Kapitel 20 - The Yule Ball (Part 2)
„Was soll das?" rief ich empört, als mich Ron am Arm packte und mit nach draußen schleifte. Es war mir kaum möglich bei seinem schnellen Schritttempo mitzuhalten, ohne dabei auf mein Kleid zu treten und zu stolpern. Gerade eben noch hatte ich mich zu ihnen gesellt, nachdem sie beide mit grimmigen Gesichtsausdrücken in einer Ecke gesessen waren und ihre Tanzpartnerinnen anscheinend die Flucht ergriffen hatten, als mich Ron plötzlich mit sich gezerrt hatte.
„Lass mich los!" Keine Reaktion. Harry ging hinter uns her. Erst als wir um eine weitere Ecke bogen und sich vor uns der Hof erstreckte, machte er Halt und ich wäre ihm beinahe reingelaufen. Rote Fingerabdrücke zeichneten sich auf meiner Haut ab, als er losließ.
„Hast du denn noch alle Tassen im Schrank? Was soll das?" fuhr ich ihn wütend an rieb die rote Stelle an meinem Arm, die heftig zu pochen begann.
„Das Gleiche könnte ich dich fragen!" zischte Ron. Anschuldigend hob er einen Finger und zeigte auf mich.
„Was meinst du?" wich ich aus und wollte damit nur etwas Zeit schinden, denn ich wusste bereits ganz genau, worauf er hinauswollte. Wir alle wussten es. Etwas, das aufgrund meiner Entscheidung unweigerlich geschehen musste. Als würde es sich dabei um ein ungeschriebenes Naturgesetz handeln.
„Tu nicht so! Malfoy? MALFOY? Was ist bloß in dich gefahren?" Wut war ihm wie ein Stempel ins Gesicht gepresst. So zornig hatte ich ihn noch nie zuvor gesehen.
„All das nur wegen einem Tanz?" zischte ich zurück.
„Nur einen Tanz?" wiederholte er ungläubig. „Das war mehr als nur ein Tanz! Ganz Hogwarts hat euch zugesehen!"
„Mach dich doch nicht lächerlich! Ich darf selbst entscheiden mit wem ich tanze! Ihr seid beide mit einer Ballbegleitung hier und ich wollte hier auch lediglich meinen Spaß haben und einen schönen Abend verbringen!" schrie ich nun zurück und ein wilder Schreiwettbewerb zwischen uns beiden entbrach.
„Aber mit MALFOY? Die gesamte Schule spricht darüber!"
„Und wenn schon! Wo wart ihr den ganzen Abend lang? Ihr habt euch kein einziges Mal bei mir blicken lassen!"
„Harry hat dich sogar eingeladen mit ihm auf den Ball zu gehen und du hast abgelehnt!" feuerte er zurück.
„Ich bin aber keine Reserve, die man sich beliebig lange als letzte Option behält, nur weil man abserviert worden ist!" Meine Schultern hoben sich bei jedem Atemzug an und ich konnte aus dem Augenwinkel sehen, wie Harry etwas erwidern wollte, doch Ron kam ihm zuvor. Sein Gesicht hatte die Farbe seiner Haare angenommen.
„Ich wusste es doch!" brüllte er mich an. „Du bist nicht besser als dieses restliche Slytherinpack! Genauso hochnäsig und arrogant und fühlst dich allen anderen überlegen, nicht wahr?"
Meine Fäuste verkrampften sich. Ich konnte nicht glauben, dass er das gerade tatsächlich gesagt hatte. Schockiert über seine Worte, sog ich scharf die Luft ein, drauf und dran jeden Augenblick wie eine tickende Zeitbombe hochzugehen. Dass ich von ihm immer wieder abgestempelt wurde, weil ich nach Slytherin gekommen war, war mir durchaus bewusst und das war eine Sache, doch ich hätte nie gedacht, dass er es wagen würde, mir diese Worte ins Gesicht zu brüllen, geschweige denn davon, dass er wirklich dermaßen schlecht über mich dachte. Gut, Ron und ich hatten unsere Differenzen, aber...
„Du bist erbärmlich, Ron. Einfach nur erbärmlich." stieß ich hervor, meine Stimme zitterte kurzzeitig, was ich mit einem verächtlichen Schnauben übertönte. Meine Fäuste schmerzten, als ich sie weiter anspannte.
