu schnell, sodass meine Zähne bei dem Schmerz knirschten. Ich blickte auf dunkle Stiefel und als mein Blick langsam hochwanderte, starrte in wache, hellgraue Augen, die auf mich herabsahen. Draco blinzelte. Sein Mund öffnete sich, schloss sich aber genauso schnell wieder, bevor er seinen Besen nach vorne zog, um wieder aufzusteigen. Doch da hallte so plötzlich lauter Jubel über das Quidditchfeld und ein Teil der Menge sprang auf. Die Hufflepuffs brüllten und grölten, schwangen ihre Fahnen und fielen sich gegenseitig um den Hals.

Der Sucher hatte den Schnatz gefangen.

Nein. schoss es mir durch den Kopf und das Brennen in meiner Lunge machte sich einmal mehr unangenehm bemerkbar.

Das konnte nicht sein. Wir konnten nicht verloren haben. Der Sieg war uns sicher gewesen. Draco, er hatte Vorsprung gehabt, er hätte den Schnatz bekommen, wäre er...

... wäre er mir nicht zu Hilfe gekommen.

Er stand einfach nur da und starrte nach oben, den Kopf in den Nacken gelegt. Sekunde um Sekunde verging, doch er bewegte sich nicht, während um uns herum das Gejohle tobte.

„Draco." flüsterte ich. Meine Stimme drohte bloß bei der Erwähnung seines Namens zu brechen. „Es tut mir so leid. Ich... Ich wollte nicht, dass---"

„Sag nichts." Er wirbelte zu mir herum, seine Lippen zu einem schmalen Strich verzogen, während sich sein dunkler Quidditchumhang in der Luft bäumte. Doch seine Worte waren nicht notwendig gewesen, denn als ich den wütenden Ausdruck in seinem Gesicht sah, verstummte ich augenblicklich. „Das war unsere Chance." fuhr er mich an. Seine Nasenflügel plusterten sich auf und der Griff um seinen Besen verstärkte sich, sodass seine Handknöchel weiß hervortraten.

„Ich---"

„Was auch immer es war, das dich da oben aus der Fassung gebracht hat, Hastings..." schnitt er mir das Wort ab, bevor ich überhaupt eine Chance hatte, fortzufahren. Seine Augen funkelten. „... ich hoffe, es war unseren verschenkten Sieg wert."

Etwas in seinem Grau ließ mein Herz für den Bruchteil einer schmerzhaft gegen meinen Brustkorb hämmern. Doch in der nächsten Sekunde rauschte er bereits vom Spielfeld und die Schmerzen in meinem Brustkorb kehrten zurück.

Die restlichen Spieler landeten nach der Reihe nicht weit von mir. Madam Hooch und Adrian kamen sofort auf mich zugelaufen.

„Miss Hastings!" rief sie, Adrian direkt hinter ihr. „Fehlt Ihnen etwas?"

Ich schüttelte den Kopf, offensichtlich den starken Schmerz in meinem gesamten Körper ignorierend. „Nein." murmelte ich, ohne den Blick von Draco zu nehmen, der in diesem Moment das hohe Gerüst, auf denen die Tribünen aufgebaut waren, hinter sich ließ und dahinter verschwand. Ich fühlte etwas Feuchtes in meinem Augenwinkel, nicht ganz sicher, ob es die Schmerzen, die Enttäuschung über unsere Niederlage, Scham oder etwas anderes war. Vermutlich alles gemeinsam.

„Lassen Sie sehen." Sie ging vor mir in die Knie und zupfte an mir herum. Als sich mein Blick klärte, sah ich ein tief in Falten gelegtes Gesicht.

„Ich kann Sie nicht zwingen, den Krankenflügel aufzusuchen, doch ich würde es Ihnen dringend raten, haben Sie mich verstanden?" Sie zog ihre Brauen hoch, während sie mich eingehend musterte. „Der Klatscher sah, nun, etwas schmerzhaft aus."

„Okay." murmelte ich, wohlwissend, dass ich den Krankenflügel nicht aufsuchen würde. Ich wollte allein sein, mich in eine dunkle Ecke stellen und schreien. Mir einfach bloß die Seele aus dem Leib schreien.

„Ein Glück für Sie, dass Mister Malfoy rechtzeitig eingegriffen hat." meinte sie. „Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht?"

Ich nickte erneut.

„Sie haben dort oben wie weggetreten gewirkt. Fieber?" sie fasste mir mit einem solchen Ruck an die Stirn, dass ich mit den Zähnen knirschte, meinen beleidigten Nacken fühlend.

„Mir geht es gut." brummte ich gereizt.

Sie betrachtete mich noch einen kurzen Moment lang, bevor sie aufstand. „Wie Sie meinen." sagte sie, kein Geheimnis daraus machend, dass sie mir nicht glaubte. „Gehen Sie in den Krankenflügel." Daraufhin drehe sie sich um und trat zu den restlichen Spielern, um den Hufflepuffs zu gratulieren.

