Kapitel 3-Flashback

*Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch lief ich den Weg hinauf bis zum Sekoto Peak, wo mein Vater und ich früher immer gemeinsam traniert hatten. Naja, bis ich ihm nicht mehr gut genug war und sein Meisterwerk Shoto geboren wurde. Ich hatte mir diesen Plan hier schon lange zurechtgelegt. Ich wollte es schon oft tun, aber irgendwas hatte mich immer davon abgehalten. Bei dem Gedanken lief mir ein Schauer über den Rücken. Nein! Ich durfte jetzt nicht schwach werden. Ich musste es jetzt tun, redete ich mir immer wieder ein. Wenn ich jetzt aufgab, dann würde ich es wahrscheinlich nie tun und ich wollte, dass es endlich vorbei war.

Mein Leben hatte schon lange keinen Sinn mehr und ein Ziel, dass ich erreichen wollte hatte ich sowieso nicht mehr. Ich lebte einfach nur, um jeden beschissenen Tag hinter mich zu bringen. Früher wollte ich unbedingt der stärkste Held von allen werden und jeden noch so starken Schurken besiegen. Jetzt war ich mir nicht mal mehr so sicher, was genau der Unterschied war. Mein Vater war schließlich das beste Beispiel dafür. Wenn jemand der seine Frau und seine eigenen Kinder misshandelte, sich als Held betiteln darf, was ist dann der große Unterschied zwischen diesen zwei Schichten? Diese Frage hatte ich mir schon viel zu oft gestellt. Die Gesellschaft interessierte sich natürlich nicht für sowas. Hauptsache sie wurden gerettet und mussten nicht selbst ihren Arsch bewegen. Die Opfer die dafür erbracht wurden interessierten keinen. Es war schon witzig, wie naiv und leichtgläubig die Menschen geworden waren. Vielleicht würde meine Geschichte ja irgendwie an die Öffentlichkeit gelangen und die Gesellschaft weingstens ein bisschen zum nachdenken bringen. Ich hoffte es wirklich sehr.

Ich drehte mich kurz um und blickte den Weg nach unten zu unserem Haus. Erinnerungen schossen mir durch den Kopf. Das Gesicht meiner Mutter kam mir in den Sinn und ich spürte wie mir eine Träne die Wange hinablief. Wir alle hatten sie schon seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gesehen. Genau genommen seit mein Vater sie nach dem Vorfall mit Shoto, vor ungefähr zwei Monaten, in die Klinik gesteckt hat. Die Ärzte hatten nur immer wieder gesagt, dass sie jetzt erstmal Zeit für sich bräuchte und sie sich melden würden, sobald sich etwas an ihrem Zustand ändert. Schade, ich hätte ihr gerne "Auf Wiedersehen" gesagt.

Da Mum jetzt nicht mehr da war und ich der älteste Sohn war, wäre es eigentlich meine Pflicht gewesen mich um alle zu kümmern. Stattdessen übernahm Fuyumi diese Aufgabe. Sie war schon immer ein Optimist gewesen und wollte immer jedem Menschen helfen. Selbst jemandem wie mir, der schon längst nicht mehr zu retten war. Wäre sie nicht hier, dann wäre der Rest unserer Familie schon längst ausseinander gebrochen. Das war auch der Grund, warum ich so lange mit diesem Vorhaben gewartet hatte. Ich wollte ihnen keinen unnötigen Schmerz zufügen und wollte auch nicht, dass womöglich noch das Band zwischen meinen Geschwistern reist. Also hatte ich mir jeden Tag dieses falsche Lächeln aufgesetzt und mich hinter den Worten "Es geht mir gut" versteckt. Aber damit war jetzt endgültig Schluss. Ich konnte es einfach nicht mehr ertragen, dass mein eigener Vater mir nicht mehr in die Augen schauen konnte und mich so behandelte, als hätte ich keinen Wert mehr. Wie ein Spielzeug mit dem er nicht mehr spielen wollte. Man könnte meinen, dass ich mich mit der Zeit daran gewöhnt haben müsste, aber es versetzte mir noch immer Stiche, in das eh schon zerbrochene Herz. Mein Vater und ich hatten uns früher immer super miteinander verstanden, denn er war nicht immer so kalt und herzlos gewesen. Ich hätte alles dafür gegeben, dass er wieder so wie in alten Zeiten wird. Allerdings hatte ich diese Hoffnung schon vor langer Zeit aufgegeben. Es war dumm an sowas zu glauben. Nichts weiter.

Mittlerweile stand ich vor der Tür des Trainingsraumes. Das mulmige Gefühl vom Anfang war verschwunden. Stattdessen hatte sich eine gähnende Leere in meinem Körper ausgebreitet. Es war mir schlichtweg egal geworden, was mit mir passierte. Ein letztes mal drehte ich mich um und rief mir alle Erinnerungen ins Gedächtnis. Die Guten wie die Schlechten. Ich atmete tief durch, dann drehte ich mich um und öffnete langsam die Tür.*

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