An Ron's Stirn trat eine Ader hervor und betonte einmal mehr seine zornige Miene. Am liebsten hätte ich ihm einen Schockzauber an den Hals gejagt und ihn hier einfach in der Kälte zurückgelassen. So wütend war ich.
„Hört auf." ergriff Harry das Wort. „Hört endlich auf!"
Ron öffnete bereits den Mund, um etwas zu entgegnen, als plötzlich eine andere Stimme von nicht weither ertönte.
„Ich verstehe nicht, was es da noch zu besprechen gibt, Igor."
Mein Kopf schellte überrascht nach rechts. Karkaroff und Snape, sie kamen direkt in unsere Richtung. Rein aus Instinkt zog ich Harry und Ron mit mir in den Schatten einer der großen Steinmauerbögen.
„Severus, du kannst nicht so tun, als würde es nicht wieder geschehen." Karkaroff klang besorgt, seine Worte waren beinahe geflüstert, als würde er auf keinen Fall belauscht werden wollen. „Schon seit Monaten, wird es immer deutlicher. Allmählich mache ich mir ernsthaft Sorgen, dass--"
„Dann flieh." sagte Snape barsch, beinahe kalt, schnitt ihm damit das Wort ab. Ich beugte mich ein wenig nach vorne, um etwas sehen zu können. Die beiden bogen gerade um eine Hecke und unser Zaubertränke Professor hatte seinen Zauberstab gezückt. „Flieh und ich werde eine Ausrede für dich finden. Doch ich bleibe in Hogwarts." Snape kam uns gefährlich nahe. Ich hielt den Atem an, aus Angst davor entdeckt zu werden.
Auf einmal ertönte das Geräusch einer Heckenschere. Etwas zerfledderte und erschrockene Schreie folgten. Ich konnte hören, wie Snape zwei Schülern Hauspunkte abzog und die beiden dunklen Gestalten trabten an uns vorbei, ohne uns zu bemerken.
„Du täuscht mich nicht, Severus." fuhr Karkaroff mit bedrohlicher Stimme fort, nachdem die zwei Schüler weit genug entfernt waren. „Du hast Angst, ist es nicht so?"
„Ich habe nichts zu befürchten, Igor. Kannst du dasselbe von dir behaupten?"
Stille. Drei, vier Sekunden, dann rauschte Karkaroff wutentbrannt davon. Aus dem Augenwinkel dachte ich, Snape's schwarzen Umhang im Wind in die entgegengesetzte Richtung davongehen schreiten zu sehen. Erleichtert atmete ich aus. Niemand sagte etwas, sondern wir starrten bloß einander an. Das Gespräch zwischen Snape und Karkaroff hatte uns alle die Sprache verschlagen und auch der Streit mit Ron war für einen kurzen Moment zumindest in weite Ferne gerückt.
„Lasst uns gehen." sagte ich und wir setzten uns alle drei in Bewegung. Worüber hatten die zwei wohl gesprochen? Es klang ernst und musste etwas Wichtiges gewesen sein, ansonsten wäre Karkaroff nicht so unausgesprochen wütend und hartnäckig gewesen.
„Wir sind noch nicht fertig." bemerkte Ron trotzig hinter mir.
„In der Tat." Mir gefror das Blut in den Adern. Nur zögerlich drehte ich mich um und blickte geradewegs in das Gesicht von Professor Snape. Sein Blick flog zunächst über Ron und Harry, die rechts und links von mir standen, und blieb schlussendlich an mir hängen. Nur kurz, aber doch zu lange für meinen Geschmack.
„Was tun Sie hier?" er sprach diese Worte so karg aus, dass ich unweigerlich schlucken musste.
„Wir gehen spazieren. Ist doch nicht verboten, oder?" meinte Ron, man konnte ihm noch immer seinen Ärger anmerken, den er offensichtlich nun auf den Professor übertrug. Das absolute falsche Ziel, wie ich mir dachte.
„Dann geht gefälligst weiter!" raunte Snape und rauschte an uns vorbei, ohne uns nochmal eines Blickes zu würdigen. Verwundert, dass er ansonsten keine Bemerkung über Rons Worte gemacht oder gar Hauspunkte abgezogen hatte, machten wir uns daran, wieder ins Warme zu kommen. Niemand sagte währenddessen etwas. Erst, als wir direkt vor den schweren Türen standen, die wieder hinein ins Schloss führten, blieb ich stehen und drehte mich zu Harry um.