Adrian kniete sich neben mich. „Alicia." sagte er. „Geht es dir wirklich gut?"

„Ich denke schon."

„Du denkst?" wiederholte er fragend. „Was ist da oben passiert? Madam Hooch hat recht, du warst wie weggetreten."

Hastig wich ich seinem Blick aus, fuhr mir mit meiner Hand über meine Augen, die nicht mehr feucht, sondern vielmehr verdächtig wässrig geworden waren. „Es ist meine Schuld, dass wir verloren haben."

„Es ist nicht deine Schuld, Alicia. Ohne Montague war das Spiel von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

„Lüg mich nicht an!" schrie ich ihm viel zu laut entgegen. Die anderen Spieler drehten sich in meine Richtung. Mein Körper bebte, als ich einatmete und meine Stimme drosselte, bevor ich fortfuhr. „Du hast so viel dafür gegeben, uns auf dieses Spiel vorzubereiten und ich habe alles zunichte gemacht."

„Alicia..." begann er erneut.

„Draco hätte den Schnatz gefangen. Wir hätten gewonnen. Du weißt das."

Er presste seine Lippen aufeinander, seine Hand reichte nach meiner Schulter, doch ich schüttelte sie ab.

„Es ist meine Schuld, versuch nicht, mich zu beschützen." flüsterte ich. Ich hatte es nicht verdient. Ich hatte sein Mitleid nicht verdient und noch viel weniger wollte ich es.

Adrian beobachtete mich stumm, sein Blick tastete aufmerksam mein Gesicht ab.

Als er nichts sagte, schüttelte ich den Kopf. „Ich weiß nicht was los war. Ich---" Meine Stimme brach. Natürlich wusste ich es, weshalb wir verloren hatten. Weil ich gezögert hatte. Weil ein kleiner, verdammt naiver und dämlicher Teil in mir sich an die absurde Hoffnung geklammert hatte, dass das, was ich gesehen hatte, real war. Dass er real war. Am Leben. Lächelnd. Und nicht unter der Erde schlummernd, wo sein Körper mittlerweile von Maden und Würmern zerfressen wurde. So war es doch.

Das war die Wahrheit.

Und Draco war mutig oder dumm genug gewesen, mich aufzufangen.

„Verdammt, Adrian. Irgendetwas stimmt nicht mit mir." Mein Brustkorb zitterte, als ich die tief die Luft einsog. Jede Bewegung fühlte sich an, als würden sich Nadeln in mein Fleisch bohren.

„Was ist geschehen, Alicia. Rede mit mir."

Das Johlen der Hufflepuffs im Hintergrund summte in meinen Ohren und ich fühlte eine eigenartige Wut in mir aufsteigen, nicht sicher, gegen wen sie sich richtete.

„Ich habe ihn gesehen." Mein Kinn hob sich an, ehe sich mein Blick auf Adrian legte, der mir mit geweiteten Augen entgegenstarrte. In diesem Moment wusste ich, dass er verstand und dennoch sprach ich seinen Namen aus. „Cedric."

„Der Sucher?" stellte er mehr fest, als er fragte und ich nickte. Kurze Stille legte sich wie ein Schleier über uns, während jeder um uns, mit Ausnahme der Slytherins, feierte. Der Rest unseres Teams stand etwas abseits von uns. Warrington starrte mit verschränkten Armen zu Boden und Crabbe und Goyle pöbelten sich gegenseitig an, gaben sich leichte Schubser, als würden sie diskutieren, wer schlechter gespielt hätte.

„Die warten auf dich." murmelte ich, als ich Madam Hoochs Blick in unsere Richtung bemerkte. Die Quidditchkapitäne gaben sich in der Regel sowohl zu Spielbeginn als auch später die Hand, um das Spiel friedlich und respektvoll abzuschließen.

„Das ist mir egal. Die können warten." sagte er und ließ sich nun mit beiden Knien im Gras neben mir nieder „Siehst du ihn denn... öfters" wagte es Adrian schließlich, nachdem er sich wieder kurzzeitig in Schweigen gehüllt hatte.

Meine Lider senkten sich. „Nein. Zum Glück kaum mehr. Früher habe ich oft von ihm geträumt. Doch es ist bereits einige Zeit vergangen, seitdem ich meinen letzten Alptraum von ihm hatte. Sie sind in den letzten Monaten weniger geworden. Warum also ausgerechnet jetzt?" Ich machte eine lange Pause und Adrian ließ mir die Zeit, die ich benötigte, um mich zu sammeln. „Ich denke noch oft an ihn, weißt du? Aber ich hatte gehofft, es endlich akzeptieren zu können, dass er für immer weg ist. Dass ich ihn nie wieder sehen werde."

„Gib dir Zeit. Die Umstände seines Todes waren..." Ich hörte ihn die Luft ausstoßen, während er nach den richtigen Worten suchte. „... tragisch. Es ist noch kein Jahr her, dass---."

