Kapitel 72 - False Confessions


Auf den Kerkergängen Hogwarts tummelten sich kurz vor dem Abendessen haufenweise Schüler, während ein heftiger Schneesturm wütete, von dem man im Schloss und vor allem im unterirdischen Bereich kaum Notiz nahm. Die erste Hälfte des Nachmittags hatte ich damit verbracht Hausaufgaben zu erledigen, ehe Adrian und ich den Rest davon Zauberschach spielten, während Daphne bei McGonagall nachsitzen musste.

„Haha, gewonnen!"

„Das ist nur ein Spiel."

„Jetzt wo du verloren hast, ist es natürlich nur ein Spiel." zog ich ihn kichernd auf.

Adrian rollte mit den Augen. Nachdem wir die dritte Partie beendet hatten, die ich gerade noch zu meinen Gunsten entscheiden konnte, entschlossen wir einen Abstecher ins Pokalzimmer in der dritten Etage zu machen. Wir bewunderten die verschiedenen Medaillen und Auszeichnungen, sprachen darüber, dass auch unser Name eines Tages hier zu finden sein würden und als unsere Mägen bereits zu brummen anfingen, machten wir uns langsam aber doch auf den Weg in die große Halle. Fackeln flackerten als wir die Steinwände entlang gingen und die rauen Steinmauern an uns vorüberzogen.

„Nicht zu glauben, oder? Kaum sind wir zurück, befinden wir uns bereits wieder im üblichen Lernstress." murmelte Adrian und streckte sich dabei.

„Wem sagst du das. Bei dem Gedanken an die ZAG's bekomme ich bereits jetzt Magenschmerzen."

„Dafür hast du ja heute erstaunlich wenig gelernt." schmunzelte er.

„Danke fürs Erinnern." Ich stieß ihm mit meinem Ellbogen leicht in die Rippen.

Er zuckte amüsiert mit den Schultern. „Ich war letztes Jahr auch ziemlich nervös vor den ZAG's. Hast du denn über die Weihnachtsferien gelernt?"

„Ja ein bisschen. In den meisten Fächern kenne ich mich ganz gut aus, aber von guten ZAG's bin ich noch meilenweit entfernt."

„Es sind ja noch einige Monate bis zu den Prüfungen." meinte Adrian, als wir gerade die Eingangshalle passierten.

„Die Monate seit September sind auch rasend schnell vergangen und jetzt haben wir schon wieder Mitte Januar."

„Ach, du willst die ZAG's bestehen?" vernahm ich eine höhnende Stimme hinter uns und als ich mich umdrehte, starrte ich in das Mopsgesicht von Pansy Parkinson, die mich genugtuend angrinste.

„Wenigstens aus einer von uns beiden sollte doch mal was Anständiges werden, findest du nicht?" erwiderte ich ruhig.

„Dafür ist es für dich schon viel zu spät, Hastings. Immerhin hast du drei Jahre bei Muggel verbracht." Pansy verzog angeekelt das Gesicht und ein paar Slytherins hinter ihr lachten. „An deiner Stelle wäre ich froh, wenn ich überhaupt einen einzigen ZAG schaffen würde."

„Das werden wir ja sehen, Pansy."

„Das werden wir ganz bestimmt. Seien wir doch Mal ehrlich, niemand kann den gesamten Stoff von ganzen drei Jahren innerhalb so kurzer Zeit aufholen. Das wäre keineswegs..." Sie machte eine kunstvolle Pause „...normal."

Einige Schüler in der Nähe drehten sich nun neugierig um und Pansy kicherte hämisch. „Aber wir alle hier wissen bereits, was du bist, nicht wahr? Kein Genie, Hastings... Sondern ein Sonderling. Ein Freak."

Ich blinzelte.

„Weißt du denn nicht, was es mit Freaks in der magischen Welt auf sich hat? Hast du noch nie Geschichten von ihnen gehört?" Sie trat ein paar Schritte auf mich zu, ein spöttisches, schadenfrohes Grinsen tragend. „Für Sie gibt es kein Happy End." summte sie förmlich, ehe sie ihre Stimmlautstärke dämpfte. „Sie sterben."