„Es tut mir leid, Harry. Ich hätte deine Einladung annehmen sollen, ich war bloß... so wütend darüber, dass Cedric Chang gefragt hat und nicht mich. Und als ich erfahren habe, dass du ebenfalls mit Chang zum Ball wolltest, da..." Ich seufzte. „... da war ich noch wütender darüber, dass wohl jeder lieber mit ihr als mit mir zum Ball gehen wollte."
Harry und Ron tauschten einen kurzen Blick aus.
„Das wusste ich nicht." flüsterte Harry.
„Ich habe dir ja auch nie davon erzählt." Jegliche Farbe wich aus meinen Lippen, als ich sie fest zusammenpresste. Es war schwer für mich so offen darüber zu sprechen. Besonders vor Ron.
„Ich war auch etwas verstimmt wegen Cho, weißt du? Aber ich wollte mit dir auf den Ball gehen, weil du meine Freundin bist und ich gerne den Abend mit dir verbracht hätte und nicht, weil du mein letzter Ausweg gewesen wärst." Er schien noch immer etwas enttäuscht darüber zu sein, dass ich letzteres angenommen hatte.
Eine blonde Haarsträhne löste sich von meinem Ohr, als ich nickte. „Ja und das tut mir leid. Es war nicht deine Schuld. Ich denke, ich war einfach noch etwas gekränkt wegen Cedric." Ein angedeutetes Lächeln formte sich auf meinen Lippen und auf seinen ebenfalls, beide sichtlich glücklich darüber uns nun endlich zu versöhnen. „Und Malfoy... Ich weiß, ihr könnt euch nicht ausstehen, aber es ist meine Entscheidung mit wem ich tanze, okay?"
Harry fuhr sich durch sein verwuscheltes Haar, begegnete dann aber meinem Blick. „Okay. Ich vertraue dir, Cici."
„Cici?"
„Dein neuer Spitzname."
„Mhm?" Meine Braue hob sich fragend an.
„Was?"
„Er klingt grauenvoll."
Der Gryffindor grinste.
Ron seufzte, doch dann nickte auch er. „Du hast recht. Mir tut es auch leid." murmelte er. „Also das, was ich zu dir gesagt habe. Das... Das war nicht so gemeint. Du bist die netteste Slytherin, die ich kenne."
Wir alle drei mussten breit grinsen.
Harry bedeutete mir wahnsinnig viel. In dieser kurzen Zeit, die ich ihn nun kannte, war er mir unheimlich ans Herz gewachsen. Ich wollte diese Freundschaft nicht verlieren, nur wegen einem albernen Ball. Und auch Ron. Wir würden nie wirkliche Freunde werden, das wussten wir beide. Aber heute hatte er etwas zu mir gesagt, was ihm bestimmt nicht leichtgefallen war. Etwas, das mir viel bedeutete.
Versprich mir nur eines, Cici..." sagte Harry.
„Was denn?"
„Heirate Malfoy nicht."
In der ersten Sekunde starrte ich ihn verdutzt an, ehe ich in schallendes Gelächter ausbrach. Harry und Ron tauschten abermals einen kurzen Blick aus.
„Ach Harry..." grinste ich breit, nachdem ich mich wieder eingekriegt hatte. „Ich heirate doch schon jemand anderen."
„Wen denn?" fragten sie beide wie aus einem Mund. Alle zwei sahen aus, als hätten sie gerade Filch beim Duschen erwischt.
Doch ich schmunzelte nur.
Wenig später trennten sich unsere Wege. Ron und Harry suchten nach Hermine, während ich nach Daphne Ausschau hielt. Dutzende Schüler befanden sich noch auf der Tanzfläche, unter anderem Ginny und Longbottom. Egal wo man hinsah, konnte man strahlende Gesichter erkennen. Schüler, die sich amüsierten, Pärchen, die sich Arm in Arm lagen. Kurzzeitig ließ mich dieser Ort vergessen, wie einsam ich mich in den letzten Tagen gefühlt hatte. Diese ganze Freude schien mir wie eine Welle entgegenzuschlagen und mich mitzureißen. Ich vergaß, dass ich heute Weihnachtabend nicht mit meinen Eltern verbrachte, dass Cedric mit Cho Chang hier war und nicht mit mir. Dass mich Ron gerade eben noch wüst beleidigt hatte und auch, dass ich trotz vielen Freunden doch eine Außenseiterin war.