„Das ist es ja, Adrian." unterbrach ich ihn. „Es ist beinahe ein ganzes Jahr seit seinem Tod vergangen und manchmal fühlt es sich so an, als wäre es erst gestern geschehen." Meine Hand verkrampfte sich. „Da oben." wisperte ich und legte den Kopf in den Nacken, nur um es eine Sekunde später zu bereuen. „Es war, als würde er mich verfolgen."

Adrians Blick folgte dem meinen und gemeinsam starrten wir in die Luft, ins Nichts. In jenem Moment, in dem ich die Worte ausgesprochen hatte, fühlte ich den darin liegenden Wahrheitsgehalt. Und die Schuldgefühle, die ich in den letzten Monaten, aufgrund all der Ereignisse und der Aufruhe wegen den ZAGs erfolgreich verdrängt hatte. Er verfolgte mich. Immerzu. Und er hatte jedes Recht dazu, denn es war meine Schuld, dass nicht er es war, der heute gegen uns spielen konnte. Dass er nicht mehr am Leben war, nie mehr einen Sonnenuntergang oder die Venus als ersten Stern am Himmel beobachten konnte. Eine Träne löste sich aus meinem Augenwinkel und lief meine Wange entlang. Zu mehr war ich nicht im Stande. Nicht jetzt. Eilig wischte ich sie mit meinem Handrücken weg. Wir hatten bereits wegen mir verloren, ich wollte den anderen nicht noch mehr Gründe geben, sich über mich lustig zu machen. Mich heulend am Rasen sitzend zu sehen, war definitiv einer.

Adrian holte ein Tuch aus seinem Umhang hervor und wollte es mir reichen, doch ich lehnte eilig ab.

„Du solltest dich nicht um mich kümmern. Ich habe all deine harte Arbeit der letzten Woche zunichte gemacht." flüsterte ich.

„Rede keinen Unsinn." Zwar konnte ich es nicht sehen, doch ich war mir sicher, dass er lächelte.

„Komm." sagte er nach einer Weile, er hievte sich hoch, eine Hand nach mir ausgestreckt. „Wichtig ist, dass es dir gut geht. Das ist nicht unser erstes verlorenes Spiel."

Ein wenig überzeugendes Nicken folgte. Der Gedanke an seine grauen Augen und das sich darin spiegelnde leere Spielfeld, ließen mich innerlich erschaudern. Ich griff nach seiner Hand, doch ließ sie genauso schnell wieder los.

„Ich kann nicht." murmelte ich mit zusammengebissenen Zähnen, fasste mir mit einem Arm an meinen Brustkorb, der bei dieser winzigen Bewegung so stark schmerzte, dass mir das Atmen schwerfiel. „Es geht nicht."

Adrians musterte mich. „Ich trage dich in den Krankenflügel."

„Nein!" sagte ich viel zu schnell und bewegte mich nach vorne, eine Hand abwehrend ausgestreckt, sodass mich ein erneuter Schmerz durchfuhr, der mich aufstöhnen ließ.

„Alicia, bitte."

„Nein." murmelte ich erneut. Diese Blöße würde ich mir nicht geben. Nicht, nach allem, was eben passiert war. „Gib mir noch eine Minute." Ich sah zu ihm hoch. „Die anderen warten auf dich, ich schaff das schon."

Mit einer vorsichtigen Handbewegung machte ich ihm deutlich, dass er gehen sollte. Er zögerte. Viel zu lange, aber dann ging er.

Ich blickte ihm hinterher und beobachtete, wie sich beide Quidditchkapitäne die Hand gaben. Ein erneuter Jubel rauschte durch das Stadion. Als ich in Richtung des feiernden Hufflepuffteams sah, blieb mein Blick an dem Sucher hängen. Ein großer, junger Mann mit dunklem Haar und weit auseinanderliegenden Augen. Sie besaßen keinerlei Ähnlichkeit. Unsere Blicke trafen sich und er nickte mir zu, so als würde er mir zu verstehen geben, dass er wusste, dass etwas vorgefallen sein musste und froh darüber war, dass nichts geschehen war. Ich nickte zurück. Adrian warf einen Blick über seine Schulter, vergewisserte sich, ob ich in Ordnung war.

War ich das?

Warum konnte ich ihn nicht einfach loslassen?

Die Wahrheit war, dass ich genau wusste, weshalb. Die Schuld in mir nagte. Sie nagte so stark, dass ich manchmal kaum Luft bekam. Und ich fragte mich, ob sie denn jemals von mir abfallen würde, solange ich meinen Fehler, meine Dummheit nicht richtigstellen konnte.

Vergeltung. Das war der einzige Weg. Denn es gab keine Möglichkeit, ihn wieder zurückzuholen. Das hatte mir Dumbledore selbst gesagt.

Meine Augen funkelten, als ich abermals hoch in den Himmel starrte. 

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