Meine Kiefermuskulatur spannte sich unweigerlich an, verspürte einen Kloß in meinem Hals, den ich krampfhaft verseuchte hinunterzuschlucken.

Ich war kein Freak.

„Nun..." sprach Pansy weiter, ging ein paar Schritte um mich herum. „Diggory war wohl erst der Anfang. Schade, dass es ausgerechnet ihn erwischt hat."

Dutzende Köpfe schallten in unsere Richtung. Mein Herz begann kräftig gegen meinen Brustkorb zu schlagen. Mit solcher Kraft, dass es beinahe schmerzte. Ohne es zu bemerken, hatten sich meine Hände verkrampft. Ihre Worte waren so unvorhergesehen auf mich hereingeprasselt, dass sie mich beinahe ins Wanken brachten.

„Das ist genug, Pansy." brummte Adrian, ehe er sich zwischen uns stellte. „Lass uns weitergehen." drängte er, legte seine Hand an meinen Oberarm und wollte mich von hier wegbringen. Doch ich rührte mich nicht vom Fleck, sondern fixierte Pansy ausdruckslos mit meinen eisblauen Augen, obgleich mir Adrian die Sicht versperrte.

Sie trat einen Schritt seitlich, sodass ich sie wieder sehen konnte. „Das passiert nunmal, wenn man sich mit Freaks wie dir einlässt. Aber für ihn musste es sich bestimmt wie eine Erlösung angefühlt haben."

Pansy schrie, Adrian fuchtelte wie wild mit seinen Händen, die angesammelte Menge sog tief die Luft ein und Schüler sprangen einen Schritt zurück. Als nächstes lag Pansy auf dem kalten Kerkerboden, mitten in ihrem Gekreische eingefroren. Ihr Mund war noch geöffnet, doch es kam kein einziger Ton mehr hervor. Ihre Augen flitzen hilfesuchend nach links, nach rechts, nach oben, nach unten. Mit erhobenem Zauberstab beugte ich mich über sie und fuchtelte mit der Spitze bedrohlich vor ihrem Gesicht herum.

„Für dich, Miststück." flüsterte ich. Ein Grinsen huschte für den Bruchteil einer Sekunde über meine Lippen.

Als ich wieder aufblickte, sah ich in teils erstaunte, teils verängstigte Gesichter, doch das kümmerte mich nicht.

„Das hättest du nicht tun sollen." murmelte Adrian, seine Augen waren auf die Größe eines Apfels angeschwollen.

„Sie hat es verdient."

„Darum geht es nicht. Es ist wegen ---"

Klack. Klack. Klack. Da hörte ich es schon.

„Chrm. Chrm." Ein helles Räuspern und die Masse schob sich auseinander, als würde Moses persönlich das Meer spalten.

„Was ist das für ein Lärm? Was geht hier vor?" Dolores Umbridge blieb vor Adrian und mir stehen und keinen Augenblick später glitt ihr Blick hinab zu der am Boden liegenden Pansy, die noch immer unfähig war sich zu bewegen.

„Waren sie das?" Ihre dunklen Augen fixierten erst mich und dann Adrian.

Adrian trat vor mich. „Ich war---" Mit einem Ruck riss ich ihn an der Schulter zurück und schob ihn zur Seite. Er würde das bestimmt nicht auf sich nehmen, ich wusste, was die Konsequenzen waren.

„Er hat nichts damit zu tun. Ich war das."

Ein Lächeln bildete sich auf ihren schmalen Lippen, als würde sie sich darüber freuen.

Sie schwang ihren Zauberstab, murmelte ganz leise „Enervate" und wirkte somit den Gegenzauber vom Klammerfluch.