Kurzzeitig schloss ich die Augen, nahm einen tiefen Atemzug. Der Geruch von Zimt lag in der Luft. Weihnachtlich. Als ich meine Augen wieder öffnete, bemerkte ich, dass Igor Karkaroff am anderen Ende der Großen Halle stand. Seine Arme waren verschränkt und er starrte in meine Richtung. Etwas Bedrohliches funkelte in seinen Augen. Für den Bruchteil einer Sekunde war ich gewillt mich umzudrehen, um nachzusehen, wem sein Blick galt. Doch in Wahrheit wusste ich es besser.
„Außerdem hat Karkaroff mir an diesem Tag eine Aufgabe erteilt und ich muss zurück nach Russland." Hörte ich Poliakoffs Worte plötzlich so klar in meinem Ohr hallen, dass ich dachte, er würde tatsächlich neben mir stehen. Ob er ihn wohl absichtlich fortgeschickt hatte?
Auf einmal rempelte mich jemand unsanft an der Schulter an, gefolgt von einem gehässigen „Das tut mir aber leid, Hastings."
Pansys stieß ein verächtliches Schnauben aus, ihre Mimik war von purer Schadenfreude geprägt. Sie trug nun ein schlichtes schwarzes Kleid, das nicht unbedingt sonderlich festlich aussah. Dann setzte sie sich wieder in Bewegung. Doch ich war schneller und fasste sie am Oberarm. Sie hatte mich zuvor mit Draco tanzen gesehen und noch nie in meinem Leben hatte ich jemanden so viel Abscheu in bloß einem Blick sehen können.
„Nimm deine dreckigen Hände von mir!" zischte sie und schüttelte mich energisch ab.
„Was ist dein Problem? Bist du wirklich derart eifersüchtig, nur weil ich mit Draco getanzt habe?"
Ihre Augen waren zu Schlitzen verengt. „Ich hoffe, das klein bisschen Aufmerksamkeit hat dir gefallen." Pansy war einen Schritt näher an mich herangetreten, versuchte mich ganz offensichtlich einzuschüchtern, ihre Lippen zu einem genugtuenden, höhnenden Lächeln verzogen. „Und nur damit du es weißt, du bist bloß ein Mittel zum Zweck, nicht mehr!"
Mittel zum Zweck... Was meinte sie damit? Obwohl es um uns herum klirrte, klang und schepperte, vernahm ich bloß das Geräusch meines eigenen Atems. Es war wohl schon früh festgestanden, dass Pansy und ich nie beste Freundinnen werden würden, doch irgendetwas schien das Fass drastisch zum Überlaufen gebracht zu haben.
„Du tust mir wirklich leid, Pansy." erwiderte ich kühl, hielt den Blickkontakt noch einige, wenige Sekunden aufrecht. Ein leichtes Frösteln erfasste mich.
Auf dem Absatz machte ich kehrt, spazierte auf die nächstbeste Bar zu und bestellte mir ein einfaches Glas Wasser. Mein Herz hatte so plötzlich wie wild zu pochen begonnen. Mittel zum Zweck... Pansy hatte sie ganz offensichtlich nicht mehr alle. Wofür sollte ich Mittel zum Zweck sein, nur weil er mich um einen Tanz gebeten hatte? Das war doch lächerlich. Das hier war ein verdammter, stinknormaler Weihnachtsball... mit ein paar wenigen Turbulenzen. Das war alles.
Mit einem raschen Zug leerte ich das Glas Wasser und knallte es regelrecht auf die Theke, sodass es laut klirrte.
„Aufregender Abend?" ertönte es plötzlich neben mir und als ich meinen Kopf nach rechts wandte, starrte ich in das Gesicht von Adrian Pucey, der augenscheinlich für sich und seine Begleitung Drinks holte.
„Aufregender Abend." bestätigte ich ihm und nickte leicht.
Man konnte ihn schmunzeln hören. „Ich habe gehört, dass du dieses Jahr ins Quidditchteam wolltest. Stimmt das?" Der Slytherin drehte sich mit seinem Oberkörper in meine Richtung, stellte die zwei Drinks, die er bereits in seinen Händen gehalten hatte, an der Theke ab.
„Ja, weshalb fragst du?"
