Kapitel 5-Erinnerungen

Über eine Woche war bereits vergangen und langsam hielt ich es hier drinnen nicht mehr aus. Ich konnte immer noch nur mit Mühe sprechen, geschweige denn mich bewegen. Ich hatte einmal ausprobiert mich aufzustellen, war aber kläglich gescheitert und hatte mir nebenbei auch noch ein paar wichtige Kabel ausgerissen. Hätte Tenshi mich nicht nach kurzer Zeit gefunden, dann hätte ich wahrscheinlich schlimmeres, als nur Schmerzen gehabt. Es war mir unangenehm so sehr auf ihre Hilfe angewiesen zu sein, aber andererseits war ich auch froh darüber, nicht wie sonst auch immer auf mich allein gestellt zu sein. Sie war wohl sowas, wie meine persönliche Krankenschwester, denn sie war die einzige, die kam um nach mir zu sehen. Am Anfang fand ich sie nervig und hatte ihr nicht vertraut, aber mit der Zeit hatten wir uns langsam angefreundet. Vom Charakter her war sie eigentlich das genaue Gegenteil von mir. Lebhaft und Extrovertiert. Wahrscheinlich fanszinierte mich das an ihr. Versteht das bitte nicht falsch, ich war nicht verliebt in sie oder sowas. Ich vertraute ihr einfach.

Anders war es bei der älteren Frau, die ich bei meinem ersten Erwachen gesehen hatte. Ihr Name war Rin Suzuki und sie war hier sowas wie der Boss. Sie war die einzige, die außer Tenshi ab und zu, mal bei mir auftauchte. Sie nahm sich nie viel Zeit für mich und meinte nur, dass sie noch viele andere Dinge zu erledigen hatte. Ich traute ihr nicht wirklich und fand auch ihr Verhalten ziemlich merkwürdig. Naja, es ist zwar sicher schwer ein Krankenhaus zu leiten, aber es wirkte für mich nicht so, als wäre hier viel Betrieb. Ich hatte ein Einzelzimmer und sah und hörte nie jemand anderen, außer die Ärzte. Meine Gedanken schweiften wieder ab zu meiner Familie. Sie hatten mich noch nicht einmal hier besucht und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie es auch nicht mehr tun würden. Natürlich wusste ich, dass sie viele andere Probleme hatten und ich nicht unbedingt ihr Lieblingskind war, aber mir hätten ja auch schon 5 Minuten gereicht. Andererseits hatte ich es auch nur so erwartet.

Meine Mutter durfte die Klinik, aufgrund ihrer mentalen Instabilität, noch nicht verlassen. Meine Geschwister waren zu jung, um mich alleine zu besuchen. Und mein Vater? Tja, was hatte ich denn erwartet? Dass er mit verheultem Gesicht hier auftaucht und sich für alles, was er uns angetan hat entschuldigt? Wohl eher nicht. Auch wenn ich mir tief im Inneren genau das erhofft hatte. Eine Entschuldigung. Mein Gedächtnisverlust war längst nicht mehr so stark wie Anfangs und ich konnte mich wieder fast an alles, aus meiner Vergangenheit, erinnern. Natürlich waren es nicht nur schechte Erinnerungen. Es waren auch viele schöne, an die ich mich gern erinnerte, dabei. Wie ich mit vier Jahren meinen Quirk erweckte oder wie Natsuo, Fuyumi und ich jeden Abend an unserem Lieblingsort, einem kleinen Hügel in der Nähe unseres Hauses, gesessen und den Sonnenuntergang beobachtet haben. Ich wünschte mir diese Zeiten zurück.

Ich hatte zwar schon damals Probleme mit meinem Quirk und deswegen auch mit meinem Vater gehabt, aber irgendwie fand ich es nicht ganz so schlimm, wie später. Vielleicht lag es an Shotos Geburt, weswegen ich von meinen Eltern schließlich komplett ignoriert wurde, dass ich mich mit der Zeit immer schlechter fühlte. Ich entwickelte einen regelrechten Selbsthass und redete mir ein, dass das alles meine Schuld wäre. Wenn ich nur mein Feuer ordentlich kontrollieren könnte, wäre mein Vater sicher nie so geworden. Wenn ich jetzt so darüber nachdachte, dann war ein Selbstmordversuch gar nicht mehr so abwägig.

"Toya, es gibt Frühstück", holte mich eine bekannte Stimme aus meinen Gedanken. Ich blickte zur Tür und erkannte Tenshi mit einem Tablett. Ich schaute wieder zur Uhr an der Wand. Gott, diese Frau hatte wohl die Gabe, immer pünktlich auf die Minute zu erscheinen. Wie sehr ich mir doch endlich eine Veränderung wünschte. Das genau dieser Wunsch bald in Erfüllung gehen würde, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

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