„Seht ihr? Seht ihr?" brüllte Pansy, kreidebleich und am Boden sitzend, sich zur Hälfte aufgerappelt. „Sie kann unausgesprochene Zauber, die kann einfach nicht normal sein!" Sie zeigte mit ihrem Finger auf mich. „Freak!"

Mit ausdrucksloser Miene betrachtete ich sie, sagte jedoch kein Wort.

„Wie kann Draco dich bloß leiden?!" kreischte sie und ihr Mopsgesicht wurde so rot wie eine reife Tomate.

Mein linker Mundwinkel begann zu zucken, als ich sie so außer Rand und Band sah, nicht sicher, wie ich ihre Worte deuten sollte. Ich trat einen Schritt näher an sie ran, unwillkürlich, nicht einmal mit der Absicht sie mit meiner Geste zu bedrohen, doch schneller als ich sehen konnte, wich sie wie ein verängstigtes Schulkind nach hinten, was mich unerwartet kichern ließ.

„Genug! Sie kommen mit mir!" Umbridge deutete auf mich und ich sah aus dem Augenwinkel, wie mir Adrian einen besorgten Blick zuwarf. Als ich ihn kurzzeitig ansah, wollte er etwas sagen, doch ich bedeutete ihm mit einem kaum merkbaren Kopfschütteln, dass er still sein sollte.

Ich sog tief die Luft ein, zwang mir ein übertriebenes Lächeln auf die Lippen und nickte. „Aber natürlich, Professor."

Anschließend folgte ich ihr stumm, während mir unzählige Blicke folgten, darunter auch Adrians. Seine Miene wirkte nunmehr gequält.

Ich wusste, was das bedeutete. Die Feder, von der Harry erzählt hatte, würde ein weiteres Mal zum Einsatz kommen.

*****

„Tut mir leid, dass Sie warten mussten." sagte Umbridge als wir nach wenigen Minuten ihr Büro erreichten. „Ein..." Sie räusperte sich. „Ein Zwischenfall hat leider nach meinem Einschreiten verlangt."

Auf dem einzigen Stuhl in ihrem Büro saß ein Mann mittleren Alters.

„Aracus Derwent." sagte Umbridge in meine Richtung mit einem auffordernden Blick.

„Guten Abend, Sir." erwiderte ich eilig, blickte in ein symmetrisches Gesicht, das von leichten Falten umgeben war. Er begrüßte mich mit einem knappen Nicken, ohne mich dabei anzusehen.

„Ich bin hier ohnehin fertig, Dolores. Vergessen Sie nicht, mich zu informieren. Im Ministerium wird bereits Ihre Antwort erwartet. Einen schönen Tag noch." Mit diesen Worten stand er auf und schritt aus dem Büro an mir vorbei, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Etwas an seiner Stimme irritierte mich, veranlasste meine Brauen dazu sich in der Mitte meiner Stirn zu treffen. Sie wirkte distanziert und doch wieder nicht.

Ein Ministeriumsangestellter... hatte er mich erkannt? Immerhin wusste das Ministerium über mich und meinen verloren gegangenen Brief besser Bescheid als sonst jemand und soweit ich wusste, war mein Beliebtheitsgrad nicht sonderlich hoch.

„Nun zu Ihnen. Setzen Sie sich." Umbridge blickte erzürnt zu mir. „Erzählen Sie mir, was vorgefallen ist. Und keine Lügen."

Etwas entgeistert ließ ich mich auf dem Stuhl, wo gerade eben noch Derwent gesessen hatte, nieder und verschränkte meine Arme vor der Brust.

„Ich habe es Ihnen bereits gesagt. Pansy Parkinson hat etwas über Cedric Diggorys Mord—"

„Unfall." korrigierte sie mich. Meine Schläfen begannen zu pochen, doch ich schluckte all den Ärger hinunter, um meine Situation nicht weiter zu verschlimmern. Hatte mich der mysteriöse Unbekannte genau davor gewarnt? Was würde er denken, wenn er erfuhr, was ich trotz seiner Warnung getan hatte?