„Ich war auch in unserer Quidditchmannschaft. Das heißt, vorletztes und vorvorletztes Jahr." Er zuckte mit den Schultern.
„Und was ist mit letztem Jahr?" fragte ich, nun ein wenig hellhörig, war in diesem Moment äußerst froh über diese Ablenkung.
„Das Auswahlverfahren ist nicht ganz nach Plan verlaufen. Ich habe einen Klatscher gegen den Kopf bekommen und bin circa drei Meter in die Tiefe gestürzt. Danach war ich erstmal für ein paar Tage auf dem Krankenflügel. Meinen Platz hat jemand bekommen, der bessere Beziehungen mit Klatschern führt. So ist das Spielerleben."
Ich verzog die Miene. „Doppelt erwischt, hm?"
„Kann man so sagen." Pucey stieß amüsiert die Luft durch die Nase aus.
„Auf welcher Position spielst du denn normalerweise?"
„Jäger. Lass mich raten... du auch?"
Gut geraten. dachte ich mir und nickte.
„Dann heißt das wohl, dass wir nächstes Jahr beim Auswahlverfahren gegeneinander antreten werden."
„Wenn du keine Angst davor hast, womöglich wieder einige Tage im Krankenflügel zu verbringen."
„Nun, nennen wir es Berufsrisiko." Er grinste.
Seine Worte entlockten mir ebenso ein kurzes, aber breites Grinsen. Pucey schien in Ordnung zu sein, auf jeden Fall.
„Einen schönen Abend noch, Hastings." sagte er anschließend, nahm wieder seine beiden Drinks in die Hände und schritt davon.
„Dir auch."
Kurz sah ich ihm noch nach, als plötzlich Cedric in mein Sichtfeld trat und in meine Richtung kam. Eilig tat ich so, als hätte ich ihn nicht gesehen, drehte mich mit meinem Oberkörper in Richtung Theke und stützte mich darauf mit beiden Ellbogen ab. Den gesamten Abend über hatte ich mir größte Mühe gegeben Cho Chang und ihn nicht zu beachten, doch immer wieder hatte ich mich dabei selbst ertappt, den Blick über die Schülermenge schweifen zu lassen. Einmal waren sie nicht unweit von mir entfernt gestanden, hatten zusammen gelacht und gekichert. Das wohlklingende Geräusch seines Lachens hatte mich an jenes erinnerte, welches er auch im Sanitäterzelt, kurz nach der ersten Aufgabe von sich gegeben hatte. Damals, als ich ihn verbotenerweise besucht hatte, um sicherzugehen, dass es ihm auch gut ging. Noch genau konnte ich mich daran erinnern, wie furchteinflößend seine Verbrennungen ausgesehen hatten und ich war mir sicher, dass jede Gesichtsbewegung für ihn Schmerzen bedeutet haben mussten. Und trotzdem hatte er über meine Worte gelacht.
Als ich ihn meinen Namen sagen hörte, senkten sich meine Lider kurzzeitig, bevor ich ihn ansehen konnte.
„Ja?" Jetzt, wo ich ihn aus der Nähe betrachtete, fiel mir einmal mehr auf, wie umwerfend er aussah. Sein Anzug saß wie angegossen. Sein Haar war zurückgekämmt, was seiner Gesichtsform schmeichelte und seine grauen Augen funkelten heute ganz besonders.
„Ich habe dich schon überall gesucht." sagte er.
„Oh, wirklich?" Meine Haltung war verkrampft. Stocksteif und gerade. Und meine Stimme glich einem Krächzen.
Cedric zögerte kurz, er wirkte fast schon etwas unsicher und er schüttelte dabei leicht den Kopf, als wäre es ihm peinlich folgende Worte auszusprechen. „Es ist nur... Irgendwie hatte ich das Gefühl, du gehst mir aus dem Weg."
Mein Rachen fühlte sich auf einmal ganz trocken an. „Ich... ich wollte bloß nicht deine Verabredung stören."
In der Sekunde, in der ich die letzte Silbe ausgesprochen hatte, konnte ich klar und deutlich hören, wie Cedric tief die Luft einzog, konnte sehen, wie er den Blickkontakt zwischen uns abbrach, seinen Mund öffnete, ihn aber keine Sekunde später doch wieder schloss. Mein Brustkorb schwellte unaufhörlich an, je länger wir so dastanden. Meine Arme hatte ich um meinen Oberkörper geschlungen, so als wäre mir kalt. Um uns herum spielte Musik. Mild und harmonisch. Da standen wir nun. Über die verzauberte Decke, auf welcher sich nach wie vor leichtes Schneetreiben abzeichnete.