„Und deshalb haben Sie Miss Parkinson angegriffen?"

„Sie hat mich bedroht." log ich mehr oder weniger.

Umbridge hob eine Augenbraue an. „Womit? Mit ein paar lächerlichen Worten?"

„Mit ihrem Zauberstab." log ich weiter, wohlwissend, dass ich womöglich der Schule verwiesen werden würde, sollte ich die Wahrheit erzählen. „Ich dachte, sie würde einen Fluch auf mich abfeuern."

Ihre Braue wanderte noch höher. Offensichtlich glaubte sie mir nicht. „Sie können unausgesprochene Zauber?"

„Das muss ein Fehler gewesen sein. Ich kann keine unausgesprochenen Zauber."

„Lügen Sie mich nicht an, Miss Hastings." schallte es bedrohlich in meine Richtung. „Sie haben gerade eben eine Schülerin attackiert, Sie sollten froh sein, wenn ich Sie nicht der Schule verweise."

Plötzlich ertönte ein Klopfen.

Umbridge atmete einige Male tief durch, richtete sich ihr Haar und gab dann mit ihrer hellen, süßlichen Stimme ein „Ja, bitte." von sich.

Die Türe öffnete sich mit einem leisen Ächzen. Das Gesicht von dem Ministeriumsangestellten kam dahinter erneut zum Vorschein. Wieder sah er mich nicht an.

„Entschuldigen Sie, Dolores, ich habe ganz vergessen Ihnen von Fudge persönlich auszurichten, dass Sie sich bitte schnellstmöglich bei ihm melden sollen. Er möchte etwas mit Ihnen besprechen, es scheint wichtig zu sein."

Umbridge nickte Derwent mit einem süßlichen Lächeln zu. „Aber natürlich, sobald ich mich darum gekümmert habe." Sie deutete in meine Richtung.

„Ist es etwas Dringendes?" fragt er.

„Nun, Miss Hastings hat soeben ihre Mitschülerin angegriffen. Also durchaus etwas Dringendes, Aracus." sagte sie fast schon vorwurfsvoll.

Ich spürte regelrecht, wie sich sein Blick nunmehr auf mich legte, doch ich sah eilig zur Seite, konnte mir diese Demütigung ohnehin sparen.

„Verstehe." hörte ich ihn sagen. Seine Stimme klang monoton. „Und das andere Mädchen..." Derwent räusperte sich. „Wurde sie verletzt?" Der Boden knarrte unter seinen Füßen, als er einen Schritt nach vorne trat. „Ich weiß, wer sie ist, Dolores. Nach all den letzten Ereignissen, wäre Fudge bestimmt nicht erfreut, von einem solchen Vorfall zu erfahren."

Hatte ich es doch gewusst.

Umbridge Lächeln verblasste ein Stück weit. „Miss Parkinson ist wohlauf. Und es ist nicht notwendig den Zaubereiminister zu informieren. Ich habe hier alles unter Kontrolle."

„Gut." Er nickte, schenkte Umbridge ein angedeutetes Lächeln, ehe er die Tür hinter sich schloss und verschwunden war.

Sobald die Tür ins Schloss gefallen war, schellte ihr Kopf in meine Richtung.

„Nun, Sie glauben wohl, Sie müssten ihrem losen Mundwerk keinen Einhalt gebieten, nicht wahr? Doch da irren Sie sich, Miss Hastings." Umbridge legte eine Feder und ein Pergament vor mir auf den Tisch. „Doch glauben Sie mir, nachdem wir hier fertig sind, werden Sie zweimal darüber nachdenken, wen Sie gedenken, anzulügen. Währenddessen denke ich darüber nach, ob ich Sie der Schule verweise oder nicht, und auch darüber, ob andere... einprägendere Maßnahmen nicht besser für Sie geeignet wären, haben Sie mich verstanden?" Das letzte Wort aussprechend, lächelte sie ein weiteres Mal zuckersüß, ein kurzes Räuspern von sich gebend. „Sie schreiben folgende Worte nieder" Sie beugte sich über den Tisch. „'Ich soll nicht die Wahrheit verleugnen'. Na los, worauf warten Sie noch? Tinte brauchen Sie übrigens keine."