„Du verwirrst mich." sagte er wie aus dem Nichts, hatte sich neben mir weit über die Theke gelehnt, seine Finger ineinander verschränkt.
Verwundert blickte ich zu ihm hoch. „Was meinst du?
„Ich dachte du wärst mit diesem Durmstrang hier, mit dem du so viel Zeit verbringst also..." Cedric räusperte sich verlegen. „... also, das ist mir zumindest aufgefallen. Ilarion Poliakoff ist doch sein Name, nicht wahr?"
Ich nickte, irritiert darüber, dass er darüber Bescheid wusste.
„Und dann, naja, dann tauchst du plötzlich alleine hier auf und tanzt mit Malfoy. Ich verstehe nicht..."
Der Hufflepuff stockte. Nun, ich verstand auch nicht. Ein Gefühl von Unbehagen hatte sich wie ein Schatten über mich gelegt und über ihn wohl offenkundig ebenso. Keiner von uns beiden wusste so recht, was er sagen sollte. Es war schon fast so, als würden beiden die Worte fehlen. Sollte ich etwas wegen Malfoy sagen? Aber weshalb? Immerhin hatte er doch gerade eben nur gemeint, dass es ihn quasi überrascht hätte... und damit wäre er nicht der Einzige. Sogar ich war ja überrascht. Doch sollte ich ihm sagen, dass mich Poliakoff gar nicht wirklich gefragt hatte, ob ich seine Verabredung für den Ball sein würde? Doch irgendein kleines Fünkchen Eifersucht hielt mich davon zurück. Schließlich war auch er mit einer anderen hier, mit der er zuvor tuscheln und kichernd durch die Flure Hogwarts spaziert war. Es spielte keine Rolle, ob er die Wahrheit wusste.
Während ich meinen Gedanken nachgehangen war, hatte ich keine Notiz davon genommen, dass mir Cedric seine Hand entgegen hielt. Sein Blick war so plötzlich klarer, sein Grau geklärt.
„Gestattest du mir einen Tanz?" sagte er und blickte mir dabei tief in die Augen.
Ich verwirrte ihn? Er verwirrte wohl eher mich. „Cedric, ich... du bist mit Chang hier. Ich denke nicht, dass es eine gute Idee wäre, wenn---
„Nur einen einzigen Tanz." unterbrach er mich.
Zögerlich sah ich mich um, als würde ich fürchten, dass mich irgendjemand sehen könnte. Was war gerade eben geschehen?
„Gut." Zaghaft legte ich meine Hand in die seine. Ein leichtes Lächeln erschien auf seinen Lippen. Die Wärme seiner Haut prickelte und ich konnte fühlen, wie in mir wieder dieser Vulkan von damals zu wüten anfing, als wir uns das erste Mal gesehen hatten. Was war bloß los mit mir? In den letzten Wochen hatte ich mein Bestes gegeben ihn mir aus dem Kopf zu schlagen. Das alles, meine Gefühle, die ich für ihn empfunden hatte, in eine Truhe zu sperren und den Schlüssel an einem Ort aufzubewahren, zu dem niemand Zugang hatte. Doch dem Anschein nach hatte er ihn gefunden. Nur diese leichte Berührung, sein Blick, dieses Grau waren genug, um mich aus der Fassung zu bringen. Ob man mir mein inneres Chaos anerkennen konnte? Sah er, wie nervös und unsicher ich war? Wie wackelig er meine Beine werden ließ?
Er führte mich auf die Tanzfläche, legte seine Hand an meine Hüfte. Ich fühlte mich hier so Fehl am Platz, aber doch so angekommen. Dieses Gefühl, wenn man derart peinlich berührt war, dass man am liebsten davonlaufen würde und sich trotzdem gleichzeitig wünschte, dass dieser Moment ewig währte.
Cedric machte den ersten Schritt nach vorne und ich folgte ihm im gleichmäßigen Tempo. Bei den ersten zwei, drei Schritten dachte ich konzentriert mit, darauf bedacht keinen Fehler zu machen. Dann ging alles ganz von allein. Musik spielte im Hintergrund. Ein süßlicher Klang. Mein langes Kleid strich sanft im Rhythmus unserer Bewegung um meine Beine. Der Samt flog ein bisschen höher, als wir uns drehten. Wir sahen die ganze Zeit einander an. Eine Pirouette, der laute Klang eines Klaviers. Endorphine feierten eine wilde Party in meinem Körper, hatten die Diskomusik ganz laut aufgedreht, während ich hier im langsamen Walzer tanzte. Wir drehten uns, immer und immer wieder, bewegten uns sanft im Rhythmus der Musik.
Ich wusste nicht, wie lange wir so tanzten, aber es kam mir wie eine schöne Ewigkeit vor. Die Musik wurde leiser und leiser, wir langsamer und langsamer, bis wir zum Stillstand kamen. Eine leichte Verbeugung, ein leichter Knicks.
Zwei Lächeln, nicht auf den Lippen, sondern in den Augen tragend. Erneut erklang Musik stimmte den nächsten Tanz ein. Das sanfte, aber mächtige Streichen einer Geige.
Wir sahen einander an, um uns herum begannen die Paare erneut zu tanzen, wir mitten im Geschehen, rührten uns jedoch keinen Millimeter weit.
„Ich... Ich sollte gehen." räusperte sich Cedric. „Cho wartet bestimmt schon auf mich."
Am liebsten hätte ich ihn nicht gehen lassen, hätte noch einmal mit ihm getanzt und dann noch ein weiteres Mal und danach noch einmal. Solange, bis die Musik schon lange verstummt gewesen wäre und McGonagall oder Snape uns schlussendlich in unsere Schlafsäle gescheucht hätte. Aber nichts von alldem tat ich, stattdessen nickte ich zaghaft.
„Danke für den Tanz, Alicia." Er machte einen halben Schritt rückwärts, hielt aber mitten in seiner Umdrehung inne. Sein Oberkörper schob sich plötzlich in meine Richtung. Cedric beugte sich zu mir und drückte mir einen Kuss auf die Wange. „Du siehst phänomentastisch aus." flüsterte er.
Das Blut schoss mir so rasant wie noch nie zuvor in die Wangen und wie angewurzelt stand ich da und starrte ihn an, meine Augen auf die Größe eines Apfels angeschwollen. Er schenkte mir noch einen kurzen Blick, ein leichtes Funkeln lag ich seinem Grau, genauso wie zuvor, ehe er sich langsam umdrehte und davonschritt.
„Ulala, kleines Hexchen." Die Weasley Zwillinge waren links und rechts von mir getreten, ohne dass ich es bemerkt hatte, harkten sich jeweils links und rechts von mir ein.
„Darf ich vorstellen, Fred?"
„Wen denn, George?"
„Die begehrteste Junggesellin Hogwarts'"
„Sehet her, sehet her."
Die beiden wippten mit den Augenbrauen und grinsten von einer Backe zur anderen.
„Psssscht! Lasst das!" meinte ich peinlich berührt und spürte, wie meine Wangen eine noch dunklere Farbe annahmen.
Gemeinsam mit den Zwillingen blieb ich noch eine ganze Weile auf dem Ball. Und wer hatte das gedacht... Am Ende des Abends hatte ich drei Tänze gehabt. Drei Tänze, die nicht unterschiedlicher hätten sein können. Obwohl der Tanz mit den Zwillingen eher improvisiert war und wir irgendwann von McGonagall von der Tanzfläche gescheucht worden waren, weil wir anscheinend zu viel Platz beanspruchten und die anderen Paare stören würden.
Einige Zeit lang hatten wir einfach an einer anderen Stelle weitergetanzt, ehe wir uns Drinks holten und nicht sehr viel später in unsere Schlafsäle gekehrt waren. Weder Daphne noch Montague oder einen der anderen traf ich an dem restlichen Abend noch. Dafür begegnete ich ein weiteres Mal Malfoy und ein eigenartiges Gefühl überkam mich, als sich unsere Blicke begegneten. Etwas, das ich zuvor noch nicht gefühlt hatte. Irgendetwas war anders.
Doch alles im Einem war es ein schöner Abend gewesen, voller Höhen und Tiefen. Und voller Magie. Mehr als einer.
Zum Abschluss dieses Kapitels gibt es ein kleines „Special" - ein selbstgebasteltes Bild:
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