Einige Sekunden lang starrte ich ihr trotzig in die Augen und begann dann zu schreiben. Ich war genau da gelandet, wovor ich Adrian und Daphne die ganze Zeit über beschützen wollte. Dennoch bereute ich es nicht, Pansy den Klammerfluch auf den Hals gejagt zu haben. Noch immer brodelte es in mir, ich schäumte nur so vor Wut. Sowohl Pansy als auch Umbridge hatten etwas Schlimmeres als einen blöden Klammerfluch verdient.

Ich machte nicht Halt, auch als ich den Schmerz auf meinem linken Handrücken spürte, schrieb ich weiter. Die Tinte schimmerte blutrot unter dem einfallenden Licht und meine Hand verkrampfte sich schon bald, als sich der Schmerz immer wieder an den gleichen Stellen wiederholte. Als würde jemand mit einer spitzen Nadel punktgenau in der Wunde herumstochern.

Es mussten etwa 15 Minuten vergangen sein, als es plötzlich wieder an der Türe klopfte.

„Bitte?" vernahm ich Umbridge süßliche Stimme und ein leises Quietschen ertönte.

Als ich hochblickte, sah ich Pansy unter dem Türrahmen stehen.

„Professor, ich möchte Ihnen die Wahrheit sagen."

„Die Wahrheit, Miss Parkinson?" Umbridge richtete sich in ihrem rosa Holzstuhl auf. „Ich kenne die Wahrheit bereits." erwiderte sie.

„Dann wissen Sie, dass ich Hastings zuerst bedroht und angegriffen habe. Es war meine Schuld." sagte sie und die Feder glitt mir beinahe aus meinen Fingern. Im letzten Augenblick konnte ich verhindern, dass sie auf den Schreibtisch fiel und ein Geräusch verursachte, abgesehen von dem Stocken meines eigenen Atems.

Das konnte nicht sein. Was war hier los?

„Wie bitte, Miss Parkinson?"

„Ich habe sie angegriffen, Professor." wiederholte sie und ich spürte, wie mich eine seltsame Art von Starre überkam. Es war, als würde für einen Augenblick die Zeit stillstehen. Das konnte nicht Pansy sein, nie und nimmer.

„Sie wollen mir also weißmachen, dass sich Miss Hastings nur gewehrt hat?" Ihr Lächeln war verschwunden, etwas Finsteres hatte sich stattdessen auf ihren Gesichtszügen niedergelassen.

Pansy nickte. „Ja."

Ich sah Umbridge tief die Luft einziehen, ihren Kopf zur Seite neigend. „Nun, das ändert nichts daran, dass Sie Ihre Strafe abarbeiten müssen, Miss Hastings. Denn es ändert auch nichts daran, dass Sie eine Schülerin angegriffen haben und auch nichts daran, dass wir nicht mit Sicherheit sagen können, ob Miss Parkinson tatsächlich zuerst angegriffen hat." Ein gezwungenes Lächeln erschien auf ihren Lippen.

Für den Bruchteil einer Sekunde war ich geneigt, ihr zu sagen, dass sie es doch gerade eben selbst von ihr gehört hatte... doch dann verkniff ich es mir.

„Aber unter diesen Umständen, werde ich Sie nicht von der Schule verweisen." fuhr sie fort und ihr Blick legte sich dabei auf mich. Ihre Augen funkelten gefährlich. „Noch nicht. Und Sie, Miss Parkinson, mit Ihnen werde ich später nochmals sprechen."

Sie nickte und verließ dann das Büro. Umbridges Blick wanderte in meine Richtung, spürte regelrecht, wie sie mich damit durchbohrte, doch ich starrte stumm auf das Pergament vor mir, schrieb mit der Feder weiter die Worte darauf.

Ich hatte keine Ahnung was vor sich ging. Doch ich wusste, dass Pansys falsches Geständnis womöglich der einzige Grund war, weshalb ich tatsächlich nicht der Schule verwiesen oder mir noch schlimmeres angetan wurde.

Bestimmt zwei Stunden lang saß ich in ihrem Büro, tat nichts weiter als immer wieder dieselben Worte auf das Pergament zu schreiben, die sich mittlerweile bereits deutlich auf meinem Handrücken eingeritzt hatte. Umbridge hatte indes mehrere Nachrichten abgeschickt, wohl an Fudge. Meine Kiefermuskulatur spannte sich unaufhörlich an, als der Schmerz so schlimm wurde, dass ich dachte, keinen einzigen Strich mehr mit der Feder setzen zu können. Doch ich machte weiter, auch als sich Tränen in meine Augen drängten, wollte Umbridge nicht diese Genugtuung verschaffen. Mein Magen knurrte unaufhörlich, nachdem ich heute Abend nichts gegessen hatte. Auf einmal räusperte sie sich, ihre weißen Zähne blitzten auf.

„Genug für heute. Ich hoffe, die Botschaft hat sich bei Ihnen eingebrannt." ein kurzer zufriedener Seitenblick auf meinen Handrücken ihrerseits folgte. „Sie können sich nun in ihren Schlafraum begeben. Die nächsten zwei Wochen werden Sie sich jeden Tag um Punkt 20 Uhr bei mir einfinden. Für jede Minute Verspätung gibt es eine weitere Woche Nachsitzen, verstanden?"

Schwer atmend nickte ich, drehte mich um und wollte aus ihrem Büro verschwinden, endlich diese grässliche, alte Hexe hinter mir lassen.

„Haben Sie nicht etwas vergessen?"

An Ort und Stelle blieb ich stehen, drehte mich auf dem Ansatz um und starrte sie an. „Gute Nacht, Professor."

„Das wünsche ich Ihnen auch, Miss Hastings." verkündete sie.

Als ich die Tür hinter mir zugezogen hatte, begann ich zu laufen. Meine lauten Schritte halten von den Steingemäuern wieder und verursachten ein unheimliches Echo. Ich rauschte am Krankenflügel vorbei, polterte die Treppen hinunter, durchquerte die Eingangshalle und kam schließlich in den Kerkern zum Stillstand. Schwer atmend stütze ich mich mit einer Hand an der Wand ab, strich mir mein Haar aus dem Gesicht und betrachtete im Schein einer Fackel meinen zerschnittenen Handrücken. Die Wunden brannten höllisch und als ich meine Hand zu einer Faust ballen wollte, zog und schmerzte es so sehr, dass ich grell aufstöhnte. Das Quietschen einer Holztür drang an mein Trommelfell und im nächsten Augenblick sah ich, wie sich Snapes Bürotür öffnete. Er entdeckte mich augenblicklich.

„Wissen Sie eigentlich, wie spät es ist?" zischte er und kam direkt auf mich zugesteuert. Ohne darüber nachzudenken, zog ich meine verletzte Hand reflexartig so schnell hinter meinen Rücken, dass es verdächtiger nicht hätte sein können. Snape blieb vor mir stehen und unterzog mich eines merkwürdigen Blickes.

„Haben Sie geweint?"

„Nein." brummte ich und drehte mich zur Seite.

„Was haben Sie da hinter ihrem Rücken?"

„Nichts."

„Verkaufen Sie mich nicht für dumm, Miss Hastings." sagte er mit monotoner, aber scharfer Stimme.

„Tue ich nicht. Ich habe nichts abgesehen meiner Hand hinter meinem Rücken."

„Dann haben sie bestimmt nichts dagegen, beide Hände nach vorne zu geben." meinte er kühl und ich starrte ihn für einen Moment an, fieberhaft überlegend, ob es sinnvoll war Widerstand zu leisten. Wohl nicht. Jeder Widerstand würde weitere Zweifel sähen.

Kräftig zog ich die Luft durch meine Nase ein und hielt anschließend beide Hände auf Höhe meines Brustkorbs, sodass meine Handflächen nach oben zeigten. Snapes Blick huschte zu meinen Händen und anschließend wieder zu mir.

„Das erklärt jedoch nicht, was Sie um diese Zeit noch auf den Fluren zu suchen haben."

„Ich hatte Nachsitzen."

„Bei?"

„Professor Umbridge." Meine linke Hand begann durch die Schmerzen zu zittern und Snapes Augen waren so schnell darauf gerichtet, dass ich gar keine Chance hatte.

„Umdrehen."

Ich atmete tief ein. Dann drehte ich meine Hände und die tiefen Einschnitte kamen zum Vorschein. Mit seinen dunklen Augen fixierte er die Wunden.

Ich sah ihn nicht an.

„Kommen Sie mit mir. Sofort!" seine Stimme klang zornig.

„Was? Wohin?" Snape war bereits an mir vorüber gegangen.

„Zu Professor Umbridge."

„Warten Sie! Nein! Das dürfen Sie nicht!"

Ich rannte vor ihn und versperrte ihm den Weg. Zum Teufel damit, wie lächerlich ich mich wohl gerade machte, indem ich einen Professor, noch dazu Snape, am Weitergehen hinderte. „Umbridge wird das nicht daran hindern, mich morgen trotzdem wieder zum Nachsitzen zu zwingen, aber wenn sie erfährt, dass Sie davon Bescheid wissen, wird sie mein Nachsitzen bestimmt verlängern. Und vermutlich wird sie dann jeden einzelnen Ihrer Schritte verfolgen. Sie wartet ohnehin darauf die Posten der Lehrer mit jemanden zu besetzen, der die Ansichten vom Ministerium teilt." quirlte es nur so aus mir hervor. Einige Sekunden lang sah er auf mich herab. In seinem Gesicht war nichts, was man lesen konnte.

Dann machte er auf dem Absatz kehrt und ließ mir in der halben Drehung noch ein „Folgen Sie mir. Dieses Mal aber ohne Widerrede." zukommen.

Eilig schloss ich auf und ging ihm hinterher ins Zaubertränkeklassenzimmer. Es war seltsam den leeren Raum zu betrachten, wo sich ansonsten immer ganze Scharen von Schülern tummelten, doch nun eine unheimliche Totenstille herrschte. Snape schritt zu einem der hinteren Schränke und holte mit einer einzigen, schnellen Handbewegung ein kleines Fläschchen hervor.

„Murtlap Essenz." sagte er und drehte sich zu mir. „Geben sie davon eine kleine Menge auf ihre Wunden. Es wird brennen, aber es lindert den Schmerz und fördert den Heilungsprozess."

Mein Kopf hob sich an, das kleine Fläschchen betrachtend, ein zögerliches Nicken zustande bringend. „Danke." murmelte ich leise, verstand nicht, weshalb er mir half.

„Wann haben Sie morgen Nachsitzen?"

Ich sah von dem Fläschchen zu ihm hoch. „Um 20 Uhr, für die nächsten zwei Wochen." krächzte ich fast schon.

„Verschwenden Sie es nicht." Die Kälte in seiner Stimme ließ mich blinzeln.

„Werde ich nicht."

Snape nickte mir zu und deutete mir dann das Klassenzimmer zu verlassen. Wenige Sekunden später stolperte ich den Gang entlang in Richtung des Eingangs zum Slytheringemeinschaftsraum. Mein Kopf war wie leergefegt.

Weshalb half er mir? Hatte er Bedenken, dass ich irgendjemandem von den Thestralen berichtete? Und weshalb hatte Pansy für mich gelogen? Der Griff um das kleine Fläschchen verstärkte sich, während ich das Passwort murmelte und eintrat. Das alles ergab keinen Sinn.

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